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MMwoch, 17. September 1S24 — Dresdner Ikachrichtn, — Nr. NS SeNr S 12. ordeukttche evangelisch-lslherische vandessynode. >m Dienstag vormittag fand im Saale der Zweiten Kammer, LandtagSgebäude, die v. öffentliche Sitzung der 1L. ordentlichen LandeSsynod« statt. Die Tagung war stark »«sucht. Unter anderem waren erschienen Exzellenz Finanz minister a. D. Schroeder, Exzellenz Graf Vitzthum, «retShauptmann v. Nostttz, Landesbtschof 0. FhmelS, »a» evangelisch-lutherische LanbcSkonststortum ln eorpor«, die Stadtsuperlntendenten N ü l tz sch-Dresden und Jentzsch-Eliemnitz, LandtagSabgeordnctcr Professor Hick. mann, Reichswart Liz. Stange und viele andere führende Persönlichkeiten. Präsident Bürgermeister Leetzen erösfnctc die Sitzung, gedachte unter Erheben der Versammlung von den Plätzen der verstorbenen Mitglieder der Landessynode und er ledigte einige geschäftliche Angelegenheiten, woraus die Ver pflichtung ncugeivühltcr Mitglieder der Landessynode er folgte. Sodann schritt man, nachdem die Landessynode noch de» Registrandenvortrag entgegcngenommen halte, zu den ErgänzungSwahlcn zu den Finanzausschüssen. Dieselben er folgten durch Zuruf. Zur Beratung stand diesmal in erster Linie der Antrag des Finanzausschusses L zur Vorlage Nr. 9, den Entwurf eines Kärchengesetzes zur Abänderung des Kirchengesetzes vom 7. Juni 1928, das sich aus das Psarrbesoldungsgesctz bezieht, betreffend. Nach längerer Debatte wird dazu folgender Antrag Dr. M ü l lc r-Hainsberg angenommen: Bis aus weiteres tritt das Kircheugcsetz, soweit es am 1. Oktober 1924 wirksam werden sollte, nicht in Kraft. Hierauf begann die Beratung Uber den Antrag des Finanzausschusses B zur Vorlage Nr. 10, de» Entwurf eines Kirchengesctzcs über die Besoldung der Geistliche» und Hilfs- geistlichen und über die Verwaltung der Grundstücke der geist lichen Lehne, sog. Psarrbesoldungsgesetz, stressend. Es ha», delt sich ui» die Festsetzung eines Ortskircl-enstcuer-Mindest- mastcs, um die Fixierung des Rechtszustandcs in der Besol- düng der Geistlichen und um die neu zu regelnde Verwaltung der geistlichen Lehne. Der Finanzauöschust beantragte die Annahme der Vorlage in der Erwägung, dast das neue Ge setz die notwendige heistcrsehnle Hilfe für die Geistlichen bringen werde, ohne sich dabei auf den Standpunkt stellen zu wollen, dast daS Gesetz der letzte Schritt zur Gesundung sei. Der Berichterstatter sprach das ganze Gesetz eingehend durch und eröffncte die Debatte. Die Anträge zur Abänderung der wörtlichen Fassung mehrerer Einzelheiten des Gesetzes wur de» angenommen. Einzelne Nedncr sehen in dem Gesetz entwurf den Beginn einer Zentralisierung der Psarrbcsol- dung und wünschen demgegenüber eine größere Verselbständi gung der Gemeinden. Tie Fragen sind von grundlegender Bedeutung und wurden demgemäß mit groster Ausführlichkeit behandelt. ES ging ei» Antrag Professor Hickmann ein, der die Abzweigung eines NeservesvndS von der Pfarr- besoldnngskaise zur Gewährung von Beihilfen zur Besoldung von Fall zu Fall vorsieht. Ein zweiter Antrag des StadtrateS Dr. Krumbiegel verlangt die Besoldung der Geistlichen nach Gruppe 12. Widersprich gegen die Annahme dcS Ge setzes erhob sich nur vereinzelt nnü wurde von dem Referenten sachgemäß entkräftet. Trotzdem war eine Einigung über die endgültige Annahme des Gesetzentwurfes im Verlaufe einer Sitzung nicht zu erzielen, und die Synode vertagte sich auf Mittwoch vormittag. Keine Aushebung Ser Polizeistunde. Entsprechend einer Förderung des Sächsischen Gemcinde- tages hat das sächsische Ministerium des Innern beim Neichs- innenministerium die Aushebung der Polizeistunde beantragt. Darauf ist folgende Antwort eingeganaen: „Die politische und wirtschaftliche Notlage Deutschlands hat gegenüber den Verhältnissen, wie sie zur Zeit der Verab schiedung deck Notgcsctzes vom 24. Februar 1928 bestanden, eine wesentliche Aenderuna nicht erfahren. Die Aushebung des Gesetzes als Ganzes oder der Bestimmung in Artikel 1. 8 2. Absatz 2, im besonderen, erscheint mir daher gegenwärtig nicht vertretbar. Ich sehe mich hiernach nicht in der Lage, dem im Schlußsatz des dortigen Schreibens gestellten Antrag näherzutreten. Auch der Herr prenstischc Minister des Innern, mit dem ich in dieser Angelegenheit in Verbindung getreten bin. ha» mir ausdrücklich erklärt, dast er gegen die Beseitigung der nngesübrtcn Vorschrift entschiedene» Widerspruch erheben müsse. Fm übrigen darf ich darauf Hinweisen, dast die Landes regierungen in der Festsetzung der Polizeistunde srcicHnnd haben und daher in der Lage sind, etwa hervvrtrctendcn Mist ständen durch eigene Anordnungen entgegenzuwirken. An gesichts der i„ letzter Zeit vermehrt eingehenden Eingaben, in denen die F r ü h e r v c r l e g u n g der Polizei st u n d c ans 1 I Uhr abends gefordert wird, will es mir allerdings nicht erwünscht erscheinen, gast etwa sächsischcrseits die Polizei stunde ans spater als I lllir morgens festgesetzt wird, da zu starke Abweichungen in den einzelnen Ländern mit Gewißheit unliebsame Berufungen und 'Beschwerden zur Folge haben werden. Auch die preußische Regierung, die übrigens bereits in der Vorkriegszeit Bestimmungen über die Polizeistunde erlogen hotte, hat in ihrer Stellungnahme zu der dortigen Anregung ba» vorliege» «ine» Bebllrfnlffe» kür bte «n». drbnuna der Polizeistunde über 1 Uhr nacht» hinaus ent- schieden verneint." Nach dieser Antwort de» NeichSministrrtum» de» Innern hält eö baö sächsische Ministerium de» Innern nicht für an gängig. dem wetteren Antrag des Sc-chsischen Gemeindetage». die Gemeindebehörden al» die Behörden zu bestimmen, die die Polizeistunde festzusctzen haben, zurzeit näherzutreten, da die Polizeistunde in Sachsen bereits auf 1 Ubr nachts all gemein festaesetzt ist. Die Bereinigungen ehemaitger Beaifchiiier Deulschlands hatten nach zehnjähriger Pause zum ersten Male wieder ihre Vertreter entsandt, um durch Beratungen und Beschlüsse die Realschulbcwegnng zu fördern und in neuzeitliche Bahnen zu führen. M eisten, die alte dom- und burggekrönte Kongrest- stadt, prangte im Flaggenschmuck, und die „Misnia", der ört lich führende Verein der ehemaligen Realschüler, hatte alles Erforderliche zum Empfang und zur Beherbergung der Gäste vom 12. bis 14. September getan. Einer Vvrstandssihung folgte die V e r t r c t e r s i tz u n g im Saale des Burgkellers. 29 Vereine von insgesamt 49 waren vertreten. Unter den sächsischen Vereinen stand Leipzig mit sieben Vereinen an der Spitze. Dipl.-Kaufmann Schreiber entbot den Grust der „MiSnia", des Vereins der ehemaligen Realschüler Meistens. Aus dem Geschäftsbericht des Geschäftsführers Dedo-Leipzig geht hervor, dast infolge der Inflation die Arbeiten auch dieses Verbandes im vergangenen Jahre nur ein Hinhalten waren in der Hoffnung ans die Wiederkehr besserer Zeiten. Der Kamps in der Rcnlschulbemegnr.g ist nbgeflant dank des Um standes, dast die sozialdemokratischen Minister nicht mehr so unumschränkt walten können, wie dies eine Zeitlang der Fall war. Drohende Wolken steigen aber wieder in Preußen auf, die vielleicht den Verband erneut auf den Plan rufen werden. Die' Mitgliederbewegung war befriedigend. Apgemeldet hat sich Leisnig. Die Haupttätigkeit war ans das Wicdcr- erscheinen der durch die Inflation zum Tode verurteilten Ver bandszeitschrift gerichtet, die in Stollberg hergestellt wird. Tie Hanshaltplanberatung entrollte eine großzügige Planung des Vorstandes zum Ausbau des Verbandes und zur Förderung der Interessen segner Mitglieder. Es wurde ein Jahres beitrag von 2 Mk. beschlossen. Mit ihm hofft man bei 4000 Mitgliedern, deren ,'jahl sich durch die vvrznnehmenden Wer bungen noch steigern soll — das Ziel ist die Heranziehung aller Vereinigungen ehemaliger Realschüler zum Verbände —, die Pläne des Vorstandes aussührcn zu können. Ins besondere soll die Herausgabe des schon längst geplanten Adreßbuches der Mitglieder nun verwirklicht werden. Die Verbandszeitnng soll eine veränderte Gestalt erhalten und sich der grossen Aufgabe der Förderung und Entwicklung des R e a lschul iv c sens widmen. Am Abend bot die „Misnia" eine Burgbclcuchtn n g, die das Entzücken der fremden Gäste fand. Das Bnrgmassiv und der Dom waren in magisches Rot getaucht, während auf der Elbe sackclgeschmückte Boote der Rudervcrcinc das Bild belebten. Diese Burgbeleuchtnngen haben nun weit über Sachsen hinaus Anklang und ihr immer wiedcrkehrendes Publikum gesunden. Ein festlich ausgestaltcter Kommers vereinigte abends die Teilnehmer in der Geipelburg, die Spitzen der Stadt nahmen daran teil. Es sprachen Ober bürgermeister Dr. An, der in Heimat, Treue und Vaterland, Geist und Arbeit die Ideale der höheren Schülerschaft feierte, und Rektor Prof. Wittich, der die große Bedeutung der Rcalschnlbildiing für unser Volk herausarbeiteie, und zeigte, wie ehemalige Realschüler sich cmpvrrnngen zu Männern, die zu den Besten des Volkes zählen. 'Verbandsvorsitzender Schlag-Leipzig dankte für die freundliche Aufnahme in Meißen und richtete seinen Blick auf die Jugend, der die er zieherische Arbeit des Verbandes gelten soll, der Jugend, aus der ideal veranlagte, energische, zielbewusste, wahrhaft deutsche Männer hcrvorgehen sollen. Am Sonntag führte ein Akt der Pietät die Teil nehmer zum Ehrenmal für die 44 Gefallenen der „Misnia", wo eine weihevolle Andacht dem Gedächtnis derer galt, die ihre Treue mit dem Tode besiegelten. Arbeilsgemeinschaft sächsischer Büchereien. Am >8. und 14. September hielt die Arbeitsacmcinschaft, in der s ä ch s i s ch e V v l k s b i b l t v t h c k a r e sich zur Förde rung des Bücherwescns Sachsens unter völliger Wahrung der Freiheit in Arbeitsweise und Gcstaltuna für die ein zelnen Büchereien znsammengeschlvssen haben, im Bllchcrsaal der städtischen Bücherei zu Dresden ihre Hauptver- s a m in I n n g ab. An der Versammlung nahmen 30 Mit glieder teil, als Dezernent der Dresdner Bücherei wohnte ihr auch Stadtschulrat Dr. Hartnacke bei. An die Berichte des Vorstandsmitgliedes und die Beratungen schlossen sich mehrere Vorträge an. Obcr-Stadtbiblivtbekar Sand mann, Dresden, erörterte die sozialpädagogische Lese- beratung, Stadtbibliothekar Dr. O. u a a s. der zurzeit mit der Einrichtung einer musikalischen Vvlksbibliotliek im An schluß an die Städtische Bücherei Dresden betraut ist. sprach über diese Ausgabe, und Bibliothek-Direktor Hosrat Brunn behandelt« ba» Thema: Kultnrphilosophtsche ZettstrSmnnge» und BilbunaSziel. — Zum 1. Vorsitzenden wurd« an Stelle de» Bibliothek-Direktor» Hofrat Brunn. d«r demnächst die Leitung der Städtischen Bücherei Dresden niederlegt. Prof. Dr. Hetmbach, Direktor der Gtadtbückerei Ebemnitz, ge wählt. Di« Geschäftsstelle verbleibt aber bet der Städtischen Bücherei Dresden, Theaterstrabe 11. Neue» Stadthau». Etwaige Anfragen sind dorthin an den 2. Vorsitzenden. Ober- Stadtbiblivthekar Sandmann, zu richten. — Konsularwesen. Der Konsul von Uruguay in Hamburg, Orisimbo Basig al uz SuSviela, dem namens des Reichs das Exequatur erteilt wurde, ist für das sächsische Staatsgebiet anerkannt und zugelassen worden. — Di« Einrichtung von Postsparkasien wird von der Postverwaltung in Erwägung gezogen. Es besteht dagegen aber ein starker Widerspruch seitens der Gemeinden und der Sparkassenverwaltungen. — Vorläufig noch keine Ermäßigung der Fernsprech- und Telegramingcbühren. Die Meldung über eine Herabsetzung der Fernsprech- und Telegrammgebühr«!! ist insofern ver früht, als die bezüglichen Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Eine -Herabsetzung der Gebühren ist allerdings in Aussicht genommen. —* Wiedersehen der 241er. Der zweite Tag der Wieder- sehenSfeier stand im Zeichen einer gemeinsamen Ver anstaltung mit dem Sächsischen Militärverein zu Königstein. So brachte denn der Sonntag Vormittag einen Teil der aus allen Gauen Sachsens erschienenen Kameraden — es waren immer noch weit über 300 Teilnehmer — mit Svnderdampfer nach Königstein, wo schon von ferne Böllerschüsse sie be grüßten. Der Sächsische Militärvercin zu Königstein, oessen unermüdlicher Vorsitzender. .Kamerad Knüpfer, in umfassender Weise für einen würdigen Empsana und harmonischen Ver lauf des Tages gesorgt hatte, geleitete die 241 er in ge schlossenem Zuge bei flotter Marschmusik zum Kriegerdenkmal von 1860 und 1870/71. Nachdem auf die herzlichen Be- grüstungswvrte des Kameraden Knüpfer-Königstein Oberst leutnant von Zanthicr-Drcsoen erwidert hatte, ließen die Re- gimentövereine 241 einen Kranz mit schwarz-weiß roter Schleife für die gefallenen .Königsteiner Helden niedcrlegcn. Anschließend ging eö aus die Festung zum F-eldgotlesdienst. Kamerad Pfarrer Jagsch-Ttäßchcn, der. selbst Frontsoldat, trefflich zum Herzen des Frvntkriegers zu sprechen versteht, hielt aus Grund des Bibelwortes „In der LLelt habet ihr Angst, aber seid getrost. Ich habe die Welt überwunden" (Ev. Jvh. 16,33> eine von tiefem vaterländischen Empfinden durch wehte Predigt, wobei er von den schweren Kampftagen des Regiments im Frühling 1916 bei La Bass-'e auSging. Nach dem Gottesdienst wurde die Festung besichtigt. Ein gemein sames Mittagsmahl im „Blauen Stern" mit anschließendem Tänzchen füllte den Nachmittag aus. Nach nochmaliger Dank sagung an die Kameraden des Köniasteindr Militärvereins für oie herzliche Ausnahme trat der Dampfer unter Böller schüssen in der siebenten Stinte die Rückfahrt nach Dresden an, unterwegs wiederholt mit Rn.ntfeiicr begrüßt. Musiker der Helblg-Knpelle spielten unermüdlich den ganzen Tag über fröhliche Weisen, und das seit Wochen zum ersten Male wieder sommerliche Wetter tmia dazu bei. die alte Feld- kamcradichaft in ganz besonders gehobener Stimmung zu erneuern. — Im König-Georg-Gymnasinm beginnen am 18. Sep tember unter Leitung von Kapellmeister Kutsch bach Ue musikalischen Kunsterziehungsabendc wieder, und zwar wird die Reihe der Beethovenabende fort gesetzt. Beabsichtigt ist, diese Mnsikerpersönlichkeit mit der selben Gründlichkeit wie im Vorjahre die Gestalt Mozarts und noch früher die Bachs zu. umreisten und in etwa 18 Abenden der Gemeinde der Kunsterziehungsabende nahe zu bringen. Alle seine Hauptwerke sollen von Künstlern ersten Ranges zu Gehör gebracht werden: Einleitungen und Erläuterungen werden es auch dem unvorbereiteten Musik freund ermöglichen, an dem musikalischen Erlebnis teilzus' nehmen. Da diese Abende für alle Schüler und Schülerinnen der Dresdner Lehranstalten und ihre Angehörigen offen sind, ist zu hoffen, dast auch diele Einrichtung die musikalische Kultur in unserer Stadt fördern wird. — Das städtische Giinhbad am Elbbcrg ist künftig, da sich der starke Verkehr mehr in den späteren Stunden abmickclL, Montags bis mit Freitags von '0 Uhr vormittags bis ß->8 Uhr abends, Sonnabends von 8 Mir vormittags bis Vo8 Uhr abends, und Sonntags von 8 Uhr vormittags bis 1 Uhr mittags geöffnet. Kassenschluß für die Sckwthbadeab- teilnngen zwei Stunden, für die übrigen Abteilungen eine Stunde vor Badeschluß. «I» sicheres »uslrelen ist deulzula«, di« Dvrdedingun, jeglichen Erjvlae» Wer kann, wer wird aber sicher aujtrele»? Nur derjenige, der richliq sied!. Das kann aber weder der Kurzsichtige, noch der Weitsichtige Kier muh darum das Augenglas al« einziges, zuverülisiges Ausgleich-mittel tn Wirksamkeit treten. Jiir das Auge als kdchstes Kut des Mentchen ist aber da» Beste gerade gut genug und da» beste Augengla, Ist Keule der L ohman N-DI i ch er D. R. P., der all, Borgia« der Drille und de» gneisers okn« deren Nachteile in sich vereinigt und nicht teurer at» andere Augengliiser ist <Vorkrieg,pre>te>. lieber,engen Sie sich durch unverbindliche Borlllkrung in der Alleinverkaussstelle: Optische Anstatt Dvkr. Watsenkausstr. 15, neben Kaiser König. 8 Tourislenland Alaska. Ans der Reise znm „amerikanischen Nordkap". Wenn man von Alaska spricht, denkt man an ein Land, wie eS etwa Lappland ist: kurz, an etwas Begrenztes und Ab geschlossenes. In Wahrheit aber ist Alaska ein anderer Erd teil, ein zweites Amerika. Ein Reisender, der, von Ncuyvrk kommend in San Franzisko eintrisst und sich dem Stillen Ozean gegcnübersieht, läßt es sich schwerlich einsallen, daß sich gegen Westen ein ebenso großes amerikanisches Gebiet er streckt, fast so groß wie daS, das er kurz zuvor im Zuge mit einer Stundcngcschwindigkeit von 120 Kilometer durchmesscn bat. Seit einem Jahr erst ist Alaska in den Kreis des ameri kanischen Touristenverkehrs cinbczvgen worden In dieser kurzen Zeitspanne aber bat sich dafür der Touristenverkehr in den Ricscnmaststäben entwickelt, die für amerikanische Ver hältnisse kennzeichnend sind. Enorm sind die Entfernungen, um die es sich bei dieser Reise handelt. Alaska liegt von Amerika sehr weit. Von den Vereinigten Staaten oder von dem kana dischen Vancouver ans nach Alaska zu reisen, bedeutet die Neberivindttug einer Entfernung, die etwa von Aegypten bis znm nördlichsten Punkt Europas reicht. Sind es doch von Vancouver ans bis zu den ersten Häsen der Südküstc Alaskas über 1606 Seemeilen, und die Verbindung ist oben drein höchst mittelmäßig. Ich bin gestern abend um neun von Vancouver ab gefahren, schreibt Arnnldo Eipolla in der „Ltampa". Ich reise an Bord eines Schiffchens, das sich das Aussehen eines Luxusdampsers gibt, der den amerikanischen Touristen die Sehenswürdigkeiten vermittelt, die die europäischen Touristen zur Sommerzeit am Nordkap bewundern: Eskimos, Eisfelder, Nordlichter, Mitternachtssonne. Das Schiss ist zum Bersten voll. Nur Amerikaner und ihre Vettern, die Kanadier des Westens, sind imstande, sich so wie Heringe znsgminenpökcln zu lassen, wie es hier an Bord eines sogenannten Vcr- gnügungsdampsers geschieht. Alle Teile der Vereinigten Staaten sind liier vertreten: denn Alaska ist zurzeit die große Mode. Der Besuch des amerikanischen Nvrdkaps ist 'Mode geworden, seit der im vorigen Jahr verstorbene Präsident Harding von einer Reise nach Alaska zurückkchrte, »in gleich darauf, wie man sagt, an der Ucbcranstrcngung, die er sich dabei znmutetc, zu sterben. Abergläubische Leute mögen darin einen Wink des Schicksals sehen. Die Amerikaner neigen nun nicht zum Aberglauben: das hindert aber nicht, daß alle sich für die Reise nach Alaska versichern. Die Versicherungs police wird dem Reisenden gleich in Vancouver mit der Sci'issSkarte ausgehgudigt, die die Reise bis nach Stag man, dem Endpunkt des Tvnristcnverkehrs, verbürgt. Tie Reise von Vancouver nach Lkag-way dauert fast eine Woche: aber die Seefahrt steht wohl einzig in der Welt da, denn mährend dieser ganzen Zeit fährt man zwischen Kanälen und riesigen Fjorden dahin. Diese Fjorde werden durch unzählige Inseln gebildet, die in ununterbrochener Reihe die Küste von Britnch- Columbia und von Alaska begleiten. Inseln und Küste sind gebirgig, und die Bergketten erreichen eine ansehnliche Höhe- Ihre Häupter sind von ewigem Schnee gekrönt, die Abhänge mit dunklen Tannenwäldern bekleidet. Das Deck ist voll von Menschen. Auch die Damen tragen an Bord ausnahmslos Hosen. Sie passen sich den Verhältnissen an: denn in Alaska unterscheiden sich die Frauen in der Klei dung nicht von den Männern, und die Amerikanerinnen müssen, um nicht gegen die LandeSsittc zu verstoßen, wohl oder übel Männertracht anlegen. Ein Dollarmillionär aus San Franzisko, der sein Vermögen im Fischhandel erworben hat, vertraut mir schon nach einer Bekanntschaft von fünf Minuten das Geheimnis an, daß er mit der Vergnügungsreise auch einen geschäftlichen Zweck verbinde. Er will in Alaska eine Konservenfabrik für Salmfischcrei errichten. Daneben verrät er mir, er dulde nicht, daß sein Töchterchen. das mit ihm fährt, Hosen trügt. Ein amerikanischer Vater, der seine väterliche Autorität der Mode zum Trotz so beharrlich geltend macht, scheint mir eine ungewöhnliche Erscheinung. 'Bald erscheint auch das Töchterchen an Deck: eö ist ein reizendes Mädel, das, abgesehen von den rasierten 'Nackenhaaren, mit erlesenem Ge schmack gekleidet ist. Ich mache ihr denn auch das Kompliment, daß sie wie eine Pariserin aussieht. Ich hätte cs lieber bleiben lassen sollen. Zwei Stunden später erscheint der strenge Papa mit strahlender Miene »nd einer Anzahl Depcschcnsormnlare an Bord. Er hat den Auftrag, die Funkentelcgramme anszn- gcben, die einem großen Atelier in der Neuiivrker 5. Avenue den Auftrag erteilen, unverzüglich verschiedene neue Svnimcr- tviletten an ihre Adresse nach Seattle abzuschicken. „Meine Tochter hat ganz recht", erklärt mir der Pater, nachdem er die Telegramme anfgegebcn hat, „sic must Unbedingt ihrem Ruf als Pariserin Ehre machen. Die Hauptsache ist, dast sie nicht wie ein Mann gekleidet herninlänst." Wir fahren in den Kanal von Georgia, zwischen der großen Insel Vancouver und der Küste, unter dem grellen Licht ungezählter Scheinwerfer ein. Der Lichtkegel beleuchtet uns und gleichzeitig die im Wasser dahinsahrenden Flöße, die ans unzähligen Baumstämmen bestehen. Sic sind bis zu zwei hundert Meter lang bei einer Breite von fünfzig Meter und werden von kleinen elektrischen Dampfern geschleppt. Den Flöße» ist die Fahrt nur während der Nacht gestattet Ich glaubte zunächst, daß die Scheinwerfer nur den Flößen bei der Nacht die Fahrstraße erhellen sollten, oder dast sie vielleicht irgendwelchen militärischen Zwecken dienten. Aber mit beiden Annahmen hatte ich mich getäuscht. Diese Scheinwerfer sind nur kleine Räder in der finanzpolitischen Riesenmaschine, die man Prohibition nennt. Kanada, das Amerika in allen Dingen »achäsft, hat sich auch in Sachen des Alkoholverbots zur Hälfte bas amerikanische Verfahren angeeignet. In Kanada ist es der Staat, der den Wein- und Schnapsbandel monopo lisiert hat. Man überwacht hier die Bai, um sich gegen mexikanische Schmuggler zu sichern. Diesem Zweck dienen die Scheinwerfer und mit ihnen zusammen die wachhalkenden Torpedoboote und Flugzeuge, die hin und wieder auch einen Schuß gegen verdächtige Fahrzeuge abfeucrn. Ter Alkohol- kricg, den die Geschichte vermutlich einmal als den längsten der Welt verzeichnen wird, wird nicht zu Ende gehen, solange noch Schmuggler und mit ihnen die Polizei an seiner Ver ewigung ein Interesse haben. -Tenn sic sind alle an den Gewinnen dieses Geschäfts beteiligt. Man spricht cs in Amerika offen aus, daß der Posten eines städtischen oder staat lichen Polizisten heute zu den iimworbenstcn Berufen gehört, weil sich jedem, der das Glück hat, als Polizist angestcllt zu werden, die angenehme Aussicht eröffnet, in kurzer Zeit Millionär zu werden. Er hat es in der Hand, den „Boot legger", das heißt den Erzeugern und Vertreiben: alkohol haltiger Getränke, seinen Schutz gegen reichliches Entgelt an gedeihen zu lassen Daraus erklärt eö sich auch, daß die Preise für Alkohol in dem Grade, in dem sich die Zahl der Polizisten vermehrt, znrückgehen, da die stärkere Konkurrenz ein Schlendern ans dem Felde der Schmiergelder zur unaus bleiblichen Folge hat. Vor 60 Jahren war Alaska noch russisch. Die Russen ver kaufte» im Jahre l867 das Riesengebiet den Vereinigten Staaten für ein wahres Linsengericht, für sieben Millionen Dollar, einen Betrag, der angesichts der gewaltigen Aus dehnung des Gebietes und der fabelhaften Reichtümer seiner Bodenschätze heute geradezu lächerlich anmntet. Die Russen hatten wohl keine Ahnung, was ans Alaska werden sollte: wahrscheinlicher aber ist es, daß der damalige russische Gesandte in Washington sich hatte bestechen oder übertölpeln lassen und seiner Regierung zuredete, diese unfruchtbare Einöde den 'Amerikanern zu überlassen. Nus diese Weise wurde die Land- brückc für die zukünftige Verbindung der Vereinigten Staaten mit Ekiina amerikanisch. Ans dieser Straße, ans der in der Alcntcnketle die größten Vulkane der Welt ihre Rauch säulen zum Himmel senden, haben soeben auch die amerika nischen Flieger ihren Weltslng ausgesührt, »nd diesen Weg werden in Znkunst alle Flugfahrzeiigc benutzen, die von diesem neuesten Kontinent nach dem ältesten asiatischen segeln, ans dem wir Europäer Schritt für Schritt und Tag für Tag zu gunstcn Amerikas zurückwcichcn. An Rußland erinnern in Alaska noch einige geographische Bezeichnungen, und da und dort ein verlorenes orthodoxes Kirchlein mit einer kleinen Zahl von Geistlichen des alten zaristische» Klerus, sowie ein paar tausend zur russischen Kirche bekehrte Eskimos. In Seattle bewunderte ich die Statur William Henry Scwards, des amerikanischen Hauptdarstellers in der Kauf-Komödie, der am 30. Mai 1807 den Kongreß dazu brachte. Alaska, zu kaufen. Auf dem Sockel der Statue sieht man die „Bnsineßinschrift": „Laßt uns den Vertrag noch heute abend schließen, denn morgen wird es vielleicht schon zu spät sein."