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140 Aus dem Morgenlande. Der große lmigliche Wlmsmid. Es geht ein wohlthnender, weil urmenschlicher Zug durch das gesamte Altertum, sowohl das klassische wie das nicht klassische, ein Zug, welcher uns noch heutzutage zur höchsten Dankbarkeit verpflichtet seiner historischen Folgen wegen: ich meine die Pietät der Alten gegen ihre Verstorbenen, eine Pietät, welche bei den Völkern der Vorzeit in den Vorder grund ihrer Anschauungen tritt. Sie bauten Gräber sür ihre Toten, welche nicht darauf berechnet waren, nur eine kurze Zeit nach dem Tode fortzudauern und dann zu ver gehen, sondern — nach den Mitteln, wie sie ihnen zu Gebote standen — sie führten wahre Grabdenkmäler auf, welche für eine lange Dauer hergerichtet waren. Sie betteten ihre Toten in diese Grabstätten und gaben ihnen alles dasjenige mit, was ihnen im Leben aus Erden lieb und wert gewesen war. Dieser Pietät verdanken wir heutzutage die Kenntnis alles dessen, was mau mit dem Namen der Privataltertümer bezeichnet, freilich auch vieles Historische darunter, und wir haben dadurch Kenntnis von Details, von denen uns die Überlieferungen z. B. der Klassiker auch keine Spur hinter lassen haben. Es bewahrheitet sich auch hier das alte Wort, daß, wenn die Menschen schweigen, die Steine reden werden. Wenn irgend ein Volk des Altertums sich in der Pietät gegen seine Toten auszeichnete, so waren es vor allen übrigen die Ägypter. Wir können während des Zeitraumes von vierzig Jahrhunderten, von den ältesten historischen, schriftlich vor handenen Denkmälerepochen an bis gegen den Anfang unserer Zeitrechnung hin, diese Pietät verfolgen in allen Perioden ichrer Geschichte und in allen Landschaften des eigentlichen Ägyptens; wir haben Gelegenheit, diese Pietät jederzeit nach zuweisen, überall ihre Spuren aufzudecken und zu gleicher Zeit belebt zu finden durch das verständnisvoll geschriebene Wort. ^