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S-aulag. 29. Mai 1927 — ..Dresdner Nachrichten* — Veutschenhetze des tschechischen Kreuzes. Lhauvinislische Ergüsse aus elnem Lesebuch. tvon unserem Prager «oerespondrntrn-l Prag, de» L<. Mai 1S27. Bor einigen Wochen schon sab es im Prager Parlament -ei Gelegenhclt der Beratungen Uber die Wehrvorlagen eine peinliche Ueberraschung. Nach über einem halben Jahre »rutsch-tschechischer Zusammenarbeit wurde gerade in dem Augenblick, wo die Haltung der deiitschen Regierungsparteien in der Frage der Fortführung der militärischen Rüstungen -er Tschecho-Slowakei besonders heikel war, von einem Berliner Blatt ei» Auszug aus den vom Prager National, verteidtgungs Ministerium herauögegebenen so. genannten »Dienstvorschriften für die Armee" in deutscher Uebersetzung veröffentlicht, der an Deutschseind» lichtest und offensichtlicher Hetze gegen alles Deutsche nichts zu wünschen übrig liest. Damals intervenierten die deutschen Regierungsparteien sofort beim Ministerpräsidenten Svehla mit der Forderung, daß die Dienstvorschriften der Armee durchgcsehen und aus ihnen schleunigst alle Stellen aus- gemerzt werden, die national verletzend wirken könnten. Dieser Vorfall war deshalb besonders interessant, weil er eindeutig bewies, dast auf tschechischer Seite längst nicht die für eine Zusammenarbeit und nationale Verständigung mit »en dreieinhalb Millionen Sudctendeutschen notwendigen Voraussetzungen bestehen. Durch Zufall siel mir nun dieser Tage ein Buch in die Hand, das von» tschecho.slowakischen Noten Kreuz hcrauSgcgcbcn ist und unter dem Titel unmöglich gemacht «erben. Schriftsteller und Zeitung». Herausgeber sollten schon au» dem Grunde allein verfolgt werden, weil sie in tschechischer Sprache schrieben. Die Meuchelmörder M rechneten damit, daß die tschechische Sprache auf diese Art tu sitnfund-wanztg Jahren auSgerottet wäre. Wie nach der Katastrophe auf dem Weiße» Berge, könnten für einige Zeit die Unterkunftsstätten der Tschechen einsam verlassene Einöden in den Bergen sein, wohin kein Hauch der Zivilisation dringt. Bon dort wäre kaum die Sprache ln die Ebene herabgestiegcn, und die Bauern wären von ihr abgcfallen. wie die Städter nach der Schlacht auf dem Meisten Berge". Diesem Zitate, dem sich beliebig viele ähnliche anrethen liehen und dessen Lügenhaftigkeit wohl kaum noch zu über, treffen ist, wäre nichts weiter hinzuzufügen, wenn für die Veröffentlichung dieses gehässigen Druckwerkes und seinen Inhalt nicht daö tsch echo-slowakische Rote Kreuz verantwortlich wäre. Denn das tschecho - slowakische Rote Kreuz gehört zu einer internationalen karitativen Organi sation, gentestt als solches Sonderrechte und hat — wie man jährlich in einer Osterbvtschast zu lesen bekommt — dieVer. ständigung zwischen den Völkern und den Bölker- srtedcn auf seine Fahnen geschrieben. VS scheint undenkbar, das, in einem anderen zivili sierten Lande eine zum Heile der Menschheit bestimmte wohltätige Organisation ihre hohen Ziele auch nur an nähernd so vergewaltigen könnte, wie eS in den hier zur Sprache gebrachten Veröffentlichungen zum Ausdruck ge langt. »Lesebuch deS tschecho-slowakischen Rote» KrenzcS" in Zehutansenden von Exemplaren in der Tschecho-Slowaket verbreitet wurde. Der zweite Teil dieses Lesebuches, der den schönen Titel trägt: »Von der Achtung des Menschen", enthält an erster Stelle ein Lesestück »Väter und Söhne" von Joses Holecek. das der breiteren Oesfcntltchkeit nicht vor» enthalten werden darf. Nach einer Einleitung heisst es darin wörtlich: »Unser Volk sdaS tschechisches wurde im Jahre 1S>4 am Borabende des Weltkrieges, zum Tode verurteilt. Es ge- schal) dies in Konopischt, anlästlich des Besuches deS deutschen Kaisers bei Franz Ferdinand. Dort wurde vereinbart, daß nach dem siegreichen Kriege der Deutschen Vorsorge getroffen werden wird, daß die Tschechen aus der Reihe der lebenden Völker verschwindcn. Zu diesem Zwecke wurde bestimmt, alle tschechischen Schulen, von den Volksschulen angesangen bis zu den Hochschulen, zu sperren, nur die Kindergärten zu belassen, in denen die tschechischen .Kinder in deutscher Sprache so vorzuberettcn seien, damit sic sodann in die deutsche Schule eiutrcten könnten. Ferner sollten den Tschechen sämtliche wissenschaftlichen Anstalten genommen, alle Stipendien für tschechische Schüler beschlagnahmt werden. Weiter wurde Vor» sorge getroffen, daß die Orientierungstaseln. die Gassen- und Firmenbezeichnungen nur deutsch sein dürften, die deutsche Sprache wäre als Staatssprache zu erklären, ohne irgendeine Ausnahme zuzulassen. In der Selbstverwaltung und im Handel ist jeder gezwungen, deutsch zu sprechen. Ohne voll, ständige, genaue .Kenntnis der deutschen Sprache könnte kein Tscheche einen Handel oder ein Gewerbe betreiben, kein Tscheche fände Anstellung, weder bei einem Amte der Landes-, der Staats- oder Selbstverwaltung, noch in Privatgeschäften. Ncr sich diesem Gesetz widersetzt, ist als politischer Verbrecher mit Kerker z« bestrafen, und wenn sich mehrere Tschechen zn- sammcntun. um gemeinsam eine Acndcrnng dieser Vcr- bälinissc berbcizuftihrcn, sind sie als Ansrührer, Verschwörer, ockvcrräter mit dem Tode auf dem Galgen zu bestrafen, ie Herausgabe tschechischer Bücher und Zeitschriften sollte Das tschccho-slomaktsche Rote Kreuz ist nicht nur eine vom tschecho-slowakischen Staate und der Prager Regierung durch bedeutende Geldmittel unterstützte Einrichtung, son dern sie trägt auch einen übernationalen Charakter insofern, als alle in der Tschecho-Slowakei vertretenen Nationen mit zu ihrer Unterstützung beitragen. So sind alle deutschen Vereine in der Tschecho-Slowakei verpflichtet, einen bestimmten Teil der Reineinnahmen von allen Ber. anstaltungen an das tschccho-slowakische Note .Kreuz ab- zu liefern. Zieht man zu alledem noch in Betracht, daß das zitierte Lesebuch des Roten Kreuzes für die tschechi- scheu Schulen bestimmt ist. daß es in allen tschechischen Buchhandlungen ausliegt und aus den von verschiedenen Schulen veranstalteten Ausstellungen zum Kauf angeboren wird, so kann man die Tatsache dieses gedruckten Schmäh. Werkes nur als einen öffentlichen Skandal und ein Ver brechen an der Volksseele bezeichnen. In einer vielbeachtete»» Rede ist ber tschechische Schul- minister Dr. Hodscha vor einigen Wochen für die Ent- Politisierung der Schulen und für die Aus- scheidung aller national verhetzenden Stellen aus den in der Tschecho-Slowakei verbreiteten Schulbüchern eingetreten. An diesen Schulminister ist demnach die Frage zu richten, ob er von diesem Lesebuch des tschecho-slowakischen Roten Kreuzes weiß und in welchem Zusammenhang dieses Pamphlet mit seinen Warten steht. Die tschecho-slowakische Regierung, in der teil über einem halben Jahre auch zwei deutsche Minister sitzen, wird sich wohl oder übel gleichfalls mit der sonderbaren Betätigung des tschecho slowakischen Roten Kreuzes auf nationalistischem Gebiete be schäftigen müssen, einer Betätigung, die in dieser das Deutsch, tum beleidigenden, lügenhaften und zum Haß aufreizenden Weise in direktem Gegensatz zum Gedanken der nationalen Verständigung steht. Will man die zwischen Deutschen und Tschechen bestehende Atmosphäre aufrichtig und ehrlich ver- bessern, so wird hier zu allererst gründlich und energisch auf geräumt werden müssen. Linöbergh nach Brüssel aufgesktegen. Eine Dankerklärung an Frankreich. Paris, 28. Mai. Lindbergh hat heute mittag um 12,Sü Uhr Paris verlasse», um nach Brüssel zu fliegen. Durch die Pariser Presse läßt er folgende Erklärung verkünden: „Ich verlasse heute Frankreich mit meinem Flugzeug „Spirit vs St. Louis". Als ich hierher kam. wußte ich. daß ich in Frankreich Freunde finden werde. Wie aber konnte ich einen derartigen Empfang erwarten, für den ich im tiefsten Herze» danke für alle Ehren, mit denen man mich überschüttete. Ich muß doppelt dankbar sein, den» Frankreich stand immer in erster Linie in der Fliegerei. Es hat die Setten der Geschichte mit den Namen seiner rühm, reichen Helden angefttllt. Nungesser und Loli haben versucht, den Ozean von Osten nach Westen zu überfliegen. Das ist nach meiner Meinung der schwerere Weg. Ihre Namen werden unsterblich bleiben, wenn auch der Versuch gescheitert ist." Mit einem nochmaligen Dank schließt der vzcanilicger seine Kundgebung. Lindbergh erklärte gestern »bend noch, -aß er bis Mon tag in Brüssel bleiben und dann nach London weiier- sliegen wird, wo er sich vier bis fünf Tage aufznhalten ge- denke. Was er dann tun werde, ob er auch einige der übrigen europäischen Großstädte, darunter Berlin. aufsuchen werke, wüte er noch nicht. Jedenfalls will er aber vor seiner Abreise nach Nonwrk noch einmal nach Paris zurückkehren. Anläßlich des Abschieds hat sich innerhalb der amerikanischen Kolonie in Paris ein Komitee gebildet, das eine Sammlung für die Mutter Nungesser» und der Kinder C o.l l i S unter, nehmen will. Es soll mindesten» eine Million zusammen, gebracht werden. Schon der erste Abend brachte für das Komitee ein Ergebnis von NN MO Franken. I« Brüffel waren für die Ankunft Lindbcrghs auf -ein Flugplatz von Vvervc umfangreiche Borsichtsmaßregeln getroffen, um Zwischenfälle, wie sie sich bei der Landung in Paris ereigneten, z» vermeiden. Ein belgisches Flugzeuggeschwader wird Lindbergh entgcgenfliegen und ihn nach Euere be- gleite». Bei der Landung wird -er Gast van dem amerika- nischcn Botschafter und einem Vertreter der belgischen Re. giening begrüßt werden. Nach dem Willkommengruß erfolgt eine Rundfahrt tm Auto um den ganzen Platz, damit das Publikum Gelegenheit hat. Lindbergh zu sehen und zu be> grüßen. Der Appart soll auf einer Art Bühne ausgestellt werden, daß er genau zu betrachten sein wird, aber vor „Aiidciikenfrennden" bewahrt bleibt. Gegen Abend wird Lindbergh im engliscli-en Palais vom belgischen König empfangen werden, der ihm das Kreuz -es Leopold» ordens verleihen wird. Ein Besuch Lindberghs in Berlin? Berlin, 27. Mai. In den letzten Tage» ist von mehrere« Leiten im deutschen Aufträge mit dem amerikanischen Ozean- iliegcr Lindbergh über einen Flug nach Berlin verhandelt worden. Lindbergh hat zwar noch keine feste Zusage gegeben, scdvch cs als sehr wahrscheinlich bezeichnet, daß «r aus einem größeren Rundslug auch Berlin berühren werbe. Nach den biSücrigcn Verhandlungen ist geplant, daß Lindbergh von Paris aus zunächst nach London fliegen und dort einige Tage bleiben wird. Im Anschluß daran wirb er dann, fall» die Dispositionen nickt noch in letzter Stunde geändert werden, eine Rundreise unternehmen, die ihn zunächst nach Berlin sichren sollte. I« Berlin wird Lindbergh nach de« »»rliegen, den Program« «all de, aroße» Organisatiane« be» Fing, wesen» sei«. Für de» Fall seine, Ankunft ist et« «»»fang d»r« die «aßgebenden «eich-ftele» bereit» »»rgefehe». Da gegen steht noch nicht fest, ob der Amerikaner von Deutschland aus zunächst nach Wien oder Italien fliegen wird. Die Rund reise dürste vermutlich über Madrid in Pari» wiederum be- endet werden. Doumers unpassende Kriegsreminiszenzen. Beim Empfange Lindbergh». Paris, 27. Mai. Die offiziellen Feiern zu Ehren deS Atlauttkflicgerö Lindbergh beginnen allmählich einen unangenehmen Beigeschmack zu bekommen. Herr Doumer, der ScnatSpräsldcnt. ber heute an der Spitze aller Senatoren den amerikanischen Botschafter und den sungen Flieger empfing, war sich anscheinend nicht darüber klar, welchen höchst peinlichen Eindruck seine durchaus politische An- spräche gerade in Deutschlan» erwecken muß. In seinen Ausführungen war von nichts anderem als vom Kriege die Rede. Einige Beispiele: »Wir grüßen den Botschafter Herrn Herrick, den Botschafter von heute, der auch — gestatten Sie mir, dies zu unterstreichen — der Botschafter von lS1< ist. Er ist unser Freund, er war es damals, und er proklamierte es laut tu dem bedrohten Paris, als ber Feind dreißig Kilo, meter vor der Hauptstadt stand ..." „Herr Lindbergh. wir halten Sie wegen Ihre» Mute» und Ihrer Ausdauer für den Bruder der heldenhaften französischen Flieger deS Krieges und ihrer Kameraden. der amerikanischen Klteger, in deren Mitte das Lafayette-Geschwader den ersten Rang etnntmmt. Die einen wie die anderen, von wenigen AuS- nahmen abgesehen, sind in den Kämpfen gestorben, sie schlafen brüderlich ihren letzten und glorreichen Schlaf unter der heilig» Erde unserer Schlachtfelder." Wie wohltuend sticht von diesen höchst überflüssigen Erinnerungen die Rebe des KriegSmtnister» ab. der heute mittag einzig und allein die große sportliche Leistung Lindbergh» rühmte. De Plrie-o drei Tage auf dem Meere. Rom, 28. Mat. Wie man au» Horta meldet, wurde der Flug de Ptnedo» von der Trepassy.Bucht bt« zu den Lzoren durch starke Gegenwinde behindert. Da sich der Klteger überzeugt hatte, daß er die Azoren nicht erreichen konnte, beschloß er, aufs Meer ntederzugehen und auf ein« Aenderung de» Windes zu warten, um den Flug wieder aufzunehmen. Er ging am Nachmittag de» 3». Mal nieder. Die atmosphärische Lage wurde immer ungünstiger, ein« znklonartige Luftftürung nötigte schließlich da» Flugzeug, bet sehr hoher See hinter einem portugiesischen Schoner Schutz zu suchen. Da» Flug, zeug erlitt dabei keinen Schaden, wa» seine gut« Beschaffen, eit beweist Zwei Tage lang setzte die „Santa Maria" allein en Kamps gegen den immer bewegteren Ozean fort, wobet sie an einem Klügeltet! leicht beschädigt wurde. Nestern begegnete da» Flugzeug dem italienischen Dampfer „Superga", der es nach Horta in» Schlepptau nahm. Nach, dem der erlittene Schaden behoben sein wirb, wird -e Ptnedo leinen Flug nach Rom sortsetzeu. Noch »eine Anklage «ege« de» «affeier Slrahenoahnnnfalles. «Durch Funkfprnch.» Kassel. 28. Mat. Di« Blättermeldung, baß di« Staat», anwaltschast gegen die beiden Beamten, die auf dem »er. »«glückten Straßenbahnwagen tätig waren. Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Transportgefährdung erheben wird, entspricht nicht den Tatsachen. Die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen find kaum vor Sonntag zu erwarten. Dt« Gchwer^rletzte, konnten immer noch nicht ^rnemme» mertzem Nr. 24S Sette L Die gukunst -es höheren Beamtentums. Znr Tagnng de» Reichsbnub«» der höhere« Beamten t» Bayreuth. Vom Landesverband der höheren Beamten Sachsen» erhalten wir folgende Ausführungen: Der beute unter dem Vorsitz des Reichsministers a. D. Dr. Scholz-in Baveeuth zusammcntreteude Rcicosbund -er höheren Beamten wirb sich vorwiegend mit der Besoldungis- frage befassen. Die Oefsentlichkeit wird zu den dort gefaßten Beschlüssen alsbald Stellung zu nehmen haben, da ja die Frage der Besoldung aller Beamten gerade jetzt äußerst aktuell tst. Die Einstellung des höheren Beamtentums ist hier.be! schon deshalb wichtig, well ja das ganze heule be» grissllch imirtssene Beamtentum der Neuzeit aus dem höhere» Beamtentum heraus entwickelt worden ist. Die höhere Beamtenschaft fordert setzt die Sicherstellung derjenige» Lebenshaltung, die sie zur vollen Berussersüllung benötigt und die traditionell von ihr verlangt wird In den Jahrzehnten vor dem Kriege hat man mehr und mehr ein Privatvermögen bet jedem höheren Beamten vorausgesetzt, und seine soziale Stellung außerdem durch Titel. Orden und gesellschaftliche Etugltederuug planmäßig gehoben. So war es möglich, daß im letzten halben Jahrhundert die Bcamten- gehälter fast um die Hälfte hinter der Steigerung des Volks einkommens zurückbletben konnten, und daß in den letzten drei Dezennien bei einer Steigerung der Handelspreise «m rund 70 Prozent und der Arbeiterlöbne um beinahe 100 Pro zent die Gehälter der höheren Beamten um nur rund >0 Pro zent gesteigert worden sind. Dieser Zustand ist unerträglich geworden, seitdem die Privatvermögen zerstört worden sind. Der Beamte ist ja infolge des Verbotes des Nebenerwerbes nicht in der Lage, das verlorene Vermögen wiederzubesckrassen. Ausgerechnet aber in den Reihen derer, die nicht genug aus die frühere Rekrutierung des höheren Beamtentums aus vermögenden Kreisen Hinweisen konnten, sind die meisten Widerstände gegen eine angemessene Besoldung der höheren Beamten zu finden. Der Zusammenbruch ist bereits da. Der sächsische Landes verband der höheren Beamten sah sich bereits genötigt, eine Stuöicnhilfe einzurichten, weil der einzelne höhere Beamte seinen Sohn aus eigener Kraft nicht mehr studieren lasten kann. Beinahe 200 Gesuche sind eingegangen, wobei zu be denken ist. wieviel man innerlich bis zu G einem Gesuche an die Standesgcnosten zu überwinden hat. Nicht einmal jeder zweite höhere Beamte kann noch einen Dienstboten bezahlen, jeder dritte hat verarmten Angehörigen den notdürftigen Lebensunterhalt zu gewähren. In allen Fakultäten wandern die Tüchtigen von vornherein in freie Berufe ab: andere suchen nach heimlichem Nebenverdienst und untergrabe« ba nnt die Berufsauffassung, andere wieder fasten die Veamten- laufbahn nur als Anlaufsfeld für eine einträgliche Jndustrte- karriere auf. Alles dies ist für den Staat aus die Dauer einfach un erträglich und der Schaden ist gar nicht abzuschcn. Wenn die höheren Beamten jetzt wenigstens daö frühere Friedens realgehalt fordern, so können sie diese untere Grenze deswegen mit Recht setzen, weil, wie schon oben ausgeführt, schon früher kaum ein höherer Beamter von diesem Frtedensgehalt hat leben können, weil also diese Forderung von vornherein eine Rücksichtnahme auf die schwierigen Zeiten, aus die Notwendig keit von Opfern bedeutet, wie sie mancher andere Stand nicht ohne weiteres der Allgemeinheit zu bringen gewillt ist. Ob es richtig ist. daß der Staat es so weit hat konmien lasten, daß die Besoldungöfrage in ber Form gewerkschaftlicher Forderungen aufgerollt werden mußte, darf füglich bezweifelt werden. Es erklärt sich aus der gewerkschaftlichen Form, daß die Betrachtungsweise von unten aus erfolgt, und die höheren Beamten sind sich mit den anderen Beamten darin einig, daß die bisherige Besoldungspolitik eine soziale Herabsetzung aller Bcamtengruppen bewirkt hat. Um das Problem richtig zu erfassen, muß man es aber bis nach oben durch denken und auch von oben aus betrachten. Die von Reich und Ländern angekündigte Bcsoldungisreform bat nicht nur die Lebenshaltung der großen Scharen unterer Beamter, sondern auch gehobener Mittelbeamter und höherer Beamter, sie hat auch die Lebenshaltung der Männer festzusetzen, von denen die Allgemeinheit ein gut Teil der Führung innen und in der Außenpolitik erwartet und erivartcn zu dürfen berechtigt sein muß. Und eS geht daher darum, daß wir durch die Zusichcruna einer der Aufgabe entsprechenden Lebens haltung sicherstellen, daß wir solche Männer im öffentlichen Dienste auch zukünftig haben. Verbot aller politischen Deranslallungen in München. München. 27. Mai Im Zusammenhang mit de» letzten Zn» sammenstößen hat die Polizeidirektio» München am Freitag abend folgende Anordnung erlaffe«: „ES «erde« verboten: 1. Der vom Reichsbanner Echwarz«Rot«Gold nee» anftaltete südbavrischc Republikanische Tag mit alle« Ber« anstaltungen einschließlich deS Konzerts der Reichsbanner« kapelle am 27. Mai im Colosseum. 2. Die von ber Nationalsozialillische« Deut, scheu Arbeiterpartei für den 27. Mai in de» Bürgerbränkeller cinberusenr Versammlung. ». Die von den Bereinigten Vaterländische« Ber» bände« iür de« 28. Mai in die Tonhaie eindernfene Ber» sammlnng und 1 alle Züge z« «nd von der Verletzung deS am 28. Mai getötete« Hirsch mann." iT. U i Wie heute von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, sind von den wegen de» bekannten UeberfalleS aus eine Gruppe Nationalsozialisten vorläufig sestgenommencn Personen neun dem Amtsgericht zur Lösung ber Haftfrage zugeführt worden. In der „Münchner Post" wird heute mit Nachdruck erklärt, daß bas Reichsbanner am Zusammenstoß nicht beteiligt ge wesen sei und daß sich unter den Verhafteten kein Mitglied de» Reichsbanner» befand. Das Programm -es Dölkerbundskongrefses. Berlin, 28. Mat. Da die Kommissionen ihre Arbeiten bei weitem noch nicht beendet haben und die Resolutionen, die der Vollversammlung vorzulegen sind, noch einer gründlichen Ucberarbettung bedürfen, wurde die für heute vormittag ange- setzte Vollversammlung auf Sonntag vormittag vertagt. Von Sonntag an finden täglich wieder Vollversammlungen statt. Am Mittwoch wird eine Fahrt der Teilnehmer nach Hamburg die Tagung beschließen. Dort ist eine Begrüßung durch den Senat und Professor MendelSsohn-Bar- tholdy vorgesehen. Heute mittag um 1 Uhr findet ein Emp fang beim Oberbürgermeister Böß und heute nachmittag um 5)4 Uhr beim Außenminister Dr. Stresemann statt. Der Berich! über -ie Zerstörungen -er Osifesiungen. Berlin. 28. Mai. General v. Pawelsz hat, wie der „Lokalanzciger" meldet, der Reichsregierung einen kurzen Bericht über die Zerstörung der Unterstände in den Ost- festungen vorgelegt. Ein ausführlicher Bericht wird dem RetchSkabtnett erst Anfang Juni zugehen. ocUISOsco/Mkßlk/w U80il.k8i8Mk SEküe KULSic«.t.iM6