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12V 3 4 S«rMdlE >. ». Lych«. Mchtamtlicher Teil. 235, 8. Oktober 1912 Sächsisch-Thüringischer Buchhändler-Verband. E. V. 29. ordentliche Verbandsversammlung am Sonntag, den 22. September 1912, vormittags 11 Uhr, im Saale des „Hotel Löwe- zu Rudolstadt. lFortsetzung zu Nr. 234 d. Bl.) Ich gehe nun zu den Konkurrenten des Buch handels über, soweit sich der Verband und die buchhänd lerische Öffentlichkeit im letzten Jahre mit ihnen haben be schäftigen müssen. Das energische Vorgehen des Börscnvereins-Vorstandes gegen die llberhandnehmcnden Gründungen von Vereins- buch Handlungen wurde durch ein Urteil des Land gerichts Leipzig in einem gegen den Börsenverein von einer Vereinsbuchhandlung angestrengten Prozesse gestützt. Leider hat die zweite Instanz dieses Urteil nicht bestätigt, und bei der den Anschauungen des Buchhandels nicht günstigen Spruchpraxis des Reichsgerichts ist auch dort ein dem Buch handel günstiges Urteil kaum zu erwarten. Ob und welche wei teren Maßnahmen zum Schutze des Verlags- und Sortiments buchhandels, die beide gleicherweise an dieser Frage interes siert sind, der Börsenvereins-Vorstand dann wird ergreifen können, bleibt abzuwarten. Es wurden von mir im letzten Geschäftsjahre fünf Fälle von Zeitungsbuchhandel in Behandlung genommen. Es handelte sich zunächst um die uns bereits sattsam bekannte Zeitung »Der Altmärker«, die, wie schon im vorigen Jahre, wieder Bücher-Jnserate in angreifbarer Form veröffentlicht hat. Die meinem Vorgänger gegebene Erklärung über den frü heren Fall legten wir so aus, als wolle die Zeitung in künf tigen Fällen die Aufnahme solcher Inserate unterlassen. Es hat sich aber herausgestellt, daß die Erklärung nur den Sinn hatte, daß man künftig Inserate in der beanstandeten Form nicht mehr aufnehmen werde. Nun hatte der betref fende Inserent im Oktober vorigen Jahres eine andere Form für das Inserat gefunden, die allerdings ebenso anfechtbar war wie die erste. Eine nochmalige eingehende Vorstellung bei dem Verlage der Zeitung hat als Erfolg nur die Zu sicherung gebracht, daß man künftig diese Anzeige »mit der artigen Stichworten« nicht mehr erscheinen lassen wolle. Das ist ein mageres Resultat, denn es kann uns naturgemäß nur daran gelegen sein, daß solche Anzeigen überhaupt völlig aus den Zeitungen verschwinden. Meine Vorstellungen haben da gegen erfreulicher Weise in Wernigerode Erfolg gehabt. Un sere beiden dortigen Mitglieder haben sich, nachdem ich an die Zeitungen ausführlich geschrieben hatte, noch einmal selbst mit deren Verlegern in Verbindung gesetzt und die Zusage er- halten, daß die Zeitungen den Büchervertrieb künftig aus geben werden. Mit dem auch dem Buchhandel angeschlosse nen Verlage des »Regierungs-Blattes für das Herzogtum Sachsen-Meiningen« habe ich einen Briefwechsel gehabt, der nicht zum Ziele geführt hat, da sich dieser Verlag ausdrück lich weigerte, unserem Wunsche stattzugebcn. Nachdem sich jedoch dann eines unserer Mitglieder nochmals persönlich mit dem Verleger in Verbindung gesetzt und ihm klar ge macht hatte, daß er den Sortimentsbuchhandel mehr schädige, als sich selbst dabei nütze, da es sich doch meist um den Ver kauf verramschter Werke handelt, mit denen die Zeitung keine Ehre einlegen kann, ist auch hier die Zusicherung künftiger Unterlassung solcher Angebote erfolgt. Die Firma Aug. Scherl hat für ihre großen Tageszeitungen eine Anzahl Bücher selbst verlegt, die sie als Zeitungsprämien anbietet und nicht an den Buchhandel abgibt. Die dadurch verursachte Schädigung des Sortiments ist erheblich; der Fall ist im Börsenblatt zur Sprache gebracht worden, ebenso wie der Versuch des Eckstein- schen Verlags, die Tageszeitungen systematisch für den Zei- tungsbuchhandcl, nämlich für den Absatz einer von Eckstein eigens dazu herausgegebenen Bllcherserie zu interessieren. Die prinzipielle Frage des Anschlusses der Waren häuser an den Buchhandel hier nochmals aufzurollen, würde keinen Zweck haben. Ich begnüge mich also mit der Mitteilung, daß das Warenhaus Willy Cohn in Halberstadt den zurllckgewiesenen Versuch gemacht hat, Anschluß an den Buchhandel zu finden, und daß das Warenhaus Tietz in Gera unter Anwendung der satzungsgemäßen Vorsichtsmaßregeln voraussichtlich demnächst dem Buchhandel angeschlossen wird. Die vom Vorstand des Börsenvereins in Gemeinschaft mit den Vorständen der Kreis- und Ortsvereine aufgestellten Grundsätze für die Neuaufnahme von Firmen ins Börsenblatt und Adreßbuch, die den von unserm Verbände schon länger an gewandten entsprechen, haben sich bei der Adreßbuch- Rein l g u n g bestens bewährt. Die Geschäftsstelle des Bör senvereins hat in fast allen Fällen von dem Rechte Gebrauch gemacht, sich über neue Firmen unseres Verbandsbezirks, deren bnchhändlerische Qualität ihr zweifelhaft war, bei Ihrem Vorstande zu erkundigen. Ich habe dann meinerseits bei anderen Firmen an dem betreffenden Platze Auskunft eingezogen, die mir in dankenswerter Weise fast ohne Aus nahme zur Verfügung gestellt worden ist. Ist damit auch eine nicht unerhebliche Arbeit verknüpft, so wird doch der Zweck erreicht, nichtbuchhändlerische Firmen vom offiziellen Anschluß an den Buchhandel abzuhallen. Es gelang auf diese Weise, die Aufnahme folgender Betriebe ins Adreßbuch zu verhindern: einer Jdiotenanstalt, die einen kleinen Verlag betreibt, der ohne Bedeutung für den Sortiments-Buchhandel ist; des Verlags einer Tageszeitung, die Zeitungsbuchhandel betreibt; einer graphischen Kunstanstalt mit Zeitungs- und lo kalem Zeitschriften- und Reisebllcher-Verlag; der neugegrün deten Firma eines stellungslosen Bureauvorstehers; mehrerer Papiergeschäfte mit ausschließlich Schulbücherlager; der Ver sandbuchhandlung eines Holzhändlers; eines Musikalien- Selbstverlags ; einer kleinen Buchdruckerei, die die Absicht kund gab, sich auch dem Verlage zu widmen; einer kleinen Kunst handlung nichtbuchhändlerischen Charakters, die inzwischen schon wieder in Konkurs geraten ist; eines reinen Kolpor tagegeschäfts. In zwei Fällen hat der Vorstand des Börsenvereins uns von der Streichung größerer Druckereifirmen Mitteilung ge macht, da bei diesen ein buchhändlerischer Geschäftsbetrieb nicht vorlag. Soweit uns aus dem Kreise unserer Mitglieder ausführlich begründete Mitteilungen darüber zugehen, wo sich noch im Adreßbuch Firmen finden, deren Streichung nach den jetzt geltenden Grundsätzen erforderlich erscheint, werden wir alles Nötige veranlassen, wie dies auch schon im letzten Ver bandsjahre mehrfach geschehen ist. Dabei darf natürlich niemals außer acht gelassen wer den, daß bei der Beurteilung der Würdigkeit einer Firma zur Aufnahme ins Adreßbuch weder die Abneigung vor der Konkurrenz, noch eine persönliche Differenz, auch nicht irgend welche Rücksichten auf die politische oder religiöse Gesinnung des Aufnahmesuchenden eine Rolle spielen dürfen. Aber auch wenn diese Gefahr nicht vorliegt, ist die Entscheidung nicht immer ganz leicht, da sich der Vorstand auf subjektive Urteile verlassen und auch dem Aufnahmcsuchenden gegenüber die strengste Gerechtigkeit walten lassen muß. Die Entschließung in »Grenzfällcn«, in denen die vorgeschriebenen Bedingungen fast völlig erfüllt sind, ist häufig schwierig. Ganz zweifellos ist heute schon eine Besserung des frü heren Zustandes zu verzeichnen, da die früher allzubeflissenen Kommissionäre und Grossisten jetzt Wohl in zahlreichen Fällen gar nicht mehr den Versuch machen, ihre Schützlinge offiziell dem Buchhandel zuzuführen, nachdem sie die Schwierigkeit der Einführung erkannt haben.