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Vez«g--Prer- Gl H« Hanptexpeditio» oder de» i« Siphtz« bezirk nnd den Vororten errichteten Av«- gabestellra abgebolt: vierteljährlich ^!4.ü0, bet zweimaliger täglicher Zustellung tuS Hau« ^l LüO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliüln sich 6.—. Direkte tägliche Krenzbandlendnag in« Ausland: monatlich 7.bO. Die Morgen-An-gabr erscheint um '/,7 Ahr, dir Abeud-AuLgab« Wochentag« um b Uhr, Ledartion und Erpeditio«: J,hanne««affe 8. Die Axpedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend- 7 Uh«. Filialen: Otto Klemm s Eurttm. (Alfred Hahn)» UniversitSt-straße 3 (Paulinum), Lunt» Lüsche, KatLarineustr. Ich pari, uud König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MWM.TllgMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile LV Pfg. Reklame« unter dem RedactionSstrich («ge spalten) üO^K, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichntß. Tabellarischer und Zisfrrnsatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au«gabe, ohne Postbrförderung Xi SV.—, mit Postbeförderuug 70.—. Innahmeschluß für Alyeizen: Nbrod-An-gab«: Vormittag« 10 Uhr. Marge «-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen uud Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stet« an die Expedition zu richte«. Druck «ad Verlag von E. Polz i« Leipzig. 2. Montag den 3. Januar 1898. 92. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Die im Jahre 1868 gelösten Doppelgräbcr, ferner die im Jahre 1886 mit Erwachsenen und im Jahre 1888 mit Kindern belegten Traber auf dem Neuen Johanni«., bez. aus dem Nord» und Südfriedhof verfallen im laufenden Jahre und zwar nicht erst am JahreSschluß, sondern mit dem Tage, an welchem die Concession«. zeit abläust. Die Erneuerung dieser Gräber kann, jedoch Nlir nach Beibringung der fr. Zt. «»«gestellten Loncessionsscheine, bei unserer Friedhosscasse, Ritterstratz» Nr. L8,1. Stockwerk, Zimmer Nr. 20, erfolgen. Leipzig, den 1. Januar 1898. Der Aath der Stadt Leipzig. 959 97. vr. Georgi. Zschörner. Bekanntmachung, die Anmeldung der Ostern 18S8 schulpflichtig werdenden Kinder betreffend. Zu Ostern 1898 werden alle Kinder schulpflichtig, die bi« dahin das 6. Lebensjahr erfüllt haben: Außer diesen können abrr auch solche Kinder Ostern 1898 in die Schule ausgenommen werden, die bis zum 30. Juni 1898 da« 6. Lebensjahr vollenden. Alle diese Kinder, die gesetzlich schulpflichtigen sowohl wie die zuletzt erwähnten Kinder, dasern diese schon Ostern 1898 in die Schule rintreten sollen, sind demnächst zur Schule anzumelden, und zwar bei dem Director der Schule, in deren Bezirk sie wohnen. Eltern unv Erzieher, welche zur Bezahlung von Bürgerschulaeld vermögend sind, haben ihre Kinder in eine Bürgerschule zu schicken, Lasern sie in einem Bürqerschulbezirke wohnen. Die Anmeldungen haben für sämmtliche hiesige« Volksschule» in der Zeit vom 1V. bi» 12. Januar 18S8 vormittags IO bis 12 Uhr und Nachmittags 2 btS 4 Uhr zu erfolgen. Bei der Anmeldung ist für jedes anzumeldende Kind eine standes amtliche Geburtsbescheinigung oder das vom Standesamt beglaubigte Familien-Stammbuch, sowie ein Impfschein, außerdem aber für alle der christlichen Religion angehörenden Kinder auch rin Taufzeugniß vorzulegen, dafern durch das Familien-Stammbuch die Taufe nicht nachgewiesen ist. ?,ür die Kinder von solchen Dissidenten, die keiner Religionsgesellschast angehören, ist eine schriftliche Er- klärung darüber beizubringen, in welcher Religionslehre diese Kinder unterrichtet werden sollen. Die Eltern und Erzieher solcher Kinder, welche zwar nach ihrem Alter schulpflichtig sind, jedoch wegen Kränklichkeit oder sonstiger körperlicher und geistiger Gebrechen einer Schule nicht oder nicht rechtzeitig zugeführt werden können, werden hierdurch aufgesordert, hierüber unter Beifügung eines ärztlichen Zeugnisses binnen obiger Frist Anzeige an uns zu erstatten. Leipzig, am 30. December 1897. Der SchutauSschutz per Stadt Leipzig. Büttner. Lehnert. Nutz- und Brennbolz-Auction. Freitag, Pen 7. Januar 18S8, sollen im Forstreviere Connewitz in Abtb. ü und 8 1. von vormittag» S Uhr an: 16 Etchen-Lchtrrh-lzer, 17 Netsftangen von 3—4 am Untenstärke und 3—4 m Länge, 8 Rmtr. Fichten- und Kicfern-Roflen und 28 starke Durchforst««gshanfen meistbietend gegen sofortige vaarzahlong, Zusammenkunft: auf der Zwenkauer Chaussee bei Janck'S Dümmbammer r n. in Avth. 17 vo« vormittag» '/,1t Uhr ab 109 Eschen-Schirrhölzer und 45 starke Durchforftungshaufen meistbietend unter dem >m Termine aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung verkauft werden. Zusammenkunft: ans den» Futzweg i» den Aüllenweiden- Wiesen, Rev>erort Stempel. Leipzig, am 24. December 1897. De» Raths Forftdeputation. Konkurs-Auction. Die zur Konkursmasse der» Firma Herrn. Horn L Co. in Leipzig gehörigen Wanrenvorräthe, als NiemencoupoiiS, Sohl- lederabsälle, «rotsttn, Schafleder, 1 Partie Absätze, sowie Jnveutartenstücke, al» 1 Vriefschrank, Tafeln, Regale, 8 Deeimalwaagen, 1 zweirädriger Handwagen, 2 Stech karren, 1 Anthraeitofen, 1 Partie stiften» Schreib- materialiru sowie 1 gr. Parti» Schaum», Weiß» und Rolhwein sollen Dienstag, »en 4. Januar 18V8 Borm. 10 Uhr im GeschLstSloeale vrühl «st durch mich versteigert werden. Römhild, Localrichter. Die drei bcrcchtigtcn Privatschulen in Leipzig führen wie die öffentlichen Realschulen ihre Zöglinge bi» zu der durch das Gesetz vom lü. Februar 1884 für die öffentlichen wie für die privaten Realschulen vorgeschriebenen Reifeprüfung, mit deren Bestehen auch die Berechtigung zum einj. sreiw. Militairdienst er- langt wird. Zugleich bereiten ste für die entsprechende» Elasten der öffentlichen höheren Lehranstalten vor. Zur Aufnahme in die Vl. Realschul» bez. Progymnasialclaste genügt das 9. Lebensjahr, während in die Vorschulclassen Schüler vom schulpflichtigen Atter an ausgenommen werden. Die Unterzeichneten sind zur Entgegennahme von Anmeldungen und zur Ertheilung jeder gewünschten Auskunft täglich (ander Sonntag») 11-12 Uhr bereit. Dir. 0. Voller, Realschule (Centralstraße 1). Dir. vr. kr. Lotti (Teickmann-Vr. Rolh'jcbe Privatschule), Real schule mit Progymnasial, und Elementarclassen (Ecke der Universtiäts. und Schillerstraße. Fernsprecher Nr. 2059). Dir. vr. L. vartli, Realschule mit Proqymuasial- u. Elementar- clasten (Ouerstr. 19 u. Bahnhofstr. 5). Fernsprecher Nr. 4080. Versteigerung. Mittwoch, den S. Januar 18S8, vou vormittag 1« Uhr an sollen im Versteigerungsraume de« hiesigen König!. Amtsgerichts eine Anzahl Möbel, 1 Ptnntno, 1 vriefschr., 2 Ladentafeln, 1 Schreibmaschine, 2 neue Fahrräder (Rover), 3 Ltuger- Rähmaschine», 1 Äeldschrauk, 2 Musikautomaten, l gr. Buchdruckhandpresse, 3 gr. Schraubstöcke, 14 Bd. Meyers Eonv.-Lex., 5 Vd. Siemen» u. v. A. m. gegen sofortige Baar- zahlung versteigert werden. Leipzig, am 31. December 1897. Ter Gerichtsvollzieher beim König!. Amtsgerichte das. vrennscheite, E-chrn- vuchen- Eschcn- Rüsterii Linden- Nutz- und Brcnnholz-Auction. Dienstag, den 4. Jaunar I8S8 sollen von vormittags st Uhr an im Forstreviere Burgau auf dem Mittelwaldtchlage in Abth. 12a, dicht au der neuen Ehrenberger Linie 14 Rmtr. Eichen-Rutzschette l. u. 11. El. 149 S 7 47 u. 19 unter den im Termine aushünqenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung meistbietend verkauft werden. Zusammeukunst: auf dem obengenannten Schlage, Vormittags 9 Uhr. Leipzig, am 17. Decbr. 1897. DeS RatbS Forftdeputation. Lilder aus Deutsch-Togo. Von Otto Leonhardt. Nachdruck vrr oten. Das deutsch-französische Abkommen über Togo lenkt erneut die Aufmerksamkeit auf unsere Kolonie am Golf von Guinea, die nach mannigfachen Schicksalen allem Anscheine nach jetzt mit schnellen Schritten einer gedeihlichen Entwickelung entgegengeht. ES gebührt ja gerade dieser Colonie von vornherein insofern ein besonderes Interesse, als sie gewissermaßen die legitime Nach folgerin jener altbranoenburgischen Colonie in West-Afrika ist. Denn hier, an der Guinea-Küste, war es, wo vor zwei Jahr hunderten die kurfürstlichen Fregatten „Kurprinz" und „Mo- riahn" vor Anker gingen und die Veste Groß-Friedrichsburg an legten, wo der große Kurfürst in einer seiner Zeit weit voraus eilenden Erkenntniß vom Wesen des Welthandels den Versuch machte, eine Colonialmacht zu begründen. Der kühne Versuch mißlang; heut aber flattern am Strande des Guinea-GolfeS die deutschen Farben. Flach, niedrig, graugelb zieht sich der Strand hin. Die Scenerie ist eintönig, nur ein Factorei-Gebäude oder eine Cocos- palme beleben sie hier und da. 50 bis 200 Schritt vom Meere entfernt beginnt der Buschwald, durch den nur schmale Neger pfade in Schlangenwindungen landeinwärts führen. Das is das Bild der Küste von Togo. Der Ocean rauscht in langen mächtigen Wogen gegen sie an, den Flachstrand oft peitschend, und bildet so die vielgefürchtete Brandung. Wer mit dem Dampfer ankommt und die Colonie betreten will, muß, da das Schiff etwa einen Kilometer von der Küste entfernt vor Anter gehen muß, sie erst überwinden, — eine schwierige Aufgabe, die nur die Krumannschaft auf Grund ihrer langen Erfahrung lösen kann. Ihr Hauptmann weiß ganz genau zu beurtheilen, welche Wogen die stärkste Brechung haben und wie er sich vor ihnen hüten muß. Er läßt das Boot von einer breiten Welle zum Lande tragen; hier gilt es, den Moment am geschicktesten zu benutzen, um den gefährlichsten der Brecher, den Landbrecher, zu vermeiden. Mit aller Anstrengung rudern die Krujungen — ein Stoß — das Boot ist im stumpfen Winkel aufgelaufen! Den noch von dem Stoße halbbetäubten Insassen reißen die Kru's empor, schleppen ihn den Strand hinauf, und wahrend der Land brecher schäumend das Boot überfluthet, hat der Fremde halb bewußtlos den Boden von Deutsch-Togo betreten. Jndeß entspricht zum Glück diesem wenig angenehmen Ein tritte, das, was den Besucher im Lande selbst erwartet, keines wegs. Die Küstenorte, die noch vor 12 Jahren, als Zöller Togo bereiste, meist völlig still dalagen, wenn nicht ein Punct am Horizonte die Ankunft eines Dampfers oder Seglers ankündigte, — heut zeigen sie schon Leben und die Zeichen europäischer Cultur. Am Strandwege von Klein-Popo, dessen eigentlicher Name Aneho ist, finden wir neben den stattlichen Factoreien und den Gebäuden wohlhabender Häuptlinge, die sich hier bereits zweistöckige Häuser aus Ziegelsteinen errichtet haben, die deutsche Schule und daS Nachtigal-Krankenhaus, die Wesleyanische Mis sion, das Postamt und das Zollhaus. In Lome, dem Haupt hafen der Westküste, verschwinden die früheren unansehnlichen Strohhäuser mehr und mehr und solide Stein- und Ziegelbauten erheben sich an ihre Stelle. Am Strande läuft jetzt eine feste, drei Meter breite Straße entlang, und ein rechtwinkelig sich kreuzendes Straßensystem giebt dem Orte rin stadtartiges Ge präge. Und wenn wir von der Hamburger, der Mittel- und der Bismarckstraße im fernen Lome hören, so sind es nicht nur die Namen, die uns von der Cultur erzählen: die Straßen sind breit, festgestampft und bepflanzt und dürfen also wirklich mit Recht ihre gesitteten Namen tragen. Ihren eigenthümlichen Charakter erhält die Küstenlandschast von Togo durch jene große Lagune, die sich in geringer Ent fernung vom Strande ihm parallel hinzieht. Sie entstand da durch, daß die anrollende Dünung des Meeres den Flüssen die Mündung versperrte und sie so zu dieser seeartigen Ausbreitung zwang. Die Lagune bildet im Osten und Westen schmale, schiff bare Canäle, in der Mitte aber buchtet sie sich zum breiten See auS, an dessen hohem Ufer u. A. das Dorf Togo liegt. Während im Westen die Lagune allmählich wieder zu verlanden beginnt, concentrirt sich die Cultur im Osten. Da sind See und Lagune von Siedelungen dicht umgeben; da liegt auch die Landeshauptstadt Sebbe, wo am Nordufer der Lagune die deutsche Flagge auf dem Regierungshause weht, und das große Werk einer steinernen Brücke über die Lagune im Bau begriffen Fersillet»«. Tante Adelgundens Vermiichtniß. Skizze vo« A. Maul (Eharlotteaburg). Nachvnick »ertöten. Ottomar Berndt war ein Dichter. Ein geborener Dichter von Gottes Gnaden, nach der Behauptung seiner Freunde, die anzuzweifeln er absolut keinen Grund einsah. Oder sollte er etwa seine Freunde für urtheilslose Pinsel halten, wie? Oder für Heuchler, Schmeichler und Phrasendrescher? — Uebrigen» sagte ihm se.n eigenes intuitives Selbstbewußtsein, daß sie voll kommen Recht hatten. Natürlich war er ein Moderner. Seine Gottheit die Wahr heit. Und um nicht in Versuchung zu gerathen, neben ihre andere Götter und Göttinnen — die Schönheit zum Beispiel — an zubeten, vermied er ängstlich den geweihten Grenzdistrict, wo diese Beiden friedlich nebeneinander thronen. Niemand sollte ihn im Verdacht haben, den wurmstichigen Idealen verflossener Jahr hunderte Concessionrn zu machen, oder um den Beifall der stu piden Menge zu buhlen! Die „stupide Menge" rächte sich in ihrer Weise. Sie hatte leine Ahnung davon, daß Ottomar Berndt ein Dichter war. Aber Ottomar Berndt trug seine Unpopularität mit Stolz, wie ein wohlbeglaubigtes Anwartschaftsdiplom auf die Unsterblichkeit. Indessen, es gab Jemand, der sich bitter darüber kränkte: das war Tante Adelgund« — Fräulein Adelgunde Berndt, Ottomar'S Vaterschwester, Pathe und mütterliche Freundin. Sie dichtete ebenfalls — ja, ste hatte bereits zwanzig Bände Romane und Novellen — oder noch mehr — in die Welt geschickt, als Ottomar noch die Schulbank drückte. Damals schwärmte er sehr für diese wundervollen Dichtungen, in denen die Heldinnen stets so schön und unschuldig und die Helden so ritterlich und opferfreudig waren. Heimlich trug er die schmucken Bände bei sich und schmökerte unter der Schulbank darin, während obenauf Ciccro'S: „Vs vnltoro" lag . . . Ja, Tante Adelgunde hatte ihn auf dem Gewissen mit seinen Poetenfreuden und -Leiden, denn an dem bescheidenen Flämmchen ihre» Talent- hatte sich der göttl'che Funke seines Genius entzündet. Sie war stolz aus ihn — so stolz, wie eS nur ein einsames, zär'lich-gläubigeS Altjungferngemüth auf einen hoffnungsvollen Schlingel von Neffen, mit einem Kopf voll weltstilrmerischrr Zukunftsträume sein kann. Sie liebte ihn überdies wie ihr eigercs Kind, und wenn er al» stets hungriger Student bei ihr anUapfte, fehlte eS nie an einem leckeren Frühstück, einem kräf tigen Mittagessen oder Abendbrod, ebenso schmackhaft — vielleicht noch schmackhafter als ihre schönsten Romane. Mit den Kindern seiner Muse freilich konnte sie sich vorerst nich' befreunden, tröstete sich indrß mit dem absurden Gebühren deS Most», der auSgähren muß, soll er einen guten Wein geben. Wollte sie rin Grauen anwandel« vor den Pfaden der Decadence und perversen Erotik, die ihr herzlieber Ottomar eingeschlagen, dann verwie» dir alternd« Jungfrau sich selber zur Bescheidenheit: Winters gar nicht erholt habe. Und da er in der That ein gutes Herz und eine anständige Gesinnung besaß, so sprach er gleich folgenden Tages wieder bei ihr vor. „Liebes Tantchen, jetzt hör mal zu und nimm Vernunft an. Du hast genug gearbeitet und kannst jetzt würdevoll auf Deinen Lorbeeren ausruhrn. Deine gesammelten Werke sichern Dir die Unsterblichkeit — oder wenigstens einen ehrenvollen Platz in König's Literaturgeschichte. Mehr kannst Du nicht verlangen. Mir z. B. wird das nie blühen. Und als praktischer Mensch rathe ich Dir dringend, einen Theil Deines Vermögens odrr das Ganze auf Leibrente anzulegen. Dergestalt verdoppelst Du Deine Einkünfte und kannst herrlich und in Freuden leben, der Renten anstalt zum Hohn, bis Du hundert Jahr alt bist." „Und was werden meine lachenden Erben dazu sagen?" fragte Tante Adelgunde gerührt. „Miserable Lumpe, wenn sie nicht damit einverstanden sind!" erwiderte Ottomar und warf sich in die Brust. Tante Adelgund« nahm seinen Kopf zwischen ihre beiden Hände, küßte ihn auf die Stirn und versprach Alles, was er wollte. Und Ottomar konnte mit demselben Behagen wie bisher ihren Caviar essen und ihren Capwein schlürfen. * * . Zwei Jahre später starb Tante Adelgunde, und Ottomar folgte mit aufrichtig betrübtem Herzen ihrem Sarge. Sie war doch eine gute Seele gewesen, wenn sie auch klüger gethan hätte, sich niemals mit Tinte und Feder zu befassen. In ihrem Testament hatte sie Ottomar zu ihrem Universal erben eingesetzt. Und da» war kein leerer Titel, denn seinen Rath wegen der Leibrente hatte sie nie befolgt. Ottomar war innig gerührt, hatte aber gleichwohl ein« große Freude an dem Besitz, auf den er niemals fest gerechnet. Er unternahm eine große Reise mit dem von Tante Adelgundens fleißiger Feder zusammengeschriebenen Gelbe, und gedachte ihrer in Liebe in der Peterskirche, auf der Cheopspyramide und beim Anblick anderer Weltwunder, die ihr Auge nie geschaut. Als er nach Jahr und Tag heimkehrte, fand er sein Erbe auf die Hälfte reducirt. Jetzt sollte e» an» Arbeiten gehen. Er hatte ja vorläufig zu leben und konnte in Ruhe die Meisterwerke ausgestalten, die unter den gewaltigen neuen Ein drücken der Reise in seinem Geiste geboren worden. Und da da» lang« Umherschweifen ihn den Zauber de» eigenen Herde» schätzen gelehrt, so führte er ein geliebte» Mädchen heim und richtete sich mit ihr behaglich ein. Schätze brachte sie leider nicht in die Ehe. Und während die Meisterwerke zur Vollendung gediehen, schmolz der Rest von Tante Adelgundens Vermögen rasch zusammen. DaS große Publicum aber hatte immer noch andere Ideale al» Ottomar Berndt und verhielt sich spröd«, auch seinen Meisterwerken gegen über. Und eS kam ein Tag, wo Ottomar Berndt mit seinem letzten Goldstück Fangball spielt« und sich fragte: „Wa» jetzt?" Sein väterliches Erbtheil war gering gewesen, die Zinsen reichten nicht einmal für seine äußerste LebenSnothdurft hin. Und im literarischen Frohndienst «rw rbt man allenfalls daS „Wk willst Du urtheilen, thörichteS altes Geschöpf, über Dinge, von denen Du so viel verstehst, wie ein Blinder von der Farbe?" Aber bei dem ewigen Streiten und Spintisirrn über oie Sünden und Vorzüge der Modernen verlor Tante Adelgunde ganz die naive Freude an ihrem eigenen Schaffen. An ihre schonen romantischen Liebesgeschichten, dir alle Welt mit Entzücken laS, glaubte sie selber nicht mehr so recht, seitdem Ottomar, der Dichter, nur noch ein mitleidige» Achselzucken dafür hatte. Für ihre letzten, vom Geist der Moderne angehauchten Werke wollte sich irdoch nicht gleich ein Verleger finden. „Weißt Du waS, lieber Ottomar", sagte sie eine- Tage« zu ihrem Neffen, „Du sollst mir einen rechten großen Gefallen thun. Ich habe diesen Winter so wenig arbeiten können, und mit den Sachen, die in der Welt herum wandern, habe ich kein Glück. Nun sind da aber ein paar ältere Manuskripte, beinahe fertig, nur di» letzte Hand fehlt noch. Ich habe sie liegen lassen, weil mir EmigeS darin ganz thöncht vorkam. Aber — lieber Gottl man muß sich nicht zu schwer nehmen — und ich drauch« Geld. Und dabei könntest Du mir helfen. Du hast einen Namen und bewegst Dich inmitten dieser Welt von Schriftstellern, Ver legern und Redakteuren, in die ich persönlich niemals Zutritt gesucht habe. Du wirst gewiß für meine Arbeiten eine passende Tt:ll» ausfindig machen. Nimm Dich meiner an!" Ottomar nahm die Cigarette auS dem Munde und blickte die alte Dame in wortlosem Erstaunen an. In so ungeheucheltem, verständnihlosem E-staunen, daß Tante Adelgunde erröthete, eine Entschuldigung hervorstotterte und ihre unbescheidene Bitte ein- für allemal zurückzog. Jetzt fand Ottomar, der im Grunde ein guter Junge war, die Sprache wieder und fragte ganz bestürzt: „Aber, liebe Tantel Du in Geldverlegenheit? Du mit Dei.un glänzenden Honorareinnahmen?" „Ja, mein Kind — die sind eben neuerding» auSgeblieben, und ich bin darauf angewiesen, denn von meinen Zinsen allein kann ich nicht leben. Und dann — da» dumme Kranksein in diesem Winter war ein recht kostspieliger Spaß." „Hm — fatal", — Ottomar dachte nach. „Weißt Du waS, Tantc? Wir setzen zusammen in die Lotterie. Ich hab« eine glückliche Hand. — Da» große Loo» kann un» nicht entgehen. Oder speculiren wir in Dynamit! Oder in BrrgwerkLkuzen oder vrrlmer Baustellen, ja?" „Danke, lieber Sohn. Auf solch« windigen Abenteuer laß ich mich nicht ein!" lachte die alte Dame. Und Ottomar kostete sie: solch augenblickliche Geldklemme sei ihm leider ein wohl bekannter nichtswürdiger Zustand, Tante Adelgunde müsse auch einmal durch dies Fegefeuer gehen, damit sie eS alsdann mit sattcn Farb-n schildern könne — sei man erst hindurch, so fühle mutt sich höchst fidel .. . Tante Adelgund« ging auf alle Schrrze ein und Ottomar lieh sich den Caviar und den Capwein bestens schmecken, mit denen sie ihn bewirthete, ohne ,u ahnen, daß Letzterer daS Geschenk einer Freundin und ausschließlich zu Tante Adelgunden» Stärkung bestimmt war. Auf dem Heimweg fiel ihm indessen ein, daß Tante Adelgunde miserabel auSsäh« und sich von der langen Krankheit diese« tägliche Brod für Weib und Kind, nicht aber die Mittel, in Berlin ein elegantes kleines HauSwesen zu unterhalten und im Strom der Geselligkeit mitzuschwimmm. Ganz abgesehen davon, daß der Genius, dem häusliche Sorgen die Flügel lähmen, sich nie zur Sonnennähe erhebt .... Eines Tages, als Ottomar, über seine mißliche Lage sinnend, in seinem Schreibtisch kramte, fielen ihm Tante Adelgundens hinterlassene Manuskripte in die Hand. Er hatte sie verbrennen wollen, aber noch nicht daS Herz dazu gehabt. Er fing cm zu blättern. Ja, das war die harmlos naive Romantik ihrer Gartenlaubengeschichten, für die er als Gym nasiast so sehr geschwärmt hatte! AlS ob die Welt nur darum seit ungezählten Jahrmillionen ihre Umwälzungen vollzieht, da mit der Hans die Grete freit, und Peter die Liese — freilich, ohne das wäre es bald aus mit der Herrlichkeit deS Menschen geschlechts? Aber wie wichtig all die spielerigen Präliminarien genommen wurden! Wie man von dem Zweck selbst nichts zu wissen heuchelt! Nichts als Rosenduft und Mondenschrin Ja, ja, so denkt, so empfindet man als unreifer Lebensnovizc . . . . Wie alle seine Knabenerinnerungen erwachten! Wie die süße blöde Jugendeselei seiner ersten Liebe ihn bei diesen Ge schichten wieder traumhaft hold umfing! — Und was solche Wirkung that, dem wollte man kurzweg jedes Daseinsrecht ab sprechen? War er nicht ein Mann geworden, kotz seiner kind lichen Liebhaberei für Marzipan, Pfefferkuchen und Mirlittiaden? Tags darauf nahm Ottomar die Manuskripte neuerdings zur Hand . . . Tante Adelgunde hatte ihn damals gebeten, sie durchzusehen, zu feilen und herauSzugeben . . . Wie? Konnte er weniger thun, als das Andenken der Guten durch — wenn auch verspätete — Erfüllung ihres Herzenswunsches ehren? Den er damals kaum ernst zu nehmen sich herabgelassen hatte? In seinen ziemlich zahlreichen Mußestunden unterzog er sich dieser Aufgabe der Pietät und seine kleine Frau half ihm dabei mit ihrer schönen Handschrift und la» sich beim Abschreiben stets in diesen verstaubten Blättrn fest, mit rothen, heißen Wangen und viel größerem Entzücken, al» sie für die Meisterwerke ihres Gatten mit bestem, ehrfürchtigem Willen aufzutreiben vermochte. Die Arbeit belohnte sich. Die alten Verleger von Tante Adelgundens Werken waren hoch erfreut, ihrem Leserkreise noch einige echte Erzeugnisse ihrer vielbeliebten unersetzlichen Feder dar bieten zu können. Und mit den Erträgnissen hatte Ottomar allen Grund zufrieden zu sein. Al« er sich so für ein« ganze Zeit geborgen sah und erleichterten Herzen» die Möglichkeit erkannte, mit männlich gereiftem Geist und Wollen auf selbstgewählten Pfaden zu Zielen vorzuschrriten, die er immer höher und schöner und doch nicht unerreichbar vor sich sah, da schlug sein Fuß wie von selbst den Weg zu dem grün umhegten Friedhöfe ein, zu Tante Adelgundens Grab. Beschämung, Reue, Rührung mischten sich in seinem Empfin den. Die hier lag, hatte für ihn gesorgt und gedarbt, während er, der ihr die letzte Freude ihrer alten Tage hätte schaffen können, sich ihr kühl versagte. Und jetzt — hatte er für sich selber gethan, wa» er für st« zu thun zu stolz gewrsrn! Die» Bewußtsein war s«ine Straf«, die voll au»zukosten er sich nicht erließ.