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VommBlag. Dezember 1S27 ^ — „Dresdner Nachrichten* — rer Steuerausfchilß tagt ohne die Linke. Ilm die Begünstigung der Ausländsanleihen. D«r»«»er die der Et«d« Dresden. Berlin. 7. Dezember. Der DteuerauSschuß de» >«Ich»taaS sollte heute seine Verhandlungen mittag- Ü Uhr beginnen. Da jedoch mit den Sozialdemokraten außer» halb de» Ausschusses tiber ihr Wiedererscheinen im Ausschuß beraten wurde, verzögerte sich der Beginn der Sitzung über eine halbe Stunde. Auch daun erschiene» weder die Sozial demokraten noch die Kommunisten. Der Vorsitzende. Aba. Qbersohrcn lD.-N.i, eröffnet« trotz, dem die Sitzung, damit der Ausschuß den Bericht seines Unterausschusses über die steuerliche Begünstigung von Ausländsanleihen entgegennchme und eventuell -arlibet beschließen könne. «iS Berichterstatter gab Ab geordneter Fischer-Köln >Dem.» eine auSsührliche Darstellung -er Verhandlungen im Unterausschuß. ES handelte sich um die steuerliche Begünstigung von Ausländsanleihen des preu- ssicheii Staate», der Provinz Hannover, der Stadt Dresden, »er Sächsischen VanbeSpsandbriesanstal« in Dresden nnd ver. schiedener industrieller Unternehmungen. In den Anträgen wird Befreiung der Zinsen der Ausländsanleihen von der beschränkten Stcuerpflicht gemäß 8 115 des Einkommensteuer, gcseves begehrt. Der N eichSmini st er der Finanzen erklärte sich bereit, den Anträgen zu ent- sprechen. Der NeichSrat hatte ebensalls zngestimmt. Ferner wurde Ermäßigung der Wertpapier st euer gemäß 8 20 Abs. k> des .EapttalverkehrösteuergesctzeS erbeten. Hierzu wurde vom Meichssinanzmiuisterium a»8 steuer- technischen Gründen eine ablehnende Haltung eingenommen. Beschlüsse des Unlerausschusses Der Unterausschuß de» SteueransschullcS faßte daraus folgende Zleschlüsse: >. Er genehmigte die Anträge aus steuerliche Begünstigungen von Ausländsanleihen im Sinne der Auffassung der RetchSregicrung also bctr. Befreiung von AaptlalSertragSsteuer. 2. Er richtet an die Reichöregierung ein Ersuchen um nochmalige Prüfung, ob nicht auch die Wertpaptersteuer ermäßigt werden könne. 8. Er regte eine Prüfung de» KapitalverkehrSstcircrgcsetzes an. besonders hin. sichtlich der Gleichstellung von In- und Ausländsanleihen beir. Sanierung des Steuersatzes. Der LtciicranSschiiß selbst stimmte dielen Beschlüsse» seines Unterausschusses zu. AüpenslonSre und Warke'tandsbeamke. Grenzen der erfüllbaren NesoldnngSwkinsch«. Berlin. 7. Dez. Die heutige Debatte über die Beioldungv- vorlage im Hauöhalrausschuß brachte noch folgende Einzelheiten: Tie Aussprache wandte sich dann dem Abschnitt b lWartrgelder, Ruhegehälter und Hinter- blicbencnbezügei z». Eine längere Besprechung ent spann sich über die Wartestanddbeamtcn. wozu die Regie rungsparteien beantragten, die Reichsrcgierung zu ersuchen, baldigst eine Novelle zu dem dem Reichstage vorliegen den WarlcstandSgescy vorzulegen und zu erreichen, daß Warte st andSbcamten. deren Wiederverwendung im Dienst ausgeschlossen erscheint, in den Ruhestand über- gekiihrt werden können. Negiernngsscilig wurde die Zahl der Wartestandsbeamten bei den Neichshoheitsvcrwal- tungen einschließlich der alten Wehrmacht auf 7178 angegeben, von denen l 6 66 ü b c r 60 I a h r e alt sind. Bei der Deut schen Reichsbahn betrage die Zahl der WarlestandS- keamtc» 21800 Mann. Abg. Dr. Quaal; lD.-N.i ersuchte nm Auskunft, was es ausmachcn würde, wenn diele Pensionäre die Bezüge behalte» würden, die sie vor dem Kriege gehabt haben. Ein RcgicrnngSvertreter erklärte, daß Goldmark- pensioncn nicht mehr in Frage kämen. Relchsflnan.zminlsler Dr Köhler: Tic Anregung des Abg. Dr. Qnaatz hat ganz außerordent liche sinnnziclle Auswirkungen. Ich bin durchaus bereit, die Frage genau prüfen zu lallen, damit wir klar darin sehen könne». Die Erhöhung eines Zuschlages von 8 Prozent für die Altpcnsionä'rc der in der Regierungsvorlage nur 5, Pro zent betrug, aus 10 Prozent würde rund eine Million Reichs mark mehr betragen. Der Minister bat. davon abznschcn, badie tragbare Grenze erreich« sei. Im übrigen erklärte der Minister noch: Wenn die Negierung nicht bis zam 11. Dezember die Verabschiedung der Vorlage vollzieht, ist cs ganz anSges^lossen. zu Weihnachten den Beamten die Bcsoldnngöerhöhnna zn gewähren. Dann ist es aber kanm möglich, am t. Januar bei den Zahlungen über die AorslMe hinansznaehen. Weihnachlsvorschutz sür die preutzischen Slaal»bean»1en. verll». 7. De». Der Hauptaudichuß de» Preußischen Landtage» beschloß, dem Landtage folgende Entschließung zu unterbrelten: U« eine« «»glichst großen Dell der Beamten »I». «och »or Weihnachten in de« Besitz der Nachzahlungen gelange» zn lassen, wird da» LtaatSmlnistertom ermächtig« bereit» »or der endgültigen Verabschiedung de» Gesetze» über die Dienstbrzüge der »nmittelbare« Staatsbeamten vorbehalt lich der endgültigen Regelung vorläusigc Zahlunacn nach Maßgabe der Regierungsvorlage nnd de» Stellenplanes unter Berücksichtigung der Beschlüskc de» Hanptausschussrs leisten z« lasse«. And die Vandlaqsobgevrdnelen? Die neue preußische BeioldnngSordnuna steht eine Er- höbung der Mlntstergebälter vor. die »ach dem Diäten- gesetz eine automatische Erböhuna der Tagegelder sür die Landtagsabgeordneten zur Folge haben müßte. Die Tagegelder betragen ein Viertel der tewciliaen Minister gehälter. Die LandiagSsraktion der Deutschen Vvlksvartci hat jetzt einen Antraa eingebracht. wonach durch einen Gesetz entwurf das bestehende Gesetz über das Freifahrtrecht und die Entschädiguna der Mitglieder des Preußischen Landtages dahin aeändert werden soll daß eine nach dem Inkraiitreten dieses Gesetzes erfolgende Erböbnnn der Ministeroebälter eine Er höhung der AntwandSentschädigung der Abgeordneten nicht znr Folge haben soll. ErmLWung -er Lohnsteuer beanlragl. Erleichterungen auch ln der Elnkommenstener. Berlin. 7. Dez Die NcaicrnngSvorlage zur Dnrchsührnna der Ler Nrüninn schlägt rine Herabsetzung deS Lohn« steuersatzes von 16 ans 0 Prozent vor. Das stencr- freic Existcnzminlmnm soll unverändert «206 NM sährlich bctragen. aber kinderreiche Familien sollen dnrch Erhöhung der FamiliencrmSßignnaen entlaste« worden. Der Abzug soll gesteigert werden: Für die Ehcsran von tA> ans 186 Mk. sährlich. sür das erste Kind von 126 ans >86 Mk. sährlich. für dag zwei < oKind von 210 ans 860 Mk.. fllr daS dritte Kind von 186 ans 600 Mk.. für das vierte von 726 ans 816. für daS fünfte nnd die solliendcn Kinder von 066 ans 1686 Mk. jährlich. Diese Sätze sollen wie bisher Mindestsätze lein Am Ihre Stelle treten di- bisher schon Ncltcnden prozentualen Abzüge von 1 Prozent sür icdcs Familienmitglied, wenn diese in der Summe höher sind als die festen Abzüge. Gleichzeitig will die RcichSrrgiernng auch eine Ermaß iaung der veranlagte» Einkomme n- steuern in den nntercn Einkommenstnlen cintreten lasten, die Kapitalertrags st euer ans 9'^ Prozent vermindern nnd wahrscheinlich ans Nachzahlungen in der Vermögens steuer, die den Voranschlag nicht erreicht hat, verzichte». Die Essener Verharidlunqen §eschei!erl. Essen. 7. Dez. In den heute vormittag begonnenen weiteren Vcrhandlunacn zwischen der Grvßeiscnindnstrte und den drei Gewerkschaften trugen die Gewerkschaften erneut ihre bis herigen Forderungen vor. von denen sie nnter keinen Umständen abgchcn wollen. Eine einheitliche Forde- rnna ist von den GcwcrNcktaitcn nicht ausgestellt worden. Jede einzelne vertritt ihren Standpunkt. Zu einer Einigung mit den Unternehmern ist eS nicht gekommen. Nunmehr folgen neue Berhandlnugen vor dem Schlichter. Mtrlschaflliche Fragen im Neichskablnett. Berlin, 7. Dez. Das NeichSkabinett stimmte in der heute unter Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Marx abgehaltencn Sitzung dem Entwurf eines Gesetzes zur Acndcrnng des Tabak st euergcsctzes zu. Im Anschluß daran fand im Kabinett aus Grund eines Vortrages deS Reichsarbcits- ministers eine Aussprache über die in der Schweres sen» i n d » st r i c schwebenden sozialen Fragen statt. Ar. 874 Seite Z ^ Annahme -er neuen..Seeliasse" im Aeichsiag. 1 tDradtmel»»»« »»lerer Verl, «chrlstleltnn,.» Berlin. 7. De». Der Reichstag belchästlgtr sich l« seiner« heutlgen Sitzung zunächst mlt der zwelten Beratung brS Gesetzentwurfs Uber die Krankenversicherung der Seeleute. Abg. Schumann lToz.» berichte«« Uber die Auö- schußverhandlungen. Abg. Hoch tSoz.j bedauerte, daß man die Seeleute nicht den allgemeinen Orlskrankenkassen zuweise, sondern eine neue Berusskrankenkalle gründen wolle. Abg. Dr. Haedenkamp lD.-N.i bedauerte die weitgehenden Aende- runaen. die der Ausschuß vvrgenoinmen habe. DaS Zentrum sei im Ausschuß seinem eigenen Arbeilsnnnistrr untreu ge worden. DerRcdner beantragte etneVcrsichcrungSpslichlgrenze non 8600 Mark. Hochbezahlte Kapitäne könne man nicht nach den Sätzen einer Armenkasse versorgen. Abg. Dr. Molden hauer lD. Bp.j stimmte dem Gesetzentwurf in seiner Grund tendenz zu. Nach weiterer Debatte wird dann die Vorlage in zweiter Lesung angenommen. Ferner wird beichlosien, daß die Kalle den Namen „See lasse" führen soll. Die übrigen grundsätzlichen Aendcrungsaniräge wurden abgelchnt. Dir Negierung wird ersucht. Gesetzentwürfe vorzulegen, durch die die Genfer Uebcreinkommen über die Entschädigung aus Anlaß von Berufskrankheiten und über die Gkeichbehand- lnng einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer bei Ent schädigung aus Anlaß von Velriebsunsällcn ratifiziert werden. Weiter wird die Reichsrcgierung ersucht, die Unfallversicherung aus Feuerwehren. Krankenanstallen. Bühnenbclriebe und Laboratorien auSzudehnen. Vis zur Erledigung dieser Fragen soll die Natisizierung des Uebcreinkommens über die Betriebsunfall-Entschädigung ausgeschobcn werden. Unter Ab lehnung von Acndernngen werden die AuSichußanträge an genommen. DaS Hans vertagt sich dann, da der DonncrSiag wegen des katholischen Feiertages sitzungöfrci bleibt, ans Freitag nachmittag. Die deutsch-polnischen Wirlschasls- be'vrechungen. Berlin, 7. Dez. Ucber den Verlauf der Verhandlungen zwischen den deutschen und polnischen Wirischastssührern in Berlin wird mitgctcilt: Die Industrie-Kommission hat die allgemeinen Fragen detz Handelsvertrages die sich aus industrielle Produkte beziehen, erörtert und alsdann eine Reihe von einzelnen Fragen, namcnilich bezüglich Kohle. Eisen und Zink, sowie die verarbeitenden Industrien eingehend be sprochen. In ähnlicher Weise unterzog dteAgrarkvmmls» iion die lgnd- und forstwirtschaftliche Lage beider Staaten einer eingehenden Erörterung. Der polnische Bcrhaudtungs- fiihrer lud die deutschen Verhandlungsieilnehmer ein. die gegenseitige Aussprache am 27. und 28. Januar 1028 tu Warschau sortzusetzen. Der Dordbeluch -es Prlrnen Keknrlch. Berlin, 7. Dez. Ucber den Besuch deS Prinzen Heinrich an Bord dcö Kreuzers „Berlin" stellt der „Lok.-Anz." folgen des „authentisch" fest: Der Kreuzer „Berlin" machte vor An tritt seiner Auslandsreise noch eine Probefahrt, die ihn u. a. auch nach Eckrrniörde führte. Dort l»d der Kommandant des Schiffes, Fregattenkapitän Kolbe, den Großadmiral a. D. Prinzen Heinrich vo» Preußen zu einer Besichtigung des Kreuzers ein Prinz Heinrich hielt sich etwa eine halbe Stunde an Bord aus und hat dort weder Befehle gegeben noch irgendwelche Anordnungen getroffen. Bevor er wieder von Bord ging, wurde er gebeten, auch den Mannschaften einige AbschiedSworte zu sagen. Prinz Heinrich hat die inngen Seeleute daran erinnert, daß sie jetzt in Gegenden kamen, in denen er als junger Seeoffizier auch gewesen sei. Er machte daraus aufmerksam, in welch hohem Ansehen die deutsche Marine in der ganzen Welt gestanden habe, und daß eS für ein Kriegsschiff im AuSlandc eine hohe Ehre sei, die deutsche Heimat würdig zu vertreten. W w. wekrle Prager Straße !7 KriZlall Porzellan Oroke kuseosßl IBectrigsts Kreise Kamlet. Einige Worte z« meinem ErgänznngSversuch. Von Gcrhan Hanptmann.*! W:r sich den heutigen Zustand des Hamlct-DramaS er klären will, darf zunächst wenkgcr nach den Quellen des über- licfcnen Werkes Umschau halley. als nach den Fehlcraucllcn oder Mächten der Zerstörung, die es zu dem Torso gemacht beben, der uns überliefert ist. Nehmen wir an. der Dichter hat das fertige Werk aus die Probe seines eigenen Theaters gebracht. Er selbst schon Hai dann das Manuskript den Ersordcrntllcn seiner Bühne, seines Ensembles angepaßt, hat als Regisseur gestrichen oder hinzu- gedichict. Hat er inzwischen nicht sein Urmaniiskript in einer unzulänglichen Kassette verwahrt, so ist damit leine Ansangs- sorm bereits dahin. Die Rollen wurden ausgeschrieben. Höchstn'ohrschetnlich haben lehr bald nur noch diese Rollen bestanden. Niemand ha! vielleicht bis 1608 an dem Gesawtmanuskript ein Intercllc gehabt. Das Rollenmaierial. t» Kisten verstaut, maknlalur- arlig. begleitete reisende Schauspielgesellichatte». Es war mehr als natürlich, wenn hier ein Fetzen und da ein Fetzen ver- lorcngina. Wurden die Rollen abgeschricben? Hat die Berechtigung, das Stück auszuführen. ein Direktor an den anderen ver laust? Es ist selbstverständlich. Damit erscheint als Fehler quelle der Abschreiber, der nicht mehr, wie kein erster Vor- gängcr. vom Dichter und Schauspieler Shakespeare kvntrollicri werden konnte. Die neue Truppe hat ein anders gewöhntes Publikum, andere Schauspieler, einen anderen Direktor. Er wird sich das ganze Werk a»S den Rollen zusammenstellcn »nd sür seine Darsteller und sein Publikum zurcchtichneidern. Die Szencn- folge wird vielleicht nicht mehr ganz klar zu erkennen sein. Aucb sind vielfach vom Rollenichrcibcr die Namen verwechselt worden. Wer Schauspiele abschrclbcn. Rollen kopieren läßt weiß, daß gerade daS immer geschieht. Der Direktor, im Drange, schnell ein zugkräftiges Stück aus die Bretter z» werfen, merkt dos nicht. Er merkt nicht, wo einmal statt Hamlet Loerteö steht. Ank-erdem ist eS ihm vollkommen gleichgültig. Irgendeine Rücksicht auf ein im Schoße der Zeit«", nertnnkenes Meisterwerk kennt er nicht. Die Rolle kommt in die Hand des Schauspielers. Die Pinciiologte deS SchaiisvIclcrS unterliegt, so lange es Ihn gibt, keiner wesentlichen Veränderung. Jeder Schauspieler Im- provlsiert. Kein Gedächtnis ist ko lückenlos, daß eS nicht einen überlieferten Ter» mitunter durch elaenr Erslndnnaen er- gänzen müßte. Man denke, welches GedächtnlSmaterial ein Schauspieler zu bewältigen hat. Er improvisiert aber auch »t Zn der vrsianttührnng seiner „Hamte«".VegrbkI»nng. dir am tzeniigen Donnerstag >m Schauspielhaus heranSgebracht wird, bat Gcrhart Haupimann eine längere Darlegung versaßt, au« der wir ier die Erklärung silr die Verstümmelung de» Nr- «rte» zum Abdruck bringen. bewußt und aus Lus», erstens, um einmal er selbst zu sein, und dann auch aus Eitelkeit und Effekthascherei. Improvi sationen. die gefallen, trägt der Schauspieler, trägt der Direktor in die Rolle ein. Spätere Schauspieler lernen sic. als ob sie zum Originale gehörten. UebcrdicS. der Schau spieler ändert, ganz besonders der Protagonist. Es gibt solche, bei denen dgS Acndern zur Kranksici! wird, andere, die sich treu a» den Text halten. Es würde nicht »nintcrcsiant sein, von dreißig Hamlctspielcrn der heutigen Bühne die Rollen daraufhin dnrchznsehen. Gibt eS auf der Bühne ettnav wie Rollenneid? Da der Neid in der Welt überall mächlig ist. so besteht er natürlich auch im Theater. Selbst der Weber Zettel im „Sommcrnachls- traum" sagt: „Laßt mich de» Löwen auch spielen." Dieser Neid erstreckt sich sogar aus schöne Verse und Worte, die man dem Kollegen mißgönnt und womöglich wegschnappt. Jegliche Ein- studiernng zeigt diesen harmlosen Neid lebendig tätig. Wenn der Spielleiter sicht, daß eine Stelle, ei» Satz, ein Pasins dcö Textes im Munde des einen, vicllcichi weniger begabten Dar stellers keinen Eindruck macht, legt er die Stelle, den Satz, den Passus einem Vcaabtcrcn in den Mund, der tßn besser zur Wirkung bringt. Der beste, der gewisscnhastcstc Regisseur darf nicht pedantisch sein. Er setzt die Wortpartiiur in Lebe» nm. Und wenn dies geschehen ist. ist sic selbst völlig ver- schwuiidcn und ausgcsogen. DaS auf der Bühne lebendig ge wordene Werk lebt und bewegt sich nach anderen Gesetzen als das aeschricbcnc. Zur Zeit Shakespeares stahl man Stücke durch steno- araphische Aufnahme während der Vorstellung. Aus diese Weise, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, konnte man, selbst men» eS sich um die Ausführung des gewissenhaftesten aller Regisseure handelte, nnd wen» die Nachschrift die aller- genaueste war, daS zugrunde liegende Wortoriginal nicht mehr rein und genau micdercrhaltcn. geschweige wenn ein gewissenloser Direktor Spielleiter gewesen war und der Nach- schreiber ein Schlndercr. Durch all diese Umstände wird daS Korpus deS Stückes monströse Veränderungen erleiden, die sich ans seine innere Harmonie beziehen. ES werden Gleichgewichtsstörungen, innere Verschiebungen eirrtreten. Um es drastisch anSzndrücken: dem Gliederschwund aus der einen Seite wird eine Benicnbikdiing a»s der anderen entsprechen. Denn der Einfluß der Zeit, verbunden mit dem der geschilderten Mächte, ist nicht nur zerstörend und abtragend, sondern er bringt auch faule und tote Wucherungen hervor, und es Ist leichter. Fehlendes zu ergänzen, als solche Wucherungen zu erkennen und zu be seitigen. Der Derck be» Hamlet, den die Wekt besitzt, gebt aus zwei Drucke, die Quarto non 1608 und die non 1601 zurück. Beide sind sogenannte RaubauSgabcn während der Vorstellung deS Stückes insgeheim nachstenographiert. Von der ersten der beide» Ausgaben deS Hamlet, der sogenannten Ersten Onarto von 1668, heißt es denn auch, daß sie eine „Itlderlich gedruckte, vielfach entstellte Raubausgabe" sei. Die Shake- spearc-Fvrschung zögert nicht, das in ihr kopierte Stück „sämmerlich entstellt" zn nennen. Die Zweite Quarto ent. hält es noch immer entstellt, aber in einigem korrigiert und vervollständigt. Diese Ausgabe ist dem Abdruck in der so. genannten Folio von 1623 zugrunde gelegt, dir unseren hcuti« gen Hamlet enthält. Aber auch hier wieder, wie es heißt, nicht ohne Zusätze, Kürzungen und viele verschiedene Les- arten. Ncbcrdies Ist die Folio, wiederum nach dem Urteil der Forschung, „nachlässig herauSgegcben und schlecht ge druckt". Auch gestehen ihre Herausgeber, „ihren Text von vergilbten Papicrfctzen zusammcngcklanbt zu haben, die von Shakespeares Hand kaum mehr enthielten, als einen Tinten- klex". Die Sachlage, der wir nnS somit gegenllberstehen, er scheint, wenn es sich darum handelt, den Ur-Hamlct kennen- znlerncn oder gar ivtcderhcrzustellcn, fast hoffnungslos. Wenn man sich dennoch zu einem Versuch in dicker Richtung veranlaßt fühlt, so wird man ein solches Beginnen vielleicht allzu kühn, aber, in Anbetracht des kläglichen Zustandes, in dem sich der unsterbliche Hamlet-Torso noch immer be. findet, nicht ungerechtfertigt oder gar frevelhaft nennen wollen. Denn was ist ein solcher Versuch anders, als «in Ansruf aller schöpferischen Kräfte gegen die zerstörenden. Küsst und Wissenschaft. s Dresdner Theater - Splclplan für heute: Opern. ha»S: „Mignon" l!H8j. Schauspielhaus: „Hamlet" s^7j. Albcrt-Theater: „Der Kaufmann von Venedig" sKs8j. Residenz.Theater: „Die Ezardaöfiirftin" s>L8>. Die Komödie: „Qllapotrida" (^8). Central. Theater: Noedcr-Revne l8>. ck Opernhaus. Dle Partie der Settna ln der heutigen „M lgnon" - Aufführung singt Julia NSHler. 1 Staatstbeater. S-hanspiellianS: Zur Erstaufführung des „Hamlet" DonnerStaa. den 8. Dezember, erscheint eine Aus gabe deS ProgrammbucheS, die eine »ussiihrliche Abhandluna Gcrhart HanptmannS über die Grundiätze und Ziele «einer «Hamlct"-Vc- g»beituna enthält, sowie a>» Beilage eine neue Ausnahme von Gcrhart Hgiiptmonn und tzchoulvieidirektor Paul Wieck« und lech» ^zcnevbllber aus ..Oamlel". s Argeutlua-Gaftiviel im Alberl.Dheater. D>e Argentina bringt mit ihrem spanischen Ballett oon U> ivantschen Tänzern und Tänze- rinnen morgen, Frcliag, 8. Dezember, erstmalig in Dresden die Ballett-Paniomime in t Akt „Der Liebeszauber lEl Amor Bruioi von G. Martinez^Ierra. Musik von Manuel de Fall«. Oboreogravbilche Regie und Inszenierung von Madame Argentina. Dekorationen non G. Bacartsa». Sandelas: Mme. Argentina. Lucia: Irene Ibanez. Eine Tänzerin: Sarmen Ioseitio. Tarmeds: Mme. Meneltn. Da» Gcivensi: Otilia Lope». Zigeunerinnen: Merced«» Dalmau. Pepita Lvvez, varmen Iuarez, Lolita Mas. Tarmen Mora. Liikta Mona. Pepita Rodriguez »sw. Gesang: Bianca Minond». Dirigent: F. T Adler. Tänze daran»: 1. Tanz be» Schrecken». 2. Tanz de« Feuer» iFcieriiiber Tanz znr Vertreibung der bdicn Geistert. 8. Tanz der Irrlichter. 1. Liebesspiele. Dem „Liebes» zauber" solgt „Im Herzen von Sevilla" und das grobe Divertlo». ment. — Karten bei F. Ries. Scestraßc 2l. und an der Theaterkasse»