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1. MW W ÄWM?MtN mi> Wigll üir. lki, MW, A. «rz M. Dortletz»», «i» de» Hanvtblntt.) * P«fe«. 29. Marz. Die Regelung de« polnischen Sprachunterricht« ist, nachdem eine Anordnuim de« KreiSschul-Jospeclorl Schwalbe aus Weisung de« Cultus- miuister- einstweilen sistrrt worben ist, noch nicht erfolgt. Inzwischen finden durch die SchulrLthe der Regierungen in Pose» und Bromberg weitere Ermittlungen über dir Angelegenheit statt, die von der polnischen Presse natürlich siir national-polnische Zwecke auSgebeulct werden. So Hai sich Schulrath Klewe jüngst in Gnesen ausgehalten und dort tcn au den städtischen Volksschulen eitzgerichteten Privat unterricht in polnischer Sprache inspicirt. Der „Dzien. PoSo." berichtet nun, der Schulrath habe erklärt, daß, wenn der polnische Unterricht überall so ertheilt werde wie in Gnesen, seiner Einführung in den schulplanmäßigen Unter richt nicht- cntgegenslehe. Es bedarf nicht erst der Ver sicherung, daß eine derartige Erklärung nicht gegeben worden ist. Die Wiederaufnahme de« Polnischen als Untcrrichts- gegensland in den Lehrplan der Volksschulen ist niemals ,n Frage gekommen. * Vrailnschwet«, L8. März. InHelner gestern hier im „Hof. jäger" abgeyaltenen, von etwa 4000 Personen besuchten social, demokratischen Versammlung kielt dcr ReichStagSabgeordnete ilner in einem Vorträge über die Taktik seiner Partei auch scharfe Abrechnung mit den Unabhängigen. WaS Herr Auer hierbei über di« Massenstreiks vorbrachte, ist für weitere Kreist von Interesse. Er führte au- (siehe auch die Corresvondenz unsere- Berliner lH-Mit- orbeilerS. Red.): „Leider fehlt heutzutage die Möglichkeit, die Streik- absolut wirkungsvoll durchzusiidren. Was wollen die Genossen nun gar mit eine,» Generalstreik!? Ei» solcher bedeutet nichts weiter, als das Aufhören aller Arbeit, er setzt eine Solidarität der gonzen arbeitenden Bevölkerung voraus, die, wenn sie vorhanden wäre, die Arbeiter zu ganz anderen Thaten beseelen würde, al- zu einem Generalstreik. Wir würden ja Alle, und gerade die Arbeiter, verhungern. Aber wir wollen doch nicht verhungern! General- streik ist einfach Generalblödsiun, den nur Derjenige aus- sprechen kann, der nicht weiß, was er sagt." Ueber die Feier Le ersten Mai verbreitete sich der Redner etwa in folgender Weise: „Der Gedanke einer solchen Feier sei schön und erhebend. Die Er- wägung aber, Laß die Partei heute noch nicht stark genug sei, den Gegnern einen solchen Weltfeiertag auszuzwingen, habe indessen zu dem zwar angefochtenen, aber doch ganz gerechtfertigten Beschluß geführt, die Arbeitsruhe am 1. Mai nicht unter allen Umständen aufrecht zu erhalten." Zwei von „Unabhängigen" unternommene Versuche, Auer entgegenzurreten, scheiterten an der Stimmung der Versammlung. die in einer schließlich angenommenen Resolution die aus dem Erfurter Parteitage beschlossene Taktik al- die einzig richtige erklärte. * vochum, 29. März. Dem ReichStagSabgeodneten FuSangel ist dieser Tage folgende- Schreiben zugegangen: Gelsenktrchen, 25. März 1893. Herrn Reich-tag-abgeordneten Joh. FuSangel Wohlgeboren zu Bochum. In der heutigen Torrsereuz der Präsides der christlich, socialen Arbeitervereine wurde unter anderen folgender Beschluß gefaßt: „Die heute versammelten Präsides der christlich-socialen Arbeiter- vereine sprechen Ihnen, Herr ReichStagsabgeordneter, NamenS der ihnen unterstellten Vereine, den besten Glückwunsch zu der Sauerländer Wahl auS und hoffen zuversichtlich, daß Sie, wie dieses auch früher immer geschehen ist, jetzt erst recht an geeigneter Stell« für die Sache der Arbeiterwelt eimreten werden. Sie sind vom Bolle an den Platz gestellt, der Ihnen von Gott und Recht- wegen zukomint, und deshalb geloben wir, wo eS auch sein möge, für Sie einzutreten und an Ihnen sestzubalten, waS auch kommen möge. Nehmen Sie, Herr ReichStagsabgeordneter, unsere schlichten, aber ausrichtig und wahr gemeinten Worte mit freundlichem Herzen auf und seien Cie ferner versichert, daß die ganze Ardeiterwelt Ihr Thun vollständig billigt und mit Stolz und Freude auf Sie sieht und aus Sie baut. Mit vorzüglicher Hochachtung Die Präsides der christlich.socialen Arbeitervereine. * Vattza» 29. März. Sechs Abgeordnete brachten im gemeinschaftlichen Landtage einen Antrag auf größere Siche rung de« Wahlgeheimnisses ein. * Ttutt»«rt, 29. März. Der „Beobachter" meldet in Bezug auf die vom „Figaro" mitgetheilte Verhaftung eine« angeblichen deutschen Spion-, daß ein geborener Wurttem- berger NamenS Kurtz, ehemaliger Roßarzt in Rouen, am >8. März wegen Verdachts der Svionage verhaftet, nach 8 Tagen zwar als völlig unschuldig entlassen, aber auSgcwiesen wurde. * München, 29. Marz. Die heute hier abgcbaltene gemeinsame Besprechung von Delegirten der LandeS- ausschüsse der nationalliberalcn und der deutsch- freisinnigen Partei au« Bayern rechts de« Rheins über rin Zusammengehen bei den bevorstehenden Landtag-- wählen führte zu einer erfreulichen Einigung, wel-be zu der Hoffnung berechtigt, daß bei den bevorstehenden Landtags- Wahlen nicht nur der liberal« Besitzstand gewahrt, sondern voraussichtlich noch vermehrt werden wird. — Der bayerislbe Eisenbabnrath ersuchte dir Regierung mit allen gegen eine Stimme, aus die Beseitigung der norddeutschen Stafsrltartfe für Getreide und Mühlenfadrikate hin zuwirken. 1Oeftrrretch'U»aar». * Vte«, Sv. Mär». Nach einer osficiellen Meldung vom Bord der .Kaiserin Elisabeth" schifften sich die Erzherzöge Franz Ferdinand und Leopold Ferdinand deute Morgen in Diamond-Harbour nach Penang und Singaporr ei». — Die heutige „Neue Freie Presse" schreibt in einer Be- prechuog de- Artikels der „Norddeutschen Allge- meinen Zeitung", indem das Berliner officiösr Blatt einen einzelnen Theil verallgemeinere, gehe es entschieden weiter, al« die« durch die Thalsachen gerechtfertigt zu sein cheine. * Lemberg, 30. März. Die hiesigen Bankbeamten Wilu«z und Reiner wurden, aus einer Reise begriffen in Radziwilow von der russischen Behörde als politisch verdächtig, verhaftet. * vrünn,30.März. Nachdem dieMchrzablder Schneider- Gehilfen das Angebot der Meister angenommen hat, ist der streik als beendet zu betrachten. 8ra«kretch. * Part«, 30. März. (Telegramm.) Der Ministerratb beschäftigte sich heute mit der Budgetfrage und dem Anträge Lockroy'S, nach welchem unter Wahrung der Rechte der Kammer bezüglich der Finanzgcscygebung da- von der Kammer angenommene Budget in Bausch und Bogen an den Senat zurückgcwicsen werde. Möglich ist, daß da- Cabinet in der heutigen Sitzung dcr Kammer bei Berathung dieses Antrags veranlaßt werken wirk, die Vcrtrauen-srage zu stellen. ES wird dies vom Verlaufe der Berathung abhängen. Schweiz. * Bern» S0. März. Die außerordentliche Session der Bundesversammlung ist heute geschloffen worden; der nächste Zusammentritt derselben erfolgt Anfang Juni. Italic». ?. 6. Wie man uns aus Rom meldet, wird die Ankunft des Erzherzogs Rainer in der italienischen Hauptstadt für den 20. oder 2l. April erwartet. Zur Begrüßung des Erz- berzogS werden sich auf dem Bahnhöfe Se. Majestät König Hum derl mit allen Prinzen de- königlichen Hauses, ferner kaS gcsammlc Personal der österreichisch-ungarischen Botschaft und hohe militairische Würdenträger einsiiiben. Der Erz herzog wird im Palais der österreichisch-ungarischen Botschaft Absteigequartier nehmen. — Des Weiteren meldet man uns von dort, daß die italienische Kammer, die sich bekanntlich bis zum 10. April vertagt hat, sich im Hinblick auf die Festlichkeiten anläßlich der silbernen Hochzeit deS KönigSpaarcS am l9. April neuerdings, und zwar bis zum 2. Mai vertagen wird. Die „Risorma" er fährt auS Konstantinopel, daß die Gemahlin eines an gesehenen Mitglieds dcr italienischen Botschaft aus dcr Straße durch türkische Soldaten thätlich beleidigt wurde und daß dcr Botschafter seine Urlaubsreife aufgeschoben habe, um den Erfolg seiner Forderung, einer strengen Bestrafung der Schuldigen, zu sichern. Vrokbritannie». * London, 30. März. (Telegramm.) Den Arbeitern in den Schisssbauwerften zu Tyna, Wcar und TenS wurde eine sünfprocentigc Lohnreduction angekündigt wegen vollständigen DarniederliegeuS der Geschäfte. Rußland. * Petersburg, 30. März. Nach amtlicher Mittheilung ist dem ReichSralhc ein Gesetzentwurf, betreffend die Hast slicht dcr Fabrikbesitzer bei Verstümmelungen oder ödlung ihrer Arbeiter anläßlich von UnglückSsällen, zugc- gangen. — Zur Errichtung einer orthodoxen Kathedrale in Warschau ist mit kaiserlicher Genehmigung ein Ausruf zur Sammlung freiwilliger Beiträge erlafscn worden. Orte»t. * Wien, SO. März. (Telegramm.) Eine Zuschrift der „Politischen Correspondenz" auS Belgrad versichert, daß voraussichtlich weder eine Störung deS regelmäßigen Ganges der StaatSgeschästr noch ein Regierungs wechsel eiolreten werde, falls die Opposition durch ihr Fernbleiben in der Skupschtina Veschlußunfähiakeit herbei- ührro werde. E« würde die« nur eine Hinausschiebung der ersten constikuirenden Sitzung ohne weitere Folgen bedeuten, da da- serbische Wahlgesetz und die Hausordnung Hand haben bieten, um den von der Sitzung Fernbleidenden un angenehme Uedrrraschungen zu bereiten. * Eofto, SO. März. (Telegramm.) Der deutsche diplomatische Agent von BoiglS-Rheetz legte Protest gegen die erfolgte Verurtheiluna Gcorgow'S zum Tobe rin, da Deutschland in Gcorgow'S Auslieferung nur unter der Bedingung cinwilligtc, daß dem Betreffenden kein politischer Proccß gemacht werde. Der Ministerralh wird morgen die Angelegenbeil beralhco und voraussichtlich durch Cassirung de- ersten Unheils eine nochmalige gerichtliche Verhandlung beschließen unter Ausschluß dcr politischen Motive. — Die Krankheit de- Fürsten Ferdinand ist jetzt in ein solche« Stadium getreten, daß die baldige Genesung mit Sicherheit erwartet werden kann. Ob sie dauernde Folgen zurücklafscn wird, muß sich erst zeigen, ihre nächste wahrscheinliche Folge dürste die Hinausschiebung deS Termine- für die Hochzeit sein. Jetzt kann eS auch ausgesprochen werden, daß der Fürst durch die noch rechtzeitige Bcrusung eines Fachmannes einer sehr ernsten Gesabr entronnen ist. Im Lande hat sich viel Thcilnahme geäußert, wie denn auch die Vorbereitungen für einen triumphalen Empfang deS Neuvermählten Paares deutlich beweisen, daß das Volk über die Verfassungsänderung, welche doch nur den Zweck hat, dem Fürsten die Heirath zu ermöglichen, nicht un gehalten ist. Die Stadl Sofia hat, wie bekannt, einen Credit von lVO 000 FrcS. für den Empfang bewilligt. Nun bildet sich, zunächst hier, ein DamenconiitS, welches im ganzen Lande Spenden zum Ankäufe eines Nationalgeschenkes an die Ge mahlin des Fürsten sammeln will. Aehnliche ComitäS werden in allen Städten entstehen. ES unterliegt keinem Zweifel — der Empfang deS Fürsten Ferdinand bei seiner letzten Rück kehr bewies eS aus das Deutlichste —, daß das Volk sich über die bevorsicbende Vermählung wie über einen eigenen Erfolg freut und darüber den kleinen Stachel des GlaudenSunler- schiedc« nicht fühlt. k 6. In Ergänzung unserer Meldung über den Plan, in der türkischen Hauptstadt eine permanente Landes ausstellung zu eröffnen, gehen uns aus Konstantinopel die folgenden Mittheilungen zu: DaS erste Ersorderniß für den Ausstellungsbau soll durch einen kleinen Ausschlag aus die Fahrpreise dcr orientalischen Bahnen, der anatolischen Bahnen, dcr dem Marineminlsterium unterstebendenLchiffsahrtS-Gesell- schaft „Massuse" und der BoSporus-Gesellschast „Schirket-i- Hairie" aufgebracht werden. Daraufbezügliche Vereinbarungen mit den Direktionen der genannten Gesellschaften sind bereits abgeschlossen und trat der Ausschlag der Fahrpreise, welcher derart geregelt ist, daß er dem Publicum nicht empfindlich sein wird, auch in Kraft. Für die Ausbringung weiterer Mittel liegen verschiedene Projecte vor. In den maßgebenden Kreisen ist jedoch die Meinung vorherrschend, daß man für die Geldbeschaffung durch eine kleine Anleihe wird sorgen müssen. Jedenfalls ist aber schon jetzt durch den FabrprciS- Ausschlag der erste Schritt zur Verwirklichung gcthan, und man glaubt, daß die geplante Landesausstellung jedenfalls zu Stande kommen werde. Amerika. * London, 30. März. (Telegramm.) Nack einerNew- ssiorker Drahtmeldung besagen die neuesten Nachrichten au« Hawaii: Sollte Clcveland eine Einmischung in die An gelegenheiten der Insel adlehnen, so beabsichtige daS Hawaiische Cabinet, an Großbritannien zu appelliren. Sollte eine neue Revolution auSbrechen, so werde eine Einmischung Japans erwartet. * Rrw-Pork, 30. März. (Telegramm.) Im Zustande Ottcnborfer'S, deS Herausgebers der New Aorker StaatS- zeilung, ist eine überraschende Wendung zum Bessern ein- getreten. * Rew-Pork, 30. März. (Telegramm.) Der „New- Aork Hcrald" bringt einander widersprechende Meldungen auS Valparaiso über die Lage in Rio Grande do Sul. Dcr Herald-Correspondent in ArtigaS berichtet, die Insurgenten zählen 20 000 Mann und bedürfen nur noch dcr entsprechenden Ausrüstung, um die RegicrungStruppen z» vernichten. Eine starke Abthcilung dcr Jnlurgcntcn bade sich in Alcgrede verschanzt, welches zur OperationSbasiS ge macht sei. Nach eine» anderen Meldung soll der Be fehlshaber der ReaierungStruppcn General TclloS in Uru guay eingetroffen sein, um die Bewohner der Grcnrorte wegen der Unterstützung der Insurgenten zu bestrafen. Dar nach erschein« ein Conflict zwischen Brasilien und Uruguay unvermeidlich. — DaS brasilianische Kanonenboot „AlaboaS" sei vor Asuncion eingetroffen und könne unverzüglich da« Bombardement o«r Stadl beginnen. Afrika. * Nach einem vor Kurzem vom Secretair der geographischen Gesellschaft zu London. Scott Keltie, herauSqegedenen Werke „The Partition os Asrica" besaßen die europäischen Mächte und die Boerrnrepublik vor etwa zehn Jahren 2>/, Millionen von Afrika« lN/, Millionen englische Ouadratmeileu. Gegenwärtig sind davon nur noch 2 Mill. Ouadratmeileu nickt in deren Besitz. Frankreich besitzt den Löwcnantbcil, etwa- über 3 Mill. Ouadratmeilen, England hat jetzt 2>/e Mill., Deutschland 1 Mill., Portugal 900 000, Italien 600 000 und Spanien 250 000 Ouadratmeilen. Die ruchtbarsten Gegenden haben die Portugiesen. Hier finden ich zahlreiche Flüsse, und der Boden kann verschiedensten Zwecken nutzbar gemacht werden. DaS Klima ist günstig. WaS von Deutschland in Besitz genommen worden ist, liegt ast alle- in den Tropen. Große Strecken davon bestehen auS Wüsten. Nach Keltie'« Behauptung eignet sich eigentlich nur Mashonaland zur europäischen Colonisation. Besitzer dieses Lande« ist England. Der eigentliche Wettkamvs der europäischen Mächte um den afrikanischen Lanobcsitz begann erst, nachdem Stanley den großen Wasserweg in- Innere Afrikas entdeckt hatte. Australie«. * London, 30. März. (Telegramm.) Au» Adelaide wird gemeldet, daß der Finanzminister die Befürchtung hegt, der Status werde am 30. Juni ein Deficit von 50000 Pfund ausweisen. — Die Wahlkampagne in Adelaide verläuft ohne besondere Erregnng. Die Regierung-Politik, so wird von dort berichtet, entbehre dcr originalen GesicktS- puncte und ist der Ansicht, daß die Prosperität am besten durch Stabilität in der Besteuerung und der Verwaltung gefördert werden könne. Die Colonie brauche nur Ruhe, um da« Gleichgewicht dcr Finanzen wiederherzustellen. - —>> ——— Sitzung der Gewerbekammer. Vorläufiger Bericht. -g- Leipzig, 30. Mörz. Heute Nachmittag 5 Uhr fand ein« Plenarsitzung der Gewerbekammer unter dem Vorsitz des Herrn SchlosscrodermeisterS Oehler statt. Boa der Kammer war ein Gutachten über Abänderung oder Aufhebung de-Regulativ» für die Bucker verlangt worden. NamenS des betreffenden Ausschüsse« bc- richtete Herr klempnerobermeisler Wilhelmy über die Angelegenheit und schlug die Aushebung diese» Regulativ« vor. Nachdem Herr Böhme in dem gleichen Sinne zur Sache gesprochen halte, wurde der Ausschußantrog einstimmig zum Beschluß erhoben. Sodann wurde, gleichfalls durch Herrn Wilyelmq, «in« Eingabe der Polytechnischen Gejellschast, die Erweiterung der Räume für die Dauernde Gewerbeaussteliung betreffend, zum Bortrag ge- bracht. Tie Ausstellung hat eine» steigenden Erfolg gehabt, die Zahl ihrer Besucher ist bedeutend gewachten. Für gewisse Zweige, insbesondere sürMaschinen, setzten indessen Räumlichkeiten, es ist deshalb der Plan ins Auge gefaßt worden, das Gebäude, in dem sich jetzt die Dauernde GewerbeaussteUung befindet, abzubrechen und ein neues, größeres, gefälligere» an seine Stelle zu setzen. Die Antwort der Kammer enotgt n» zustimmenden Sinne. Ueber die Eingabe de« HauSbesitzervereiuS, betreffend die Peru- niäre Unterstützung seiner Bestrebungen zur Hebung deS Meß- Verkehres, erstattete Herr Schorn>teinsegerobermeister Zehn da» Referat. Nach kurzem, sich daran anschließendem Meinungsaustausche bewilligte die Kammer zu gedachtem Zweck aus ihren Mitteln 100 Es soll daran der Wunsch geknüpft werden, der genannte Verein inüge im Interesse der Hebung der Leipziger Messen dahin wirken, daß in den Hotels die sogenannten „Mcßpreise" gänzlich in Wegfall kommen. Aus der Gewerbekammer ist Herr Inbinper ausgetreten, weil er i» Folge einer Zuschrift de« Rathcs von jetzt an Beiträge zur Handelskammer in seiner Eigenschaft als Schuhwaarcii- >abrisant zu zablen hat. Der Vorsitzende erstattete hierzu selbst den Bericht und erklärte es als bedauerlich, daß in Folge der bc- deutenden Vergrößerung ihrer Geschäfte und insofern der dadurch bedingten Heranziehung zur Handelskammer viele be deutende Kräfte dem Gcwerbeslande entzogen würden. Tein Vorschläge, ans dkr Mitte der Kleinkausleute ein Mitglied in die Kammer zu wählen, kann schon deshalb keine Folge gegeben werden, weil dieselben zumeist in das Handelsregister eingetragen sind. Nach kurzer Debatte beschloß das Collegium, es dem be treffenden Ausschuß zu überlassen, a» Stelle des Herrn Jndinger ei» Mitglied in die Kammer z» wählen. Hieraus wurde die Versammlung vom Vorsitzenden geschloffen. F««»lletsn. Die Thal der Zukunft. Bou B. Lrbich. Nachdruck Verbote». Nickt mehr und nicht weniger: starr that Geheimrath Fabri seine Pflicht; ohne zu wanken, erklomm er Stufe auf Stufe und halte im Alter von etwa fünfzig Jahren einen höheren Posten im Ministerium inne. Zweifellos war er ein verläßlicher Beamter. WaS er übernabm, führte er sorg lich au« und da fehlte kein Tüpfelchen. Zwar ging ihm die Fähigkeit der Initiative nicht ab; gestützt auf langjährige Erfahrung hätte er zuweilen einen Wink geben, einen guten Rath ertheilen können, wo solche dringend von Nöthen waren. Er aber öffnete nicht seine Lippen, die fest aneinander schloffen, und sein ernste-, blaffe« Oval verrietb durch keinen Zug, sei eS der Erregung, de» Stolze« oder leisen SpotlcS, daß etwa- Besondere« in ihm vorgche. Weshalb er schwieg, wo eS doch auch Pflicht gewesen wäre, zu reden? AuS stachelndem Gefühl deS Ehrgeize«, so wunderlich e« klingen mag — au- Starrsinn, und zwar war eS der Starr sinn de» Manne«, der zu Hervorragendem sich berufen fühlt, der seinen Besitz nicht in kleiner Münze verzetteln will und wägend, beobachtend seine Zeit abwarlet. Daß er einmal, Allen überraschend, etwa« Ungemeines leisten, eine große That verrichten werde, stand seit Kindesbeinen an unverbrüchlich fest vor seiner Seele. Diese ZukunsiStbat war seine fixe Idee, deren Erfüllung er für zweifellos hielt, seine heimliche Liebe, an die er sich in den langen Jabren wie an eine treue Ehegenossin gewöhnt, sein holder Wahnsinn, der lieblich vor ihm sich spiegelte, wie von den Flutben belebt da- Bild einer Landschaft im dunkel schwankenden Wasser. In der Thal war diese Idee, diese« Phantom, da» sich traulich an ibn scbmicgte, seine Gefährtin, mit welcher einsam er sein häusliche- Leben führte. Und doch, so lieb er sie auch begte, batte er ihr Antlitz nie gesehen. Gleich Wolken, die sich gestalten und zerflaltern und wieder immer neu, immer seltsam, wallend erstehen, schwankte gestaltet die Tbat der Zukunft vor seinen Augen, nabte ihm, gewandelt umhalste sie ibn, halb zerfloß sie, schuf sich von Neuem, winkte von fern und wogte nah und näher. So hatte der ernste Man», den mau nie lachen, kaum lächeln gesehen, ein Liebchen, eine Genossin, die er nicht kannte, di« nicht einmal eine Existenz batte oder, wenn sie dennoch um ihn war, wie eine Idee, die sich nur ahnen läßt, gleich sam in der Luft schwebte. Welche Tbat, die den Menschen Heil bringt und ihren Schöpfer preist, soll er ersinnen und auSführrn? Wann wird nach so langer Zeit brütenden Harren», laubcnsvollcr Sebnsuckt dcr Augenblick erscheinen, der seinem isberigen einförmigen Leben die stolze Richtung giebt, nach welcher er tdatcnloS auSgeschaut, so lange er denken konnte'? Im amtlichen Leben immer nur die Pflicht — majestätisch düster, feierlich getragen, im Gleichschritt wie bei einem cercmoniellen Lcichenzuge. Steigt ein Gefühl in Dir aus. flugS dränge eS zurück — hier haben alle die gleiche Miene, die Gesichter sind uniformirt wie die Kleider. Im traulichen Heim aber wird die Uniform abgelegt, die Liebste schleicht heran und lispelt verheißende Worte.. . . Seltsam war eS, wie der bedächtige Mann, den kein störender Zwischenfall, und käme er noch so plötzlich, auS dcr Fassung brachte, dcr zu allen Zeiten der kalte Vorgesetzte blieb, völlig verwandelt schien, wenn er seine stille Bebausung betrat; verschwunden war die Amtsmiene, die Stirn glättete sich, aebeimnißvoll in Jugcndglanz funkelten die Augen und elastisch bob sich die sonst etwa« gebeugte Gestalt. Eines Abend- saß er an seinem Schreibtisch im Lebnstubl, den Kopf in die Hände gestützt, die Augen halb geschloffen, und pflog Zwiesprach mit seiner treuen Genossin. Die Vor hänge an den Fenstern waren herunter gelassen. Aus sein dunkle- Haar und den kurz gehaltenen Vollbart, der zu er grauen begann, fiel daS Licht der Hängelampe. In dem geräumigen Gemach herrschte solche Stille, daß die leisen Alhemzüge de« Sinnenden vernedmlich waren. Manchmal zog draußen der Wintrrwind vorüber und schlug an die Scheiben, daß sic klirrten. Wunderlich mochte eS sein, was Fabri heimlich sprach, wunderlich auch. WaS, unsichtbar zu ihm sich neigend, seine Genossin antwortete. Plötzlich hob sich sein Kopf, sehnsüchtig verlangend streckten die Arme sich vor. Tastete die Hobe an ihrem wolkigen Schleier und stand bereit, ihm ihr Antlitz zu enthüllen'? Soll ibm offenbar werden in diesem wonnesamen Augenblick. waS sein wird? Da, al« er schon zu berühren glaubte, wonach all sein Sinnen gestrebt, wird draußen hastig an der Klingel gerissen, daß er er schreckt zusammensäbrt, und mit Unwillen bemerkt, die bold ver beißende Erscheinung habe ibn verlassen. Zugleich fällt ibm ein, seine Haushälterin sei nicht daheim, er-felbst müsse daher öffnen. Dazu kann er sich nicht sogleich entschließen und biribt mürrisch sitzen in der Erwartung, der laute Gast werde noch einmal klingeln. Aber still bleibt e« wie zuvor, nur vorüber hastend, al- rufe er dem Säumigen, rüttelt ein Windstoß an den Fenstern. WaS kann da- ungewöhnlich heftige Klingeln bedeuten, dem beängstigende Ruh« folgt — zugleich da« jähe Verschwinden seine« Traumbildes in dem Augenblick, al- eS ibm Erfüllung winkt? Wie er jetzt aus- sprinat und binau« eilt, um zu öffnen, hat er die Empfindung die ihm den Athem benimmt; hinter der verschlossenen Thür darre dir That der Zukunft. » ^ » In der That hatte Fabri vergessen, eia Licht zu nehmen. Als er den Treppenflur betrat, der burch die kleine Lampe hoch oben nur wenig beleuchtet wurde, schweiften seine Augen im Halbdunkel; kaum vermochte er die gegenüber liegende Wand und einige Stufen zu unterscheiden. Kein Mensch war zu sebcn. Da schoß es ibm mit beklemmender Angst durch den Kopf, er müsse sich geirrt haben und durch diesen Jrrtbum sei seine Hobe Illusion zerstoben. Grollend wollte er sich zurückziehen, als sein Fuß an einen harten Gegenstand am Boden stieß. Jäh zuckle er zusammen, durch seine Glieder lies ein Frösteln und er fühlte, als er sich nun bückte und gierig den Gegenstand betastete, daß Blut heiß in seine Stirn sich ergoß, und eine Vorahnung von etwas W»»dersanie»i, dergleichen kaum je gescheben, turckbebte ihn. Weiter tastend umfing er mit klammernden Armen, als könne man ihm seinen Fund rauben, dessen Wesenbeit er nicht kannte, einen festgcflochtenen Korb. Er vermochte ibn nicht zu sebcn, da derselbe in einer Ecke stand, in welche das Licht keinen Schein warf. Empfindungen, halb dcr Wonne und halb der Angst, wie sie jetzt durch Fabri'« Seele wechselnd und sich durchdringend ogen, mögen den Erfinder durchströmen, der Jahre lang einem Ziele nachgestrebt und eS endlich erhascht zu haben glaubt; einer Secunde Ewigkeit, die erfüllt oder vernichtet, trennt ihn von seiner Hoffnung, erbebt sei» Lebe» rum Höchsten oder schmettert eS erbarmungslos in die Tiefe. WaS mag gebcimnißreich der Korb bergen? Sei eS Seligkeit, sei eS Grauen — er hebt ibn koch, trägt ihn klopfenden Herzens in sein Zimmer und stellt ibn auf den großen runden Tisch, gerade unter die Hängelampe. Es ist ein geflochtener kleiner Waschkorb, angesnllt mit Kiffen und grober Bettwäsche, die zur Hälfte mit einem Schleier verhüllt ist. Wie Fabri denselben berührt, muß er einen Augenblick inncdalten. um sich zu sammeln, damit er ün Stande sei, daS leichte Gewebe auszubebcn. Weich gebettet, in Windeln gebullt, welche auch die Arme umschließen, liegt vor ibm ein schlafendes Kind. Fabri steht über den Korb gebeugt und kann den Blick nickt wenden von dem kleinen Gesicht mit dem spärlichen Haar. Wie er unverwandt hinschau«, flimmert eS vor seinen Augen, die zierlichen Züge verschwimmen »nd ordnen sich wieder zu einem Antlitz von solcher Lieblichkeit, daß Freude da« Herz de» Mannes mächtig bewegt. Dabei ist ibm ru Mulb, als lebne unsichtbar und doch so lebensvoll, daß ihr Athem ibn wonnig berübrt, an seiner Schulter die herrliche Genossin, die all' die langen Jahre seine Einsamkeit beseelt, und spreche von dem Knaben im Korb — hold verbeißend klingen ibre Worte von freudiger Arbeit, von Werden unk Blüben und langsam reifender Frucht. Da umfängt er mit starken Armen die Unsichtbare, an die er geglaubt und die seinen Glauben erfüll», umpreßt den Korb und jubelt: „Ick halte die That dcr Zukunft!" * « * Die Tbat dcr Ankunft, die erflehte Kostbarkeit, welche endlich ihren glorreichen Einzug gehalten, brachte von vorn herein dem gastlichen Manne eine Stunde des Verdrusses. Als er bereit« so weit sich vorgewagt batte, die Stirn des Findlings zu berühren, wobei ihm zu Muthe war, als nehme er Besitz von seinem Eigcnthum, und schüchtern zu küssen, trat die alte Hausbälterin ein und in demselben Augenblick buschic zur andere» Tbür, waS er deutlich wahrnahm, wenn er eS auch nicht sebcn konnte, sein Genius hinaus. Vor ibm ruhte die Tbat der Zukunft, die er jetzt mit vollem Reckt als sein eigen betrachtete, und daneben stand fast drohend die banale Gegenwart, beugte sich dumm verwundert vor, riß die Augen aus und stemmte die Arme in die Seilen. „Hinaus mit dem Balg!" keifte sie. „Wenn ich mal auf eine balbe Stunde die auswärtigen Angelegenheiten besorge, gleich geht Alle« außer Rand und Band und der Leibhaftige fährt wie ein Donnerwetter daher." „Dcr Leibhaftige?" warf Fabri mit schüchterner Frage ein, wobei er erst die Alle und dann den Kleinen anblickte. „Wie kam das Ding hierher?" fragte die Alle dagegen und machte eine Bewegung, als wolle sie sich des DingcS bemächtigen. Fabri ater wcbrte ab und erklärte mit kraftvoller Dc- stimmlbci«, gegen die sich gar nichts auSrichtcn ließ, er werde taö Kind behalten; wolle sic eS nicht hegen und liebe», so könne sic selbst, trotzdem er ihre sorgsame Pflege, an die er seit Jahren sich gewöhnt, ungern entbehren würde, ihrer Wege geben. Die Alte warf einen feindlichen Blick auf das Kind, er klärte sich jedoch bereit, dem Besebl des Herrn »achzu- kommen; was Schlimme« dabei erstehe, habe er allein zu verantworten. Als nun nach kurzer Aeit da» Kind erwachte und zu schreien begann, waS Fabri, dcr sich antbcilSvoll über den Kops beugte, wie eine Offenbarung bewegte, wiegte sic eS aus ihren Armen, zwar anfangs widerwillig, mehr und mehr aber bingegeben und mit Lust, und trällerte Verse auS wundersamen Mären, die beruhigend und einschläsernd wirken sollten — vom feuerspeienden Drachen, welcher die Kinder frißt; von runzelige» Hexen und glatten Nixen mit Fisch- schwänzcn, die sib gleißend ringeln; von den sieben Zwergen hinter den sieben Berge»; von zum Schweigen verdammten Menschen und zuni Rede» begnadeten Thicren; vom Tischlcin- deck-dich und der schönen Rapunzel, deren Haar leuchtet wie die Mittagssonne und so lang ist wie die Enlscrnung zwischen Erde unk Sonne. Eintönig klang die immer gleiche Weise und dabei nickte die Alte n»t dem Kops, wobei ibre Nase kunstniäßig dirigirtc wie ein Tactstock und das lange Kinn wackelte. Da- Kind aber schlief nicht wieder ein. Als verstände eS Worte und Melodie, lachte eS und befreite einen Arm, mit dem eS hin- und hersuhr.