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11. Kap.I Die arabischen Nomaden und dieargentinischenBichzüchter. 167 Die arabischen Stämme, welche die Wüste durchschweifen, stehen unter einem Nettesten oder einem Kriegshäuptling', bei ihnen ist ein gesellschaft liches Band, ein socialer Zusammenhang vorhanden, obschon der Stamm nomadisch, nicht etwa an irgend einem Punkte fest angcsiedclt ist. Er hat seinen religiösen Glauben, seine Stammüberliescrungcn, die in frühere Jahrhunderte hinansrcichcn; seine Lebensweise ist sich zu allen Zeiten gleich geblieben, er hat Ehrfurcht vor dem Alter, richtet sich nach Herkom men und Gesetz, kurz bei ihm gilt eine moralische Ordnung. Aber Fort schritt und Entwickelung sind bei dem arabischen Nomaden unmöglich, weil es eben keinen Fortschritt ohne Ansässigkeit geben kann, weil nur in Städten eine höhere mannigfaltige und viclscitigeAusbildnng möglich ist. In den argentinischen Pampas giebt cs keine Nomadcustämmc; der Hirt besitzt den Boden, welchen sein Vieh bewcidct als Eigcnthümcr, er wohnt an einer Stelle, die unbestritten ihm gehört. Aber er lebt ver einzelt; und damit der Hirt auf seinem eigenen Boden wohnen könne, ist cs unumgänglich, daß die Gesellschaft aufgelöst werde, oder vielmehr, cs kann sich bei solchen Zuständen gar keine Gesellschaft bilden. Denn die Familien leben weit und breit über eine ausgedehnte Fläche verstreut und von einander entfernt. Man denke sich einen Raum von ein oder zweitausend Gcvicrtmcilen. Er ist bewohnt, allerdings; aber ein Haus ist vom nächsten Nachbar allermindestens zwei bis drei Stunden entlegen, sehr häufig acht bis zehn Stunden. Woher soll unter solchen Umständen Fortschritt und Entwickelung kommen, da obendrein Jedermann Vieh züchter und nichts weiter ist? An und für sich kann ein Hccrdcnbcsitzcr freilich ein gebildeter Mann sein; cs ist z. B. möglich, daß er in seiner Einöde ein hübsches Haus baut. Aber auch dann ist und bleibt er ver einzelt, die Nacheiferung fehlt, sein Beispiel findet keine Nachahmung. Solch ein Viehzüchter (Estanciero), fühlt nicht etwa, wie der Städter, das Bedürsniß äußerlich mit Anstand aufzutretcn, denn er kommt mit Nie mand in Verkehr, außer etwa mit seinesgleichen. Er muß sich manche Eittbehrungen äuferlegc», und diese nimmt er zum Vorwand für seine Trägheit und Nachlässigkeit. Alles gewinnt einen barbarischen Zuschnitt. Gesellschaftliche Beziehungen sind nicht vorhanden, es giebt nur isolirte Familien, keine Vereinigung. Unter solchen Umständen wird auch eine eigentliche Regierung un-