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-1. Jahrgang, 420 Mittwoch» 7. September 1SL7 Gegründet ISS« vrabt«,<»rtt»! -kotdrtib»»» Ve««»„ Fernwrechrr - Sammelnummrr, 2S 241 N« kür Nach>o«>vrüch», 20011 tbr. UM d», ickaltch „etmaltier .4uk«lluni uei Hau» l.« Al». September » Mar» »lm, A»Ü»u8e>Iuu«»i«bLti. »»>»»«»»» 10 Vtennt, «n «erden nach Boldmart dereckn««: bt» «tntvalttar « mm drett« tür auswLrl« « Ptg. ^a,nil,snan<e>i,en und stelle Bezugs-Gebühr St» Anzeigenpreise: ^ aunerbalb S»P»a. OnertenaeblUir «Vla. >Iu«w. Äiißraa« aeaen Vorausbeiabla. Sckrtüleitune und AauvIaeichLft»g«II«i Martenttraß« Druck u. Bering von Vtevteb ck Rrtchard» ln Dresden Boktlcheck-Konlo >QSll Dresden Nackdnick nur mti deutlicher QueNenanaade .Dresdner Nackr ' «ildlfta llnnerlanat» SchrtttWck» werden ntchl auibewabrt stonllitowi kiiiiberg Kragar Strava 10 /m neuen 0eu-ancke/ »MI «l ÜllllttklMl! Ver3N5tsitungen aieke Inserat. blütlmerL krsger 5trsüe 12 kernnil I6I7S Verwirrung der Lage in Genf. Wiederbelebungsversuche am Genfer Protokoll. — England gegen die polnischen Vorschläge. Sollan- sekun-iert -en Pole«. Gens, 8. Sept. Zu Beginn der heutigen NachmittagS- fitzung, die der Generaldebatte des Jahresberichtes gewidmet ist. gab der italienische Senator Cippico ein Angebot der italienischen Regierung bekannt, wonach diese im Hin» blick auf die Bedeutung des Filmwesens, und besonders des Lehrfilm», sich erbietet, ein internationales Lehr filmt« st itut mit Sitz in Rom als Völker bund Ne i n r t ch tu n g zu stiften, diesem Institut einen der historischen Paläste Roms zur Berfitgung zu stellen und «» auf eigene Kosten zu unterhalten. Der Antrag wird auf dem üblichen Geschäftswege wetterbehandelt werden. Bon politischer Bedeutung war eine Rebe des holländischen Außenministers V««la«rts van Bloklanb. Die Tendenz seiner Ausführungen ergibt sich auS einem Entschließungsentwurf folgenden Wort- laute»: »In der Ueberzeugung, daß, ohne Wiederaufrollung der Erörterungen über das Genfer Protokoll vom Jahre 1934. eS wünschenswert ist, zu prüfen, ob der Augenblick nicht gekommen sei. um bas Studium der Grundsätze wieder aüfzunehmen, die die Basis für das Protokoll ge bildet haben, und in der Erwägung, baß es außerordentlich wichtig ist. baß die Versammlung die Arbeiten des Bor- bereitungSauSschusseS der Abrüstungskonferenz fördert, be schließt die Versammlung, die Prüfung der wesentlichen Grundsätze des Genfer Protokolls und die Schlußfolgerungen de» BörbereitungsauSschusteS den zuständigen Versamm- lungSauSschüsten zu überweisen." Der Minister äußerte, eine gewisse Zaghaftigkeit des DölkerbundsrateS erfordere »och nicht radikale Aenderung der Methoden. Die Lebens frage für den Völkerbund sei die Abrüstungsfrage. Die BölkerbunbSversammlung möge sich ihrer großen Verant wortung bewußt sein. Im Augenblick scheiqe eine Verwirk- lichnng der Herabsetzung der Rüstungen unmöglich, wohl aber scheine eine Beschränkung der Rüstungen heute schon erreichbar. Mit Bezug auf das Genfer Protokoll meinte Beelaerts van Blokland: ES ist nicht begraben, eS schläft nur. Weiter plädierte der holländische Außenminister für die Verwirklichung der Forderungen der WeltwirtschaftSkonfe- renz, für den Kampf gegen de» Protektionismus «nd. als erste Stufe auf diesem Wege, für die allgemeine «in- führung von Handelsverträgen mit bedingungsloser Meist- begünstig««-. Die Rede fand auf den meisten Bänken, be sonders natürlich bei den kleineren Nationen, die dem Ge danken des Genfer Protokolls durchweg zustimmen, lebhaften Beifall. » Der Antrag bedeutet in der gegenwärtigen Lage eine Unterstützung der polnische« Abfichten. Die Tendenz des An- trageS, -er allgemein größtes Aussehen erregt hat, läuft darauf hinaus, durch Wtedcraufrollung der Gcdankenaänge des Genfer Protokolls den gesamten Komplex des SchtedS- aertchtSgebankenS, sowie der AbrüstungS- und der Gicher- heitsfraae wieder in die allgemeine Diskussion zu werfen. Somit hat der Antrag eine «en« schwierige Situation in Genf herbeigeführt. Die englische Delegation macht an» ihrer ad» lehnende» Haltung gegenüber den konform lanfende« holläudifch-oolnifche« Aktionen kein Hehl. Die Erklärung, die Lhamberlain hente englische» Prefievertreter« gegenüber ab» gegeben hat, — steh« unten — müsse, so wird sekt,-stellt, alS ein« bindende «nd eindcntige Stellungnahme de, eng lischen Regierung ansgefaßt werbe». England lehne aruud- f-tzlich die Wiederanfrallnng der Gedankengänge tze» »enfer Protnkoll» »o» 1024 ab. Wie weiter aus Genf berichtet wird, ist der holländische Antrag ohne vorheriges Einvernehmen mit «in,eigen Groß- Mächten zustandegekommen. Wie man hier annimmt, wird die öffentliche und sicher auch die Behandlung hinter den Kulissen in den nächsten beiden Tagen ausschließlich oder vor- wiegend der Festlegung einer Stellungnahme zu diesem holländischen Anträge gewidmet sein. ES sind bereit- ver schiedene Besprechungen zwischen den einzelnen Delegationen in Aussicht genommen. Skesemaruis Berliner Aeise fraglich. (Durch Funkspruch.) Gens, S. Sevt. Die heute vormittag für Freitag ange- setzte Reise Dr. StresemannS nach Berlin ist durch den Ver lauf der heutigen Nachmittagssitzung der BölkerbundS- versammlüng und ihren möglichen Einfluß aus den Verlauf der kommenden Debatte wieder etwas in Frage gestellt wor ben. Nach den ursprünglichen Dispositionen sollte die Debatte im Lause dieser Woche abgeschloffen werden und dem Reichs- minister Gelegenheit geben, noch vor Freitag zum Wort zu kommen. Ob sich diese» Programm nunmehr unverändert durchführen läßt, und ob nicht auch im weiteren Verlaufe der Generaldebatte ein Eingreifen von deutscher Sette notwendig wird, läßt fich tm Augenblick »och nicht übersehen. lW.T.B.) önalische «bfoljr stir die Polen. Eine geharnischte ErklSrung Lhamberlains. Gens, S. Sept. Der englische Außenminister Lhamber- latp «mpfina heute nachmittag einige Vertreter der eng lischen Presse. Lhamberlain erklärte diesen, daß die englische Delegation die Kandidatur Kanada in dem Völkerbund unterstützen werde — Zn de» polnischen Vorschläge« erklärte Lhamberlain. eS wüste der polnischen Regierung bringend empfohlen »erden, die Sicherungen, die sie bereits erhalte« hätte, nicht durch anderweitige Maßnahme« ,« entwerten, «ine Aktion der polnischen Regierung zur Einleitung etner Diskussion «der den Abschluß eineS «icherbeitSvertrageS könnte lediglich den Eindruck erwecke«. alS ob die Pole« die bereit» für Pole« geschaffenen Sicherungen nicht al» ge nügend erachte«. Hierdurch würden diele zweifellos ein« Entwertung erfahre«. England könne nicht ein» sehe«, wa» mit den polnischen Vorschlägen ge wonnen werden könne. ES erlstierten schon die Gara-- tie« de» VSlkerb«ndSparteS. eS existierten weiter die west- lichen «nd östlichen Locarno-Verträge, die die Frieden»« ggrantie« «och verstärke». Mehr sei nicht nötig. Wen« einzelne Redtzer das Bedürfnis hätten, in der Voll versammlung Friedensphrasen zu dreschen, so bleib« ihnen das ««genommen, aber England sei für «ine Wiederbelebung des Genfer Protokolle» und für»««« Ding-nicht,«habe«. Allgemein Ist der außerordentlich gereizte Ton auf- gefallen, in dem der enalikcke Außenminister seine Erklärungen abgegeben hat. Die von ihm gegebene Begründung ist aber — auch vom deutschen Standpunkt au» gesehen — so treffend, daß ihr nicht» hinzngesebt zu werden braucht. Polens fadenscheinige Gegengriinde. Berlin, S. Sept. Zu dem Plane eine» NichtangriffpaktcS hat der Warschauer Vertreter der »Voss. Ztg." an .bestunter- rtchtetrr Warschauer Stelle" Erläuterungen bekommen, in denen «. «. gesagt wird: .Der Locarno-Pakt ist von tiefer und künftig psychologischer Wirkung auf die deutsch-franzö sischen Beziehungen gewesen. Auf die deutsch, polni- scheu Beziehungen hat er nicht ebenso stark gewirkt. Die Feststellung, daß Deutschland und Polen ihre Meinung», verschicderchetten über alle Fragen nur auf friedlichem Wege auSgletchen wollen, findet sich tm Vorspruch de» Vertrage» nur in etner etwa» allgemeinen Formel. Wa» Pole» fetzt anrege« will, da« fall und kan« di« künftige« psychologische« Wirk««««» »on Locarno i« Wefte« anch auf di« übrige enropäifche Welt anSdehnen. nicht »nr anf die deutsch-polni sche« Beztehnngen. Polen» Anregung habe weder «inen antt- deutschen, noch einen anti-russtschen Ginn. Die grundsätzlichen Bestimmungen de» Locarno - Pakte» würde» f« ganz un- berührt bleiben." Damit wirb nun auch endlich von polnischer Seite ganz offen zugegeben, baß man tatsächlich ein Oft - Locar « o vor hat. einen Vertrag, der die Grenzen im Osten für ewig er starren lasten soll.. Daß durch ein solche» Abkomme« die Möglichkeit einer friedliche« »enderung trgendwelcherLandeSgrenzenganzverschwin- den würbe, ltegt auf der Hand. Im übrigen unterschlägt die polnische Auslastung die Tatsache, daß da» Locarno-Werk neben der erwähnten Präambel anch einen deutsch, polnischen SchtebSvertrag über die Ostgrenze er- hält, der eine gewaltsame Grenzänberung durch Krieg au», schließt. WaS wist also Polen noch mehr? Besprechungen -er «uheumintsler. Gens, 6. Sept. Heute nachmittag hat eine Zusammen kunft zwischen Lhamberlain. B r i a n d, B e n e s ch und Sokal stattgefunden, an der Äenesch ai» Vorsitzender der AbrttstnngSkommtssion der Vollversammlung teiltzahm. In dieser Unterredung sind die bekannten polnischen Borschlägeeing ehenderörtert worden. Für heute abend Ist eine Unterredung zwischen Lhamberlain. vriand und Stresemann vorgesehen, ans der di« Erörterung über diese Frag« sortgesetzt werben soll. Das Mlnderhellenproblem. Bon Dr. Walther Hofstaetter. Die vielen Tagungen der letzten Wochen erschwere« dem Leser der Berichte den Ueberblick. Zwei von ihnen behandelten besondere Fragen des Deutschtums im Ausland«, treffen aber ganz verschiedene Kretse. Die »Europatagung" in Dresden und Leipzig galt den deutschen Staatsbürgern, die außerhalb der deutschen Reichsgrenzen leben, der euro päische Nationalitätenkongreß in Genf berührte uns insofern, al» er den Kamps deutscher Volksgenossen offenbarte, die fremden Staaten als Bürger angehören, und al» er die Bestrebungen von Angehörigen ntchtdeutscher Völker betras, die Bürger des deutschen Staates sind. Während die Ver hältnisse der Reichsdeutschen im Auslande wesentlich durch daS Deutsche Reich allein geregelt werden, handelte «S sich in Genf um die Frage etner internationalen Regelung der Rechts- und besonders der Kulturbelange aller in einem Staate lebenden, dem Staatsvolke nicht angehörenüen VolkS- tette. Man spricht in diesem Zusammenhang« von Wirt»« und Gastvölkern, doch trifft dieser Ausdruck nicht ganz de« Kern der Sache, weil das Wort »Gast" im allgemeinen nur einen zeitweiligen Mitbewohner bezeichnet, während die Gast völker dauernd im Staatsgebiet eines fremden Volke» ent halten sind, ckst seit vielen Jahrhunderten. Solche dauernd mit- wohnenden Völker bezeichnet man als nationale Minder heiten. Um die Klärung ihrer Lage und ihrer Rechte geht es heute. In Genf waren Minberheitsgruppen-aus Deutschland, Polen, Ungarn, Spanien, SUdslawien, der Tschecho-Slowakei, Dänemark, Rumänien, Bulgarien, Lettland, Litauen. Italien, Oesterreich und jüdische Minderheitsgruppeu vereinigt. Ukrainer, Weißrussen aus Polen, Mazedonier und Südslawe« auS Griechenland erwarteten die Ausnahme in den Kongreß. Schon die Aufzählung der Namen genügt, um zu zeigen, welche Bedeutung der Kongreß hatte, wie ungleichmäßig er aber auch zusammengesetzt war. Als Ziel bezeichnet« der Hauptredner, Professor Dr. Schiemann au» Lettland, »daß der nationale Gegensatz aus den Gebieten vertriebe« werde, wo di« Zusammenarbeit der Menschen verschiedenen Volk», tum» geboten sei". Den Weg sah er in einem Mtnori- täte «recht, das bi« Verwaltung national-kultureller Be lang« in die Hände der Minoritäten legt, in der sogenannten Kulturautonomie. Diese Kulturautonomie sei jeder Minderheit zuzusprechen. In der Aussprache hob der Ver treter der Polen in Deutschland, Dr. Kaczmarek, hervor, daß jede »schematische" Lösung des MtnberheitenproblemS ab- gelehnt werden müsse. DaS gibt zu denken,' denn der Sinn beS Kongresses war «S ja gerade, eine allgemein« Lösung zu finden. Da erinnert man sich daran, -aß derselbe Dr. Kaczmarek 1S26 auf dem zweiten Nationalitätenkongreß al» Vertreter aller Minderheiten in Deutschland sich offen gegen eine allgemeine Kulturautonomie ausgesprochen hatte, ohne sreilich die Gründe zu enthüllen. Sie sind aber durch sichtig genug: Die deutschen Minderheiten in der Tscheche» und in Polen sollen ihre Kulturautonomie nicht erhalten. Bo» hier aus erhellt die völlige Verschiedenheit der Minderheiten. Etn Teil von ihnen gehört kultur hohen Völkern an und hat Len Willen, seine Kultur mit allen Mitteln inmitten des — gleich hoch- oder tiefer stehen den — GtaatSvolkeS aufrechtzuerhalten. Diese Minderheiten verlangen Kulturautonomie, volle Selbstverwaltung in bezug auf die kulturellen nationalen Belange, und daß der Staat ihnen für die Durchführung die ihrer Zahl entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt. Für die Schule müßte also genau die Summe überwiesen werten, die im Verhältnis zum gesamten Schulaufwand auf die Zahl der schulpflichtigen Kinder der Minderheit entfällt. Diese Minderheiten wissen, daß sie, besonder» bei starker Zerstreuung in Einzelgemetnden» mit diesen Mitteln nicht auSkommen, aber — und da» ist daS Entscheidende — sie fühlen die Kraft in sich, diese Mittel freiwillig zu ergänzen, und nicht nur Volksschulen aufzubauen, sondern darüber htnauSzu- gehen nach her Richtung de» höheren Schulwesen». Dt« fühlen fich als Träger etner wertvollen Kultur innerhalb etner andersgearteten, und haben den Willen, für die Er- Haltung dieser Kultur auch große Opfer zu bringen. Sie alle stehen zusammen in der Forderung der Kulturautonomie. Die anderen Minderheiten wollen keine Kulturautonomie. Die einen von ihnen leben seit Jahrhunderten in etner der ihren gleichen oder überlegenen Kultur und wünschen an dieser Kultur des Staatsvolkes voll teilzu- nehmen, weil sie ihnen Vorteile bietet, die bet Be schränkung auf die eigene, oft engbegrenzte Kultur wegfallen würden. Go ist'» bet den Wende«. Sie wollen, daß ihre