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23L4 ^ " Verhandlullgen der Stadtverordneten am 29. April 1861. (Auf Grund de- Protokoll- bearbeitet und veröffentlicht.) (Schluß.) 4. Herr v. Günther berichtete ferner über da- Project der Erbauung einer neuen Turnhalle. Der Stadtrath macht darüber folgende Mittheilung: »Die hiesige Turnhalle genügt ihrer Bestimmung nicht mehr, theilS wegen Mangel an Raum, theilS ihrer Defecte halber, und der Turnverein hat sich daher genöthigt gesehen, auf den Bau einer neuen Halle Bedacht zu nehmen. Derselbe vermag au- vor handenen Beständen und dem Erlöse aus der abzubrechenden Halle die bisherigen Turnhallenactien, von denen noch für ca. 3700 Thlr. vorhanden sind, zu decken, auch au- den Erträgnissen der neuerlich veranstalteten Sammlung von gegen 2600 Thlr. die innere Ein richtung der neuen Halle zu beschaffen, e- fehlt ihm aber das Baucapital, und derselbe hat sich daher mit dem Gesuche um Ge währung der nöthigen Mittel an uns gewendet." »In Berücksichtigung der großen Bedeutung, welche das Turnen für die Ausbildung der Jugend und als diätetisches Mittel für Erwachsene gewonnen hat, haben wir beschlossen, eine neue Turnhalle auf Kosten der Stadt nach vorgängiger Ausschreibung einer Concurrenz zu erbauen und dem Turnvereine gegen einen MiethzinS, welcher eine angemessene Verzinsung des Baucapital- repräsenirc, zu vermiethen." „Indem wir die Herren Stadtverordneten um Ihre Zustim mung hierzu ersuchen, bemerken wir, daß eS sich unseres Erach tens um eine Summe von ca. 20,000 Thlr. handeln wird." „Wir haben es für besser gehalten, die Halle herzustellen, als dem Vereine die nöthige Summe vorzuschießen, da auf diese Weise für den, wenn auch nicht wahrscheinlichen, doch möglichen Fall, daß die Halle einmal zu ihrem jetzigen Zwecke nicht mehr gebraucht werden sollte, dieselbe der Eommun, die ohnehin Eigenthümerin des Areales ist, zu anderweiter Verfügung eigenthümlich verbleiben, für ein Darlehn dagegen eine geeignete Sicherstellung nicht zu erlangen sein würde." Einstimmig erklärte sich der Au-schuß für den Beitritt zum Beschlüsse deS Raths. Er wurde zu diesem Beschlüsse, abgesehen davon, daß das Turnwesen möglichst zu fördern sei, hauptsächlich durch Rücksicht auf dm Umstand bestimmt, daß da- Areal, auf welchem die Halle erbaut werden soll, Eigenthum der Eommun ist. Zugleich schlug er mit 5 gegen 1 Stimme vor, beim Rache zu beantragen, eS möge der Turnhalle eine solche Einrichtung gegeben wer den, daß dieselbe mindestens theilweise als CircuS benutzt werden könne. Die Majorität war der Ansicht, daß auf diese Weise eine angemessene Rentabilität des Gebäudes erzielt werden könnte. Der Minorität erschien die Lage für einen Circus nicht gün stig. Sie hegte auch die Befürchtung, daß dadurch eine Störung der Turnenden herbeigeführt werden könne. Herr St.,V. Häckel, die Minderheit im Ausschüsse bildend, wies auf die große Theilnahme am Turnen, namentlich Seiten der Schulen hin. Diese Theilnahme werde durch die Anlage eine- CircuS, zumal der Turnplatz für einen solchen ganz un geeignet sei, nicht wenig leiden. Dagegen machte der Herr Referent darauf aufmerksam, daß die Verwendung des Circus nur in der Messe eintreten konnte, wo der Besuch des Turnplatzes voraussichtlich ohnehin geringer sei. WünschenSwerth bliebe jedenfalls eine angemessene Verzin sung deS Anlagekapital- für die Stadtgemeinde; die Vermiethung deS Circus aber werde einen hohm Ertrag gewähren. Herr Vicevorfteher Rose bemerkte, daß er zwar kein ethische- Bedenken gegm die Verbindung eines CircuS mit der Turnhalle habe, aber nicht zugeben könne, daß die Verwendung der Halle zum Circus während der Messen ohne Störung auf die Turnen den durchzuführen sei, er bezweifelte auch die Zweckmäßigkeit der Anlage deS CircuS auf jenem Platze; eben so erklärte sich Herr Adv. Winter gegen den Majorilätsantrag, da der Turnplatz auch während den Messen ziemliy regelmäßig besucht werde. — Der Zugang zu demselben sei übrigen- an sich schon für Anlage eine- CircuS nicht geeignet. Herr Advocat An schütz stimmte dem bei. Herr Otto Wigand hielt zwar den Platz für Anlage eine- CircuS nicht für ungünstig, erklärte sich aber mit Rücksicht auf das Turnwesen gegen den Mehrheitsantrag. Herr Ersatzmann Lackirer Müller — heute einberufen — erachtete ebenfalls die Vereinigung de- CircuS mit der Turnanstalt nicht für geeignet. Unter Bezugnahme auf frühere Verhand lungen wegen Anlage eine- festen Circus im Hotel de Prusse bemerkte er, daß sich fast mit Gewißheit" annehmen lasse, daß ein solcher fester, von dm übrigen Schaubuden getrennter CircuS von den Meßdarstellem nicht gesucht und also auch nicht rentabel sein werde. Da, wo Pauken und Trompeten erschallen, stürze das Baüervolk hin, dem schaulustigen Publicum sei die Breterbude die sch-nste Bude. Auch Herr Leppoc war gegen die vorgeschlagene Vereinigung de- Circus mit der Turnhalle. Er befürchtete dadurch besonder- eine Vermehrung der Kosten. . Im Schlußworte machte der Herr Referent noch geltend, daß während den Messen im Freien geturnt werden könne, daß aber auch da- Publicum jedenfalls einen festen CircuS einer Breter- bude vorziehe. Einstimmig gab man darauf zur Erbauung der Turnhalle au- städtischen Mitteln Zustimmung; der Antrag der Au-schuß, Mehrheit wurde mit überwiegender Stimmenmehrheit abgelehnt. Geffentiiche Sitzung der Leipziger polytechnischen Gesellschaft am 8. März 1861. (Genehmigtes Protokoll.) Der Direktor vr. Hirzel benachrichtigt die Anwesenden zu erst von dem Tode des Herrn Di hell, ehemaligen treuen Lehrers an der SonntazSschule und langjährigen Mitgliedes der Gesell schaft. — Nachdem hierauf da- Protokoll der vorigen Sitzung verlesen und genehmigt worden, ladet der Direktor zu dem am 17. März Nachmittags */,4 Uhr im großen Saale der Buch händlerbörse stattfindenden SchulactuS der Sonntagsschule ein, und bemerkt dabei, daß in diesem Jahre von dem Direktorium eine Ausstellung von Arbeiten der Lehrlinge veranstaltet worden sei, welche an demselben Tage von Vormittag- 10 Uhr an ge öffnet sein werde. — Ferner theilt er mit, daß Nr. 6 und 7 der Protokolle fertig gedruckt und jedes derselben für 1 Ngr. bei ihm oder bei Herrn F. Hofmeister zu haben sei. — Der Bibliothekar vr. Schildbach macht ferner die Mittheilung, daß die Bibliothek der Gesellschaft wegen deS SchulexamenS auf einige Wochen ge schlossen werden müsse, und daß daher diejenigen Herren, welche Bücher zu haben wünschten, sich brieflich an ihn wenden möch ten; ferner stehe dem Journallesezirkel insofern eine Aenderung bevor, als der Preis für den ersten, bereits zu umfangreich gewor denen CycluS auf 4 Thlr. jährlich erhöht werden und die Anzahl der Theilnehmer an demselben vorläufig auf 10 beschränkt sein solle, für den Zweiten CycluS auf 2 Thlr. und für den dritten auf 1 Thlr., und daß diejenigen Herren, welche dem einen oder anderen CycluS beizutreten wünschen, sich bei ihm melden möchten. Hierauf liest vr. Hirzel eine Zuschrift de- Hrn.K. Reut her vor, die ihm in Betreff des künstlichen Elfenbein- zuge gangen war; dieselbe lautet: „Freitag den 8. und Freitag den 22. Februar 1861 zeigte Herr vr. Hirzel in der Polytechnischen Gesellschaft künstliches Elfenbein vor und eS wurden verschiedene Meinungen über dessen Brauchbarkeit ausgesprochen und auch die Frage ausgestellt: ob man es nicht zu Claviaturen gebrauchen könne? Da ich mich nun schon seit längerer Zeit mit Herstellung von Claviaturen beschäftigt habe und Gelegenheit hatte, die ver schiedenen hierzu empfohlenen Materialien genauer kennen zu lernen, so erlaube ich mir meine Ansicht dahin auszusprechen, daß das künstliche Elfenbein, so wie es neulich vorlag, zum Be legen der Tasten nicht zweckentsprechend sein dürfte, und zwar aus folgenden Gründen: Zuerst hat man, wie die alten Instrumente bestätigen, die Untertasten mit schwarzem oder einem schwarz- gebeizten Holze, die Obertasten aber mit Knochenplatten belegt; dann belegte man die Untertasten mit Knochen und machte die Obertasten von schwarzem Holze. — Ferner hat man die Unter tasten mit Marmor, Wallroßzahrr, Perlmutter oder, wie eS auch jetzt noch sehr häufig geschieht, mit Knochen belegt, welche- letztere Material nächst Elfenbein da- beste ist, weil e- beim Berühren der Tasten dasselbe Gefühl verleiht wie da- Elfenbein. Schon der Wallroßzahn nimmt eine außerordentliche Glätte an, jedoch lange nicht in dem Grade wie Elfenbein und Knochen; Marmor hingegen bleibt nicht glatt, auch nicht bei der feinsten Politur, und man empfindet beim Berühren immer eine gewisse Kälte. Perlmutter ist im Vergleich zu den anderen Materialien sehr theuer und auch zu diesem Zwecke nicht beliebt, denn man sieht sehr darauf, daß die Tastatur eine- Instrument- so weiß wie möglich ist. Eigentlich verdient der Knochen wegen seiner schönen weißen Farbe den Vorzug, hat aber wieder den Nachtheil, daß sich nach sehr kurzer Zeit Poren zeigen, die dann durch Bei mischung von feinem Staube leicht grau werden. Ebenso würden die Tasten, wenn man sie mit obenerwähntem künstlichen Elfen bein belegen wollte, in kurzer Zeit grau werden, besonder- wenn der Spieler schweißige Hände hat. — Ich hatte mir ein kleine- Stück diese- künstlichen Elfenbein- angreianet, welche-, nachdem ich eS kurze Zeit auf einen etwas nassen Gegenstand gelegt hatte, klebrig wurde. Es würde sich demnach diese- künstliche Elfenbein nicht gut zum Belegen von Lasten eignen, hingegen würde e- für andere Arbeiten, die nur als Aierrath dienen und nicht häufig berührt werden, anwendbar sein. Auch zu Mefferschalen dürfte r- sich nicht eignen, weil es schwerlich eine Niete au-halten wird.