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71. Jahrgang. SS <91 Dienstag, 19. Oktober 192S Gegründet 18Sö LrablealchrM Hiachrtchl«, De«» de». gernIveecher-Samm»,nummer. 2 v 241. Nor >llr NachlgesprSch«: SO 011. vom IS. dt, NI. Oktober IV26 v»> läglich jw»»nalt«er Zuslellun» Ik»t tiou, I.KO Mk. <)"Au95*1Vel1Ul1r 4»,lid«jug«pr»is lür Mona> Oktober > Wart, ohne PotlzullellungsgebUdr. ai»z»ln»««er It» PI»»»t,. DI» Anzeigen werden nach Goldmar» berechnen b>, etnipaUtae Nv mm breite und Siellenaetuche ohne Rebtamezeik ISO Plg., Dornuebezabiun« tvie Anzeigen weroen naa» moiomar» oer«a>n«n v>« e,n>pa,»l Anzeigen-Preise: aukerbald 200P>g. Ogertennebtik, IV PIg. Auew. Austritte aeg.' Echrislteituna und Aauptgelchitstsllelle: Martenitrad« 3S 42 Druck u. Verlag von ^Irplch ck Metchartl tn Dresden. Postlcheck-ttonto 10SS Dresden. Nachdruck nur n,U deulltcher SueUenangad« ' .Dresdner Nachr."t zulitlstg. Unverlonqt« Schrtustttcke werden nicht auldewakrt. 26 «egaater «eilegepa« Seinfte tederwaren 26 An Appell an die wirtschaftliche Vernunft. Eine Kundgebung -er Inlernaiionalen Kandelskammer und -er führenden Bankiers. Dorpmvller vom Reichspräsidenten besläligk. - Polen liquidier! weiter -eulfchen Besitz. - 2,s Millionen Zeppelin-Eckrner-Spen-e. Der Kinkerarund -es Aufrufes der Wirtschaftler. Berlin. 18. Okt. Der von ausländischen Zeitungen für Mittwoch angekündigte wichtige Ausruf, mit dem sich die führenden Männer der Weltwirtschaft und der Wcltsinanz auS allen Ländern von Morgan bis Schacht an die Negie rungen und die Politiker wenden wolle», erregt schon setzt be rechtigtes Aufsehen in allen politischen Kreisen. Seit Jahren ist bekannt, daß in immer größerer Zahl führende Wirtschafts praktiker »nd MirtfchaftSpolitiker im Bereit mit Gelehrte« von Weltrnhm die Not in der Weltwirtschaft nnd hie in allen Ländern immer bedrohlicher «nd HSnfiger scst»vstcllendcu Wirtschaftskrisen ans die ««natürlichen, vernunft widrigen Berhältnissc znrttckftthken. die eine chan- vinistisch-imperialistisch eingestellte Siege r- «nd Nationalitätenpolitik nach dem Kriege aus gerichtet hat. Aber auch dieSiegerstaateu werde« dieser Dinge nicht froh. Ihren bedrohlichen Ausdruck finden die Holge« der unnatürlich mit politischen Machtmitteln erreichten Unter bindung der weltwirtschaftlichen naturgegebenen Beziehungen in den stetigen Währungskrisen, zurzeit in den WäkrnngS- nöten Frankreichs, Belgiens «nd Polens. Die Zeit hat ge zeigt, daß die Sanierung dieser Länder nnd ihres Geldwesens iicht ohne Hilfe der übrigen Welt möglich ist, daß aber, wenn nicht »ngleich das System geändert wird, nach der Behebung dieser Notstände aus gleichen Gründe« notwendig neue cin- trcten müssen. Bei den vielen in diesem Sommer abgchal- tenen Wirtschaftskonfercnzen und Besprechungen vieler Wirt schaftler und Ftnanzpoltttker hat sich nun tn allen Ländern die Ueberzeugung dnrchgcietzt. das, etwas geschehen müsse, um den politischen und wirtschastspolitischcn Kurs in der Welt zu ändern. Der Anstost auS dieser Erkenntnis zu Taten, zu einem Versuch der Beeinfluss»«« der Politik tn allen Ländern über zugehen. ist von den produktiven Kräften der Industrien auS- gegangcn. und dte Ftnanzlcute haben ihre Beteiligung nicht versagt, obwohl in ihren Kreisen engere Bindungen an die Politik bestehen, insbesondere haben die Führer der sranzössschen Wirtschaft In diesem Sinne acwirkt. die ein besonderes Interesse daran haben, ihr Land auS der Santcrnngsivirrnts zu befreien und sich selbst gegenüber der in der Weltwirtschaft immer schneller wachsenden Antipathie gegen die Methoden der französischen Politik als Wirtschaftler von beachtlichem nnd internatio aal vertragSsähigem Format hinzustellen. Mas diese Kundgebung vorbringt, ist von deutscher Seite seit dem Bertraa von Ver sailles immer wieder betont worden, dak aber dicke Kund gebung jetzt gerade aus den dringenden Wunsch sranzösilckrr Wirtschaftskrise veranstaltet wird, in einem Augenblick, wo Frankreich dnrch seine Politik so weit ist. das, seine Wirtschaft und seine Währung, ebenso wie die Belgiens nnd Polens, nur noch dnrch fremde Silke gerettet werden kann, nnd wo diese Silke nntcr Hinweis ans die französische Politik überall abgclebnt wird, macht diese Kundgebung ganz besonders wertvoll Zwei qelrennle Aktionen auf der Inler- nalionalen Handelskammer? Berlin, 18. Oktober. Wie die Tel.-llnlon von unterrichteter Sette erfährt, dürften bezüglich des angckündlgtci, Appells der internationalen Wirtschaftsführer ldcS sogenannten WcltwirtschaftSmanifcstes) zwei getrennte Aktionen zu unterscheiden sein: 1. Der Verwalt ungsrat der Internatio nalen Handelskammer, der am 20. Oktober In Paris Zusammentritt, nimmt einen Bericht seiner sechs ver schiedenen Unterausschüsse entgegen, unter denen der Bericht des ZciitralansschusscS zur Beseitigung dcrHandelS- htnder nissc der wichtigste sein dürfte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden wahrscheinlich zu einer Resolution -usammewgcsaßt werden, tn der zur Beseitigung der HandclShindernisse in der Welt aufgcfordert wird. Um ein Manifest im eigentliche,, Sinne dürfte es sich jedoch hierbei nicht Handel». Bemerkens wert ist, dast die in der Presse genannten Unterzeichner dcS Manifestes ausschließlich Vorsitzende rcip. Präsidialmitglicdcr der verschiedenen LandcSgruppcn der Internationalen Handelskammer sin-d. 2. Abgesehen von dieser Aktion scheint ein selbständiges Manifest der führenden Bankiers und Finanzlcntc der Welt vorbereitet zu sein, das aber an und für sich mit den Arbeiten des VerwaltungsratcS der Internationalen Handelskammer nichts zu tun hat. Das Manifest der Bank- und Finanzlcntc würde demnach nur deshalb von der Internationalen Handels kammer behandelt werden, weil ihm eine größere Resonanz gegeben werden soll. Den Bankiers steht es selbstverständlich frei, ihr Manifest der Internationalen Handelskammer zur Annahme vorzulcgcn und es auf diese Weise gleichfalls zu einer Resolution der Internationalen Handelskammer zu machen. Offensive zur Neuordnung Europas? Vor Einberufung einer inlernalionalen Schulden- und Reparalionskonferenz. Paris, 18. Oktober. Der Berliner Korrespondent dcS rechtsgerichteten „I n t r a n s t g c a n t" bringt heute unter dem Titel: „Eine internationale Schulden- und ReparatlonS- konfercnz?" Informationen über die deutsch-französischen An- nähcrungSvcrhandliingcn. die er von einer der höchstgestclltcn politische» Persönlichkeiten dcS Deutschen Reiches erfahren haben will. Demnach wäre die dentsche Regierung unangenehm überrascht von dem ungünstigen Widerhall, den in gewissen amerika nischen Kreisen die Besprechungen von Thoiry erweckt hätten, wie auch von dem Widerhall, den der Abschluß des Slahl- karleNS und dir vor kurzem stattgesundcncn Besprechungen deutscher und englischer Industrieller erzeugt hätte. Be merkenswert mären die gegenwärtigen Verhandlungen des Generalagenten der Reparationszahlungen. Parker Gil bert. in Rom mir Mussolini und Bolpt. die sich besonders ans die Frage der Möglichkeit einer Abänderung des Daweö- Planes bezögen, und die Bemühungen zur Bildung eines so- genannten ABE-TrustS. Dte bentlche Negierung wolle znm Ziele gelangen, «nd man sei der Ansicht, daß die dcutsch-iranzösischen Verhandlun gen wohl einige Monate dauern würden, dast aber die Hoffnung bestünde, dast bis znm Zusammentritt des näch sten Bvlkerbunbörats im Dezember Berlin nnd Paris hinsicht lich ihrer politischen und sinauziclle» Entente in grasten Züge« einig sein werde«. Ereignisse von weittragender Bedeutung, so hätte die genannte deutsche Persönlichkeit erklärt, seien in Beratung. Thoiry «erde in der Geschichte noch eine viel gröbere Nolle spielen, als «an anfangs glanbte nnd zu einer Einberufung einer graste« internationalen Schulden- «nd ReparationSkonsercn, führen. Die Konferenz werde sich mit der Reorganisierung der inter nationalen Schulden «nd der Neviston des Daweö, Planes beschäftigen. Experten nnd Diplomaten werden dann die endgültige Höbe der deutschen Repa rationszahlungen «nd die endgültige Zahl der Jahres raten sestznscsten haben, aber dieser letzte Punkt «erde Frank reich kaum mehr interessieren, da zwischen der Berliner Negierung und der Pariser Negierung «ine mächtige internationale Flnanzorganisation, der sogenannte A B. E-Trust, dem sich Morgan anschliesten werde, abgeschlossen sein werde. Die Angelsachsen würden einer Verminderung der französischen Schuld znftimmcn und ihrerseits die Alliierten einer Verminderung der deut schen Schuld. DaS Blatt legt Wert darauf, z» betone», das, nach diesen Erklärungen die teilweise Mobilisierung der deutschen ReparationSobltgativnc» eine Frage zweiter Ord- n i, „ g geworden sei und eS hebt mit besonderem Fettdruck die Bemerkung über eine Serie von Anleihen und die end- gültige Feststellung der deutschen ReparationSsumme sowie der JahrcSannuttätcn hervor. Ein Locarno des britischen Wettreiches. Tic heute In London zusammcntrete ide britische Reichs- konscrcn.z wird von folgenschwerer Bedeutung für die weitere Entwicklung des riesigen, ein Viertel der Erdsläche um- ipanncnden britischen Imperiums sein. Sic sollte ursprünglich säst ausschließlich wirtschaftlichen Besprechungen über die Handelsbeziehungen zwischen den einzelnen Reichsgebieten und dem Mnttcrlande gewidmet sein. Bedeutsame weit- und inncrpolitische Vorgänge machen es aber unabwendbar, daß die Frage dcS inneren Zusammenhaltes des NiesenreicheS und damit einer britischen NcichSvcrsassung gebieterisch in de» Vordergrund tritt. Daß diese wichtigste Frage eines großen sich auö einer Reihe von fast völlig selbständigen Staate» zu- sammensctzenden Reiches so lange immer wieder zurückgestellt werden konnte, ohne zur Auslösung oder doch Absplitterung z» führen, ist ein Geheimnis britischen Staats- nnd Geltungs- willcnS, -aS schon manchen StaatSrcchtlcr vor eine schwierige Aufgabe gestellt hat. Ganz besonders uns Deutschen muß «S unerklärlich bleiben, wie derartig selbständige Staaten in einer festen Einheit znsammcngchaltcn werden können, ohne eine Rechte und Pflichten der einzelnen Glieder genau um grenzende NcichSvcrsassung. Daß dies in England bisher gelang, liegt nicht zuletzt wohl daran, daß die Entwicklung Englands von einem riesigen Kolonialreich zu einer Jn- sammenfassuna selbständiger Dominien noch recht jungen Datums ist und eigentlich erst in die letzte Generation fällt. Im übrigen drückt sich darin auch der englische Eharakter auS, der. wie im ganzen NechtSIcbcn, auch im StaatSrccht weniger Wert auf theoretische Konstruktionen legt als auf die praktischen Wege, gegebenen Verhältnissen gerecht zu werden. Es ivar Lloyd George, der im Jahre 1920 ausführte: ,.Daö Britische Reich ist entweder die stärkste oder die schwächste Kombination der Welt. ES ist die stärkste, wenn cs nicht an Anhänglichkeit und gutem Willen gebricht. Alles hängt von der Stärke ab. welche die unsichtbaren Bande der Anhänglichkeit an daS Reich unterhält." Obwohl aber diese- System im Kriege seine Feuerprobe bestanden hat, ist damals aus de,, Notwendigkeiten dcS Augenblicks das Rcichökriegs- kabinett erwachsen, in dem die Ministerpräsidenten der Dominien dieselben Rechte batten wie die Mitglieder deS Londoner Kabinetts. Und als Lloyd George das KriegS- kabinctt verabschiedete, hatte er dieses erste NcichSkabinctt alS einen historischen Schritt auf dem Wege zur Rcichscinheit be zeichnet und die Erwartung ausgesprochen, dieses Svstcm auch in die Friedcnszcit irgendwie zu übernehmen. DaS ist jedoch nicht geschehen. Man hat zwar die Dominialvcrwaltiing vom Kolonialamt abgctrcnnt nnd ein Dvminialamt geschaffen, das der Kolonialministcr in Personalunion mit dem Kolo ntalamt verwaltet. Aber die Entwicklung in den einzelnen Dominien zeigt, baß man mit dem bisherigen System der losen Verbindung, in dem man eS der Praxis überläßt, das konstitutionelle Problem zu lösen, nicht mehr anskvmmt, nnd daß man diesmal auf der NcichSkonscrcn, nur schwer um irgendeine theoretische Formulierung des staatsrechtlichen Zustandes hcrumkommcn wird. . Den Anlaß dazu dürfte voraussichtlich die Forderung dcS Premierministers von Südafrika, General HcrtzogS, geben, die internationale Stellung der Dominien zu defi nieren und endlich einmal zn sage». waS ein selbständiges Dominium eigentlich sei. Ucbcrlianpt scheinen Südafrika, Kanada und Irland die stärksten Kräfte einer ans vermehrte Selbständigkeit gerichteten Bewegung auf der Reichskvnfcrcnz werden zu sollen. Südasrika ist dabei bereits so weit gegangen, baß eS die Absicht bekundet hat. de» Union Jack einz»ziehen »nd eine eigene südafrikanische Flagge in seinem Gebiet zn hissen. Ob eS dazu kommt, muß dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall aber würde es eine völlige Verkennung der Sie- wcgiiiig in den Dominien bedeuten, wen» man sie i» der Nich. tung einer LoS-vo»-Londo»-Parole deuten wollte. Mas die englischen Dominien wollen, ist vielmehr ein verstärkter Ein fluß aus die ReichSpolilik. aber keine LoSlösiing. Selbst General Hertzog, der den radikalen Flügel der Bewegung vertritt, hat betont, daß scdes Dominium daS Reckt habe, sich von dem „Frisirb Lc,mmcm>vealil>" tGcmcinweicni zu lösen, daß eine solche tatsächliche Entscheidung aber einen flagranten Mißgriff für Südafrika und ein nationales Unglück bedeuten würde. Der Einfluß ans die britische Gcsamtpolitik ist die vor-