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V««r»S-g. 31. M«r, 1927 — »Vrerdner Nachrichten'' — Itr. 153 Sette Z Oerlliches «n- Sächsisches. Sächsische 8«d«skrie und Ainanzausgleichs- provtsvrium. In der gestrigen Sitzung brS Gcsamtvorstandes de» Ber- bandeS Sächsischer Industrieller standen auch dt« vclchlllsie des StcuerauSschusse» de» Reichstage» Uber da» neue Finanz. ausgleichSprovtsortum zur Aussprache. Der Gr» lamtvorstand erhob schärfsten Einspruch gegen den in diesen Beschlüssen sestgrlrgten Lastenausgleich zwischen den Ländern zu Lasten der Länder. Dieser entzieht dem Lande Sachsen einen erheblichen Teil der von ihm aufgebrachten ve- träge an Einkommen» und KvrperschastSfteuer» zugunsten von einzelnen Ländern, welche wesentlich günstigere wirtschaftliche und soziale Verhältnisse alö Sachsen, zum Teil sogar die günstigsten Existenzbedingungen im Deutschen Reiche, habe». Demgegenüber hat Lachsen infolge seiner starken In» dustrialisterung grobe soziale Lasten zu tragen, kämpft mit schwierigen landwirtschastlichen Verhältnissen, und seine dicht gedrängt wohnende Bevölkerung wird durch die stark schwankenden Verhältnisse der wirtschaftlichen Konjunktur, wie durch die mit der hohen Erwerbslosenzisser verbundenen Lasten, besonders schwer bctrossen: eine Schmälerung seine» SteueranteilS widerspricht daher dringenden sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen. Der Gesamtvvrstand be» schloß, unter Billigung der schon bisher unternommenen Schritte, die RetchSregierung dringend zu ersuchen, diesen der finanziellen und verfassungsmäßigen Gleichberechtigung der Länder widersprechenden Beschlüssen ihre Zustimmung zu ver» sagen. DaS Gleiche erwartet der Verband Sächsischer Indu strieller vom Reichstage. Die Beamkenau»schlisse ker Deutschen Vvl-sparlet Oslsachsen und Dresden hielten am Sonntag im Hotel Bundeshaus, DreSden-N., eine gutbesuchte gemeinsame Sitzung ab. Nach der Eröffnung gab der Vorsitzende de» WahlkretsbeamtenausschusseS. Bureau, direktor V ö t t g e r. Dresden, ausführliche Berichte über die letzte» Tagungen des RetchöbeamtenauSschusses der Deutschen BolkSpartet in Berlin und des sächsischen LandeSbeamtenau». schlisse» der D. B. P Die vom RetchSausschuß festgestellten Richtlinien für die Beamtenpolitik der Deut, scheu BolkSpartet fanden einmütig Zustimmung: eS wurde beschlossen, diese Richtlinien besonders in der Werbe» arbcit -u verwenden. — Die Aussprache über die BesolbuugSfragen wurde ebenfalls durch eingehend« Darlegungen b«S Vor- sitzende» eingelcitet. Der Redner betonte, daß die Beamten, schast allen Anlaß habe, auf die im Gange befindlichen Bor. arbeiten für di« Besoldungsneuregelung ein wachsame» Auge zu richten, damt' die Beamtenschaft etwa nicht auf» neue vor unerwünschte vollendete Tatsachen gestellt werde. Solle sich dle Neuregelung der Beamtenbesoldung noch monatelang hin- zögern, so müsse nach dem 1. April unter allen Umständen eine Zw is ch e n re g e l u n g in Kraft treten, die „ie schwer, sten gegenwärtigen Mibstände beseitige. In einer Anssprache wurde die durch dt« unzulänglichen Gehaltssätze entstandene große wirtschaftliche Not der Beamtenschaft von Beamten aller Gruvpcu hervorgehoben und durch zahlreiche, teils er schütternde Einzelschilderungen dieser Notlage erneut unter Beweis gestellt. Lebhaft wurde Klage darüber geführt, daß in der Oeffentlichkeit sunb insbesondere in WirtschastSkreisenj zumeist das den Beamtenforderungen auf Neuregelung der Gehälter wesentlich mit zugrunde liegende kulturell« Moment fahrlässig oder geflissentlich übersehen werde. Eine Fortsetzung der BeamtenbesoldungSpolitik der letzten Jahre müsse zwangsweise zu einer Proletarisierui g weiter, bisher dem Mittelstände zuzurechnenber Schichten der Beamtenschaft führen. Als durchaus unzulänglich wurde eine Erhöhung öer Beamtengehälter nach geringen Prozentsätzen der gegen wärtigen GehaltSbezttge festgestcllt, als Grundlage für die Reubcsoldung vielmehr das reale Friedcnsetnkommen ge fordert. Nach Schluß der Aussprache wurde folgende, von OberrcgierungSrat Rensch eingebrachte Entschließung rinsttmmtg angenommen: „Der WahlkretöbeamtenauSschuß Ostsachsen und der Beamteuauöschuß Dresden der Deutschen Volkspartei halten es für unbedingt erforderlich, daß die Beamten, schast bet der neuen Besvldungsregelung mindestens das Real» Friede nsetnkvm men erhält." In ihrer weiteren Besprechung über die Ergebnisse der letzten Landtag»» und Gemeindewahlcn »ab die Versammlung ihrer Genugtuung darüber Ausdruck, daß die Deutsche Bolkspartei in Stadt Dresden ihren Besitz, stand als stärkste bürgerliche Partei — auch hinsichtlich der Mandatszahl im Stadtverordnctenkolleginm — habe wahren können. Dagegen bedauerte sie aus daö lebhafteste das Aus scheiden verdienter Bcamtcnvertreter — so des langjährigen Abgeordneten Ftnanzdtrcktors Anders — aus der Landtags- sraktion der Deutschen BolkSpartet. Die sächsische Beamten. schast, di« der Deutschen Volkspartei auch in Sachsen von jeher die treuesten Wähler gestellt Hab«, erwart« aus das bestimm, teste ein« Abstellung diese» Mißstande» bei kommenden par- lamentartschen Entscheidungen,- Aufgabe der volk-parteiliche» Beamten werde e« sein, durch weitere rege Mitarbeit tm ge- samten Partetleben den Boden hierfür vorzuberetten. Zum Schluß der Tagung wurden noch mehrere wichtige Etnzelfrage» der Beamtenvvllttk eingehend er- örtert. Insbesondere erkannte die Versammlung die Berech tigung der von den P o st s u p e rn n m e r a r e n seit Jahren erhobenen Forderungen auf Höhereinstufung an und be- schloß die Unterstützung einer entsprechenden Eingabe an die Parteileitung im Reiche. — Nach insgesamt dreistündigen Verhandlungen schloß Direktor Böttger die Versammlung mit DaizkeSwortcn qn die Delegierten. Siam« mr nvtlitllbHilm lllinlii'. rlrialliii M »litt! pronlcjere seikild mil Sen neuen dl» so juni >027 gellenden »mlNcden - Vrlskrnarksn. kl» Sei p»»tver>i»ul »u>e«dütt K»I, »ins /«»eilen dl« »ul »eitere» nock eu Inden del See H»»»« u«» »t»eltl««t,»n r.»«e«l>»»»»»»»»-. V, I., Ltee»er»«e s corüllne« 8 di, 3 vdr» Der Ausbau -er Sllernorganisatton für die Privatst!'ulen. Di« Ortsgruppe Dresden der Organisation zur Verteidigung derElternrechte hielt eine Vertrrter- sttzung ab, in der eine Reihe wichtiger Beschlüße pesaßt wurden. Der Vorsitzende der Ortsgruppe, Landwirt,chaslSrat Dr. Marx, machte zunächst Mitteilung von der Werbearbeit zur Kräftigung der Organisation. Die Erfolge sind lehr erfreulich gewesen: eine größere Anzahl von Dresdner Prtvatschulen hat namhafte Geldspenden der Ellern überweisen können: finan ziell steht die Vereinigung zunächst gefestigt da. Die Werbe arbeit soll Indessen tatkräftig fortgesetzt werden. Man beriet dann in erster Lesung dle Satzungen, die das Ziel der Vereint- gung dahin kennzeichnen, daß sie sür die Belange der Privat schulen einireten will, vornehmlich wo die Privatschulen von Staat und Stadt eingeschränkt werden sollen. Im Anschluß an diese Erörterung kam man überein, daß eine große Ver- sa:.imlung der Eltern einberusen werden soll, die die Oefsentlichkett ans die Bedeutung der Privatschulcn gerade tm heutigen Staate Hinweisen soll. Die Versammlung wird mut maßlich im Mai stattflndcn, und sie soll ein Referat über die Notwendigkeit der Privatschule tm allgemeinen und über die Lage der Privatschulcn in Dresden bringen. Für die Haupt., rede ist an einen der ersten Kenner dcS PrivatschulivekenS in! Deutschland gedacht. Am 25. April tritt der Vorstand mit dem Arbeitsausschuß zu erneuten Beratungen zusammen,- die Sitzung findet im „Johanncshos" statt. —* DaS Zollamt Post Annenstraße IS 17 ist kür den Sssent- lichen Verkehr während des Sommerhalbjahres vom 1. Apul bis 8t. Oktober von 7 Uhr bis l5.M ,8,8U) Uhr geöffnet. —* Anerkenn«»« ssir treue Dienste. Der WcrkSbote Karl Ernst Reichel in Freital. der am 30. März nach einer mehr als 47jährigen Dienstzeit tm Zauckcroder Steinkohlenmerk der Aktiengesellschaft Sächsische Werke in den Ruhestand trat, er. hielt vom Reichspräsidenten eine Ehrenurkunde folgenden Inhalts: „Aus Anlaß Ihrer am 2. Januar 1V27 vollendeten 47jährtgen Dienstzeit spreche ich Ihnen nachträglich meinen herzlichsten Glückwunsch sowie meine besondere Anerkennung sür die treuen Dienste aus, die Sie in ununterbrochener und hingehender Arbeit als Werksbote im Betriebe der Aktien- aesellschast Sächsische Werke. Strtnkohlenwcrk Zauckerode, und deren Vorgängerinnen geleistet haben, von Htndenburg." — »rjährigeS Jubiläum der 88. Volksschule. Dort, wo in Duft und jungem Grün sich bas Birken.oälbchen breitet, liegt die Schule, in deren Entstehungsiahren ein Wiener Bau- meister das gewichtige Wort sprach: „Mit diesem Musterschul, bau ist die Frage des Schulbaues überhaupt gelöst." So schön liegt sic im Walbesgrü», und so zweckmäßig ist sie gebaut. Und in diesen Tagen feiert sie ihr 2SjährigcS Jubiläum. Zu festlichem Tun hatte sich die Schulgemeinde am Mittwoch tn der Turnhalle versammelt, um den Ehrentag gebührend zu begehen. Nach sormvollenoetcm Bortrag des KlavtertrioS In j-'-Mvll von Schütt tHerren Richter. Carl, Mitglied der Staatevper, und Teichmannj und einem tiesdurchbachten Bor- spruch des Lehrers Schornieng bot Lehrer Richter mit dem Schulchor ein klangvolles Volkslied, worauf Schulleiter Morgenstern die Festansprache hielt. Er gab zunächst seiner Freude über das zahlreiche Erscheinen der Festgäste Ausdruck und begrüßte insbesondere die anwesenden Ver» treter der staatlichen und städtischen Behörden, der benach. barten Schulen und Anstalten, der ehemaligen Lehrer- und Schülerschaft, der Eltern und des Elternrates. Er gab dann einen Rückblick auf die Geschichte der Schule im verflossenen Vterteljahrhnndert. Ursprünglich Entlastungsschule der ». Bürgerschule und später des König - Georg - Gymnasiums sbesonders im Krieges, hatte die Schule, inzwischen 12. Bürger, schule geworden, tn der Nachkrtegs. und Inflationszeit mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, die aber alle durch das glänzende Verhältnis zwischen Lehrern, Kindern und Ettern siegreich überwunden wurden. Nachdem der Redner wetter bin der tm Kriege gefallenen und der verstorbenen Lehrer mlt ehrenvollen Worten gedacht hatte, betonte er, daß sich in der Schule, nachdem slc durch das Uebergangsschulgesetz zur 58. Volksschule geworden war, die Kraft des Guten tm Neuen immer nur In dem Sinne durchgesetzt habe, daß man tm Sinne Pestalozzis stets nur ein geistig frisches, moralisch tüchtiges und leiblich gesundes Geschlecht in ihr erzogen habe und er ziehen werde. Und dann trat nach abermaligem Kindergesang und dem meisterhaft gespielten zweiten Satz aus Beethovens l. Klavierkonzert die lange Reihe der Gratulanten vor. Die Grüße und Wünsche des Bezirksschulamtes Uberbrachte Ober schulrat Sturm, die des Stadtrates Stabtrechtsrat Dr. von Hartleben, die der Nachbarschnlen Oberlehrer Hcinzc, für die ehemaligen Lehrer sprach Direktor Ulbrich, für die ehemaligen Schüler Fabrikdirektor Schwarze unter An kündigung einer ins Werk zu setzenden Stiftung und Ueber- rcichnng eines wertvollen Bildes, sür den Elternrat dessen Vorsitzender Meuche, gleichfalls unter Ankündigung einer Sammlung zur Ausgestaltung des Festes, für dle gegen wärtigen Schüler endlich die kleine Schülerin Kettner. Mit herzliche» Worten dankte der Schulleiter Morgenstern für alle Ehrungen, worauf der Fcstaktus mit allgemeinem Gesang beschlossen wurde. — Mit dem Jubiläum ist eine sehenswerte Ausstellung von Arbeiten aus Werk» und Zeichenimterricht, Nadelarbeit, Ergebnissen des Gesamtunterrichtes und liebens würdiger kleiner Begrüßungsgeschcnke der Kinder an die neuen Abcschützen verbunden. —* DI« ktz«»er«rhr wurde Donnerstag 5.8g Nbr vorm, nach der Lppellstrab« lS gerufen, wo im Keller eines Fabrikgrunsslllctes eine Meng« Brileit» brannien. Tagung -er sächsischen Schre-er- Garlenvereine. und Der Landesverband Sachsen der Schieber- und G a r t e n ve r e i n e e. V. tSiy Leipzig» hielt seine Jahreshauptversammlung in Dübeln ab. Der Vorsitzende, Postsekretär D t e tz e - Leipzig, begrüßte dte Ver treter der Krcisverbände sowie die zahlreich erschienenen Ehrengäste, u. a. Geheimrat v. Polenz vom Arbeits- und Wohlsahrtsinlnistertum als Vertreter der Negierung, Bürger meister a. D. Noack-Berlln, Geschäftsführer des Bundes deutscher Bodenresormer, Dtplom-Volköwirt Kraft vom Ver band sächsischer gemeinnütziger Bauvereinigungen, die Ver treter der Döbelner Behörden, der Kleingarten- und Grund stücksämter von Döbeln, Chemnitz und Leipzig, der Stadt- behürden LeiSnIg und Riesa sowie der Landesverbände der Kleingartcnbauverelne in Thüringen und Merseburg. Geheim- rat v. Polenz erklärte, die sächsische Negierung schätze daö sächsische Kleingartenwesen, weil eS eine spezifisch sächsische Knltnrerschelnung sei »nd tm ganzen Deutschen Reiche eine große Nolle spiele »nd sogar im AuSlande Anerkennung ge funden habe. Das sächsische Arbeits- und Wohlfahrtswiniste- rinm sei gern bereit, dem Landesverband die nötige Förde rung angedcihen zu lassen, soweit dies ihm möglich sei. Es folgte, noch eine Reihe ivcitercr Begrüßungsansprachen, und die Versammlung trat dann tn dte Tagesordnung ein. Zu nächst erstattete der Vorsitzende den Geschäftsbericht. Es folgte dann die Bekanntgabe des Kassenberichtes sowie der Berichte der Ansschußobleute über Jugendpflege. Daucranlagen und Zeitung, wovon der Bericht über die Jugendpflege besonders umfangreich war. Für Dr. Damaschke sprach der Geschäfts führer des Bundes, N o a ck - Berlin, über: „Die Bodenreform und das soziale Schreker, und Kleingartenwesen": er wtcS ans die innere Verbundenheit der Bodenresormer und Klein gärtner hin. Am Schlüsse wurde eine Entschließung an genommen. in der beschlossen wurde, den Bund deutscher Bodenresormer tn seinem Kampfe für die Durchsetzung des Retchsbodcnresormgesetzentwurfes nach dem Vorschläge des ständigen Beirates für Heimstättenwesen beim Ncichsarbeits- ministerium mit allen Kräften zu unterstützen. Am Sonntag wurde die restliche Tagesordnung der Haupt versammlung erledigt, die tn der Hauptsache vcrbandstechnischc Fragen betraf. Der Gesamtvorstand wurde einstimmig wicder- gewählt. Der Vorsitzende des Reichsverbandcs der deutschen Kleingärtner, Rektor Förster-Frankfurt a. M., der den Sonntagverhandlungen beiwohnte, gab seiner Freude dar über Ausdruck, daß in Sachsen so vorbildliche Arbeit geleistet wurde. Zum Schluß wurde noch auf Antrag des Krcisver- bandes Dresden beschlossen, die nächste Jahreshauptversamm lung in Dresden abzuhalten. t* Ei« AntirettgionS-Mnsenm in Moskau. In der russischen Hauptstadt soll demnächst ein eigenartiges Museum eröffnet werden, das der antireligiösen Propaganda dienen soll In den verschiedenen Abteilungen wird dem Besucher in Bild und Schrift vorgeführt, wie das Christentum ent- standen ist, wie sich daS religiöse Leben tn Rußland entwickelt Kat. »nd welche Rolle dte Religion in den sozialen Kämvfcn der Gegenwart sotelt. Tine besondere Abteilung ist der Dar. stelliing des Atheismus und dem gegenwärtigen religiösen Leben in Rußland gewidmet. Die Wiener Simaerknaben. Z»m Dresdner Konzert am 3. April im BereinshauS. Sic haben sich bereits eine große Gemeinde ersungen und erspielt, die kleinen Länger, wenn sie so als artige Rokoko- Herrchen tn weißer Perücke und brokatenem Frack, sa. selbst auch als Rokokodamen Im Rcifrock, mit Lvckcnkopf und Hake», schuhen, ober ein andermal im anspruchslos anmutigen Kostüm der Biedermeierzeit auf den Brettern stehen, dem bunten Spiel der Bühne den übertriebenen Ernst ihrer sungcn Jahre, aber auch deren ganze glückliche Unbefangen- heit schenkend. Zuerst glauben wir, Urteil wie Auae auf ihr kindliches Maß cinstrllcn zu müssen — nun. e» sind sa bloß Kinder, die uns als ihre erste Opernlctstung Mozarts „Bastien und Vastienne", dann HaydnS drolligen „Apotheker", zuletzt den „Dorfbarbter" vorgespielt und vorgesnngen, Kinder, in ihre» Kostümen schier so klein und puppenhaft, wie lebendig gewordene Figuren au» Meißner Porzellan. Zuerst lächeln wir. und gleich daraus müssen wir bewundern. Aber schon ist das heitere Spiel zu Ende, Kostüm. Perücke und Schminke werden abgelegt und abgetan und eine Schar lieber Jungen mit frischen, glücklichen Kindergeslchtern. denen die Macht der Töne lieblich andächtigen Ausdruck schenkt, umstellt den Flöget, der nun einzig dte Bühne beherrscht. Sonntags singen sie in Wien die Messe in der alte» Hof- burgkapcllc. dort haben ja seit Jahrhunderten Knabe» daS Kyrie »nd SanktuS gesungen, bi» der Umsturz nach dem fürchterlichen Kriege auch diesem alten Brauche den Garau» g>macht, so nebenher und ohne baß man viel Zelt gehabt hätte, sich darüber Sorgen zu macken. Dte Katserliche Hofkapell«, »er die Sängerknaben zng'-teilt waren, war auf einmal über- flüssig geworden, weil r» keinen Hof und keinen Kaiser mehr »at. Der Glanz der Wiener Holkapclle beginnt mit ihrer Geburt, «l» Maximilian l„ der Vertreter de» Humanismus »us de« deutsche« Katscrthron, seinem „HuebmatKer" tn Oesterreich, dem Hau» Harasser, am 7. Juli 14V8 den Befehl auSfcrtigen ließ, für dte Hofkapelle in Wien „Singer" zu „unterhalten" und darauf zu sehen, daß „unsere Singer" täg- lich „Atn ambt" sängen, gab er mit dieser un» recht bescheiden anmutcnbcn Einrichtung dennoch tatsächlich, wie sich in der Folge zeigte, „den musikalischen Bestrebungen der Beoölkc- rung einen Mittelpunkt, um den sich die österreichische Ton kunst in ihrer wetteren Entwicklung zu ihrem Besten kristalli siert". Als Vorbild schwebten dem Kaiser jene Sängcrchörc vor, wie er sie tn Burgund und tn den Niederlanden kennen- gelernt hatte. Der Stand der „Capellsinger" wechselt, neben Tenoristen, Bassisten und DiSkantisten wird aber eine Anzahl von Sängcrknabcn beständig gehalten, gewöhnlich zwölf, oft mehr, niemals weniger. Sie waren dem jeweiligen Kapell meister unterstellt, der gegen Pauschalzahlung für ihre Ver pflegung und Erziehung für Ouartirrz Bekleidung und Unter richt zu sorgen hatte. Rückten dte Knaben tn daS Alter des Mnttcrens vor, so erhielten sie eine Abfertigung und das Geld sür die Heimreise, oder aber, wenn sie sich »um Studium ent schlossen» gab man sie auf kaiserliche Kosten tn ein geistliches Konvikt, gewöhnlich in dte Schule der Ordensbrüder vom Herz Jesu. Die Begünstigung des freien Studiums und Unterhalts wurde ihnen für volle drei Jahre nach ihrem AuS- tritt aus dem Chor gewährt. Solcherweise war dte Einrichtung der Sängerknaben nicht nur eine Pflanzstätte sür musikalische Talente, sondern auch ein Weg »nd Mittel zu gelehrter Bildung von nicht zu unterschätzendem Wert. Biele von den Leuten bildeten sich überdies, wenn ihre Stimmen um- geschlagen hatten, für irgendein Instrument auS, und wir finden sie dann als Mitglieder der Hofkapelle wieder. Die „Gedcnkbücher" der Hofkammer, die HofzahlamtSrcchnungrn und andere Archivakten liefern zahlreiche Belege dafür, daß es der Hof als seine Pflicht ansah. für die Sängerknaben sür die Zeit Ihrer Mitwirkung in der Sofkapclle hinaus zu sorgen. Auch werden an die jeweiligen Kapellmeister, die nun nicht mehr dem geistlichen Stand angehörten, sondern weltliche Per- sonen waren, BernfSmnsikcr. immer wieder strenge Erlässe gericktrt, wie sie dte „Capellsingerknaben" zu halten und zu verpflegen hatten. An Fleischtagen seien den Knaben drei und an Fischtagen vier „gutte Speisen" zu verabreichen, so heißt eS, „und tn der Wochen dreymal gebrattens". alle Morgen eine Suppe und für den Tag ein Brot. Ganz erstaunlich ist daS Maß von Wein, da» jedem Zögling zngrbilligt wird. Man war noch wett wea von der Anttalkoholbewegnna aber auf Ordnung und auf Güte des Gereichten wird auch da be standen. Di« Hofkapell«, die bei Gründung außer dein „Sing- metster" nur acht Mitglieder zählte, sechs Mutaiiicnknaben und zwei Bassisten, hatte sich inzwischen stattlich entwickelt. In der Liste ihrer Mitglieder finden wir denn auch jederzeit und bis zuletzt unsere leuchtendsten Namen, und die Geschichte der Hofburgkapelle in Gänze aufrollen, hieße die Geschichte der Musik in Oesterreich schreiben. Auch die Einrichtung des Sängenknabcnchores blieb bis zuletzt für die Musikpflege, für die musikalische Erziehung, ja für daS Erziehungs- und Vilünngswesen überhaupt, außer ordentlich wichtig. Eröffnet« doch der Eintritt in den Knabcn- chor tm Laufe der Zeit unzähligen Söbnen aus unbemittelten Familien dte Möglichkeit und den Weg zu unentgeltlichem Studium. DaS ehc-malige kaiserliche Stadtkonvikt, das in dem düsteren, altertümliche» ltzcbäude des früheren Kollegiums der Jesuiten aus dem Untversitcitöplatze untergebracht war, kann sich bekanntlich rühmen, tn den Reihen der ihm anncr- trauten Sängerknaben den kleinen Franz Schubert gesehen zu haben. Dte mustergülligc Bchandlunq des Wortes Im Webe, wie sie dem Meister eigen war. gebt bei ihm sicherlich, wir glauben nicht zu viel zu sagen, ans die frühere Schulung im Gesang zurück. Ein Franz Schubert wirb freilich nicht alle Tage geboren. AVer neben dem Genie gab eS der Talent« wahrlich genug, die tm Laufe der Zeiten ihre jungen Kehlen in der Hosvnrg- kapelle übten, und leuchtende Namen gibt eS da genug anzu- fiihrrn. Um nur einiger der bekanntesten zu gedenken: HanS Richter, Felix Mottl landen daselbst erste musikalische Schu- l»»g. Der Tenorist Franz Wilt, Georg HellmcSpergcr. der Kapellmeister Benedikt Randhartinger und viele andere. Diese altösterrcichlsche Pflanzstätte jung«r Talente hat der Sturm deS Jahre- ll>18 hinweggesegt. Nun aber hat der Wille eines einzelnen wieder ins Leven gerufen waS der Zelt znm Opfer gefallen war. Per sönlicher Opfermut, Liebe und Begeisterung haben zuwege gebracht, was kühler Ueberlegung nicht gelungen wäre: Wien hat seine Sängerknaben wieder. Noch fehlt ihnen die sichere Geborgenheit, wie sie der alte Staat mit seinem Hof ihnen geben konnte. Aber schon haben sic sich die Herzen der Wiener erobert. Und nicht genug an dem: Tie haben auch schon Gelegenheit gehabt, außerhalb der heimatlichen Grenze ihr hohes Können und damit ihre Daseinsberechtigung zu erweisen. Auf einer sommerlichen Kunst- und Jericn- reise durch dte Schweiz haben sie Jubel geweckt und dem alten, festgefügten Ruhm Wiens als Musikstadt mit ihre» snngen Kehlen neu« Geltung verschafft. Wenn wir sie hören »nd sehen, können wir uns der-Rithrung nicht erwehren. Das heitere Spiel hat seinen ernsten Hintergrund: die JungenS crsingr» sich Ihre Zukunft.