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5492 liegt da- Göttliche de- Ursprung- der christliche» Lehre, daß wir de« Besitz Ihrer Wahrheiten, dl« richtige Vorstellung eine- über alle Welten erhabenen Wesen- nicht dem yvnschlichM Weg« dev empi rischen Forschung, sondern einer höhetn Erienchtung verdank«. Der RaUm, in demlsich die WeltsvsteMe vewegen, ist ohne Grenze; was wäre außerhalb einer solchen Scheidewand? Die Anzahl der Welten ist unendlich groß, sie ist durch Zahlen nicht au-drückdar ; der Lichtstrahl legt in einer Secunde vierzigtaufend Meilen zurück; ein Jahr umfaßt viele Sekunden; e- giebt Fix sterne, deren Licht, um zu unserm Auge zu gelangen, Billionen Jahre Zeit gebrauchte. Wir kennen Tytere mit Zähnen, mit Be wegung-- und Verdauung-organen, dir dem vloßen Auge nicht mehr sichtbar sind; eS giedt Thiere, welche, meßbar, viele tausend mal kleiner sind und die die nämlichen Apparate besitzen. So wie die größeren und größten nehmen sie Nahrung zu sich und pflanr« sich durch Eier fort, die wieder viele hundertmal kleiner al- ihr eigener Körper sein müssen. Nur an unfern unvollkommenen Seh werkzeugen scheitert die Wahmehmung von billionenmal kleineren Geschöpfen. Welche Abstufungen und Verschiedenheiten bieten die Bestand- theile unser- ErdkörperS in ihren Zuständen und in ihren Eigen schaften dar! E- giebt Körper, welche zwanzigmal schwerer wie ei« gleicher Raumtheil Wasser, eS giebt andere, welche zehntausendmal leichter sind, deren kleinste Thetle durch die besten Mikroskope nicht mehr wahrnehmbar sind; wir kennen zuletzt in dem Lichte, diesem wunderbaren Boten, der un- täglich Kunde bringt von dem Fort bestehen zahlloser Welten, die Aeußerung eine- außerirdischen Wesen-, welche- der Schwerkraft nicht mehr folgt und doch unfern Sinnen durch unzählige Wirkungen sich bemerkbar macht, und da- Sonnen licht selbst, mit dessen Ankunft auf der Erde die tobte Natur Leben und Bewegung empfängt; wir spalten e- in Strahlen, die, ohne zu leuchten, die mächtigsten Veränderungen und Zersetzungen in der organischen Natur Hervordringen; wir zerlegen e- in eine Mannichfaltigkeit von Wärmestrahlen, die unter einander eben so große Verschiedenheiten wie di« Karden zeigen. Nirgend- aber be obachten wir einen Anfang oder ein Ende. In der Natur sieht der menschliche Geist weder über noch unter sich eine Grenze, und in dieser für seine Kraft, ihrer Unermeßlichkeit wegen, kaum faß baren Unendlichkeit fällt kein Waffertropfen zur Erde, kein Stäub chen wechselt seinen Platz, ohne dazu gezwungen zu sein. Nirgends außer sich beobachtet der Mensch einen zum Bewußt sein gelangten Willen, Alle- sieht er in den Fesseln unwandelbarer, unveränderlicher, fester Naturgesetze, nur in sich selbst erkennt er ein Etwa-, was alle diese Wirkungen, einen Willen, der alle Natur gesetze beherrschen kann, einen Geist, der in seinen Aeußerungen unabhängig von diesen Naturgewalten ist, . der in seiner ganzen Vollkommenheit nur sich selbst Gesetze giebt. Die einfache empirische Erkenntniß der Natur, sie drängt un- mit unwiderstehlicher Kraft die Ueberzeugung auf, daß diese- Etwa- nicht die Grenze ist, über welche hinau- nicht- ihm Aehnltche- und Vollkommnere- mehr besteht; unserer Wahrnehmung sind seine niedrigeren und niedrigsten Abstufungen allein zugänglich, und wie eine jede andere Wahrheit in der induktiven Naturforschung, be gründet sie die Existenz eine- höheren, eine- unendlich höchsten Wesen-, für dessen Anschauung und Erkenntniß die Sinne nicht mehr zureichen, da- wir nur durch die Vervollkommnung der Werk zeuge unser- Geiste- in seiner Größe und Erhabenheit erfassen. Die Kenntniß der Natur ist der Weg, sie liefert un- die Mittel zur geistigen Vervollkommnung. Die Geschichte der Philosophie lehrt un-, daß die weisesten Menschen, die größten Denker de- Alterthum- und aller Zeiten die Einsicht in da- Wesen der Naturerscheinungen, die Bekanntschaft mit den Naturgesetzen al- ein ganz unentbehrliche- Hülf-mlttel der Teiste-cultur angesehen haben. Die Physik war hin Theil der Phi losophie. Durch die Wissenschaft macht der Mensch die Naturae- walten zu seinen Dienern, in dem Empiri-mu- ist e- der Mensch, der ihnen dient; der Empiriker wendet, wie bewußtlos, eine« unter geordneten Wesen sich gleichstellend, nur einen kleine« Theil seiner Kraft dem Nutzen der menschlichen Gesellschaft zu. Di« Wir kungen regieren seinen Willen, «ährend er durch Einsicht in ihren innern Zusammenhang die Wirkungen beherrsch« könnte. Man wird diese Einleitung nicht unpassend, sondern an ihre» Platze finden, wenn ich in einem der folgenden Briefe versuche, eine- der merkwürdigsten Naturgesetze, welche- der »euer» Chemie zur Grundlage dient, zu erläutern. Wenn dem vergleichenden Anatomen ein kleine- Kaochenftück, ein Zahn zu einem Buche wird, au- dem er «n- die Geschichte de- Geschöpfe- einer untergegangene» Welt erzählt, seine Größe und Gestalt beschreibt, da- Medium, in dem e- lebte und athmete, seine Nahrung, ob Pflanze oder Thier, seine Werkzeuge der Fort bewegung un- zeigt, so würde alle- die- da- Spiel einer regellosen Phantasie genannt werden können, wenn diese- kleine Knochen stück, dieser Zahn, einer Laune de- Zufall-, einer Willkühr seine Form und Beschaffenheit verdankte. Alle- die- ist dem Anatomen möglich, weil ein jeder Theil bestimmten Gesetzen seine Form ver dankt, weil, die Form de- Theil- einmal erkannt, eS da- Gesetz ist, wa- da- Ganze ronstruirt. Nicht minder wunderbar mag eS Vielen scheinen, daß der Chemiker au- dem bekannten GewichtS- verhältniß, in dem sich ein einzelner Körper mit einem zweiten verbindet, die Gewicht-verhältniffe erschließt und festsetzt, in denen der erste Körper mit allen übrigen, mit zahllosen andern Körpern sich verbindet. Die Entdeckung dieser Gesetze, denen sich alle Vor gänge, die Zahl und Maß umfassen, in der organischen sowohl wie in der Welt der Mineralien unterordnen, die alle chemischen Proreffe regeln und beherrschen, ist der anerkannt wichtigste und in seinen Folgen reichste Erwerb diese- Jahrhundert-. Wechselseitiger Unterricht *). E- ist ein trauriger Rothbehelf, wenn ganze Schulen auf d.n wechselseitigen Unterricht der Kinder selbst gegründet werden müssen, (well man eben die Lehrer zu bezahlen außer Stande ist) wie z. B. Pestalozzi erzählt, daß er ein Kind, welches zwei Buchstaben mehr, al- die andem, gewußt habe, zu ihrem Lehrmeister gemacht hätte. Am wenigsten fühlbar ist natürlich der Unterschied zwischen einem solchen „kindlichen Lehrmeister" und einem erwach- senenLehrerinden Ländern, wo, wie in Nordamerika, England und Frankreich, der größte Theil der Lehrerwirksamkeit imUeder- hörea der au-wendig gelernten Aufgaben besteht, und in diesen Ländern habe« de-halb dle Lancaster-Schulen und ähnliche auch da- meifte Glück gemacht. Nicht so bei un- in Deutschland. Gleichwohl dürfen wir diese- „Jnstructorenwesen" nicht ganz ignoriren ; unsere Alumne« können dle kräftigsten Beweise von der Trefflichkeit dieser Methode, wenn sie zu Hilfe genommen wird, aufzeigen. In diesen Tag« hörte ich au- dem Munde eine- Claffenlehrer-, daß, seitdem einer seiner schwächsten Schüler einen „Jnstructor" zu Hause au- der nächsten Nachbarschaft und au- der Mitte unserer Schüler habe — und zwar ganz unentgeltlich und blo- mir und dem alten Schulkameraden zu Gefallen — die Arbeiten diese- Schüler- viel besser geworden wären. Ich werde bei der nächsten Gelegenheit diesem kleinen „Jnstructor" meine Freude darüber bezeigen und ihm meinen Dank dafür abstatt-n. Nur muß in solchem Falle der Lehrer die Leistungen eine- solchen jugendlichen Lehrmeister- mit Nachsicht ansehen und am wenigsten sie lächerlich machen, um etwa zu zeigen, wie unendlich klüger er ist; e- sind eben nur Liebesdienste unserer Schüler unter einander. Sobringen wir da- Leben in die Schule und machen schon Kinder zu nützlich« Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft. Arme Kinder werden z. B. durch Wartung kleiner Geschwister oft schon sehr nützlich, und eine solche Wartestunde, dle sie gleichsam ged«, ist ihnen sicherlich oft eben so viel nütze, al- eine Lehrstunde. Tugend üben, da- ist die Hauptsache; denn „Uebung macht den M e t st er". In ähnlicher Weise fand ich jüngst in einer Schreibst»«-« ein« klein« guten Schreiber neben einem schlecht« Schreiber steh« und aufpaff«; er hatte dafür Sorge zu tragen, daß der kleine Schlecht schreiber die kleinen Vierecke in dem Netze seine- Schreibhesteg richtig mit den Buchstab« au-füttte, und sicherlich Hab« beide dabet viel gelernt. Ich empfehle de-halb diese Art de- wechselseitigen Unterricht wiederholt und recht dringend, *- L) weil beide Lheile i« Wisse» und Können dadurch trefflich gefördert werden (äooenüo äiooimuo), und 2) weil dabei die schönsten Lugenden, Geduld mit dem Schwachen und Freude am Helfen und Betstehen, ge übt werden. Wa- ein Kind thut, ist tausendmal mehr «erth, al- da-, wa- e- lernt. *) Au- den „üeipz. VlLtteru über Erziehung und Unterricht" von Vv. Hauschtld. 1. Iehrg., 7. und ö. Heft.