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2S6, 8. November 1SVS. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s d Dttchn Buchhandel. 18263 voller Weise erleichtern werden, ist noch zweier Stiftungen dankbar zu gedenken, die unserem Hause, speziell unserer Gutenberghalle, höheren Schmuck und Inhalt zu geben bestimmt sind Als Stiftung der Vorstandsmitglieder erblicken wir heute zum ersten Male an der Eingangs wand, über der Musiktcibüne, ein neues dekoratives Gemälde von Professor Sascha Schneider, dem auch der frühere malerische Schmuck der Halle seine Entstehung verdankt. Zwei mächtige Drommetenbläser sind es, mit denen er die bisher noch leere und etwas unruhige Wand gleichzeitig geschmückt und zusammengehalten hat, und ihret wegen sind wir heute von dort oben mit Hörnerklang begrüßt worden. Es steht uns nicht zu, an dieser Stelle über das Werk zu urteilen; eins aber dürfen wir sagen, daß billigerweise von einem Künstler nicht erwartet werden kann, daß er nach zehn Jahren steter Entwicklung noch der Gleiche ist Und wenn vielleicht manchem die Ver größerung des Maßstabes gegenüber den früheren Figuren zunächst etwas befremdlich vorkommt, so dürfen wir er widern, daß derselbe Zug zum immer Mächtigeren auch anderen Meistern eigen war — es sei in dieser Hinsicht nur, ohne im übrigen irgend verleichen zu wollen, an die Sixtinische Kapelle erinnert. Begrüßen wir daher das Bild als ein neues vollgül iges Werk monumentaler Kunst ln Leipzigs Mauern! Das andere Kunstwerk, das wir heute zum ersten Male hier erblicken, ist ein plastisches; die von Reinhold Carl geschaffene Marmorbüste unseres lieben, zu früh entrissenen zweiten Vorstehers und unvergeßlichen Freundes JohannWeber, gestiftet von seiner Witwe Frau Anna Weber. Wie er, einer der eifrigsten und erfolgreichsten Vorkämpfer für unsere Sache, von hier aus unter allgemeiner Teil nahme zur letzten Ruhe bestattet worden ist, so wird uns sein liebenswürdiger, charakteristischer Ko,,s mit dem feinen humoristischen Zug nun zu dauernder Erinnerung vor Augen stehen, recht im Sinne der Bestimmung dieser Halle als Ehrensaal des Buchgewerbes, in dem Johann Weber ganz gewiß seinen Platz verdient. Ehre seinem Andenken, Dank der feinsinnigen Stifterin! Doch der Deutsche Buchgewcrbeverciu ivollic heute nicht nur nehmen, eine Eigenschaft, für die er leider schon etwas berüchtigt ist; er wollte auch versuche», nach seine» schwachen Kräften etwas zu geben, oder doch wenigstens seiner Dankbarkeit besonderen Ausdruck zu verleihen. Der Stistertafeln in dieser Halle wurde bereits gedacht; wir weihen sie heute mit erneutem Danke gegen alle, die darauf verzeichnet sind und die auch unsere Festschrift nochmals anführt. Weiter ober hat der Deutsche Buch- gewcrbeverein durch einstimmigen Beschluß des Vorstandes und sämtlicher Ausschüsse eine Reihe hochverdienter Männer zu seinen Ehrenmitgliedern ernannt, denen er sich zu besonderem Dank verpflichtet fühlt und die er daher in besonderer Weise auch äußerlich mit sich verknüpft sehen möchte, nämlich: aus dem Kreise der hohen Behörden, deren verständ nisvoller Förderung wir »ns stets zu erfreuen hatten; Herrn Geheimen Oberregierungsrat I)r. Theodor Lcwald in Berlin, den erfolgreichen Vertreter Deutschlands im internationalen Wettbewerb und Fürsprecher des Buchgewerbes in der Relchsverwaltung; Herrn Ministerialdirektor Geheimen Rat vr. Karl Roscher in Dresden, den treuen Förderer des Buch gewerbevereins in seiner engeren Heimat, und Herrn Oberbürgermeister I)r. Rudolf Dittrich in Leipzig, den weitblickenden Leiter der Stadt, in der dem Deutschen Buchgewcrbeverein nicht nur äußerlich Sitz und Mittelpunkt bereitet wurde; aus dem Kreise der bildenden Künstler, denen das Buchgewerbe die bleibendsten Anregungen verdankt; Herrn Professor 0r. Hans Thoma, Großherzoglichen Galeriedireltor in Karlsruhe, den Meister herzerfreucnder Kunst und Wiedererwecker der deutschen Kllnstlerstein- zeichnung, dem das Diplom schon an seinem siebzigsten Geburtstage, am 2. Oktober, persönlich überbracht wurde, und Herrn Josef Sattler in Straßburg i/Elsaß, den Wiedcrbeleber echten deutsche» Buchstils und Schöpfer des in Schrift und Bild vorbildlichen Nibelungen- Wcrkes der Reichsdruckerei; aus dem Kreise der Kunstgelehrten und Lehrer der Technik, die in Wort und Schrist in unserem Sinne ge wirkt haben; Herrn vr. Peter Jessen, Direktor der Bibliothek des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin, den lebendigen Vorkämpfer der neuen deutschen Buchkunst; Herrn Geheimen Regierungsrat Professor vr. Adolf Miethe in Berlin, den verdienstvollen Lehrer und Mehrer photographischer Vervielfältigung, und Herrn Professor llr. Josef Maria Eder, Direktor der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchs-Anstalt in Wien, den verdienstvollen Lehrer uud Schriftsteller auf dem Gebiete der Reproduktionstechnik; aus dem Kreise der buchgewerblichen Praktiker, die uns neue Wege erschlossen haben: Herrn vr. Eugen Albert in München, den unermüd lichen Forscher auf dem Felde der Reproduktionstechnik; und Herrn Georg Meisenbach in München, den Er finder der Autotypie und Bahnbrecher auf dem Ge biete des modernen Jllustrationswesens. Wir bitten die verehrten Herren, diese einzige Ehrung, die wir zu vergeben haben, so entgegenzunehmen, wie sie gemeint ist, und ferner die llnsrigcn zu bleiben, als die wir sie stets innerlich schon betrachtet haben! — Wenn wir nun zur Besichtigung unserer Ausstellung schreiten, die damit ihre Eröffnung findet, so wird über diese am besten an Ort und Stelle einiges gesagt. Nur ein kurzes Wort über Zweck und Anlage sei hier vorausgefchickt. Der Grundgedanke dabei war, zu zeigen, wie in diesen letzten 25 Jahren des Gärens und Ringens auf künst- lerffchem und gewerblichem Gebiete, die der Buchgewerbe verein strebend und fördernd mit durchlebt hat, eine große und einschneidende Wandlung des Geschmacks und der Ansichten eingeirete» ist, die zwar noch nicht als abge- gcschlossen gelten kann, aber doch einigermaßen zu über sehen ist. Au Erzeugnissen aus den Jahren 1884 bis 19v9, in kleineren oder größeren Zeitabschnitten, wird dies in folgenden wichtigsten Gruppen des Buchgewerbes ver anschaulicht, so gut cs der beschränkte Raum eben zuließ; Schriftgießerei, Buchdruck, Buchausstattung, Wandschmuck, Plakate, Buchbinderei und Reproduktionsverfahren. Dabei wurde» jeweilig die bedeutsamsten Erscheinungen, die in sich die Wendepunkte der Entwicklung und die Anstöße zu neuer Entfaltung der Kräfte darstellen, be sonders betont und durch gesonderte Ausstellung inmitten der betreffenden Abteilung schon äußerlich hervor gehoben. Es ist versucht worden, aus den verschiedenen Gruppen und Zeitabschnitten das jeweilig Anerkannteste und Charakteristischste zu zeigen, und nichts liegt uns ferner, als etwa das Frühere schlechthin als minderwertig und das Neuere als mustergültig hinstellen zu wollen, wenn wir auch naturgemäß geneigt sind, die technische und be sonders die künstlerische Entwicklung der letzten Zeit, an der wir nach Krälte» mitgearbeitet haben, als einen Fort schritt zu betrachten. 1720»