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.4 Meder Aosenmontagszug in Köln! Bon unserem Gondervertchterstatter Peter Sachse. pho«»ch^ Das neueste Leppettn-Modell mlt Barbetrieb und Tanzdiele ln, RosenmontagsAng „ES war einmal ein treuer Husar, Der liebt sein Mädchen ein ganzes Jahr, Ein ganzes Jahr und noch viel mehr. Die Liebe na—a—ahm kein Ende mehr!" Und ein ernster Blick in die Zeit: ein Wagen zeigt den Frie dens«:,,gel mit gefesseltem Flügel, mit zerbrochener Palme, bewacht von der cnglisch-französMcn Besatzung des Ober- rhcins . . . Aber immer wieder dazwischen Gerolde, Pauken und Trompete». Ein Bild wie ans dem Mittel,aller, — aber da es voller echter Naivität ist und im Scl>attc» des gotische» Domes und so vieler historisch getreuer Giebel sich abrollt, wirkt es nicht deplaciert. Wo nimmt Köln blosz alle die Pserdc her? Was tun die vielen Posaunistcnbaclcn sonst? Die Kar- neoalsgeiellschaslcn strahlen, wenn ihre Gruppe besonders laut begrüßt wird. Der Zug ist diszipliniert ohne Feldwc-bel- töne. Ganze Grnppcn wiegen sich im Tanzschritt einher. Der oder jener holt sich aus dem Spalier auch einmal ein Küssen, und zehntausend Gesichter lachen n,n ihn her . . . „Köliche Mädehcr kiinne bühe" (küsseni heißt einer der diesjährigen Karnevalsschlager des rheinischen Bolksdichters Willi D st er mann. Jehl versteht man, warum diese Karncvalslieder zwei Monate lang so fleißig von allen geübt morden sind. Das waren Proben zu dem gestrigen Festkonzert. Die gerade dahermarschiercnde Kapelle aus dem Zug braucht nur eins dieser populären Lieder anznstimmcn — schon singt es der ganze Chor von Menschen mit. die ans den Dächern, die an den Laternenpsählcn und die ans dem teuren Fensterplatz im ersten Stock für hnndcrtzwanzig Mark. So steigt immer und immer ein frohes Brausen aus den engen Gassen des heiligen Kölns in die Lüste, die eine heitere Bvrlcnzsonnc milde wärmte. * Mancher Kölner Borkrteas-Nosenmontagszug soll prunk voller gewesen sein. Vermischtes. Mer bestimmt war keiner mit so viel Liebe vorbereitet und von so viel Liebe begleitet wie dieser erste nach dem Jahren des Krieges und des Kummc-cks. Eine Million Menschen waren auf den Beinen. Alle Häuserwände lebben und hatten staunende, lachende Augen und sngende Münder. Ein unvergeßlicher Eindruck. Ein wahrhaftiges Volksfest — vom Volk, durch daö Volk, für das Volk. Bon diesem Tage wird ein Glänzen ausgchen in ferne Zeiten für jede», der ihn erlebte. Nun verstehe ich das Leuchten, mit dem die Rhein länder von ihrem Karneval sprechen. Wir Berliner machen ihn ja jetzt im Funkhaus am Kaiserdamm nach — nach diesem Nvsenmontag am Rhein weiß ich, was ein Surrogat ist. Und beinahe hätten die grünen Tische diesen Tag ver boten . . . Es gibt Städte und Länder, die schenken sich Aufstand, Streik und Putsch. Das heilige Köln schenkt sich und L>cn Seinen ein Fest. Alaaf Köln! An diesen Rvsenmontag kam keiner nach Hause. Sind auch im Rheinland wie überall die Beutel leer — die Herzen sind übervoll. Jedes Dutzend froher Gesellen macht sich als eigener Karncvalszug selbständig und marschiert mit Masken und Musikanten durch den Abend. Bis in den Fast- nachtsmorgen klingt und singt die Stadt. Phantastisch schön der Maskenball der „Narrenzunst" unter den gotischen Bogem des alten Gürzcnichsaalcs. Und heule zur Fastnacht ist schon wicber alle Welt unterwegs und singt und marsclsicrt durch den Psesserknchenduft, den die an allen Ecken aufgebauten Knchcnbäckcrbnden ausstrümcn. „Och da freut sich die Mama" heißt das meistgesnngcnc Karncvalslicd von 1Ü27, das wir wohl bis zum Aschermittwochsmorgcn heute noch tausendmal hören werden. Aber ab übermorgen nimmt diese Lieder keiner mehr in den Mund. Es ist Tradition, sie nach Ascher mittwoch zu begraben. Wer in Köln Schallplatte» mit Kar- nevalslicdern daheim hat, muß sie morgen zerbrechen. Auch das ist Tradition. Einmal wird der Punkt gemacht. Prlns Karneval in seinen» Prunkwage« passtert die Straßen der Stadt Koln. den s. Mär, '1S27. Eine ganze Stadt, die an allen Ecken und Märkten, von üll«n Kellern bis zu allen Dächern lacht und singt und jubelt. Einen Tag das Paradies aus Tranmlanden in die Wirk lichkeit geholt. Zwei Millionen sonnige Augen. So sielst das Erlebnis des ersten RosenmontagS auS, bellen Feier sich das heilige Köln nach zwölf Jahren des Kummers endlich erstritt. Wie lange haben sich die regieren den grünen Tische dagegen gesträubt! Die Amtszöpse sind immer gegen die Freude — warum eigentlich machen sie sich das Regieren und das Verwalten so schwer? » Ich habe dem weltberühmten Kölner Karneval immer ein bißchen skeptisch gcgenübcrgestanden. Der nüchterne Nord deutsche begreift es schwer, daß das gesellschaftliche Leben einer Stadt, wie eö sich in Köln abspielt, weiter nichts ist, als zehn Monate Vorbereitung und zwei Monate Genuß des Karne vals. Mau ist versucht, die liebe Menschlichkeit zu belächeln, die sich die Narrenmütze anssctzt und voller Stolz den bnnleu Orden trägt, mit dem die Elferräte gelungene Clownerie» belohnen. Jeder Kölner ist in einer Karnevalögesellschaft, dpren Hebungen mit zünstleriichcm Ernst geleitet und geleistet werden. In der Karnevals-gcsellsclmft, mag es nun die „Funken-Kavallerie" oder die „Prinzcngnrdc" oder die Ge meinschaft der „Fidelcn Altsiädtcr" sein — ein Amt zu haben, bedeutet eine bürgerliche Auszeichnung, erhöht den Kredit. Man nermntct ein bißchen Industrie in dem Unisvrmknlt der Gesellschaften, in ihrem Billeithandcl für die endlose Reihe von Festsitzungen und Maskenbällen, die sic von Neujahr bis Aschermittwoch veranstalten, in dem schwungvollen Verkauf von Karncvalsliedern und Karncvals-Granimvphonplattcn. Natürlich wenn der Herr Vorstand der ,„Knistcrgarde" für seinen Verein bei dem Saalwiri Tünnes zwölf Nächte belegt, an denen der Wirt kräftig verdient idic ganze Kölner Ver- gnügnngötudustrtc kalkuliert: zehn Monate Defizit hebe» sich durch zwei Karnevals»,vnatel. kann der Herr Vorstand auch verlangen, daß der Wirt Tünnes bet ihm die Weine oder das Scktlagcr bezieht. Aber alle Schattenseiten dieser Karnevals- industric werden ausgewogen, wenn dann am Rosenmontag ersichtlich wird, daß sie die notwendige» Etappen waren, an deren Ende ein so unvergeßliches, auch den letzten und Aerm- sten mit sich reißendes Volksfest entsteht, wie eö der große Festzug am Tage vor Fastnacht ist. Den Festzugstellen die KarnevalSgesellschaften. Je bester der Ertrag ihrer Veranstaltungen und Bälle ivar. »m so mehr Liebe und Geld könne» sic aus die Ausstattung ihrer Gruppe im Zug verwenden. Ein edler Wetteifer entbrennt unter den Gesellschaften — wer hat die schönsten Uniformen, die beste Musil, den herrlichsten Fcstwagcn. die meisten Geschenke für das spalierbildcndc Publikum? Wirklich, es ist eine Kon kurrenz des Schenkend: man scl>enkt den Hnnderttansenden, die die Straße säumen, die alle Fenster belagern.- Augenweide, wie man ihnen Schokolade, Bonbons und Blumen schenkt. Kein .Kölner ist heute unbcschenkt nach Hanse gekommen, jedem ist inindcstenö eine Rose »der ein Zuckerplätzchen von den Trabanten des Prinzen Karneval zngcworfc» worden, und ich weiß nicht, ob der Jubel der Schenkenden oder der Jubel der Beschenkten größer war. „Die neue Zeit" heißt das Programm des RosenmontagS- zugü von 1027. Dreißig Gruppen waren beteiligt — jede mit eigenem Musikkvrps an der Spitze. Deren Hörner und Trommeln liefe» schon seit dem frühen Morgen durch die Straßen. Denn jeder „Ossizier", wie die Würdenträger der meist militärisch benannte-» Gesellschaften heißen, wird am Roscninontagsniorgcn durch die anmarschicrende Kapelle ge» weckt, deren Tninbvnr manchmal schon den Stab vor seinem Hanse schwingt, wenn der zu Weckende- noch im Großen Gür- zcnichsaale das Tanzbein vom Abend vorher dreht . . . Dies mal durste die „Fnnken-Artilleric" den Zng eröffnen. Fri- dcrtztc.ntzch rote Röcke, weiße Hosen, hohe Schaftstiefel. Grenzenloser Jubel empfängt sie, man spürt de» Stoß nnd die Rührung, die durch alle Herzen geht: Es war Krieg nnd Fremdherrschest, was zwölf Jahre lang den „Fastlecr" ver boten hat! Als schlagkräftigstes Dokument der neuen Zeit sumbvlisiert der erste F-.stwagen den Ruudsunk, den Rhein- lnndsc-nder . . . Wieder ein Tambour, wieder Fanfare» und Kessclpankcr, Ritter nnd Landsknechte, ein Festwagcn mit dein Vater Rhein, mit goldenen Rebe» und lachenden Win- zcrtnnen. Der Flcttner Motor, der letzte Zeppeliu-Tnp, der Völkerbund, die gußeiserne Rhcinbrücke, das neue Kölner Hänncschc-Theater, das Ford-Auto. das erste Kölner Hoch haus — das sind ei» paar weitere Themen aus dem Festzng, dem auch die heiteren Momente nicht fehlen. Da ist eine Gruppe: „Pennebrödcr" ans den dunklen Gasten an, Rhetn- nser, da ist die Figur des „Treuen Husaren", der auf jeder KarnvalSsitznng ein dntzcndmal besungen wird- Derttns neuer Umslelgeverkehr. Der Polizeipräsident und die Reichs bahn- direktion Berlin (Preußische Kleinbahnanfsichti haben sich mlnmehr entschlossen, grundsätzlich die Genehmigung für den Um- und ttcbcrstcigcvcrkehr von und zu der Straßenbahn sowie von und zu der Hoch- und Untergrundbahn z» erteilen, nachdem ein genaues Programm für die Erweiterung des Wagenparks der Hoch- und Untergrundbahn und die sonstigen llmgestaltungsarbeite-i, an einer Reihe von Bahnhöfen vor- gelcgt worden ist. l»in ttebergang von der Straßenbahn oder der Hoch- ui»d Untergrundbahn zum Omnibus bleibt aber vorläufig untersagt, weil die OmnibuSgcscllschast noch nickst über genügend Wagen verfügt. In der Frage der Tartfänderung haben die Aufsichtsbehörden die Vor schläge der Stadt genehmigt. lMTB.j ** Versteigerung deS kaiserlichen Schlosses in Remillq. Am 14. März wird in Nemilly bei Metz das früher dem deut schen Kaiser, heute dem französischen Staat gehörige Schloß von Urvtllc öffentlich versteigert. ** Der Millioncnbcirüger Schroeder verhaftet. Im Juli deS vorigen Jahres war, wie erinnerlich, der Bankier Ernst Schroeder, als er wegen Unterschlagungen von der Staatsanivaltschast Frankfurt a. d. O., Fiirstcnberg a. b. O. und Hamburg gesucht wurde, ins Ausland geflohen. Nun mehr konnte er in Jena verhaftet werden. Schroeder unter schlug alS Vertreter eines großen Hnpothekcn-Bankinstitntc's bei ihm lombardierte Wertpapiere im Betrage von mehreren Millionen. ** Ein rumänischer Paßsälschcr in Paris verhaftet. Die Polizei verhaftete einen in Paris wohnenden rumänischen Advokaten, »nd zwar mitten ans einem HochzeitSmahl heraus. Der Advokat hat zahlreichen Landsleuten falsche Pässe ver schafft, um ihnen die Auswanderung nach Kanada zu ermög lichen. Es handelt sich durchweg »in Leute, die sich dadurch der Militärdienstpslickst entziehen wollten. Eine dentschc Kirche für Athen. Der Vorsitzende des Gnstav-Adolf-Vcrcins, Geh. Rat Professor O. Rcndtorff, Leipzig, wird sich demnächst zugleich im Auftrag des Deutsche» Evangelischen KirchcnansschusscS nach Athen begeben, um dort Verhandlungen über den geplanten Bau einer Kirckre für die erfreulich angcwachscue deutsche evangelisclrc Gemeinde zu führen. Bereits im Jahre 1Nl4 war man in Athen so weit, einen Kirchcuban zu plancn:-dic Gemeinde war zu diese», Zweck für das große LicbcSwerk des G„stav-Adols-Vereins vorgcschlagcn. Der Kriegsausbruch zerstörte den mit viel Liebe verfolgte» Plan. Es ist hoch erfreulich, daß auch in diesem Punkte ei» Wicderaufblllhen des alten Lebens fcstzustellen ist. ** Der Film „Wege zu Kraft und Schönheit". — Protest demonstration in Löwen. Als in Löwen der Film „Wege zu Kraft und Schönheit" aufgcsührt wurde, protestierten die katholischen Studenten der Löwener Universität gegen diese Ausführung. Sic versammelten sich vor dem Kino und for derte» unter lauten Protestrnsen, daß dieser „unmoralische Film" sofort ahgesetzt werden sollte. Die Polizei zerstreute die 40(1 Dcmonstrnnteu und nahm einige Verhaftungen vor. Der lluiversiiätsrcktor hat jede Intervention zugunsten der Verhafteten abgelehnt. ** Heeresdienst-Betrügereien in Italien. AuS Neapel wird gemeldet: Die Polizei hat eine Bctrügerbandc ver haftet, die kränkliche Leute mit den Papieren militärdienst pflichtiger Personen zur Ausmusterung entsandt »nd dadurch ctn>a 3000 junge Leute befreit hat. Nach den Fest stellungen der Polizei mußte jeder der so vom Militärdienst befreiten Leute den Betrügern gegen 0000 Lire bezahlen. ** Zwei englische U-Boote ans Grund geraten. Im Hasen von Portsmouth liefen zwei Unterseeboote auf Grund. Die Boote befinden sich jedoch nicht in gefährlicher Lage, und man hofft, sic bald wieder flott zu bekommen. ** Vier Insassen eines NutoS von Wölfen zerrissen. Auf der Antoroutc Beirut—Bagdad wurde ein Automobil, das wegen Motordcfckteö ans vssencr Straße haltmachcn mnßte von Wölfe» überfallen. Die vier Insasse», die keine Waffen bei sich hatten, wurden von den Bestien zerrissen. Der Ä»«l als Regenschirm. Die neue Mode will vor allem praktisch sein, und so bringt sic »ns de» neuen Hut mit der Nicscnkrcmpc als „Regenschirm- Ersatz". Die ncncstcn Pariser Hutmodclle zeigen nicht nur eine hohe Kopfform, sondern auch weit ausladende Krempen, die bis über die Schultern herüberrcichen nnd durchaus ge eignet wären, ein schützendes Dach bei einem Regen für die Trägerin abzngebcn. Diese Hutkrempen sind bisweilen ganz hart und steif, daher nicht der Erweichung durch Wasser auS- gesetzt, und die Hüte werden geradezu als „Regendach" be zeichnet. Ob die Damen freilich nicht vorzichcn werde», den teuren Hanptschmnck noch durch eine» Schirm zu beschirme», ist eine andere Frage: jedenfalls aber werden diese Schirme sehr viel größer sein müssen als die bisherigen, wen» sic auf- gespannt über die mächtige» Hüte hinauSragc» wollen. Stoch häufiger sind die biegsame» weichen Krempen, die vielfach aus demselben Stoff bestehen wie das Kleid und daher mit der Toilette zusammen entworfen werden und also auch beim Schneider erstanden werden müssen, linier diesem Ricscnhut darf auch nicht die geringste Spur des Haares hervorlngcn. da- gegen fällt graziös »Hier der Krempe ein Büschel Straußen federn vom Ohr ans die Schulter herab.