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160 Das argentinische Gebiet. s6. Buch. weide, und unbewohnte Landstriche bilden die Scheidelinie zwischen den verschiedenen Provinzen. Unabsehbare Ebenen, dichte Wälder, große Ströme kennzeichnen das Land. Der Horizont ist unsicher, er verschwimmt in farbigen Wolken und leichten Dünsten mit Himmel und Erde; man weiß nicht wo die letztere aufhört und der erstere beginnt. Im Norden wie im Süden liegen Indianer aus der Lauer; in Mondscheinnächten stürmen sie aus ihren Schlupfwinkeln hervor, und überfallen, gleich einem Trupp Hyänen Heerden und Hirten. Dann und wann ziehen Wagen karawanen über die Pampas. Sie halten Rast; die Mannschaft lagert sich um ein Feuer, und hält dabei unwillkürlich den Blick nach Süden gerichtet. Beim kleinsten Geräusch, wenn der Wind das dürre Gras be wegt, starrt der Karawanenführer in die düstere Nacht hinaus, um zu er spähen ob irgend eine Jndianerhorde in der Nähe sei und plötzlichen Uebersall drohe. Sein Ohr hört nichts Verdächtiges, sein Auge vermag das tiefe Dunkel der Wüste nicht zu durchdringen; aber der Reisende ist darum nicht beruhigt, und um sich Gewißheit zu verschaffen, ob Alles sicher sei, betrachtet er genau das Ohr seines Pferdes, und sieht zu ob dasselbe sich nicht bewege und nach hinten zu hinabhängt. Ist das der Fall, dann weiß er, daß für den Augenblick der Feind nicht in der Nähe ist; das unterbrochene Gespräch wird fortgesetzt, und das halbgcröstcte Fleisch in Ruhe verzehrt. Aber der Reisende muß nicht blos gegen die Wilden auf der Hut sein, denn auch Tiger und Schlangen können ihm gefährlich wer den. Die Unsicherheit des Lebens ist aus dem flachen Lande andauernd, und die Menschen haben sich daran gewöhnt; dadurch ist dein argentini schen Charakter eine gewisse stoische Entsagung auch im Angesicht eines plötzlichen, gewaltsamen Todes ausgeprägt worden. Der Mensch muß ja doch einmal sterben, gleichviel auf welche Art! So denkt der Argentiner, und es ist ihm im Allgemeinen ziemlich einerlei wie man stirbt. Auch aus die Ueberlebenden macht der Tod keinen tiefen Eindruck. Der bewohnte Theil dieses großen Landes, das sehr verschiedene Klimate in sich begreift, zerfällt in drei besondere Regionen; und in jeder einzelnen haben auch die Bewohner ein eigenthümliches Gepräge. In der nördlichen Region, welche in das Gran Chaco verschwimmt, nehmen un durchdringliche Gestrüppwälder einen Ungeheuern Flächenraum ein. Die Region in der Mitte bildet einen mit jener nördlichen parallel lausenden