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Veite «04. Belletristische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten fLrv Hie Avcrrrerrrnett. Merksprnch: ES ist kein Schnee so kalt und graus. Der nicht ein Keinichen noch trieb aus ; Es ist kein Scvmerz so grob und tics, Datz nicht in ihm noch Segen schlief. R, Mittler. :iert man den heiligen Abend am schönsten? Zu " Jabres beherzigen wir wohl in solchem Maße die Worte der „Geben ist seliger denn nehmen." als zur fröhlichen, gesegneten Wir begehen mit hoher Freude den Gedenktag der Geburt S Jesu Christi und streben in seinem Sinne darnach, auch unsere Mchsten in dielen gnadenreichen Tagen so viel als nur iigend in glücke» Wie keiner Zeit heiligen Schritt: Weihnachtszett. unteres Heilandes Jesu Christi M ' unserer Macht steht, zu erfreuen und zu beglücken. Wohl ist es unsere Pflicht, auch der Armen zu gedenken und in so manche einsame dunkle Kammer durch Gaben der Liebe ein Lichtlein hineinzutragen, ober sodann soll doch Jeder in seinem Familienkreise den Vorabend des ersten Festtages, an dem ja in den meisten Hamern die Bescherung statlsindet. so schön uns feierlich als nur möglich begehen und wer aus Geschäfts-Rücksichten und anderen zwingenden Gründen erst am Morgen oder Abend des Christ-Sonntags seinen Lieben bescheren kann, möge in ganz derselben Weis« verfahren, wie wir hier durch einige Winke anzudeuten versuchen wollen Die Hauptsache bei einer richtigen deutschen Weihnachtsfeier ist natürlich der im Glanze bunter Kerzen märchenhaft strahlende, köstlich dustende Tannenbaum. Wo Kinder da sind, wird er gern mit allerlei Süßigkeiten, auch wohl mit Ketten. Sietzen. Blumen und Sternen ans farbigem oder goldig und silbem schimmerndem Papier, welche die fleißigen Händchen an den vorhergehenden langen Winterabenden mit freudigem Eiicr selbst anfertigen. bedangen. Wenn indcß nur Erwachsene an derBescherung theilnchmen. Wird derBaum lam besten eine recht gleichmäßig gewachsene, mittelgroße Edel tanne) meistens nur mit „Ehristkinds Haar" wie man die langen Silbersäden nennt, und anderen glänzenden Dingen, sowie möglichst vielen Lichtern gesthmückt. während man die Zweige mit imitirtem Schnee, imvrägnirter, unverbrenubarer Watte, belegt Ein solcher Baum gewährt brennend einen wunderbar voctisthen. entzückenden Anblick Die Geschenke für die Familienmitglieder. Dienstboten und Gäste werden aus einer weißgedeckten Tafel zierlich aufgedant und geschmack voll geordnet, für Jeden ist ein Plätzchen bestimmt Rach norddeutscher Sitte erhält Jeder unter Andern! einen Teller mit Näschereien. Aepseln. Nüssen. Pfefferkuchen und Marzipan, dazu ein Wachsstöckchen, Parfüm, Seife und einen Kalender. Hier im Sachicnlande darf der Nonnenstolle» und ein glückbringendes Marzivanschweinchen nicht schien. Man sorge vor Allem auch dafür, daß das Weihnachtszimmer außer dem lichtstrablendcn Banine noch durch Lampen möglichst erhellt sei. Sehr schon macht -sich, wo keine Krippe vorhanden, aus emem Nebcntische die Aufstellung eines von Tnnnenzweigen umrahmten Transparentes, die Geburt Christi darstellend. Mai, bekommt dieselben in ollen Größen iedr billig nnd kann sie jedes Jahr wieder benutzen. Das ganze Zimmer ser außerdem möglichst viel mit Tannenzweigc» festlich dekorirt! Die eigentliche Bescherung wird mit dem allgemeinen Gelange einiger bekannter Weihnachtsliedcr eingeleitet und eröffnet -, zuerst der Eboral ..Vom Himmel hoch, da komm' ich her," sodann „Ltstle Nacht" und „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!" denen später noch andere folgen können. Einige weniger bekannte, sehr schöne Weihnachts- gesänae für Solostimme sind: „Weihnachten" von Adam. „Wcihnachlslicd" von Mo Seifert. „Heil'oe Nacht, auf Engelichwingen" von Otto Tauber!. „Nun freue dich, o Welt!" von Julie von Pseilschisler und das jubelnde „Es brennen die Lichter am goldenen Baum!" von Eiirschmann. Sind Kinder anwesend, so tagen die größeren derselben wohl noch einige auf das schönste Fest der Cdnstenheit bezügliche Gedichte her und dann kommt endlich der ichn- iichst erwartete große Augenblick, wo beim Klange des Glöckchens sich die io lange gebeimnißvoll verschlossenen Thüren weit öffnen, wo unter lautem Jubel Alles hineinstünnl und Jeder das sür ihn bestimmte Plätzchen lucht und findet. In manchen Familien erscheint auch wohl ein junges Mädchen als Wcihnachks- engel. der sinnige Verse spricht, oder andere größere Aufführungen werden veranstaltet. Was nun den Abendlisch betrifft, so ist es i» Norddenl'chiand Sitte, am Christabend Bierkarpfen zu genießen, in Schlesien Mohnllö'e und Mohnsrollen, hier zu Lande muß es unter anderen guten Sachen unbedingt Heringssalat geben; eine dampfende Punschdowie ist dort wie hier das beliebteste Festgetränk. Wer es nur irgend vermag, der lade am heiligen Abend zur Bescherung alleinstehende, wohl gar in beschränkten Verhältnissen lebende Personen aus seinem Bekanntenkreiie zu sich ein, die mit Entzücken den Lichterbamn bewundern und kleine nützliche und angenehme Gaben mit wärmstem Danke empfangen werden. Möge nun eine solche Weihnachtsfeier iw Prunkiaale des Reichen, in der ..gute» Stube" des Bürgers und Hand werkers, oder im einfachen Kämmerlein des Unbemittelten stattfindeu. — überall wird die rechte, echte jzestsreude nur da einkehren. wo wir mit dem Herzen geben und wo die Liebe herrscht, die reine, hehre, werkthcitige, wahre hen- und Gottesliebe. Lldetatde v. Eoirberg-Herzog. setze . toste! duckte, wie Dein Doktor." war Aeu.ncs neckende Antwort gewesen. Was kümmelte eS sie auch, daß man ihr die schwärzeste Zukunft proobezcite! Nach dem Unheil säinmtlicher Tanten war eS rein unmöglich, daß diese Ehe eine glückliche wurde. Der finstere, jähzornige Amtsrichter und die Aenne, dieses sanfte, weiche Geschöpf! Kreuzelend würde er sie machen, das stand sür die ganze Verwandtschaft und Bekanntschaft fest. Dora hingegen hatte das große Loos in der Glückslvtlerie gezogen mit dieiem Doktor. Er betete seine Braut an. war immer liebenswürdig nnd zuvorkommend und würde icdensalls ein ausgezeichneter Ehemann werden. Ucberdies vereinigte er noch alle Vorzüge einer brillanten Partie in sich. Tie beiden Eben gestalteten sich aber doch ein wenig anders, als die guten Tanten geträumt hatten. Doms Braun fehlte nämlich, trotz aller Liebcuswurdigteit. jede Anlage znm Panrosielheiden. In der Brautzeit hatte ec sich wo!>! scherzend dem Willen Doms gefügt, wo es ging, jetzt aber stand sein energisches „Ich will!' mt" - ' .lnngk sehr oft dem nicht minder tcmöcrcnicntvolleil seiner Frau peinlich gegenüber. Dem war die leiste, welche nachgab. und da Jedes hartnäckig aus »einer vorgefaßten Meinung bestand, jo endete ein friedlich begonnener Gedanlcntarvch meist mit Zornesthrünen von ihrer, und geräusthvollem Tliin-nickstagen von seiner Seite. Nach einem »pichen Austritt war es, als Dora eines Tages mit gerr kheten Singen Frau Aenncs Heim betrat. Liebevoll forschte diese na h der Freundin Kummer, und zum ersten Male schüttete die stolze Tom ihr in dicier Angelegenheit das übervolle Herz aus. „Wie anders war er als Bräutigam!" klagte sie. „Wenn ich damals gewußt hätte, wie rechthaberisch Frau; ist. würde ich mich wohl ge hütet haben, ihn zu Heimchen' Und warn»! soll gerade ich na t geben? Ec könnte es doch vir', eher thnn, schon ans Ritterlichkeit." schmollte sie. .Nein, Tora," ries Aenne lachend, „das darfst Du von einem Manne nich! verlangen. Wie käme er dazu, ieine genüg wolübegei'mdete Ansicht einer Wciberlaune zu opfern?" „Weiberlannc?" zürnte Dom. „Er wird doch nicht fordern dorten, daß ich ans purer Untenolungkeit 'einer falschen Meinung eifrigst beioslichlcn toll ?" „Behüte! Aber Tn mußt auch nicht verlangen, daß er aus Galanterie Deine falsche Meiimng-theile." fügte Aenne schelmisch hinzu. Uninrithig be arbeiteten Doms zierliche F-inzspitzen den seinen Teppich. „Und wie oft kommt er am Mittag übellaunig Heu», dann —" „Dann." unterbrach sie Aenne. „muß das Weid fei» stille sein, damit der Mann daheim wenigstens den Frieden findet, der ihm da drangen in der Wett so leicht verloren geht." „Ach. Alles mit» sich »m die eitlen, selbstsüchtigen Männer drehen," sagte Tom bitter, „überall soll man diese Herren der Schöpfung berücksichtigen. überall wollen sie die Ersten sein —" „In der Liebe, meine Dora, sind sie eS ober doch nicht," lächelte Aenne, „da sind wir ihnen sicher über. Kennst Du nicht den Rath, den Nietzsche uns Frauen giebt?" Dora schüttelte den Kopf. „Aber dies iei Eure Ehre, immer mehr zu lieben, als Ihr geliebt werdet, und nie die Zweite zu sein." eitirte Aenne. Die Freundin schwieg. „Und siehst Du. Liebste." fuhr die inrige Frau fort, „Nietzsche sagt auch noch ein Wort, das ich mir znm Wahlsprnch gemacht habe, damals, wo Ihr Alle mir die schwär zeste Zukunft an der Seile meines „Tvrannen" prophezeitet." „Sinn?" Dom schaute in AenneS lachende Augen. „Ist dies Worl vielleicht der Schlüssel zu Deinem räthieihaslen Glück?" fragte sie. „Ich muß gestehen, mein Geschmack wäre Dein Mann nie gewesen," setzte sie hinzu. „Also, was spricht Nietzsche, dessen Philosophie Du im Allgemeinen verabscheust nnd im Bewnderen doch io liebst?" Ein feiner Spott zuckte um Doms Lippen. „Er tagt: „Das Glück des Mannes heißt: ich will: das Glück des Weibes heißt: er will. Versnch'S noch 'mal mit diesem Glück." bat Aenne, Doms beide Hände zwilchen die ihren nehmend. Eine Weile war es still in dem kleinen Gemach. Dann erhob sich Dom. „Versprechen kann ich Dir noch nichts," nietnte sie, Abschied nehmend, „aber vielleicht — versuche ich'»." sii» es-.rner. Lvcihnaclstswuttsob Vom Glück. (Nachdruck verboten.) Dora und Aenne hatten an einem Tage Hochzett gehabt. Ihre Freundschaft datirle noch ans der Schulzeit, und kein Mlßton hatte das innige Verhältniß gestört, denn »eiten harmonisch er gänzten sich die beiden Charaktere. Wenn einmal Toms feuriges Naturell mit der Vernunft durchzugehen drohte, fand die taufte Renne stets zu rechten Zelt das rechte Wort, welches die Freundin zur Einsicht ihrer Lhorheit brauchte. Als Aenne sich damals mit dem Amtsrichter verlobte, war Tora entsetzt gewesen. „Aenne. Du rennst ja nur so in s Unglück!" hatte sie gesagt und pathetisch hinzugefügt: „Wie bald wird dieser Despot Deine Sanstmnld mißbrauchen, Du armes Lamm, nnd seinen Thmnnenfnß ans Deinen Nacken Der Liebe Glück und Scltglest! — Das Streiten nichl und nickt das Hassen, Dem Hohes oft zum Opsen siel, — Die Menschheit liebend zu umsassen, Sei uns'rcs kurzen Lebens- Ziel! Lite Tlddlzrn Im Angesicht der Leute Sehl stets das Erste Ihr: ES trägt so manches Thier Auf seiner Slirn das Zweit«. Rätbsel. Wißt Ihr das Ganze letzt, Dem die Natur das Zweite Auf's Elfte Hai gesetzt? Eucher kommt die Elfte mit Brausen, Ein Blatt um d»s andere fällt leis'. Die Zweite entflieht, ohne Säumen, Wohin, ach, wohin? Ja, wer weiß?! Gebunden sind niemals die Letzten, Sonst könnten sie wohl eS nichl sein; Wenn Veilchen und Rosen entschwunden, Stellt diese, als Ganzes, sich ein. «gNt» K» Erscheint jeden AtUM LSüllMg M LMttl. N«. L51. Donnerstag, den 21. Dezember. Philister über dir! Roman von Georg Freiherr von Ompteda. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Niki hatte seine Mutter in einer Ecke de» Salons untergcbracht und seinen Freund Hauvtmann von Dechien gebeten, sich ein wenig ihrer anzunehmen, denn er fürchtete, die Anderen mochten nach der schuldigen Vorstellung sich um die alte Frau nickt lummer». Doch Otto war sehr nett gegen sie. brachte ihr vorn Buffet etwas zu essen und zu trinken und vermittelte ein Gespräch mit einige» alleren Damen, den Müttern der Brautjungfern. Nur Ewald ließ es dabei bewenden, sich vorstellen zu lassen. Auch um das Brautpaar bekümmerte er sich fast nicht. Mit seiner Schwester hatte er eine kleine Auseinandersetzung. «L-ie sagte ihm halblaut: „Tn könntest wirtlich 'mal '» Wort mit uns reden! Otto ist sehr nett gegen Niki gewesen. Er hat mir auch Komplimente gesagt über meine Wahl, daß Tu aber wieder 'mal nickt einverstanden brst, kann ich mir schon denken. Nu sage 'mal. Du alter Nörgler, was paßt Dir denn nicht?" Ewald antwortete mit überlegener Miene: „Das brauche ich Dir weiter nicht anSeinanderzusetzen. und wenn ich's sagte, würde ich Dich blos ärgern. Da aber nun schon Polterabend ist und morgen Hochzeit sein soll, so scheint mir nicht viel mehr zu ändern zu sein." „Paßt . . . gefällt Dir mein Bräutigam nicht?" „Das habe ich nicht behauptet." Jetzt wurde Bern böse, richtete sich auf. während leise Röche in ihre blassen Wangen trat: „Nein, aber Du hast noch nicht ein Wort mit ihm gesprochen." Ewald zuckle die Achieln. „Was soll ich groß mit ihm reden?" „Was man mit seinem Schwager redet!" „Ich male nicht . . . also . . ." „Das würde auch 'was Schönes werden, hah!" „Mir sind diese ungekämmten und ungewaschenen Künstler, die mit dem Messer esse», überhaupt nicht gerade sympathisch. Sie passen nicht zu uns und wir nicht zu ihnen, finde ich. Die Bilder kann sich ia in der Aus stellung aniehcn. wen es imeressirt, und wer im praktischen Leben nichts Besseres zu tim» hat. als dg»." Vera war blaß geworden. „Ewald, das toll heißen?" „Gar nichts weiter toll das heißen." „Ich verstehe Dich schon, aber Niki ist nicht so . . . »nein Niki ist sehr chic und eomme il laut, das kann ich Dir nur sagen." Ewald lächelte saueriüß. „Das habe ick gar nicht bezweifelt." „Was willst Tu damit »agen?" „Gar nichts. Meine Meinung im Allgemeinen. Ich bin nicht weiter darum befragt worden. Es geht mich ja auch nichts an. Im Allgemeine» finde ich eben, heiralbct man cbenw wenig eine Schauspielerin, wenn man sic auch auf der Bühne bewundert, wie inan einen Maler heiralhck. Sie sind eine andere Klasse als wir, und das rächt sich doch einmal früher oder später." Vera zitterte am ganzen Leibe als ihr Bruder das ausgesprochen. Sie stammelte nur: „Und das sagst Du mir am Tage vor meiner Hochzeit?" „Weil Du cs durchaus wiffen willst!" Er zuckte die Achseln. Aber da er mertle. wie schon hier und da sich ein Gesicht neugierig zu ihnen wandte, versuchte er cinziilcnkcn and redete seiner Schwester zu, er habe es ja gar nicht so schlimm gemeint. Er iei nur durch ihren Ton gereizt worden. Niki scheine ia ei» »ehr vorzüglicher Mann zu sein, habe ja auch zweifellos Namen, sehe sehr gut aus. ziebe sich gut an. wäre sogar, wie der Vater ihm geschrieben, Offizier gewesen, kurzum, es läge gar keine Veranlassung vor, zu glauben, er sei voreingenommen gegen ihn. Doch Vera ließ sich ivcht beruhigen. Sir wandte ihrem Bruder den Nücke» und ging davon, »m Niki zu suchen. Währenddessen trat Rittmeister von Vogelfang zu seinem Vetter Ewald. „Was war denn nur los? Was hattest Du denn mit Vera?" Ewald erzählte ihm, wie er mit der Schwester Nikis wegen aneincurder gcmtben sei. Aber als er auch Vogcliang gegenüber andentetc. daß er die Heirat!) für verfehlt halte und für eine unglückliche Partie, wurde der Ritt meister plötzlich ganz unangenehm. Der lange Offizier legte sich für den Freund nun ieineriests !o in s Zeug, daß Ewald unwillkürlich gegen die Fenskervertikfung znrückrrat, weil er gewahrte, wie wiederum hier nnd dort pemand ausmerkiam wurde aus da» erregt-.- Gespräch. Der Rittmeister schloß in seiner eigenthnmiichen erregten Sprechweise der Sicherheit und doch leisen Ueberlreihnng- ^ „Tu kannst Gott überhaupt jeden Abend und auf den Knieen eine halbe Stunde lang danken, daß Du lo einen Schwager kriegst, der so ein reizend charmanter, anständiger Kerl ist. ein gwßer Maler, wie's jedenfalls die Lenke alle lagen, eine gute Partie noch obendrein. Denn er verdient einen Häuft» Lappen, während wir >a leider nichts verdienen, sondern noch obendrein einen klotzigen Zuschuß kriegen müssen." Während dessen hatte Vera in höchster Erregung ihren Bräutigam gesucht. Niki stand abwärts und starrte in die Menschen hinein. Seine Augen suchten die Braut. Nur Vera und die Mutter waren ihm von Interesse an vielem Abend. Er sah, wie der Generalleutnant sich eben zu Frau Sandtner setzte, und das beruhigte ihn. Ihm war es nicht gegeben, von einem Menschen zum anderen zu laufen und Unterhaltung zu machen. Das Hane er noch nie gekonnt, dazu vermochte er sich auch heute Abend nicht zu überwinden. Die Vorstellungen halte er erledigt, die Glückwünsche cmgegcngenommen, sogar mit ein paar liebenswürdigen Worten erwidert. Mehr tonnte e> nicht thnn. Jetzt sab er zu, wie die Anderen Miteinander verkehrten, und daS ganze gesellschaftliche Treiben erschien chm überaus lächerlich wie immer. Das stille Beobachten machte ihm Spaß. Er Hütte einen Bleistift haben mögen, um ein paar Gesichter festzuhalten. Ein paar alte Damen saßen beieinander mit runzeligen, scharfen Zügen, sie wb'perten. neigten sich vor- nnd rückwärts, beugte» manchmal ganz eng die Köpfe zusammen, als müßten sie sich die wichtigsten Truge erzählen. Was war ihr Horizont ? Wenn sie starben, was hatten sie in ihrem Leb» gethan und geleistet ? Da siel sein Blick noch rechtzeitig auf der Mutter mildes, altes Gesicht. Die scharfen Gedanken entstoben. Weichheit machten sie Platz. Wie er leine Mutter liebte. Mutter und Vera. Er irertte sich über den Namen: Äem. die Wahre. Als er sich so seinen Traumen überließ, stand sie plötzlich neben ihm mit leise gervtheten Wangen, wie er sie sonst gar nicht kannte. „Kommst Du zu mir. Vera?" fragte er freundlich, glücklich, noch in der weichen Stimmung, in die ihn der Gedanke an seine Mutter versetzt. Er nahm ihre Hand: „Ganz warm ? Und erregt?" Sie zog ihn in das anstoßende Zimmer ihres Vaters, wo sich Niematch befand. Dort siel sie ihm plötzlich um den Hals und stammelte in Aufregung, gleich einem trotzigen Bekcnntniß. als wollte sie ihre Meinung gegen einen Angriss behaupten: „Niki, ich danke Dir, daß Tu mich genommen hast." Er preßte sie stürmisch au sich: „Tu kommst von selbst zu mir?" „Soll ich das nicht?" „Ich habe es mir immer gewünscht," Dann nahm er ihre beiden Hand« in die seinen und bat: „Vera, wir sind morgen Mann und Fran, willst Dt, mir etwa» versprechen?" „Ja." „Gieb mir Deine Hand. Fest. So!" „Was soll ich thnn ?" „Wir wollen einen Bund zusammen machen in allen Lebenslagen. S» lange wir zusammen sind, bis eines von uns Beiden sticht . . ." „Niki, so darfst Tu nicht sprechen . . . Nicht vom Sterben . . Der Maler lachte auf. „O nein! Jetzt nicht. Jetzt nichts vom Sterben. Aber einmal. Das ist Naturgesetz. Jetzt wollen wir nur glücklich sein . . . Also höre mich an. Vera. Lau nie etwas zwilchen uns kommen. Nie . . . sondern wir Beide, wenn wir einmal etwas gegeneinander haben, wollen uns jetzt versprechen. daun zueinander zu kommen und es uns zu sagen- Immer soll das so sein. Willst Du?" „Ja." Sie blickten sich fest in die Augen und Niki sagte mit einem tiezen Seufzer des Glücks: „Gut. Es ist also abgemacht. Und nun komm', wir müssen un- wicder zeigen." Damit gab er seiner Braut den Arm und sie traten in den Salon zurück- 10. Kapitel. Am Morgen ging das Brautpaar mit Rittmeister von Vogcliang und Otto als Zeugen aui das Standesamt, dann wurde die neue Wohnung des jungen Paares besichtigt, wozu sie den General abholten. Ewald war aus» gegangen. Der Mutter Kräfte sollten geschont werden. Die neue Wohnung lag in, selbe,» Harne der Viktoriastraßc. wie da» Atelier, dessen Mielhsvcrtrcig noch zwei Jahre ttes. Sie hatte zwei sehr schöne Vorder» zimmer nach der Straße hinaus, ein Berliner Zimmer nnd vier Räume nach hinten. Eigentlich stand sie mit dem Atelier m keiner Verbindung, aber de» Wirth hatte erlaubt, daß eine Thür ans Nikis jetzigem Zimmer nnch de« Atelier durchgcdrvchen werde. Nur äußerlich war eingerichtet worden, das heißt, die gemeinsam aus gesuchten Vorhänge nnd Stores waren befestigt, die Teppiche gelegt, dagea» hatte der Tapezirer die Blödel nur nach Gutdünken in den Räumen verteilt. „Das wird doch Alles anders, wenn wir erst 'mal stellen und cinricbteu! sagte Vera. Sie hatte die Einrichtung, dir idr der Vater schenkte, ganz nach ihrem Geschmack ausgesucht, und da er sehr freigebig in d« Summe gewesen, die er dafür cruswars. so war Alle? sehr kostbar geworden, nieist sehr uir gewöhnlich und besonders Einzelne? etwa? bizarr. Ader Niki? Künstlerin« I freute sich an den Sachen.