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worin blickte sich um und sah nun vor der offenstehenden Tbür eine Anzahl Damen stehen, mitten unter diesen den alten General, der ihm im Concertsaal bereit- ausgefallen war. Dieser Herr fixirte ihn aufmerksam durch das Monokel. Iasmorin warf sich in die Brust und schien nicht übel Lust zu haben, den alten Herrn in Betreff seiner Ungenirt- beit zur Rede zu stellen. Da rauschte eine hohe stattliche Frauenersckeinung, in eine kostbare Seidenrobe gekleidet, an ihm vorüber, direct auf Livia zu, die sich vor Verwirvtsein nicht fassen konnte. „Madame Gramont", hörte er Lidia stammeln. „Aber meine süße Comtesse, wie habe ich sie gesucht, kommen Sie doch, die ZewinSkewna geigt!" Zärtlich nahm sie die schöne Lidia am Arme und führte sie an IaSmorin, gegen den sie gnädig das Haupt neigte, ohne ihn anzusrhen, vorüber. Die indiscreten Damen vor der Tbür und mit ihnen der alte General, den Iasmorin schon zu hassen begann, schlossen sich der etwa« sehr energischen Madame Gramont an, und bald war IaSmorin mit sich allein. Selbst der getreue Jean ließ sich nicht mehr blicken. E» war ibm auf einmal zu Muthe, al« befände er sich in einem Mädchenpensionat und habe sich mit einem Backfisch in einen unhaltbaren Roman eingelassen. Er warf sich in seinen Sessel zurück und fragte sich, was aus der ganzen Geschichte eigentlich werden sollte? Michael schien zn sehr merkwürdigen Schlüssen gekommen zu sein, denn ein paar Minuten später verließ er ohne Saug und Klang daSConcerthauS und suchteseine Wohnung auf. Kaum im Concertsaale angekommen, stellte Madame Gramont der Lidia eine jener beiden Damen vor, von welchen wir wissen, daß sie mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit dem Studenten gefolgt waren. „Die Fürstin NieraSka möchte mit Ihnen plaudern, meine tbeure Comtesse; aber nicht wahr, später, jetzt geigt die ZewinSkewna!" Madame Gramont rauschte nach dem Podium hinunter. „Comtesse"', redete die Fürstin jetzt Lidia an, „ich habe im Vorbeigehen gesehen, daß Sie sich nut dem Grafen MatscherSkoff unterhalten, wenn Sie eS möglich machen könnten, dann sagen Sie ihm dock, daß er sofort nach dem Hotel Bristol, in welchem ich selbst für den Winter abgestiegen, kommen möge. Seine junge Frau ist in Heller Verzweiflung!" „Seine Frau?" „Sie wissen daß nicht? Ich stand auf dem Balcon, al» er mit ihr vor dem Hotel eintraf. Der Fürst sah sie eben ¬ falls, eine hinreißend schöne Indierin, wie man im Hotel behauptet. Ach, und sie hat Augen, Augen! — Ter Graf tbat etwa- geheimnißvoll und das fiel auf, aber wer hätte denn gedacht, baß er sich von ihr entfernen könnte! Er ging und ist bis zur Stunde noch nickt zurückgekebrl! Da« arme Geschöpf, welckes kein Wort Russisch sprickt, ist in Verzweif lung. Sie müßten sie klagen hören in ibren Weichen fremd ländischen Tönen. Sie verlangt fortwährend nach ihrem Manne, den sie unaussprechlich liebt." „Und Sie sprechen von jenem Herrn, mit dem ich mich unterbalten?" In diesem Augenblicke spielte eine Dame, offenbar die berühmte ZewinSkewna, ein schwermüthige« russisckes Lied. Fünfte« Capitel. Die Nacht kam herein und noch immer war keinerlei Nach richt über da« Schicksal Ilija Andrej Malscherskoff's auf Slekok eingetroffen. Zuletzt hatte sich noch Nahim auf sein struppiges LieblingSpferd geworfen und ritt, die Knie bis ans Kinn beraufgezogen, voll Kummer und Sorgen ins Land hinein. Aber auch er konnte nur die Hufspuren des Aptekar bis zur Cbaussee verfolgen und sich alsvann, auf der staubigen Land straße stehend, in nutzlosen Vermuthunzen ergehen. WaS war also aus Ilija Andrej geworden? Stepan Wassllitsch Romanskoi batte sich seit der Mittags stunde nicht mehr blicken lassen. Finster vor sich hinbrütend, mit sich und der Welt zerfallen, saß er in seinem Lieblings» gemach, in welchem auch sein Felebett stand. Wer in seine Nabe kam, wurde kurz abgeferligt, ja er blieb selbst ver schlossen gegen die Petuschkiwna. Sofia Andrejewna batte sich den ganzen Tag über viel in ihren Wobnräumen aufgebaltrn, und jetzt suchte sie, wie aus alter Gewohnheit, den Fürsten auf. ES war bereit- dunkel im Gemach, als sie eintrat. Sie ließ die Lichter anzünden, beschäftigte sich dann mit diesen und jenen Dingen, stäubte ab, rückte die Teppiche selbst zu recht und firirte von Zeit zu Zeit den alten Herrn mit Blicken dcS Mitleids. Sie, die ihn so oft zu trösten und aufzurichten wußte, fand beute nicht das richtige Wort, nach dem sie so eifrig suchte. Auf einmal lachte der Fürst rauh und ironisch auf, so daß Sofia fast erschrak. „Mein theures Mütterchen Sonja, halten Sie es wirklich für möglich, daß der halbwilde Aptekar mit Ilija Andrej, oder aber daß mein Neffe mit dem Pferde davongegangen ist? Für wie dumm mnß er seinen Onkel halten! Ein o. l l 1V. I so-« 145, tu 154'^ SIS 718 638 473 480 160,2S 86,— 170,35 217,75 216.25 213,50 216,35 108.10 88,70 103.80 !4,75 4., 11-j0 .1, 123,— 143,— 180,50 SS — 86,60 8020 ii ll ttOUIB II,- 6. 100,— 90,— S3.70 ets) 98'» 135,80 133.10 86,50 118.10 84,2 > 98,40 ,H«u«i 89,25 268.75 185.— 162.50 115,— 41.— 158.50 173.10 168.75 178.75 111,40 131 90 5S,6O u»ek ,O»uI i. 8,53 263,— 161,50 250 25 48,80 8 S4I.7S 84,50 161 — 88.85 58.75 119.75 47,57^ 9.53 58.75 I27-!« 112,50 3, >0, . >0,— 8. >2,50 6. >5,— O. >5,— 8. 12,— >>. 8,25 brO. 2,- 8. 0.— 6. 104.80 124,60 15810-- 124,50 tS — U. «5,SO (i. IS SO 8. ». 6. 248 — auä Ver zins. 18,— t>rO. Id,— O. 18,— <r. 13,50 8. X),— 8. 82 61^ 26», 971- 28'« II°!» 2u.„ Scvvsod. 208.80 158.90 112,30 140,70 312 805,- 158,60 162.90 38 50 169.80 17850 160,50 167 70 3», i 102,20 t 209,30, 88, - 111.50 204.25 184,80 168,75 116.50 182.50 122,— 258,— 102,— 233.50 80,— 167.25 122,— s —,— 10 79,50 3,— U. 6,— <r- ti. dvLcU. 160,— 172,80 168,— r 161,80 122,10 Bezugs-Preis tu der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- oavestellen abgebolt: vierteljährlich ^lt.SO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- ^l 5.50. Durch di» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S—. Direkte tägliche Kreuzbandienouug iu» Ausland: monatlich 7.50. Di» Morgen-Ausgabe erscheint um '/»? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Filialen: ktt» Klemm's Lortim. (Alfred Hahn). UviversitätSstrnhe 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Natbonnenstr. 14, pari, und Kvnigsvkah 7. Ne-actto« und Lrpedition: Johanne»,affe 8. DieExpeoition ist Wochentags ununterbrochen «<iknet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Adend-Ausgabe* UchMtr.TagMM Anzeiger. Amkvlatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Auzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (»ge spalten) LO^j, vor den Jamiliennachrichten (6 gespalten) 40 .H. Größere Schriften laut unserem Preis- uerzeichniß. Tabellarischer und ZissrrmaD nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 80.—, mit Postbesörderong ^ll 70.—. ^nnahmeschlnß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 UhL Margen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhv Vn den Filialen und Annahmestelle» je ein» halbe Stunde frnher. Anzeigen sind stets au di» Expedition zu richten. Druck «nd verlad v->n E. Pol» tn Leivjig A2. Jahrgang. Mittwoch den 7. October 1896. Vas Jarenpaar in Paris. Wenn die französische Presse die im heutigen Morgenblatt im Wortlaut mitgetheilte Erwiderung des Zaren auf die Ansprache des Präsidenten Faure in Cherbourg — der Wort laut nimmt sich bekanntlich viel förmlicher und karger aus als die Anfangs verbreitete Version — mit Recht als „nicht herzlich genug", weil „nicht über die Formeln der inter nationalen Courtoisie binausgehend" bezeichnen durfte, so fragt eS sich, ob man mit dem zweiten Toast des Zaren, welchen derselbe bei dem gestrigen Festmahl im Elysse auS- brachte, zufriedener sein kann. Bei der Tafel hielt zunächst Faure folgende Ansprache: „Der Empfang, welcher Eurer Majestät beim Eintritte in Paris begrüßte, bewies die Aufrichtigkeit der Gefühle, die auszu- drücken ich mich verpflichtet fühlte, als Eure Majestät den Boden der französischen Republik betraten. Die Gegenwart Eurer Majestät unter uns besiegelte unter den Zurufen eines ganzen Volkes die Bande, die zwei Länder in zusammen» stimmender Thätigkeit und gegenseitigem Vertrauen zu ihrer Bestimmung verbinden. Die Union eines mächtigen Kaiserreiches mit einer arbeitsamen Republik hat schon wohlthätigen Einfluß auf den Welt frieden üben können. Befestigt durch eine erprobte Treue, wird diese Union fortsahren, überall hin ihren glücklichen Einfluß geltend zu machen. Indem ich die Gefühle einer ganzen Nation ausdrücke, erneuere ich Eurer Majestät die Wünsche, die wir für Eurer Majestät Herrschaft, für das Glück der Kaiserin und für das Gedeihen Les gewaltigen Reiches hegen, dessen Schicksale in den Händen Eurer Kaiserlichen Majestät ruhen. Es sei mir gestattet, hinzuznfügen, wie sehr Frankreich ergriffen ist von dem Eifer, mit dem die Kaiserin geruht hat, unseren Wünschen zu entsprechen. Der gnädige Aufenhalt Eurer Majestät wird unserem Lande eineunverlöjchlicheErinnerung zurücklassen. Ich erhebe das Glo» zu Ehren Sr. Majestät de- Kaisers Nicolaus und Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra Feodorvwna!" Nach kurzer Unterbrechung erwiderte hierauf der Zar: „Ich bin tiefgerührt von der Aufnahme, die Uns, der Kaiserin und Mir, in dieser großen Stadt Paris, der Quelle so vieler Genies, so vielen Geschmacks und so vieler Er leuchtung, bereitet wurde. Treu unvergeßlichen Ueberlieferungen, bin Ich nach Frankreich gekommen, um in Ihnen, Herr Präsident, das Oberhaupt einer Nation zu be grüßen, mit welcher uns so werthvolle Bande verbinden. Diese Freundschaft kann, wie Sie sagten, durch ihre Be ständigkeit nur den glücklich st enEinfluß ausüben. Ich bitte Sie, Herr Präsident, diese Gefühle ganz Frankreich gegenüber aus drücken zu wollen. Indem Ich für die Wünsche, die Sie Mir und der Kaiserin ausgesprochen, danke, trinke Ich auf das Wohl Frankreichs und erhebe das Glas zu Ehren des Präsi denten der französischen Republik!" Bei aller den Ansprachen des Zaren eigenen Knappheit klingt doch aus diesem Toast ein herzlicher und sympathischer Ton und das politische Moment, das in der Cherbourger Antwort völlig vermißt wurde, tritt hier deutlich zu Tage. Zwar siel auch gestern nicht da« Wort Bündniß, auf welches man in Paris begierig lauert, ja der Zar griff nickt einmal die von Faure gebrauchte Bezeichnung „Union" auf, aber sicher hat der Präsident der Republik Reckt, wenn er in der Gegenwart des Zaren in Paris die Besiegelung der Bande erblickt, welche Rußland und Frankreich in gemeinsamen Bestrebungen verbinden, freilich mit der von Faure selbst gemachten Ein schränkung, daß beide Nationen ihre Mission in der Erhaltung de- Weltfriedens erblicken und die eine die andere nur soweit unterstützt, als damit eine Gefährdung des Frieden« nicht verknüpft ,st. Daß Nicolaus II. selbst tief durchdrungen ist von friedlichen Absichten und daß er in dem Zusammengehen mit der französischen Republik solche und keine anderen verfolgt, hat er deutlich damit ausgesprochen, daß er Faure mit der Erwiderung beim Worte nahm: „Diese Freundschaft kann, wie Sie sagten, nur den glücklichsten Einfluß (d. h. wie aus dem Zusammenhang nolhwendig hervorgehl, auf die Erhaltung des Weltfriedens) ausüben." Darin liegt der Schwerpunkt der Ansprache des Zaren und es ist keine leere Phrase, wenn er den Präsidenten der Republik auffordert, von dieser seiner Auffassung ganz Frankreich zu verständigen. Es könnte scheinen, als ob Vie Erinnerung an die „unver geßlichen Ueberlieferungen" damit im Widerspruch stände, als ob der Zar die Geister von Kronstadt und Toulon heraufbeschworen wollte, von denen sein Vater Alexander III. in Deutschland sehr wenig wohlwollender Weise sich huldigen ließ. Allein alle Welt weiß und der Zar hat es ja selber deutlich genug gesagt, daß er lediglich das freundschaftliche Verhältniß der beiden Mächte als Erbe übernommen und sanctionirt hat, nicht aber die Gesinnung, in welcher es einst eingegangen wurde. Wir können also nur constatiren, daß der Zar allen Hoffnungen den Boden en tzogen hat, welcke sich an eine aggressive Tendenz der franco-russischen Entente geknüpft haben und etwa noch knüpfen. Er hat also volle Klar heit geschaffen und dafür können wir ihm nur auf richtig dankbar sein, denn er hat damit mehr gethan, als man deutscherseits erwarten konnte. Den Erwartungen der großen Masse des französischen Volkes dürfte der Zar damit freilich eine Enttäuschung bereitet haben, deren man sich, zwar nicht in den nächsten Tagen, aber sicher nach dem Verstummen des Festesjubels, bewußt werden wird. Denn wenn auch Felix Faure selber nur von. Wells:iedeu geredet hat, als dessen Hort er die franco-russiscke „Union" bezeichnete, wenn auch das Wort „kar" und „kaix" auf allen bahnen, Plakaten und Transparenten der Feststadt demon strativ angebracht ist, wenn auch die Pariser Blätter zum größten Theil sich jeder feindlichen Aeußerungen Deutschland gegenüber enthalten, so darf man doch keinen Augenblick darüber zweifelhaft sein, daß man es mit einer wohlüber legten und zielbewußten Mache, mit einem politischen Manöver zu thun hat. Es ist den Franzosen nachgerade klar geworden, daß Zar Nicolaus eine durchaus friedliche Natur ist, und daß man sich seine Neigung nicht erwerben kann, wenn man ihn zu kriegerischen Actionen drängt. Deshalb ist die ossi- cielle Losung: kax, und da- nicht officielle Frankreich hat den Wink verstanden. Daß die Rrpub ik nicht im Entferntesten gesonnen ist, auf den Revanchegedanken zu verzichten, daß zeter Franzose von dem Antlitz des russischen „Bundes genossen" die Erfüllung seines sehnlichsten Hoffens und Wünschens lesen möchte, und daß dieses auch heute r.ock auf die Vernichtung des Frankfurter Friedens und die Wiedererlangung Elsaß - Lothringens mit Rußlands Hilfe hinausgeht, spricht ja nur zu deutlich aus den Revanche rufen, welche der officiellen Losung entgegen, einzelne Pariser Blätter, ohne Deutschland zu nennen, den Zaren geradezu ins Gesicht brüllen, spricht aus zahlreichen Aeußerungen der französischen Presse vor dem Zarenbesuch, spricht aus Andeutungen französischer Staatsmänner und hoher MilitairS. Kennt man die Franzosen genau, so weiß man, daß ihre jetzigen friedlichen Versicherungen aus einer Umkehrung des bekannten Satzes „si vis pacem, para bellum" in den Satz „si vis bellum, kinge pueem" hervoraehea. Mit anderen Worten, die Franzosen stecken eine friedliche Miene auf, um den Kaiser Nicolaus ganz für sich zu gewinnen und ihn dann später ibren kriegrrischenGelüsten dienstbar machen zu können. Zn dieser Hoffnung dürften sie sich allerdings trotz all ihrer geschickten Machinationen gründlich irren. Denn wenn Ruß land unter dem jungen Zaren eine Machtstellung erlangt hat, wie nie zuvor, und zwar erlangt in vollem Frieden, ohne auch nur eine Patrone zu verschießen, warum sollte der Zar diese Machtstellung in einem Kriege auf das Spiel setzen, nur um den Franzosen zur Wieder-Erlangung Elsaß- Lothringens zu verhelfen? Nichts Besseres kann Ruß land sich wünschen, als den heutigen Zustand in Europa, und wie eS im Orient für die Erkaltung des Status quo eintritt, so muß ihm auch die Erhaltung des Status guo in ganz Europa am Herzen liegen, weil dieselbe ibm nicht blos seine Machtstellung in Europa, sondern auch die Freiheit der Bewegung in Asien sichert. — Im Weiteren geben wir den über die Festlichkeiten in Paris uns noch zu gegangenen Meldungen Raum: * Paris, 6. October. Die Ankunft des Kaisers von Rußland und seines Gefolges vor dem Elysse-Palaste erfolgte um 3,20 Uhr. Präsident Faure, von seinem militairischen Hause um- geben, erwartete den Kaiser auf der Höhe der Freitreppe. Die beiden Staatshüupter wechselten freundschaftlichen Händedruck und begaben sich sodann nach dem Salon, wo sie in einer 20 Minuten dauernden privaten Unterredung verweilten. Der Präsident geleitete sodann den Kaiser nach einem andern Saale, wo er ihm die Minister vorstellte. Hierauf begaben sich der Kaiser, Präsident Faure, die Minister und das beiderseitige Gefolge nach dem großen Festsaale, wo der Empfang der Senatoren und Deputirteu stattsand. Diese, mehr als 500 an der Zahl, trugen sämmtlich GksellschastSanzug mit ihren Ordensauszeichnungen. Die früheren Ministerpräsidenten und Minister des Auswärtigen waren in der Mitte aufgestellt. Inmitten tiefen eindrucksvollen Still schweigens ergriff Präsident Faure das Wort. Er drückte seine Genugthuung au-, dem Kaiser die Mitglieder des Parlaments vor stellen zu können. Der Kaiser erwiderte, er freue sich seiner seits, sich inmitten der Erwählten der Nation zu be finden. Hierauf trat der Präsident des Senat», Loubet, vor und nannte nach einander die Namen zahlreicher Senatoren; der Kaiser unterhielt sich einige Augenblicke mit diesen, namentlich mit Freycinet. Alsdann stellte der Kammerpräsident Brisson eine Anzahl Deputirter vor, mit welchen der Kaiser einige Worte wechselte. An den übrigen Senatoren und Deputieren gingen der Kaiser und Präsident Faure grüßend vorüber. In anderen Sälen waren der Erzbischof von Paris, Cardinal Richard, die Generäle und hohen Beamten versammelt, weiche durch verschiedene Minister vorgestellt wurden. Um 4 Uhr verließ der Kaiser den Elysöe-Palast. Bei der Ankunft, wie bei der Abfahrt wurde der Kaiser von der Menge begeistert begrüßt. — Nachmittag übersandte der Zar dem Präsidenten deS Senats, Loubet, dem Präsidenten der Kammer, Brisson, den Ministern Msline und Hanotaux das Großkreuz des Alexander-Newski-Ordens. * Pari», 6. October. Abend- 7 Uhr fuhr das Zarenpaar mit seiner Kllrassier-Escorte, geleitet von höheren Officieren, von der russischen Botschaft nach dem ElysSe, auf dem ganzen Wege von stürmischem Jubel der zahllosen Volksmenge begrüßt. Tie Straßen und die Fanden der öffentlichen Gebäude waren herrlich beleuchtet und boten einen unvergleichlichen Anblick, besonders durch die von elektrischen Arkaden beleuchteten Boulevards, den Concordicn- platz mit Hunderten von Strahlenkränzen, den Trocadero, durch Flammencontouren markirt, sowie ein prächtiges Feuerwerk auf dem Eiffelthurme, das Stadthaus, die Flottille auf der Seine, sowie das Elysse, dessen Umrisse durch Lampen gezeichnet waren. Als der Galawagen des Zaren um 7'/« Uhr durch das Portal in den Ehrenhof des Elysöe einfuhr, wiederholte sich maßloser Jubel. Im dichten Gedränge kamen mehrere Un fälle vor. * Paris, 6. Oktober. Das vom Präsidenten Fanre und seiner Gemahlin zu Ehren des russischen Kaiserpaares im Elysöe gegebene Festmahl umfaßte 225 Gedecke. Die Ehrentafel zu 18 Gedecken war von den anderen Tischen durch zwei aus La Francc-Rosen und Laubgewinden gebildete Säulen getrennt. An der Mitte der Tasel saßen der Kaiser und Präsident Faure. Die Kaiserin hatte neben dem Präsidenten Platz genommen, zur Seite des Kaiser- saß die Gemahlin de» Präsidenten. Die Kaiserin hatte eine blaue Seidrnrobe gewählt und trug ein Diadem und ein Collier aus Brillanten. Madame Faure war gleichfalls in blauer Toilette erschienen. Ihr zur Rechten saß der Senatsprüsident Loubet, zur Linken der Kaiserin der Präsident der Deputirten- kammer Brisson. Ferner saßen an der Ehrentafel neben Madame Brisson der Minister des kaiserlichen Hofes Graf Woronzow- Dafchkow, neben Madame Loubet der Ministerpräsident MLline, neben der Oberhosmeisterin Fürstin Galitzin hatte der russische Bot schafter Baron v. Mohrenheim Platz genommen, neben Madame Msline der General-Adjutant des Kaisers v. Richter, neben Madame Barthou saß der Leiter des russischen Ministeriums des Auswärtigen Schischkin und neben der Baronin Mohrenheim der französische Minister des Aeußeren Hanotaux. Tie Minister und die Officiere des militairischen Hauses des Präsidenten hatten die ihnen vom Kaiser von Rußland verliehenen Ordensauszeichnungen angelegt. Auf der Tafel wechselten Frucht- und Blumenkörbe von seltener Schönheit mit verschiedenen massiv silbernen Tafelaufsätzen und 16 Gruppen aus Sevres-Biscuit ab, welche Iagdstücke Lar- stellten. Ter mit Gobelins prächtig ausgestattete Saal wird von 20 mächtigen Kronleuchtern erhellt. Die Tafelmusik wurde von der Eapclle der Oarcke rLpublicaine ausgeführt. (Tie gewechselten Trink sprüche sind bereits Eingangs mitgetheilt. D. Red.) * Part», 6. October. Die Eirculation auf den Boulevards in der Nähe des Opernplatzes und in den Seitenstraßen der Avenue de l'Opsra ist unmöglich geworden. Tas Gedränge ist vielfach geradezu lebensgefährlich und essindmehrfacheUnfälle vorgekommen. Die Beleuchtung der großen Boulevards mit elektrischen Arkaden, an welchen buntfarbige, Glühlichter enthaltende Ballons in Trauben- form hängen, bietet ein anmuthiges Bild. Einen herrlichen Anblick gewährt der Place de la Concorde, welcher mit Hunderten von Strahlenkränzen beleuchtet ist. Ein glänzendes Schauspiel bildet auch der Trocadero, dessen Contouren Lurch Flammenlinien markirt sind und das Feuerwerk auf dem Eifselthurm. FeiriHetsn. Die Schuld des „Fürsten Romanskoi. 8j Roman von Conr. Ftscher-Sallstein. Nachdruck Veristen. „Ich muß Ihnen bekennen, meine gnädige Lidia Tschierwa- newna", versetzte nun Michael IaSmorin, dem nichts un angenehmer war, als ein Gegenstand des Mitleids für die reizende Dame zu sein, „daß ich durchaus nicht unglücklich bin, im Gegentheil, ich strebe frisch und fröhlich vorwärts und bin sogar überzeugt, daß eS viel besser für mich ist, daß ich die Stelle nicht bekommen habe, weil sie mir zu viel Zeit absorbirt und meine Studien sicherlich darunter gelitten haben würden." „Um so besser", entgegnete sie mit einer gewissen Hast, als habe sie eS sich in den reizenden Kopf gesetzt, auch unter er schwerenden Umständen ihrem Ziel zuzustreben, „für mich ist diese Erklärung ein wahrer Trost. Erlauben Sie mir nun, zur Sache zu kommen." Sie sah ibn auf einmal zweifelnd an, eS war, als ob sie einer Welt voll Schwierigkeiten begegnet sei, die ibr un überwindlich erschienen. WaS mag sie nur auf dem Gewissen haben, fragte sich JaSmorin, der sie mit sich ringen sah. Dabei dachte er an da» fatale Geständniß wieder zurück,, das er mit so viel Feuer der Darja Alexandrewna abgelegt hat. Ob sie davon gehört hat? „Ich habe Ihnen einen Antrag zu stellen", rang jetzt Lidia unter stürmischem Erröthen hervor und sah ihn dabei so innig, so herzlich an, daß das Herz IaSmorin's in Feuer und Flammen gerieth. Er wollte etwa- erwidern, nur um ibr rin wenig entgegen zu kommen, denn er sah, wie ihr der Weg schwer wurde, aber er wußte mit dem besten Willen nicht, WaS er sagen sollte, und beschränkte sich nothgedrungen daraus, das schöne Kind erwartungsvoll anzusehen. „Ich weiß nicht, ob Sie mich erhören werden, Herr Michael Ia-morin, oder ob Sie e» können, aber von Ihrem Ja oder Nein wird eS abhängen, ob wir un» jemals Wiedersehen." „Ich wüßte nicht, wel',en Ihrer Wünsche ich unerfüllt lassen könnte! Schicken Sie mich in den Tod und ich werde ohne Murren gehen!" Der Student sprach diese Worte stürmisch, mit Gluth in den AuHen. Er hielt eS mit seiner Reservirtbeit jetzt nicht mehr langer aus. Er erhob sich vom Sessel und stand auf dem Puncte, denselben Streich zu machen, wie vor den Augen der Gräfin Slroganowna. Lidia war entzückt über seine Wärme und konnte den Blick nicht von ihm wenden. Nein, in ihm hatte sie sich nicht getäuscht! Sie hatte gesunden, was sie suchte. „Ich bin daS einzige Kind meiner Eltern", fuhr sie fort, „schon als Kind habe ich zu Gott gebetet, er möchte mich nicht so allein lassen und mir einen Bruder senden, der mich beschützen könnte." „Wieder ein Sturzbad!" stöhnte Michael in sich hinein und setzte sich, wieder gehörig abgekühlt, auf seinen Sessel nieder. Lidia war indessen zu eifrig mit ihrem Anliegen be schäftigt, als daß sie die Veränderung in seinem Wesen sofort bemerkt hätte, und fuhr fort: „Als ich Sie bei Großmama sah, o, da jubelte es in mir auf. Ich fand mich Ihnen so nahe gerückt, schon bei dem ersten Anblick, tausend Stimmen in meinem Inneren riefen mir zu, daß endlich meine Sehnsucht gestillt werden soll, daß ich einen Bruder in Ihnen gewinnen werde, der über mich wackt, der mich beschützt, dem ich Alles sagen und klagen kann. O, wenn Sie wüßten, wie weh es thut, so ganz allein im Leben dastehen zu müssen!" Sie streckte ihm beinahe flehend beide Hände entgegen und rief ihm zu: „Dars ich Ihre Schwester sein, Michael Iasmorin? Nebmen Sie sick der armen Waise an. Ich will auch so stolz auf Sie sein und ich kann eS ja auch, denn Sie sind der schönste junge Man» in St. Petersburg." Michael war vom Sessel aufgeschnellt und hatte zärtlich ihre beiden Lände ergriffen. „ES sei so, meine tbeure Lidia, mit Herz und Hand will ich Ihr Bruder Michael sein. Ich werde mich bemühen, die Pflichten eines Bruder» so lange zu üben, als ich kann. Ob ich die Kraft besitze, niemals, auch nur in Gedanken, die Grenzen zu überschreiten, die mir nun als Bruder gezogen sind, das wird sich zeigen." „Sie werden eSl" jubelte Lidia auf, „mein Bruder Michael ist stark!" Sie standen da, Hand in Hand, und auf einmal sagte eine trockene welke Männerstimme: „Ich täusche mich nicht, das ist ein MatscherSkoff." Erschrocken wich da- Geschwisterpaar auseinander. IaS-