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1250 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 23, 29. Januar 1909. (Bethmarni-.Hollweg) wechselnden Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs bleiben. Machen aber die Beteiligten, seien es die einzelnen, Gesetz gebotenen Rechtsbehelfen einen ernstlichen Gebrauch, dann bin ich der Überzeugung, daß das neu vorgelegte Gesetz bessere Zustände schaffen wird und schaffen kann, als es das alte Gesetz getan hat. (Bravo!) Abgeordneter v>. Giese (d.-kons.): Wir erblicken in dem Entwurf einen dankenswerten und erfreulichen Ausbau des Gesetzes von daß er viele Zweifelsfragen löst, die sich aus der Handhabung des bisherigen Gesetzes ergeben und Unsicherheit in weite Kreise getragen haben. Wir als Förderer der Mittelstandsbewegung haben es uns zum Ziele gesetzt, die Vorlage noch zu erweitern, um dem Mittelstand in seiner bedrohten Existenz zu helfen und ihn zu schützen. Der Entwurf geht von der Tendenz aus, nicht allzusehr den Verkehr einzuengen; eine im Prinzip ganz gewiß richtige Anschauung, wie es ja zu bedauern .ist, daß überhaupt Vorschriften erlassen werden müssen, um Treu und Glauben im Geschäftsverkehr aufrecht zu erhalten. Da aber der unlautere Wettbewerb immer neue Tricks findet und erfindet, so ist es unter Umständen nicht anders möglich, als auch dem freien Verkehr Fesseln anzulegen, wenn anders Treu und Glauben gewahrt werden soll. — Besonders erfreulich ist für uns die neue Regelung der Behandlung der Konkursmassenausverkäufe. Diese haben sich durch die Manipulationen der skrupellosen Elemente im Geschäftsleben zu einem der schwersten Miß bräuche ausgewachsen, dem mit Recht der Entwurf entgegen tritt, indem er bestimmt, daß die Ankündigungen von Konkursmassenausverkäufen deutlich erkennen lassen müssen, ob die Waren sich noch in der Gewalt des Verwalters befinden. Besser wäre es vielleicht, wenn vorgeschrieben würde, daß eine Ware, die aus der Konkursmasse ausgeschieden ist, gar nicht mehr als Konkursware — die ja immer noch eine besondere Anziehungs kraft auf das Publikum ausübt — bezeichnet werden darf. Die Ausverkäufe sind ebenfalls eine Geißel für den ehrenhaften Geschäftsverkehr geworden; durch immerwährende Nachschübe wird der Ausverkauf zu einem endlosen gemacht, indem sich an den Weihnachtsausverkauf der Osterausverkauf, der Pfingst- ausverkauf, der Ernteausverkauf anschließen. Der Entwurf stellt dankenswerterweise denjenigen unter schwere Geld- und Gefängnis strafe, der in einem Ausverkauf Waren nachschiebt; er unterstellt diesen Vorschriften auch alle Teilausverkäufe. Leider fehlt aber hier eine vorbeugende Bestimmung gegen die sogenannten »Aus nahmetage«, »billigen Tage«, Restertage«. Wirmeinen, es ist darin immer ein verschleierter Teilausverkauf verstanden, dem gegenüber jene schärferen Bestimmungen auch Geltung haben sollten. Inventur- und Saisonausverkäufe müssen sein; aber auch mit ihnen kann großer Unfug getrieben werden und ist ge trieben worden, und wir sehen nicht ein, warum diese ausge nommen werden sollen. — Wir freuen uns, daß die Strafen eine bedeutende Verschärfung erfahren sollen, daß sofort beim ersten Vergehen auch auf Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre erkannt werden kann; die bisherigen Strafbestimmungen waren offenbar zu niedrig, und die verhängten Strafen standen in keinem Ver hältnis zu den Vorteilen, die aus dem unlauteren Wettbewerb gezogen wurden. Wir begrüßen auch die Bestimmung, die even tuell die Unterlassung der Ankündigung anordnet und die Über tretung dieses Gebots unter Strafe stellt. — Die Frage der Be stechung, der sogenannten Schmiergelder der Angestellten, soll zur Entscheidung noch nicht reif sein. Wir bedauern, daß noch keine Regelung erfolgen soll; wir sehen unserseits kein Hindernis dafür und halten dafür, daß es die höchste Zeit ist, hier einzuschreiten. — Ein alter Wunsch der beteiligten Kreise ist die Einführung einer Generalklausel, die alle Erscheinungen des unlauteren Wett bewerbs trifft, die nicht durch die besonderen Bestimmungen der Vorlage getroffen sind oder getroffen werden können. Das fran zösische Recht kennt eine solche Generalklausel. Seit dem Inkraft treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ja gewissermaßen in § 826 auch eine ähnliche Formel gegeben. Erfreulicherweise bietet der Entwurf die Möglichkeit der leichteren Anwendbarkeit derselben; aber die Interessenten halten die Fassung für nicht genügend weitgehend, da die Vorsätzlichkeit nachgewiesen werden soll und damit die Androhung in der Hauptsache unwirksam gemacht wird. Wir sind gern bereit, in Erwägung darüber einzutreten, ob nicht eine allgemeine Fassung, welche dieJnteressenten befriedigt, gefunden werden kann. Das Lockmittel-, das Zugabewesen könnte durch solche Generalklausel getroffen werden. — Ein anderer Wunsch geht dahin, auch den Geschäftsinhaber für den unlauteren Wett bewerb mit haftbar zu machen, wenn der Angestellte sich des letzteren schuldig macht; es müßte, wenn es sich um die Wahrung von Treu und Glauben handelt, eventuell auch vor einer strafrecht lichen Anomalie nicht zurückgeschreckt werden. — Was die gericht liche Verfolgung der Ersatzansprüche betrifft, so soll anch der Staatsanwalt einschreiten können, aber nur wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. Diese letztere Einschränkung hat viele An fechtung erfahren. Der Staatsanwalt sollte verpflichtet werden können, ein öffentliches Interesse immer dann annehmen zu müssen, wenn ein gewerklicher Schutzverband den Antrag beider Staatsanwaltschaft stellt. — Die Interessenten verlangen weiter die Statuierung eines sogenannten »Unterlass» ngs liefe hls« nach Art der schon bestehenden einstweiligen Verfügung. — Die Vor lage beantrage ich an eine Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen, der es hoffentlich gelingen wird, ein gutes Stück Mittelstandspolitik zu treiben, um den Mittelstand vor der un lauteren Konkurrenz in seiner schwerbedrohten Existenz zu be wahren. Abgeordneter Roeren (Zentr.): Mit vielen Ausführungen des Vorredners bin ich einverstanden. Inhaltlich ist die Vorlage aber nur eine Novelle zu dem bestehenden Gesetze, an dem sie nur Änderungen und Ergänzungen vornehmen will. — Dem Ver langen der Generalklausel kann ich nun meinerseits nicht bei pflichten. Der Streit darüber hat sich in den Interessentenkreisen bis zur Stunde fortgesetzt Gegen das bestehende System der Spezialisierung läßt sich allerdings einwenden, daß die Findigkeit der Konkurrenz bald wieder Gelegenheit nehmen wird, durch die Maschen des Gesetzes durchzuschlüpfen. Bei der Eigenart der deutschen Rechtsprechung, bei der Abneigung der Richter, aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen Schlüsse auf bestimmte Tatbestände zu ziehen, wird sich das Gesetz vielleicht als wenig wirksam er weisen. In der französischen Rechtsprechung liegt die Sache ganz anders. Der ß 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist dem Oocks civil wörtlich nachgebildet, und dennoch hat man von seiner Wirksam keit auf diesem Gebiete in den acht Jahren seines Bestehens kaum etwas gemerkt. Wenn nun aber neben der jetzigen Spezialisierung im Gesetze auch noch eine Generalklausel ausgenommen wird, so er scheint uns das nicht nur überflüssig, sondern direkt schädlich. Würde eine solche Generalklausel ausgenommen, so würde die Gefahr nahe liegen, daß 8 826 und dies Gesetz verschieden inter pretiert und damit eine Nechtsunsicherheit geschaffen würde. Der Hauptvorwurf, den man gegen sie erheben kann, ist der, daß sie zu viel nicht enthält, was sie enthalten müßte. Ich vermisse namentlich Maßnahmen gegen das Unwesen der Lockartikel der Warenhäuser, das sogenannte Schleudersystem. Die Lockartikel in den Schaufenstern kann das Publikum ja leicht taxieren, aber die Waren im Innern des Lokals entziehen sich dieser Taxe, und es entsteht vielfach der Irrtum, daß auch diese Waren ebenso billig sind. Diese trügerische Reklame wird durch den Entwurf leider nicht gefaßt. In den Motiven wird diese Unterlassung damit gerechtfertigt, daß es zu schmierig sei, hier eine Grenze zn ziehen. Ich kann das nicht zugeben. Man könnte sehr wohl eine Grenze zwischen reellen und unreellen Preis angeboten finden. Der Einwand, daß durch eine solche Bestimmung Geschäftsgepflogenheiten berührt werden, ist nicht stichhaltig Wir wollen ja nur Maßnahmen gegen Ausschreitungen auf diesem Gebiete, gegen Täuschungen des Publikums. Dieses Gesetz soll nach meiner Ansicht auch keineswegs dazu bestimmt sein, dem gewandten, agilen und intelli genten Geschäftsmann die Ausnutzung seiner Vorzüge gegen weniger gewandte Geschäftsleute zu beschränken. — Weiter ver misse ich Bestimmungen gegen das sogenannte Schneeball system, welches das Publikum zu leichtsinnigen Anschaffungen verführt, es zur Abnahme teurer und überflüssiger Gegenstände zwingt. Daß ein Verbot eines solchen Systems und die Fest-