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128 Aus dem Morgenland«. Eine KlilMie. Unter den Erscheinungen atmosphärischer Natur, welche der Mensch zu beobachten Gelegenheit findet, nimmt das Gewitter eine hervorragende Stelle ein. Während die einen am offenen Fenster in ruhiger Stimmung den zuckenden Blitzen und dem rollenden Donner ihre Aufmerksamkeit spen den, bemächtigt sich anderer das beklemmende Gefühl der pein lichsten Furcht. Blitz und Donner erfüllt sie mit Schrecken. Besonders nervenschwache und ängstliche Personen Pflegen es wie der Vogel Strauß zu machen, der seinen Kopf in den Sand stecken soll, um einer ihm drohenden Gefahr zu ent gehen. Sie kriechen ins Bett, steigen in den Keller nieder oder verbergen sich sonst wo in abgeschlossenen finsteren Räu men der eigenen Häuslichkeit. Ich kannte sogar einen sehr ge lehrten Doktor der Philosophie, einen Mann in den Dreißigern, welcher bei einen: nahenden Gewitter sich in das Kleiderspind seines Zimmers einzwängte und die Thüren desselben mit aller Vorsicht zusperren ließ, um dem Anblick eines sich ent ladenden Gewitters zu entgehen. Greift die alte ehrwürdige Großmutter zum Gesangbuch, um durch das Herlispeln eines Passenden Liedes den Zorn des lieben Herrgottes bei einem heranziehenden Gewitter in andächtigster Kirchenstimmung zu beschwichtigen und für sich und ihr Haus den Schutz des Allerhöchsten zu erflehen, so ist das rührend, aber lange nicht so schlimm, als wenn in manchen von der aufgeklärten Stadt fern gelegenen Ort schaften die Kirchenglocken in Bewegung gesetzt werden oder der und jener einen sogenannten Donnerkeil in die Hand nimmt, in der Meinung, einen kräftigen Talisman gegen alle Blitzschäden an seiner werten Person zu besitzen. In diesen und ähnlichen Fällen treibt der böse Aberglaube immer noch sein Spiel und läßt den Sohn unseres Jahrhunderts