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724 Nichtamtlicher Theil. 47, 26. Februar. Was speciell die Auslassung von Eampe's Robinson anlangt, so ist das vielleicht mit gutem Grunde und mit Absicht geschehen, denn dag die Campe'sche Behandlung der Dcfoe'schcn Erzählung, würde sie heutzutage als Neuigkeit ans den Markt kommen, mit mehr Kopfschütteln als Beifall begrüßt werden würde, ist für mich eine ausgemachte Sache. Immerhin aber sollte ein so unverfängliches Buch in Anbetracht seiner Gangbarkeit nicht fehlen. Bezüglich der Unvollständigkeit der Titelangaben, welche ans dem Bestreben hcrvorgcgangen ist, so wenig Raum wie möglich zu vergeuden — denn Raum ist Geld — erkenne ich die Berechtigung des Tadels unverhohlen an. Jedenfalls ist der Grundsatz der rich tigste, daß, wenn ein größerer Raum nicht zur Verfügung steht, lieber der Zahl nach weniger Titel, diese aber so vollständig, wie es nur wünschenswcrth ist, gegeben werden. —Das Curiosum,, Brünier, Luise" ist im Zusammenhänge mit dem vorhergehenden Titel nicht so eurios und völlig verständlich. Spaßhafter erscheint vielleicht der Titel: „Perthes, Fr. Perthes, Perthes", wenn auch der dreifache Perthes nach Lage der Sache ganz berechtigt ist. Wenn ich nun das Maß des Tadels der Begutachtungs-Com mission relativ, Las heißt im Vergleich zu dem im deutschen Buch handel bisher Geleisteten, nicht als richtig anerkennen kann, so bin ich ebensoweit davon entfernt, das Lob der typographischen Aus stattung, namentlich des Jnseratentheils, als vollberechtigt anzucr- kenneu. Das Papier ist etwas zu grau im Ton, der Satz — freilich durch Schuld der Inserenten, die einer einzelnen Columne zu viel aufbürden möchten — häufig zu sehr gedrängt, der Druck leider in Folge der Nachtarbeit und überstürzten Zurichtung nicht gleichmäßig schön, die Glätte des Papiercs nicht durchweg befriedigend. Was die Anordnung des Satzes anlangt, so möchte ich für den Fall eines zweiten Jahrganges die Bitte an die inscrirendcn Verleger richten, im eigenen Interesse die Columnen nicht mit einer Unmasse von Titeln zu überfüllen und für die Illustrationen möglichst freien Raum zu ge währe». Ein schön gruppirter Titel mit hervortrclendcr Hanptzeile, namentlich wenn von einer Illustration unterstützt, wird stets die Aufmerksamkeit anziehcn, wogegen der gleichmäßige Katalogsatz mit einer Menge aneinandergereihter Titel einen langweiligen Eindruck macht und deshalb die gewollte Wirkung verfehlt. Der Nutzeffect der Inserate wird stets in ziemlich genauemVerhältnissczu den Kosten des Raumes stehen, den sie einnehmen, wenn überhaupt an der be treffenden Stelle und bei der Beschaffenheit des Objects ein Nutz effect zu erwarten ist. Eine andere wesentliche Verschönerung des Jnseratentheils ließe sich erzielen, wenn durchaus nur Antiqua verwendet würde. Bei gruppirtem Satz ist der Schönheitsvorzng der Antiqua vor der Fractur so augenfällig, daß der Streit um den Preis hier sofort zu Gunsten der älteren (nicht bloß romanischen sondern auch) deutschen Sckriftgattung entschieden ist. Denn was bietet die Fractur an Er satz für die ruhige Linie einer in lateinischen Versalien gesetzten Titel- zeilc? Was hat sie ferner der Cursiv — namentlich im fortlaufenden Satz — an die Seite zu stellen? Die Antiqua ist durchweg viel reicher in ihren Mitteln und nach den jetzt in Europa herrschenden Schönheitsbegriffcn, für welche die Antike und die Renaissance den Kanon abgcben, in Anbetracht ihrer sanft geschwungenen, nicht eckig gebrochenen Formen auch die an Schönheit überlegene. Wer eine äemonstratio ucl oeulos zu haben wünscht, dem empfehle ich den von Facsy L Frick in Wien herausgegebenen Weihnachts-Lagerkatalog, in seinerArteins derbewundernswürdigsten typographischen Meister werke, welche mir in neuerer Zeit vor Augen gekommen. Im klebrigen will mich's bcdünken, als ob die seither im Börsenblatt aufgetretenen Vertheidiger der Antiqua darin Unrecht gethan haben, daß sie den philadelphischeu Scherz des Herrn Fr. Frommann für baarc Münze genommen. Sie haben jedenfalls nicht daran gedacht, daß gerade Faschingszeit war, wo man sich immerhin auch unter der ernsthaftesten Miene einen Spaß mit guten Freunden erlauben darf. Der philadelphische Fracturist ist jedenfalls nur ein fabelhafter Amerikaner und die Anempfehlung seiner Elegie auf die hinsterbende Fractur im Börsenblatt nichts weiter als ein glücklicher Versuch, den Widerspruch herauszufordern und die er mattete Agitation für gänzliche Abschaffung der typographischen Doppelwährung aufs neue zu beleben. — Herr Fr. Frommann weiß ebensogut wie jeder gebildete Fachmann, daß die Fractur nichts weiter als eine ins Zackige, Eckige und bei den Majuskeln ins Schnörkelige verzerrte Antiqua ist, daß diese im späteren Mittelalter Mode gewordene Caricatur der bisher üblichen Schriftcharaktere auch niemals deutsch-national gewesen, sondern ein ganz natürlicher Ausfluß der sogenannten gothischen Geschmacksrichtung in der Bau kunst war, welche vom 13. bis 16. Jahrhundert den Norden Europas (nicht etwa Deutschland allein) beherrschte, daß ferner diese gothischen Schriftcharaktcre nicht nur für deutsche, sondern auch für lateinische Worte — zahllose Grabplatten ans jener Zeit sind Zeugen dafür — unbedenklich verwandt wurden. Die Unkenntniß dieser längst erhärteten Thatsachen bei Herrn Fr. Frommann vorauszusetzen, scheint mir doch ein wenig das Maß des Zulässigen zu überschreiten. Und wie sollte er gar übersehen haben, daß cs gerade unsere großen Germanisten waren, welche der besseren Ueberzcugung die Bahn brachen! Mag auch etwas Wahres daran sein, daß in Jena zu ge wissen Zeiten die Geister der Romantiker ihr mittelalterliches Un wesen treiben — in diesem Falle beruht der Hergang sicherlich auf einem ganz modernen Spiel heiterer Laune. Suche also Jeder, dem das Gute und Bessere am Herzen liegt, die Frommann'schen, bisher so ganz mißverstandenen Absichten nach Kräften zu unterstützen. Gelingt es vereintenBemühungen, die unselige Erbschaft der Fractur, — um derentwillen man es bedauern könnte, Laß nicht ein Aldus Manutius statt eines Gutenberg die beweglichen Typen erfunden, — ganz und gar zu verdrängen, so haben wir unserem Volke und der gesammtcn Culturwelt einen großen Dienst erwiesen, den größten aber unfern geplagten Buchdruckern, die wohl viel darum geben würden, wenn sie sich der Doppcllast beider Schriftgattungen entschlagen könnten. Nach diesem kleinen Ercurse komme ich noch einmal auf den Weihnachts-Katalog mit einer Bitte an die Herren Sortimenter zurück. Nach den im Vorjahre gemachten Erfahrungen will es mir scheinen, als ob eine größere Anzahl von Handlungen doch zu große Massen des Kataloges ins Publicum geworfen habe. Ich fürchte, man ist hier und da zu wenig wählerisch zu Werke gegangen und hat Hinz und Kunz, der einmal seine Nase in einen Buchladen ge steckt, ein derartiges Festgeschenk gemacht. Eine solche wahllose Ver keilung liegt aber weder im Interesse des Sortimenters noch in dem der inserircnden Verleger, denen die größere Auflage des Katalogs ja auch größere Kosten verursacht. Sollten wir zu einem zweiten Jahrgange der Publication schreiten, so wird für schönere Ausstat tung und correcteren Inhalt jedenfalls gesorgt, aber auch ein höherer Preis bedingt werden müssen. Vielleicht daß dieser dann schon be schränkend auf die allzu eifrige Verwendung wirkt und daß wir mit einer Auflage von 30,000 den Bedarf decken. Eine solche Beschrän kung der Auflage wäre auch im Interesse der besseren und zeitigeren Herstellung nur wünschenswcrth. E. A. Seemann. Misccllen. Die Bedeutung des „Jllustrirten Weihnachts-Kata logs" für len Buchhandel und das Publicum geht am besten dar aus hervor, mit welchem Eifer Korporationen und einzelne Stimmen.