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Mufterzeichnmifien und I)eeor;uion>>in«derei. 51 Inteieffantes, viel Komifches liefsc fich da erzählen, aber wir haben heute die Kinderfchuhe vertreten und wollen auch nicht zu weit vom Ziele abweichen und bei der Sache bleiben. England wurde auf dem hier behandelten Gebiete gefchlagen, total zurückgeworfen. Frankreich Hand damals alleinherrfcliend da, in Mode und Gefchmack, reich an guten Zeichnern, im Zenith feiner bellen Leiflungen ver blühte es feine Gegner und rifs üe mit fich fort. England fühlte feine Abhängigkeit und diefs bittere Gefühl gebar den Wunfch, aus fich zu werden, was es nur mit Hilfe fremder Kräfte geworden. Ja mehr noch anzuftreben, als fein Nachbar hol, durch ernftes Studium der nationalen Schätze und Hilfsquellen, durch Creirung von Schulen, Mufeen und anderen Bildungsftätten. Und es gelang, mühfam Schritt für Schritt, mit beifpiellofer Zähigkeit wurde Terrain gewonnen, behauptet und endlich auf neu errungener Bafis ein Fortfehritt erzielt, der unfere volle Aner kennungverdient. Das neu errichtete Kenfmgton-Mufeum warb um die verborgene» reichen Schätze im vereinigten Königreiche. Kirchen und Klöfter, Grüften und SchlÖffer, Staub und Moder gebaren dem Lichte des kunftgewerblichen Auf- fchwunges die lieblichften, herrlichften, fo lange verborgen gewefenen Schätze, die heute noch kaum erreichten Kunftw.erke des Mittelalters bis zur grauen Vorzeit Albions. Ein unberechenbar werthvolles Handbuch für jeden, ernftes Studium anftrebenden Künftler, die Grammatik der Ornamente, von Oven Jones, unferem heute fo wohlverdienten, ausgezeichneten Altmeifter, ins Leben gerufen, gab der ganzen Richtung ein ficheres Steuer, einen unfehälzbaren Loolfen. Die Expofition univerfelle in Paris 1855 zeigte Frankreich noch unüber troffen allen Nationen der Erde gegenüber, man hatte ejicn Sinn für Pracht entwicklung auf zum gröfsten Theile noch rein naturaliftifcher Bafis. Wo lind die herrlichen Tapeten eines Delicourt, des Matadors unter den damaligen lapeten- fabrikanten? Seine Decorationen, feine Blumentapeten, fie werden jedem unpar- theiifchen Befucher der Ausheilung unauslofchlich im GedächtnilTe bleiben, und find heute noch von Niemandem erreicht worden. Möbelftoffe und Teppichzeichnungen in wunderbarer Weife vertreten, würden, wenn fie auch den heutigen Anfchauungen nicht mehr ganz ent- fprechen, doch in der Technik ein eben fo grofses AuffeTien erregen, wie damals und mit Recht. — Frankreich hatte heute, gelinde gefagt, nichts fo Gutes exponirt. Welche Erfolge feines Strebens konnte England feit den wenigen Jahren feiner Reorganifation auf kunftinduftriellem Gebiete erreicht haben? Kaum dafs man die erften Regungen wahrnahm. Die erften Schritte waren gethan, und es waren glückliche zu nennen. Kleine Schritte, aber fichere ; wenige, aberhcivor- ragende Leiflungen kamen fchon zur Geltung. Oefterreich lag damals noch im Argen. Man mifsverftchc hier nicht; die Induftrie, die Kunft, der Handel im Allgemeinen bleibt in diefem Berichte aus dem Spiele , aber die Mufterzeichnungen und die decorative Kunft namentlich die Erfteren, befchränkten fich in Bezug auf guten Gefchmack oder vollends gar auf Stilgefühl, auf fo verfchwindend kleine Punkte, dafs es fchwer hielte, wollten diefelben unter dem argen Plunder durchleuchten. Ebenfo erging es faft ausnahmslos den anderen, heute fo glanzvoll ver tretenen Staaten auf diefem Gebiete. In jener Zeit erfchollen, vereinzelt zwar, aber doch nicht vergeblich die erften Rufe nach Veredlung des Gefchmackcs, nach Bildung des Kunftfinnes und des Stilgefühles. Da öffnet eine neue 'Veltaus- ftellung in London 1862 ihre Pforten, und fchon tritt ein weit verfchicdcnes Bi d vor unfer Auge. Frankreich bietet noch gehobenen Hauptes dem Nachbarlande die Spitze. Englands Fortfehritte aber erweifen fich klar, und treten in manchem Fache fogarmit Vortheil Frankreich gegenüber. Der kirchliche Stoff fei hier angeführt, jedoch durchaus nicht als vereinzelter Sieg verzeichnet. Dcutfchl ftrebt nach Befferem, Rufsland ift noch zurück.