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«s Telle 580. Belletristische Beilage zu den «Dresdner Nachrichten". ALker?kei für? öre Ar^rrenrVetL. Mertsprnch:Ui fürchte mcht he« Tod. der mich zu nehmen kommt. Ich fürchte mehr den Tod, der mir die Meinen nimmt. Log au. L « » schenken I" Wieder naht sich das beseellaende Weidnachtssest. das heilige Fest der Liedei Unser Herz, — von der Danklrarteit zu dem Ewigen geichwellt, der uns in erbarmender Liede den Sohn gegeben, damit Er um unserer Sünde Willen den grausamsten Kreuzestod erleide, — unser Herz lehnt sich darnach, dieses Dankgesühl gegen den gütigen Gott auch in unserem Thun und Handeln ausklingen zu lasten, darum ist eS unter Be streben. allen Denen, die wir in unser Herz emgeichloilen haben, eine Liede zu erweisen, wie auch nach Kräfte» Denen Gutes zu thuu. deren Dasein nur von Ärmuth und Eiend beschattet wird. Also die Parole des Weihnachts- festes deißt: Schenken I Schenken aber ist eine Kunst. — denn dazu gehört tiianächlich weniger ein großer Geldbeutel, als ein Herz voll warmen, auf richtigen Empfindens und vor Allem — ein feines Taktgefühl. Viele werden gewiß glauben, daß nur der Reiche voll und ganz diesem Schenken und Gebe» Nachkommen kann, während der Arme fernab zu stehen, und höchstens als der Empfangend« zu gelten habe. Diele Ansicht ist grundsalsch. und es wäre auch sehr traurig um die Menschen bestellt, wenn nur die Reichen, welche sich doch in der Minderheit beenden, sich dieses Liedrsfesles erfreuen könnten. Rein, auch der Aermste kann seinen Lieben eine Freude bereiten, denn die Liebe ist erfinderisch, und es kommt nie auf den Werth der Gabe, sondern nur auf das treue Gedenken der Persönlichkeit an. Und wenn wir innig mit dieier verbunden, to wird uns auch unter Gefühl sagen, welches Geschenk am besten seinen Neigungen entspricht. Nie darf in dem Geichenk der Gedanke zum Ausdruck kommen. alS erfüllten wir damit nur eine Verpflichtung. oder tollte unsere Gabe als ein Bild unseres Reichthums erscheinen, diese beiden Arten de- Schenkens sind beleidigend und verletzend, und es ist bester, sie unterbleiben. Ein Geichenk soll und darf nichts Anderes sein, als der äußer liche Ausdruck unierer Liebe, — unteres dankbaren Empfindens, und dazu bedarf eS keiner Reichtbümer > Zur werthvollslen Gabe aber gestalten wir das Kleinste, wenn wir es mit liebevollen, freundlichen Worten deni Bedachten zueigiir». während schon oft der tdeuersten Gabe durch ein taktloses Work der gan.e Werth geraubt wurde. Auch wüsten wir weise Maß zu halten verstehen tn der Kunst des Sckenkens. Wir geben vielleicht ans wirklich gutem Herze» eine sehr kostbare Gabe, welche aber iu dem Emviänger nur das pemliche Gefühl des.Sichadsindenmüsiens". oder des „Bervflichtetseins" Hervorrust, was ziemlich uiiagenebm ist. Gewiß verstehen mich die verehrten Leserinnen genau, und lächeln nicht über meine Ansicht, daß das Gebe» auch gelernt sein will Und besonders den Lindern kann dies nicht zeitig genug beigebracht Werden. Darum müsteu die Mütter diese selige Zeit des Gebens dazu be nutzen. da «leinen Freud« zu wecken zu selbstloser Gabe. Auch die kleinsten Händchen mögen sich fchoo fleißig rübren. und ic saurer es ibnen geworden. ie mehr werden sie den ideellen Wenb des Gebens verkleben lernen. Anderen Freude zu bereiten ist ein hoher beseligender Genuß, und diesen darf man dem so leicht emviänglichen Kindesgemüth nicht vorenrhalten denn für das ganze Leben bleiben dre Erinnerungen an unsere Jugendzeit. Und wer einmal >o reckt die stille, heilige Freude im Herzen empsunden. über die Seligkeit des Gebens, der wird sich dreien Genuß nie wieder rauben lasten, und ibn großer und edler finde» als den des Empfangens I Hedwi, Man»--. verstaub llm sicher, hatte er doch so kluge Auaen. Und wie drollig er an den großen Fichtenzapfen knabbern konnte, die Fritz selbst iür ibn a»S dem Waide holte! Morgens bekam stets der Matz zuerst sein Futter; waren die Schul stunden zu Ende, io galt wieder der erste Gang dem Matz, ging Fritz schlaien, bekam der Matz den letzten Gruß — und nun war er todt! Nu» sollte das Alles mit einem Male anders sein! Fritz glaubte, es nicht überleben zu können! „Weihnachten freut mich gar nimmer." schluchzte er. ..Die neue Hose und das Andere möchte ich gerne wcggeben. wenn nur mein Matz wieder lebendig würde." Erhard war schweigend neben dem Knaben hergegangen, „tzephatha'" klang es in »einem Herzen leiie mahnend. „Hephatha!" So unaufmerksam wie heute war er wohl noch nie gewesen Der Letner mußte ihm sogar einen schlimmen Verweis geben. Als er dann daheim seine Bücher in den Schiank legte, nahm er die kleine Svarbüchse mit heraus und wag sie prüfend in der Hand. „Hephatha", summte es ihm dabei in den Ohren. „To." nickte er lächelnd, „rhu' Dich nur au», mein Schatzkästlein! Der Fritz soll wieder ein fröhliches Gesicht machen." Im selben Augenblick trat Lotti in's Zimmer. Hastig schob er die Buchst in den Schrank zurück „Ei. warum erschrickst Du denn?" lachte Lotti, „ich bin doch nicht der schwarze Mann! Hast Du Geheimnisse?" „Du hast ia auch welche," sagte Ernard. an' der Schwester zniammen genommene Schürze deutend „Willst D» sehen?" Lolli öffnete die Falten. „DaNeugierig lngre der Knabe hinein. „Ach !" machte er dann enttäuscht, als er »irr Lollis Pupve erblickte. „Ist sie nicht reizend? „fragte die kleine Mutter stolz „Eigentlich lkut sie mir leid —" „Warum?" „Erst >aae mir. was D» mil Deiner Sparbüchse vor bast, dann erzähle ich ' gebot Lolti. ,Gnl!" Erhard berichtete von Fritz und seinem tobten Matz. .Siebst Du. und da möchte ich ihm eben einen Krenrichiiai'el u Weihnachten schenken." vollendete er verlegen. „Aber D» wolltest doch ür das Geld das Buch mit den vielen Schinckkerlingen kanten." eniinerle Lolli. „Ach. das bat Zeit. Nach dem Feste spare ich dann doppelt fleißig." versicherte er „Wie g»l Du bist!" Lvrii legte ihre Wange zärtlich ans dos Bruders Hand. „I wo." lachte dieser „Aber nun ichicße Du ma mit Deiner Beichte los. Kleine." „Mir ist es ähnlich ergangen mit der .Hephatha" wie Dir." begann sie zaghast. „Heute war nämlich die alte Lumvenhanne mit ihrer Enkelin da Die Grete war bariiiß. denke, bei der Kälte Mutter »alim sie mit in die Küche und schenkte ihr ein paar warme Strümpfe. Dann be kamen sie etwas Esten, und ich zeigte der Grete meine Puppe. Wie die staunte! Sie bat noch nie eine besessen in ihrem Leben, Erhard. Ist das möglich?" Dieser zuckte die Achseln. Jedenfalls war ihm die Thatsache ebenso ungeheuerlich, wie der Schwester. „Na alio " fuhr Lotti fort, „mich dauerte Grete schrecklich, daß sie blos immer mit dem Stiefelknecht Puppe spielen muß. Als sie fort war, bat ich Mutter. sie möchte erlauben, daß ich der Giete mein Kindchen auf de» Weihnachtstisch lege. Ich konnte nicht anders denn es mahnte in mir immer eine Stimme: „Hephatha, Hephatha!" Mutier erlaubt es. und ich darr auch noch ein neues Kleidchen nähen." Ta schlug es von, nahen Thurm 6 Uhr und gleich daraus tönre das Abendläuten zu den Kindern herüber. Erhard und Lotti fotzten sich bei der Hand und schauten sich glückselig in die strahlenden Augen. „He—pha-pha — thu' — Dich — auf —" snmmlen sie dabei leise vor sich bin. Eil» Lindn-r. Hephatba. In der Dämmerstunde eines Adventsonntages erzählte die Mutter den laiischendeii Kleinen von jenen Kindern, welche im Kindcrgottes- dirnst ihre Pfennige gesammelt und dafür eine Glocke für ein seines Heldeii- kirrdleiu datteu gießen lassen. Die Glocke nannten sie .Hephatha," das be bauet: „Thu Dich auf!" „Gelt' Mütterchen." fraglc Lotlr. „nun läutet die Kinderglocke und tbut ihren Mund aus und verkündet den armen Heiden die Weihnackrtsbotichast?" „Gewiß." nickte die Mutter, „und sie mahnk zugleich: „Tbur Eure Herzen auf und laßt Gottes Wort und Gottes Liebe ein!" Bald darauf wanderteu Erhard und Lolti an Mütterchens Seite zur Abend predigt. Ernst und feierlich tönten die Adventgiocken durch die klare Winker lust. ^klingt die Glvckenftumne nicht gerade wie „He-pba—tda — tim' — Dich — auf —wendete sich Erhard an Mutter und Schwester. Lotti hob lauichend das Köpfchen. „Erhard hat recht, Mutter." merme sie eifrig „Ei, so folgr nur immer diesem dringenden Ruf", antwortete diele sreiindlich ernst. Nock einigen Tagen traf Erhard aus dem Schulwege mit einem Kameraden ruiommen. der zwar armer Leute Kind war, doch brav und fleißig und von Allen wohl gelitten. Auch Erhard mochte den allzeit niunicren Burschen ger». Heute ichien eS ihar. als blickten dessen Blauaugen nicht so fröblich. wie sonst. Als Erdard ihm zur Ausmunkerung einen Lchueeball an dir Mütze warf. lächelte er nur trübe, ohne aus des Freundes 'Neckerei einzugebeii. „Na. nun sage mir blos. Fritze." staunte »euer, forschend in des Knaben Antlitz schauend. Ta rollten plötzlich beiße Thränen über die schmalen Riiidcrwaiigen. und austchkuchzead wanbke sich Fritz ab. Verblüfft und ralhlos stand Erdard ihm gegenüber. Da»u legte er zutraulich den Arm um die Schulter des Weinenden. „Fritz, beule blos nicht, wie ein Wickelkiiidchen." bat er in seiner derben Art „sage mir lieber, was Dir so die Peiersilie verhagelt har. Vielleicht kann ich Dir helfen. Hast Du Deine Ausgaben nicht fertig ?" Fritz schüttelte den Kops und trocknete seine Thränen. „Helfen kannst Du mir nicht, aber sagen will ich Dir schon, was mir fehlt. Mein Kreuz,chnadel ist todt l" Das waren nun freilich nur wenige Worte, doch der ganze Schmerz um den gestorbene» Liebling durchzitterte sie. Fritz batte nie Spielzeug be sessen, wie andere Knaben, dazu fehlte das Geld, und die Mutter war auch tonst mehr für daS Praktische. Sein Kreuzichnabel war ihm Alles geweien. Mit ihm hatte er plaudern können, wie mit einem Menschen, denn der Vogel Scbwacbbeit und Stärke. „Schwachheit, Dein Name ist Weib! — so sprach einst ein trefflicher Dichter: Niemals noch hört' ich ein Wort, so unzutreffend wie diesl — Mönche» Mann schon sah ich im Lebe», gar schwächlich und schüchtern. Und hingegen manch' Weib, energisch voll Thatkraft und Much. Da. wo sich Schwachheit und Krast zum innigsten Bunde vereinen. Ob sie nun diesem vom Himmel geworden, ob jener zu Theil, — Immer doch joll die stärkere Hälfte die and're beschütze». Stützend zur Seite ihr sleh'n in jeglicher Noch und Gefahr. Schulter an Schulter gelehnt, zu wirken als treue Gefährten, Darin liegt ja fürwahr das Glück der Ehe zumeist: Keiner joll herrschen wollen, tyrannisch den Andern bedrücken. Gleiche Pflichten für beide und gleiches gebeiligles Recht'! Adelaide v S»lid«rg-tzerj»g. Sttben-Räthsd. Der Dichter preist mit hohen Worten Des Ersten Muth und Tapferkeit; Ma» schätzt in allen deutschen Orten Der Zweiten Kaule .Häuslichleit. Das Ganze ist der Dichtung Held - Wie er die Zweite sich errnngen, Das bat der Dichter dargeiielll Im Drama, das sehr gut gelungen. Räthsel. Gar lieblich zarte Blümchen sind meine Eins mit» Zwei; Sobald der Herbst gekommen, sind längst sie schon vorbei. Wenn sich die Erde »chmncket in ihrer Blüihenprachl, Erwachen sie als Boten des Frühlings über Nacht I Die ineinen Letzten gleichen, mag Mancher nicht versteh'n. AlS Kind der deit'ren Muse kannst Du mein Ganzes seh n! «gnk» «e »50 Pf. > Pf. «s »ir«k «Im blviMchW VegrrüriLet 1856 Erscheint jede» Nnislil, Lmnslii iiü Lniiil. Donnerstag, den 7. Dezember. Philister über dir! Roman von Georg Frechen von Ompteda. 1. Kapitel. „Das Licht fällt anders! Wir wollen aushören!"' Während daS Modell hinter einem chinesischen Schirme verschwand, nM sich aiizukleiden, legte Niki Sandlner die Palette sott und steckte die Pinsel in eine hohe, an» einem Tischchen stehende Vase, aus alter, japanischer Bronze. Er zündete sich langsam eine Cigarette an. warf eine» Blick auf seine Arbeit, dann hob er die >sludie von der Staffelei. Vorsichtig lehnte er sie seitwärts gegen die Wand. AIS das Modell im ichwarzen Kleide, mit einfacher, dunkler Pelerine vortrat, sich zu verabschieden, iah er das Mädchen kaum an, sondern brummte nur: „Also morgen — bitte! — um dic'elbe Zeit I" Er blieb am großen Fenster des Ateliers stehen, die Hände in den Hosen taschen. indem er leise zu pfeifen begann, wie immer, wenn er sich leinen Gedanken überließ. Draußen ric»elten die Flocken langsam vom Himmel berab und hüllte» die kahlen Bäume in de» Hinkergärten der Viktoriaslraße in Weiß. Drinnen hernchie große Hitze, der eüerne Ofen in der Ecke war glühend roch: das Modell lallte nicht frieren. Aber den Maler iiörle die Temperatur nicht. Wenn es so recht warm mar. fühlte er sich am behaglichsten. Dann kämen ihm die Gebauten, pflegte er zu erklären. falls einer seiner Freunde sich über die Hitze wunderte, in der er inbeitete. Dock heute war er mißmuchig. Schon ein Dutzend Mal beinahe hatte er lei» neues Bild begonnen, und immer wieder verwarf er die Entwürfe. Heute hatte er es mit einem Modell versucht, morgen würde er sich bei der zweiten Sitzung enlicheidcu. ob es ging, oder ob er es wcgschicken mußte und ein anderes nebmen. TieieS Tauen und Irren war er gewöhnt. Jede neue Arbeit ließ sich an. als sollte sie nie gelingen, und icdeS Mal noch war schließlich ein ganzes Werk daraus geworden. Nikolaus Sandtner. oder wie er unter den Freunden und als Künstler genannt wurde „Niki", war ein Dreißiger, schlank, mit blondem, kleinem Schnurrbärkchen und leiie icho» ergrauendem Haar. Er war kein leichter Arbeiter, dem es glatt von der Hand ging, sondern ein spät entwickelter, schwerer Künstler, der lange in sich trug und in hartem Ringen die Kinder seines Genius gebar. Aller er verflachte nicht mit den Jahren. Er gerictd in keine Manier. londem kämpfte immer wieder, that sich nie genug und wuchs, je älrer er ward. Vor einigen Jahren hatte die Pinakothek seine „Invaliden" angekauft, ein Bild, das io stark gewirkt, daß es ganze Kompagnien Invaliden nach sich zog. Ma» batte geglaubt, Niki Sandtner habe dainit »ein Gebiet gefunden, doch das nächste Bild war ganz anders, keine Wiederholung — eine Fort- eniwickclling: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Tu mich verlassen." Ein Gekreuzigter von uwagbar kobeiisvollem, nhmerzourchdebkem Ausdruck. Dann waren Farbensinsonie» gekommen. phanlauHche Bilder, in denen die Phantasie wieder in idr Recht trat, und in diesem Sommer ein paar Wundersame Landichasten. groß gesehen, lies gesuhlt, mit äußerster Kraft fest gehalten : „Nebel im Hamburger Haien" und „Sandbank bei Blankenese". Dieses Mal sollte es nun wieder etwas ganz 'Anderes werben. 'Nur hatte er eben noch nicht gesunden, womit er unnusgeietzl innerlich rang. Er sann und iann, immer die Eigacette in der Hand, den Bück in die Gärten hinaus Ta ward ihm starr, unangenehm im Magen. Er erinnerte sich, daß er noch nicht zu Mittag gegessen halte, warf den Stummel in eine Schale und ging in sein Wohnzimmer neben dem Atelier. Er zog seinen Pelz an. letzte de» Cnlinder aus. und bald befand er sich aus der PrstSdninerslratze. 'Nun dachle er nicht mehr an lein Bild, sondern gab sich dem Zauber bin. de» die inenichenbelebie Straße mit der ununter» drvcheiien Reibe von Liniübnssen. Pferdebahnen, Troichken. den belllciichten- den Läden, dem Klingeln, Rusen, Rollen, immer aus seine Künillernatur ausüble. Aus den Bäumen zur Seite des Falndammes suchte der Schnee leise haste» zu bleiben und gab de» totsten, icbworze» Zweige» ettvaS Belebteres, während e, aus den Steinplatte», und dem Asphalt der Straße noch ickmolz. Das fesselte Nilis Auge, das sich gewöhnt halle. Alles immer aus die malerische Wuluirg zu betrachten. lieber dem Straßeudild vergaß er zuerst den Zweck seines Ausganges, bis ihm eine Weinstube enrgegeniah. in der er zuweilen Bekannte lras. Doch Wein mochte er heute nichl trinken: bei einem Bierlokal paßte ihm wiederum in seiner Sliinmnng das Publikum nicht. Es war immer das gleiche Elend des Kneivenlebcirs. „Sandtner, haben Sie schon gegessen?" fragte da eine Stimme neben ihm. Er wandte sich um: „Ah, Vogeliang! was machen Sie Gutes ?" Dem Andeien — groß, in langem engliichrn Uederziehcr inst kleinem, auswärts gekrümeltem >schnurrbär!chen — iah man lvsorl den Offizier in Ewil a». Er zog den Maler niit sich, fragte nicht Wetter londern bestimmte »oforl ein Lokal, wo sie essen wollten Dort — in der Lelpzigerstroße — nahm er einen Tuch in Besch'ag und fugte zum Kellner, während sich Niki nicht ent schließen konnte, eine Speise zu wäblen: „Suppe nicht, gleich Fisch und zwar: Filet von Seezunge. Holländische Sauce, dann EittrecSte mit Kräuter», Lowmes triws' — Daun französische Bohnen. Sind die gut?" „Gewiß, »ehr gut." „Alio Bohnen. Einen Käse..." „Vielleicht Ehester?" „Nein. Nur keinen Vorschlag. Ich weiß ganz genau, was ich esse: Noguefori. Dann eine Mokka" Ter Kellner wollte noch warten, bis der Maler zum Entschluß gekommen war; doch Niki Sandtner bedeucte ihm nach einer Weile, nochmals nach- z» fragen. Ohne des Malers Zustimmung abzuwarkea. harte Rittmeister von Vogelgeiang für sie gemeinsam eine Flasche Moirl kommen taffen Im Grunde genommen war Niki froh, des Wählens überhobea zu sein, und be stellte schließlich dasselbe, wie »ein Begleiter. Das verstand der Rittmeister nicht. Er wisse immer ganz genau, worauf er Avpelil hätte., sagte er. Wenn chm der Geichmack nach einem Steak »üiide. io wäre er a» dieiem Tage nicht im Stande, ein Filet zu essen. Sie lachten über ihre verichiedenen Raruren. bis endlich Vogelfang meinte: - „Ein Mann wie Sie lallte sich entweder eine Wirthschasterin haltest, die gut kocht, oder er sollte heirakben. Lächelnd hielt Niki zu essest üillk „Ich glaube, ein Künstler sollte nicht bestachen." „Gut. dann also — Wirthichasterin I" Nun wurde der Maler nachdenklich. Der Gedanke schiert ihm so übH nicht. Doch es zuckle ihm zu gleicher Zeit durch den Sinn, ob wohl das Schlagwort: „Ein Künstler lallte nicht bestachen" eigentlich keine Berechtig ung habe. Wenn man die richtige Frau fand — warum nicht? Es bieß nur eben die Richtige finden. Da war es. als sei der Offizier einem ähnliche» Gedaiikengange gefolgt, denn er sagte plötzlich: „Das Bnmmclleben kriegt man doch eigentlich höllisch latt. Mein Kom mando hier in Berlin läuft nächstes Frühjahr ab. Dann tomnze ich in irgend ein gottvergessenes, kleines 'Neil, denn in meinem Regimente wich keine Schwadron frei sein. Dort kanu ich dann ein halbes Memchealede» ver trauern. Rur zum Rennen kriege ich Urlaub und auch das nicht, wenn etwa der Kommandeur gegen den Svort ist. Was soll ich da anders machen. alS bei Zeiten eine Frau suchen? Wissen Sie nicht etwa eine, die für mich paßt, Sandlner? Sie haben doch so viele Bekannte in Berlin!' „DaS ist nicht io arg! Ich komme nicht viel in Gesellschaft!' meinte jedoch abwebreud der Maler und leerte sein Glas Mosel. Er dachte an die vielen Abende, an denen er. Einladungen absagend, daheim ist seinem Arelier geblieben war, brütend über alle dem. was er «chaffen wollte. Dann lag er in einer Ecke auf dem Divan, rauchte und las französische Romane, und Ge danken kamen ihm über Gedanken. Dieses und >eneS warf er mit Kohle oder Bleistift hi» nnkz sann und sann, allein in der Stille des Abends, der sich ansdebnte tief in die 'Nacht hinein, bis das letzte Aufftackeru deS nahrungS« losen Lamvendochtes ibn zu Berte trieb. Der Rittmeister erzählte ihm Allerlek vom Rennplätze. Immer schloß er mit der Redensart „Sehen Sie. so was sollten Sie mal malen!' . 'Niki Sandtner hörte scheinbar andächtig zu. in Wirklichkeit schweiften seine Gedanken ab. Um an seine Aufmerksamkeit glauben zu machen, nickte er ab und zu. So hatte er auch, ohne es selbst zu wissen, leine Zustimmung gegeben, daß sie miteinander in ein Bariswlheater gehen »ollren. Erst als sie aus der Straße standen und Vogelfang eine Droschke anrief, fragte der Maler, wohin es ginge. Nun weigerte er sich, als er das Ziel vernahm, mit Nachdruck, seinem Bekannten zu folgen. Der Riktmemer wunderte sich, wie philiströs er geworden sei. Mit dem Faebenreiz einer Serpentintänzerin. die aufireten sollte, wollte er den Künstler locken, doch Nili blieb bei seinem Willen. Sie trennten sich mit leiier Verstimmung aus beiden Seiten. Der Ritt meister ärgerte sich, allein bleiben zu sollen. Wenn er das vorauSge>ehea hätte, würde er sich mit einem Anderen zu Tisch gesetzt haben, derlei» Spaß verderber war. Der Maler empfand unwillig den Vonvur' des Pvilistertvums» den» ehe er sich ganz in seiner Kunst gefunden, batte er die Well kennen ge lernt und ihrem Kerne vielleicht wilder riachgejagi als der Nennmann. Es war thörichl, sich über solchen Vonvur' austuregr«. aber Niki hätte eher eine» Zweifel an seiner Künillerichafl vergeben als das. Er wollte die Einsamkest in seiner Arbeit, er suchre die Sülle feines Ateliers, io der er sich allein glücklich fühlte beim Kämpfen und Ringen um seine Kunst. Und doch wiederum empfand er eine Art Sehii'ucht nach dem Branden der Welt draußen, »ach Menichenlreiben und Lärm, nach Geselllchail. Vergnügungen und Feilen» die ihm wieder zur Oual wnrdrn, wenn er sich wirtlich einmal in ihrem Trubes befand. Nun bcirat er verstimmter seine Wohnung, als er sie verlasse«. Er nahm die Stizze in die Hand, die er nach dem Modell entworfen. Jetzt fand er »>e io schlecht, daß er eine Tube Krapprotk daraus ausvrückre und mit grvyem Pinie! die Farbe breit strich. Nun war ihm esst wohl. Er setzte sich an den kleinen Schreibtisch in der Ecke d«>s Ateliers, ein paar Zeilen der Ab sage für das Modell uus's Papier zu werfen. Wie war es auch nur möglich, das plumpe Geschöpf für geeignet zu halten!