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^ 23. 29. Januar 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1251 (Roeren) setzung einer Grenze zwischen reellem Nabattsystem und dem Schneeballsystem möglich ist, zeigt die neueste österreichische Gesetz gebung. — Auch die Regelung des Ausverkaufswesens, wie sie in der Vorlage vorgesehen ist, läßt manches zu wünschen übrig, wenn auch das Verbot des Nachschubs zu begrüßen ist. In kauf männischen Kreisen wird gewünscht, daß für die Dauer der Aus verkäufe eine Zeit Ln waxiino festgesetzt wird, daß die Wieder holung eines Ausverkaufs nicht stattfinden, darf, wenn nicht nach weisbar besondere Gründe dies notwendig erscheinen lassen, daß ein Verzeichnis der auszuverkaufenden Waren eingereicht und für eine Kontrollkommission gesorgt wird; ohne eine genügende Kon trolle würde das Gesetz unwirksam bleiben. —§ 1 des alten Gesetzes, wonach unwahre Angaben »tatsächlicher Art« als Reklame galten, hat zu der größten Unklarheit und zu den größten Mißständen geführt. Es ist sehr schwer, zu unterscheiden, ob eine Reklame tatsächlicher Art oder urteilender Art vorliegt, und die Gerichte haben verschieden geurteilt. Die ganze Unterscheidung ist über flüssig und verfänglich, sie sollte fallen, die Gewerbekreise wünschen einstimmig ihre Beseitigung. Es genügt die Vorschrift: Liegt eine unwahre Reklame vor, die geeignet ist, das Publikum irrezuführen, so hat der Konkurrent das Recht, darauf zu dringen, daß diese Reklame unterbleibt. An der mangelhaften Auffassung des Be griffs »unlauterer Wettbewerb« tragen die Kaufleute selbst schuld, indem sie auf eine strafrechtliche Verfolgung drängen, statt die Sache zivilrechtlich auszufechten, wo der Begriff viel weiter interpretiert wird. — Ich beantrage, die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen, da der Entwurf nicht nur juristische Fragen, sondern auch Fragen des praktischen Lebens berührt. Abgeordneter Findel (nl.): Auch meine Freunde hoffen, daß diese Vorlage schwere Mißstände und gewisse Machenschaften be seitigen und den Grundsatz von Treu und Glauben mehr zur Geltung bringen wird. Uber das Ziel hinausschießende Be stimmungen würden allerdings auch das reelle Gewerbe schädigen; wir dürfen aber erwarten, daß dieses Gesetz gewissen Auswüchsen energisch zu Leibe gehen wird. Es fragt sich, ob es nicht richtiger gewesen wäre, schon früher diesem Unwesen entgegenzutreten. Der Kaufmannsstand war allerdings niemals ein Freund von einschränkenden Gesetzen und von polizeilicher Bevormundung. Der Handelsstand hat sich darin getäuscht, daß er selber das Übel ausmerzen könne, er wußte nicht, daß es einen solchen Um fang annehmen würde. Das Gesetz von 1896 hat nur in be schränktem Maße geholfen, dem Unwesen namentlich des Nach schubs stand es machtlos gegenüber. Nicht sowohl die mangelnde Initiative des Kaufmannsstandes als die mangelhafte Handhabung führt und eine Revision des Gesetzes wünschenswert erscheinen lassen. Der jetzige Entwurf befriedigt nicht alle Teile. Es muß anerkannt werden, daß er auch diesmal der Kritik der Gewerbe- er extreme Wünsche nicht berücksichtigt. Wenn auch nicht alle Anregungen Erfüllung gefunden haben, so doch die wesentlichsten, zu denen die Praxis des letzten Jahrzehnts Veranlassung gegeben hat. Das Schmiergelderunwesen bedarf allerdings baldigster Regelung, denn alle Abhilfe, die man auf dem Wege der Selbst hilfe gesucht hat, ist wirkungslos geblieben. Die Nabatt- ge Währung ist ja eine alte Tradition des Geschäftes, und die Rabattsparvereine haben wenigstens das Gute unbedingt gehabt, daß sie die Barzahlung gefördert haben. Sollte man daran gehen wollen, eine Generalklausel ausfindig zu machen, die alle Spezialvorschriften überflüssig macht, so werden wir uns der Mitarbeit dabei nicht entziehen; aber ich fürchte, daß es ungeahnte Schwierigkeit machen wird, eine solche Formel zu ermitteln. — Die Haftbarmachung des Geschäftsinhabers für unrichtige An gaben der Angestellten, die im Sinne eines unlauteren Wett bewerbes erfolgen, ist eine einschneidende Maßregel, die aber eventuell im Interesse des ehrbaren Geschäfts getroffen werden müßte. — Sehr erfreulich ist, daß gegen das Ausverkaufs wesen endlich mit Energie eingeschritten werden soll. Es weiß ja doch nicht jeder Käufer betreffs der Reellität oder Nichtreellität richtig zu unterscheiden. — Hier und da wird noch auf eine schärfere Fassung der Bestimmungen des Entwurfs hinzuarbeiten fein. So wird unlauterer Wettbewerb nach der Meinung der Interessenten auch dann anzunehmen sein, wenn ein Geschäftsinhaber oder Verkäufer sich weigert, einen Gegenstand mit darauf verzeichnetem Preise aus dem Schaufenster zu nehmen. — Mit dem ersten Vorredner bin ich der Meinung, daß der Staatsanwalt bei der Strafverfolgung ein öffentliches Interesse annehmen muß, wenn ein gewerblicher Schutz verband den Strafantrag stellt. Im übrigen wünschen wir, alle modernen Errungenschaften erhalten zu sehen, die Handel und Verkehr sich verschafft haben; aber Treu und Glauben müssen als Grundlage des Geschäftslebens und so auch dem Mittelstand seine Grundlage erhalten bleiben! Abg. vr. Frank (Soz.): Das Gesetz hält sich im allgemeinen vollkommen frei von der Bekämpfung des unlauteren Wett bewerbs der Großen. Wenn die Herren von der schweren Industrie durch die bekannten Mittel einem Außenseiter die Mittel die Kurse mancher Kolonialpapiere künstlich in die Höhe getrieben werden, so ist das kein unlauterer Wettbewerb, sondern eine Finanzoperation. Die Bestimmung des 6ocks civil hat in einer Reihe deutscher Staaten Geltung gehabt, ohne daß die deutsche Rechtsprechung die Kraft besaß, aus sich heraus zu einer allgemeinen Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zu ge langen. Es würde seine Bedenken haben, wenn eine General klausel in die nicht immer unbedenklichen Hände der deutschen Richter gelegt würde Die bisherige Praxis des bestehenden Gesetzes wird durch den Entwurf legalisiert, auch bezüglich des § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches. In der öffentlichen Er örterung des Entwurfs ist namentlich die Regelung der Aus verkäufe strittig gewesen. Tatsächlich ist seit 1897 durch die Recht sprechung des Reichsgerichts eine große Rechtsunsicherheit ein getreten, insbesondere hat die Rechtsprechung der Gerichte bezüglich der Nachschübe durchaus geschwankt. Der richtige Weg scheint mir durch eine Eingabe der Kölner Handelskammer gewiesen zu sein, die anderen Gebieten zur Durchführung gelangt. Denken Sie an die Arbeiterschutzbestimmungen; da kalkulieren auch die Unter nehmer schon die zu erwartende niedrige Geldbuße in ihre Uber- tretungsabsichten hinein. — Nicht einverstanden erklären können wir uns mit der Erhöhung des angedrohten Geldstrafenmaximums auf Gehilfen und Lehrlinge. — Nicht getroffen wird der Auf- ageschwindel, der bei manchen Büchern getrieben wird; ich halte dafür, daß er ohne weiteres unter den unlauteren Wett bewerb fällt, aber von einem Einschreiten hiergegen ist nichts zu hören. — Auf dem Gebiete des Ausstellungsschwindels kann sehr viel, aber nicht alles durch Selbsthilfe geschehen. Seit den letzten zwei Jahrzehnten herrscht ein geradezu skandalöser Zustand. Von der Pariser Weltausstellung 1889 ab hat sich ein ganzes Gewerbe solcher Ausstellungsschwindler herausgebildet; Komitees und Vereine haben sich nur zu dem Zwecke zusammengeschlossen, Ausstellungen zu veranstalten, für die bis zu 100 Prozent habt haben, zu denen sie mißbraucht wurden. ... — Die Worte (Angaben) »tatsächlicher Art« aus dem bisherigen Gesetz zu streichen, hat seine Bedenken; sie ziehen in gewissen Fällen doch sehr notwendige Schranken. Wenn z. B. für einen in letzter Zeit vielfach genannten Kommentar eine Reklame veröffentlicht und dieser Kommentar als der beste bezeichnet würde, so würde eine Bestrafung nicht eintreten können, wenn man die zitierten Worte striche. So aber bestünde die Gefahr, daß ein geschätztes Mit glied dieses Hauses wegen unlauteren Wettbewerbs belangt würde. — Eine Kommission von 21 Mitgliedern würde für die weitere Behandlung des Entwurfes geeignet sein, und wir würden in ihr Mitarbeiten. Abgeordneter Linz (Nv.): Meine politischen Freunde haben den Gesetzentwurf als ein erfreuliches Zeichen des zunehmenden Verständnisses für die Not und die Bedürfnisse des Mittelstandes freudig begrüßt, und wenn wir auch eine Reihe von Abände- 163*