Volltext Seite (XML)
Nr. 4-S Seile 2 Areitag. 1«. 0N«b«r 1S27 liegt die Vermutung nahe, daß unter dem Druck der Finanz» kreis« der Wallstreet auch di« Bereinigten Gtaateu bet diesem Russland« ihre Hand mit im Spiele baden — so wenig natltr» ltch darüber auch an die Oessentlichkeit dringt. Schließlich wissen ja alle mittelamerikanische» Staaten ein Lieb zu singen von dem skrupellosen Imperialismus Nordamerika-. Der augenblickliche Ansturm zahlreicher und mächtiger Feinde gegen Falles gewinnt eine erhöhte Bedeutung tnsosern, als die AmiSperivde de- Präsidenten i» einige» Monaten zu End« sein wird und das Land also vor einer Präsidentenwahl steht. CalleS hat sein Amt von Obregvn übernommen, und Obr«gvn ivird alS aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge aus dem Prasidentenposten genannt. Terrano, der, wie schon gesagt, erschossen wurde irr war übrigens durch Verrat ge» fangen genommen worden» und Gomez waren die beiden Gegenkandidaten von Obregon, und eS scheint, daß st« einer Wohl vorgrcisen und Ealles zu stürzen beabsichtigt batten, um die Herrschall durch Gewalt in ihre Hände zu bekommen. Zur Hälfte ist dieser Plan mißlungen. Die kommenden Tag« wer» den zeigen, ob es Gomez gelingen wird, neue erhebliche Trup- pe» um sich zu vereinigen und mit ihnen den Kamps fvrt- znsnhren. der iur ihn. wie eS den Anschein hat. durchaus noch nicht aussichtslos ist. oder ob Calles sich endgültig durchsetzt und seinem Freunde Obregon die veriannngSinäßige Wahl znm Präsidenten ermöglichen kann. Neuesten Meldungen zu» solge bestellt allerdinge »och eine Möglichkeit, daß nämlich (5a>lee den Präsidcntenpostcn auch die nächsten sechs Fahre be halt. Der Senat hat einer Verlängerung der Amtedauer des Präsidenten zngestiiumt, die wahrscheinlich ans einer Verein barung zwischen Halles und Obregon beruhen dürste, um den Mächten dee Umsturzes eine möglichst stabile Negierung ent- gegenstellen zu können und die PräsidentichaftSwahlen, die die besteh'nde Unrnlie nur noch vergrößern müßten, zu ver meiden. Vis jetzt ist allerdings noch nicht bekannt geworden, ob Ealles sein Amt noch länger behalten ivird. Deutschland alS Staat hat an diese» Kämpfen kein unmittel bares Interesse: ivaS aber sind die Folgen der fortdauernden Un» rnßen ins die deutschen >7 v l v n i st c » in Mexiko'? All jährlich gibt unser Mutterland wertvolles Menschenmaterial auch nach Meriko ab und leider geben dort nur allzu viele aus Unkenntnis der Verhältnisse unter. Darum ist eS jetzt erst recht eine vaterländische Pflicht, ans die Gefahren ansmerkjam zu mache», die dort in dem Lande der fortdauernden Revo lutionen den Auswanderer bedrohen. ,,I) 123«" von Li^abon aeNarket. Dessau. 17. Oktober. Nach einem bei den Junkeröslug- zeugmerken cingegangenen Telegramm ist das Flugzeug ,.l> 1LSi>" am heutigen Freitag um «,8.1 tthr von Lissabon znr Fortscßnnq seines FlngeS gestartet. Um t>,7ü Uhr gingen die Flieger in Ruderbooten an Bord inmitten -eS Dejo Kurz daraus feuerte das Flugzeug einen Lenchtschnß ab. um schließ lich in einem mvhlgclniigenen gu-Setnndc»--Start vom Trio Iiochznqchcn »nd dem Ozean zuzusliegcn Am User waren viele Reporter und Zuschauer anwesend ..O 1220" in ?lmlker-am qelandel. Amsterdam. 17. Okt. Das dcntsche Flugzeug v tkkl» ist um l.äS llhr Amsterdamer Zelt tthr deutsche Zeiti im hiesigen Marineslughasen glatt gelandet. iWTA.i DerLandesschulausschubderTeutschenBolksparlei zum Reichsschulgesetz. Die "ewawame Derwelkchunq SüdNrols. Innsbruck, 17. Oktober. Der Präfekt von Bozen hat eine Verfügung erlassen, durch die die letzten noch sichtbaren Aeußernngc» des deutschen Sprachgebrauches in Südtirol ver boten werden. Ab l. Oktober darf in den Volksschulen nur noch in italienischer Sprache unterrichtet werden. Sämtliche Kund machungen. Anzeigen. Schilder und Anlschristcn müssen aus schließlich in der olsizicllen Sprache abgesaßt sein. Diese Ber- ordnnna bezieht sich sogar ans eingraviertc oder eingestickte Aufschriften ans Tischtüchern. Bestecken. Gläsern, Tassen nnd sonstigen Gcbrauchsgegenstäi'dcn in Restaurationen. EcUS» und Kafthöscn. Wahrend jedoch die Frist für den Anfbrauch dieser Gegenstände bis zum 8k>. November ll)2ü läuft, ist die Frist für die Entfernung der deutschsprachigen Aufschriften bereit- auf den M. November d I. angcsetzt worden Von dieser Verordnung sind vorläufig nur lech- Gemein- den ansgcnoinmen. In dem übrigen Südtirol verschwindet aber nunmehr jedes deutsche Wort aus den Straßen. sTtt.s Siniaunq bei der Berliner O i'nibusae'eU'chaN Berlin. 17. Okt. Vor dem SchlichtungSaiiSschuß Groß- Berlin fanden gestern nachmittag Verhandlungen über die Lolin- und Arbcitszeilforderniigen der OmnrbuS- a n g e st e l l t e „ statt Es wurde in freien Verhandlungen ein Vergleich geschlossen, der den Omnibußangestellten nicht unerhebliche Vergünstigungen bringt. Durch die An nahme deS Abkommens durch beide Paiteien ist der Konflikt ohne ttrabstimmuna beigelegt. Der LandeSschulauSschuß b«, Deutschen Volkspartei befaßt« sich in seiner letzten Sitzuna in DreS» den, wie im Freltaa.Morgenblatt schon mttaetetlt worden ist. mit dein Entwurf zum RetchSfchulgesetz. Die lehr gut besuchte, von 0berreg.»Rat Dr. Rosenmüller geleitete Ver sammlung nahm zunächst da» Referat über den Gesetzentwurf, das LandtaaSabgeordneter Prosessor D. Hickmann erstattete, entgegen. Der Redner führte unter lebhafter Zustimmung der Versammlung etwa folgende« auS: Die Vedeutnng der Stellungnahme der Deutschen Volks, parket zu dem Gesetzcnlwurf ergibt sich aus der Tatsache, daß in Deutschland seit dem ttmstnrz ei» revvlutionär-bvlschewistl scher und ein klerikaler, dem Staat mißtrauisch gege»überstehen der Kultnriviile »m ihre Durchsetzung ringen. Der Kamps dieser beiden Kulturströmunge» birgt die Gesahr in sich, daß in diesem Ringen die deutsche Schule zerrieben wird. Da» zu verhindern, ist die besondere und historisch« Ausgabe der Deut scheu VvlkSpartet. Dle Stellungnahme zu de» Einzelheiten de» Entwurfes hat für alle Teil« von der Tatsache auSzugehcn, daß et» Reich» schulgrsetz lediglich Ausführungsbestimmung der kultn-pvlilt scheu Kompromißlösung sei» kann, dir in Weimar gefunden worden ist. Die Kritik an dem lÄesetzcntwurs hat demgemäß zu nächst zu prüsen. ob der Entwurs in allen Teilen der Anweisung der Verfassung entsprichl. Die» ist z« bejahen. Soweit die Brrsassuug über Einzelheiten der Geiamtsrag« Bindungen enthält, trägt der Entwurf dem sorgfältig Rech- nung. So ist der Schutz der Simultanschnle sichergestellt. Bei der Bestimmung des EharakterS der Gemeinschaftsschulen nimmt der Entwurf die Beschlüsse der Mittclparteien vom Jahre l!)22 fast wörtlich auf. Die Deutsche Volkspartei wird daraufhin arbeiten, daß in den weiteren Beratungen über den Gesetzentwurf die Rechtsstellung der Gemeinschaftsschule al» Borzugsschule, entsprechend dem zweifelsfreien Sinn der Verfassung, noch klarer umschrieben wird. Vom Gesichtspunkt der Schulverwaltung au» ist dt« Schul» clnheit bet aller Mannigfaltigkeit der Schulformen unter allen Umständen sicherzustellen. Der Maßstab für die Wahrung dieser Einheit ist die Garantie eines geordnete» Schulbetriebes. Die Enischeibuug darüber, ob der geordnete Schnlbetrieb ge währleistet ist. darf keinesfalls einer willkürlichen Bestimmung der Länder überlasten werden. ES ist unbedingt zu fordern, daß das Reich hierüber Bestimmungen erläßt, an die dt« Länder ohne Rücksicht aus einen Wechsel der gesamtpolitl. schen Einstellung ihrer Regierungen gebunden sind. Gegenüber Bedenken, ob nicht durch die Mitwirkung der ReligivnSgcicllschasten bet der Erteilung de» Religion-unter- richtS die Staatshoheit über die Schule preisgegeben sei, ist scstzustellen, daß die RcltglonSgesellschaften »ach dein klaren Wortlaut deS Entwürfe» lediglich kontrollieren sollen, ob ihre Grundsätze bei der Erteilung de» Religionsunterrichts ge wahrt werden. Damit ist kein Eingriff in die innere Organisation der Schule verbunden. AuS Zweckmäßigkeitsgründen ist zu empfehlen, über Art und ttmiang der Einsichtnahme der ReligionSgcmein- schäften t» de» Religionsunterricht die Länter beschließen zu lasten. So ist es eine Forderung de- kulturpolitischen Gesamt- Interesses, die reichsaesetzliche Regelung der drntschen Schul» frage aus dem schnellsten Wege zum Abschluß zu bringen. Der Kamps für das Reichsschulgeseß ist in Wirklichkeit der Kamps für die freie Schule des Staates. Mit vieler Begriffsbestimmung sind die Gegner de» ReichSschulgcsetzeS in ihren letzte» Beweggründen und Ab sichten klar gekennzeichnet. — Zuiammensastend ist sestznstellc», daß der Gescßcscnlwurf im großen ganzen den Not- Wendigkeiten der Lage Rechnung trägt, die einmal durch das Weimarer Schulkompromiß, dann aber durch die daraus bis heule resultierende Unsicherheit in schul» politische« Fragen entstanden sind. Da- Land Sachsen hat an- seinen besonderen Verhältnissen heran» an einer solchen Rege lung ei» Vorzugsintereste. Und die Deutsche Volkspartei wird in dem Kampfe um die Durchsetzung de» Rcichösck,ulgesetzeS und um seine zweckmäßige Ausgestaltung nach ihrer Urber» lieserung auch weiterhin in vorderster Linie kämpfen. Sn der Aussprache erläuterte volkSbilbungSmtnister Dr. Kaiser auSsührlich die Stellungnahme der sächsischen Regierung z» dem Gesetzentwurf. Gegenüber der insbesondere in «ochsen zutage tretenden sozialdemokratischen und demokraii. schen Kritik an dem Entwurf wleS der Minister ans die Haltung der preußischen Regierung hin, die sich durch ihren demokratischen Kultusminister bezüglich der groben Frage de» Grundsätzlichen ganz auf den Boden de» Entivurseo der NeichSreateruna gestellt habe. Der preußische Minister Dr. Becker Hab« in den preußischen Abänderunasvorschlagcn zum Reichsschulgesetz zum Ausdruck gebracht, daß die preußische Regierung die sogenannte streng« Negeltheoric. die di« Berfassungsmäßtgkcit des Entwürfe» in Zwelfel ziehe, niemals für richtig gehalten habe. DaS sächsische Interesse bei der Gestaltung des Gesetzes set ln erster Ltnie darauf gerichtet, die Vorzugsstellung der allgemeinen deutschen Schul«, also der Gemeinschaftsschule, noch fester zu umretßen. Es sei kein Zweifel, daß die sächsische Volksschule als Gemeinschaftsschule Im Sinne des Keudcllschcn Entwurfes anznsprechen sei. Zur Sicherstellung eines geordnete» Schul, betriebes sei zu fordern, daß »eucntstehende Schulen in ihrer Organlsation nicht wesentlich gegenüber de» an einem Orte bereits bestehenden Schulen zurückbletben dürfen. Würde die Entscheidung über die Gewährleistung des geordneten Schulbetrtcbes de» Ländern überlassen, so würde das in Sachsen die Verewigung eines Srhnlkainpseö bedeute». Weiter set es notwendig, da« Maß der Mitwirkung der Religio»», gesellschaften bei der Bcaufslchtlgiing deS Religionsunterricht» im Gesetz genauer zu kennzeichnen. Um hier Unklarheiten auSznschlieben. habe Sachsen vorgeschlagen, die entsprechenden Bestimmungen des Entwurfes durch die einfache Feststellung zu ersehen, daß der Staat die Aufsicht über alle Schnlbctriebc führe. Der preußische Vorschlag, die Einsichtnahme in den Religionsunterricht Beauftragten der kirchlichen Behörden lalso nicht, wie tm Entwurf vorgesehen, staatliche» An gestellten, die von der Religionsgesellschaft vorgeschlagen Werdens zu gestatten, bedeute eine Verschlechterung des Enl- wurfes der Retchsregierung, dle dle sächsische Negierung enl. schieden bekämpfe. Wetter habe Sachsen das größte Inter, esse daran. eine Senkung deS allgemeinen LchnlniveauS durch eine Ermöglichung der Bildung von Ztvergschulen zu verhindern. Die sächsische Negierung beantrage deshalb die Heraussctzung der Zahl der Antragsteller für die Errichtung von Sonder- schulen. In seiner gesamten Stellungnahme gehe Sachsen von dem Bestreben ans. durch das Retchsschulgesetz und seine Aus gestaltung den Schulsriedeu sichcrznstellen. ES set zu hoffen und anzunchmcn. daß diese letzten und großen Gesichtspunkte der sächsischen Regierung tm Reiche gewürdigt würden, damit so dem Gesetzentwurf die endgültige Fassung gegeben werden könne, die die Befriedung der deutsche» Schule gewährleiste. In der regen Aussprache wurde von fast allen Rednern die Auffassung z»m Ausdruck gebracht, daß allein eine baldige Per. abschiedung des RcichSschulgesctzrS schwere kulturpolitische Ge fahren von der deutschen Schule abwcndc» könne. Tie Bcr- besieruugsvorschlage der sächsischen Regierung fanden die leb haft« Zustimmung der Versammlung. Znm Schluß der Be ratungen würde einstimmig die von dem Referenten cinge- brachtc Entschließung angenommen, die wir im Wortlaut be reits milgcteilt haben. iLkbl und kvimgi § tt Erste DorsleUuni der „Aktuellen Bühne im Schauspielhaus. „Legende" von Franz Jung. Tie alte Idee der „Versncßsbühne" ist nun alS „Aktuelle Bühne" an unserem SchausvielbanS verwirklicht. Es kommt daran! an. das Werdende zu erproben. Ungewöhnliches zu wage», die Entwicklung der dramatischen Kunst zu zeigen. Tab gegen das Kultnrdrama, gegen die reine Sprechbühne eine starke Strömung unter den junge» Dramatikern und Regisseuren besteht weiß man. Das Tempo der Zeit drängt nach Kürze, Beschleunigung der Geist der Zeit nach Er weiterung der szenischen Ansdrucksinöglichkeitcn. Schon er füllt manchen der Film für sich diese Forderungen nicht mehr recht: man strebt den sprechenden Film an. Umgekehrt soll das Wortdrama durch das bewegte Bild belebt, verein facht. bereichert werden. Versuche in dieser Richtung sind schon häufig. Die Over ist schon zur filmischen Revue gemacht worden: auch im Schanioiel bat Film als Masicnhinterarund mitgewirkt. Die Technisierung deS Drama- ist längst im Gange. Georg Kaiser war kühnster Wcgebahncr, aber doch noch vom Worte her. F ranz Jung geht einen neuen Weg: er gibt ein ..Simultandrama". Der Dadaismus erfand da- Simulkanaedicht: zwei Tvrecßer redeten gleichzeitig ver schiedene Verle wild neben- und ineinander her. DaS war natürlich reiner ttebermnt nnd Absicht der Verblüffung. Jungs Absichten wollen und dürfen ernst genommen werden. Zwar komme» sie auch aus dem allgemeinen Geist der Aus lösung. aber sie zielen doch sichtlich auch aus eine neue Snn» thele und erstreben einen Zeitstil, dessen Elemente in der gegenwärtigen Wirklichkeit lieaen. * Raum nnd Zeit sind ausgelöst »nd spielen traumhaft ln» einander. Das geht io zu: Grundverlaus des Geschehens ist eine Gerichtsverhandlung wesen Gattenmordes. Frau Richter hat ihren völlig aeläßmten Mann in letzter Verzweiflung deS Unerträglichen erschollen. Während die Formalien der Ver handlung teils verlesen, teils ln Filmschrist verkündet werden, zeiat sich das proletarische Elend nnd die LebenSnot der Familie Richter in gescheiten Szenen. Die Svortliebe der Brüder Streit der Tochter mit ihrem Geliebten, Jammer von Mutter nnd Tochter ln der Wohnküche, der Gelänmte tm Rollstuhl, der Schuß ln Berrwelttung. Dazwischen Gespräch zur Fabrik fahrender Arbeiter lm Straßenbahnwagen. Gelvräch Grot-'-dnstrieller lm Abteil des Eurova-Erpreß. Draußen als Film vorbeiziehend die Umwelt: Straßen der Großstadt. Fabrikviertel. Eiienbahnlandschast GegenwärttaeS Geschehen und Raumbewrgiing. Dahinein nun protiziert der Film da» innere Geschehen als ErinnerunaSbild aus der Veraangenheit: das LiebeSallick der junge» Leut«. Haschen tm Grünen. Iugendkras» de» nun htlslvs Gelähmten: dann visionäre Erscheinung de» Manne» im letzten Streit mit der Frau. Drohung. Haß. wilde Gegenwehr der Beschuldigten. Unterm Zwange dieser quälenden VorstellnngSbilder erfolgt der tötende Schuß. Dann: Während der Gerichtsverhandlung Bild der Sportarena, in der man den einen Sohn beim Lause stürzen sieht, wie der Zeuge das eben erzählt: der Kopf des Kindes in Mädchennnschuld. das jetzt noch neugeboren im Arm der Tochter liegt: dann: erregte Mallen norm GrrichtS- gebäude: dann: während der Rede des Verteidiger» ErinnerunaSbilder ermüdeter Hlrne der Richter, Tanzszenen, Vergnügungsstätte. Geschehene» und Geschehendes neben» einander. Vergangenheit als wirkende Bilbkrast im Gegen» wärtigen, Zukünftige- in Bildern der Vorahnung. Dazu die Geräusche des moderne» Lebens, Glocke der Straßenbahn, Fahrt de» Zuges, Fabriksirene, Lautsprecher, Jazzmusik, Märsche von lern, Rauschen und Strömen der Massen» bcwegnng, Explosion und Revolverschuß. Und das alle» kommt und geht, bald lebhaft, bald scheinenhast, ans Dunkel in Licht, aus greifbarer Körperlichkeit in bewegte Schatten. Scheinwerfer »nd Kurbelkasten arbeiten mit der Darstellungs. kmist ineinander, und die Bühnenmaschinerie schasst «in erregendes Wandeln und Werden der Bilder grau ln grau. Technik deS Drama» wurde znm Drama der Technik. * Wo bleibt da die Dichtung? Sle ist bloßer Rohstoff für die Verarbeitung in bewegten Bildern. DaS furchtbare Thema von der Vernichtung „lebensunmertcn Lebens", etwa von Eulenberg in „Mächtiger als der Tod" hin und her diskutiert, erscheint hier als Kriminalsall ln proletarischer Umwelt. Mit einer ElcndSmalerei, wie sie der dunkelste Naturalismus nicht rückhaltloser gegeben hat. wird gezeigt, aber nicht beredet, wie tief das Leiden einer ganzen Familie um eines Geschlagenen willen ist. Dir Entwertung de» Wortes ist dle natürliche Folg« dieser technisch raffinierten Bildhastigkett. DaS Sprechdrama ist um seine auseinander» legende LeelenkUnduug und seine innerlich ausbauende Geschlossenheit gekommen. Auch Kaisers Telegraminsprache ist damit erledigt. An ihre Stelle tritt da» verwaschene Gerede dumpfer Naturen, die unlogische, gefühlsmäßige Sprache des Volke». Jene» Hin» und Hergerede, das sprung haft und unbeholfen eranälte Gedanken htnwirft. Olt in einem ergreifenden Bemühen um innere Klarheit. To kreist das Gespräch im Straßenbahnwagen nm den „Fall Stichler" nnd strebt verworren zu allgemeinen Erkenntnissen der Zeit lage. Die Seele de« Proletarier» versteht Jung ohne Zweisel in ihrem inneren Rinnen zu svtegeln, ihr« Weichheit und ihre ichnell« Gereiztheit, ihre Nüchternheit und «hre Dumpsbett. Daß er In diesen unpolitischen Stoff auch schnell noch ganz un» vermittelt einen Sluvbruch politischer Leidenschaft einsmiebt. könnte man al» vsncholoaische Wahrheit dafür aelten lassen, mir unweigerlich heute alles in diesen Schichten zum politischen Fanatismus wird. Gegenüber der rohen Kunstlosigkeit des dramatischen Aufbaues darf Jung» Seelenkunde der Mallen al« dichterischer Wert bezeichnet werden, der diese» teckmlziert« Drama vor der bloßen Veräußerlichung einer aufregenden Mordgeschlchte noch gerade rettet. Ter groß« technische Apparat der Vorstellung spielte reibungslos ineinander »nd ließ in wenig mehr als einer Stunde das kunstvoll verdichtete Gleichzeitigkeitsgeschche» ab- rollen. Was dahinter für vorbereitenoe Arbeit liegt, erkann ten wohl nicht bloß die Theaterkenner. Josef G i e l c n Hai alle Kräfte mobil gemacht. Mit feiner Einfühlung hat Adolf M a h n k e die gesamte Bildwirkung gestaltet, alles im Zeit ton, tm grauen und harte» Stil der Hinterhöfe und Fabrik viertel. in den nüchternen Linien und Farben der Sportplätze und Gerichtssäle. Durch Benutzung von Lichtbildern erhält alles einen schattenhaften Charakter. Die gleitenden Filme wirkten zu unruhig, spielten vor Straßenbahn und Eisenbahn zu sehr aus und ab. Anderes kam eindringlich heraus, so die LIebeSszene, in der Dccarli als erprobter Filmist am sicherste» erschien. Im ganzen war das Jneinanderfpielcn von vcr. schiedcncn Dimensionen erzielt und spukhafte Wirkungen traten hervor. Es gab auch wirklich ergreifende Nngenblickc, so der Gegensatz der Jugendglücksbilder der Frau mit ihrer leiblichen Erscheinung Stella David als graue, vcr- rlcndete Proletartersrau, war die Seele in der Technik. Wa» diese große Künstlerin in ihrem Antlitz znm Dnrchschctnen bringt, was Ihre krampsige Geste, ihre stumme Gebrochenheit, ihr tierisch wilder Entsetzensschrei a» Ausdruck menschlicher Oual zu geben vermag, liegt tenscilS aller Filme Leinwände, Lichteffekte. „Die Seele ist es. die da spielt." Und wen» nicht der lebende, leidende Mensch Immer wieder aus aller Be mühung nm neue Formen, fortgeschrittene Techniken, Erpcrt- mente »nd Wagnisse heransbricht, so bleibt ja alle- doch alle» nur Gchirnakrobatik. Bon diesem Oucllpnnkt darf »nd kann sich daS Sprechbrama nie entfernen, wenn es nicht sinnlv» werben will. ES Ist und bleibt alle» um des Mensche» willen da — und im Drama ist der Schauspieler der Mcnich. Wenn er hier zu anderen, Gehaben und geringerer Entsal. tung seiner Fähigkeiten gezwungen wird, so erscheint er nur noch wichtiger als Gegenpol der Technik, die nur e r beseelen kann. Wie Jenny Schaffer ein Proletariermäbchcn in Ihrer harten Sicherheit und ihrem schmerzlichen Verblichen zeigt, wie Alfred Meyer einen Trainer in seinem stier, nackigen Stolz »nd komischen Selbstbewußtsetn auf sitns Minuten ln den Lichtkegel stellt, wie Deca » lt das stumme Elend eines Gelähmten sichtbar macht, das Ist der unvergäng lich« Wert der letbplastlschen »nd wortklingenden Bühne gegenüber allen stumme» Bildern der zappelnden Leinwand Ti« Proletariertypen lKltetsch, Hofsmann.Ravoth, Wohlbrücki nnd die zahlreichen Gestalten sonst noch be wahrten d»rch ihre meist gut getroffene Lebenswahrheit das fesselnde Experiment der „Legende" vor der bloßen Schemen- Hastigkeit. Wie schon berichtet, war die Wirkung stark, wenn auch nicht tm ganzen innerlich überwältigend. Der Dichter, die Künstler, bl« Techniker nahmen ihren »ollen Lohn der An erkennung entgegen. Dr. Felix Ztmmermann.