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.V 235. 8. Oktober 1912. Amtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 12019 Anteil. I26I8 Propagandaleute, 3444 Proselyten. L) Französischer Anteil. 820 Propagandaleute, 4344 Pro- selyten. v) Japanischer Anteil. 265 Propagandaleute. Der japanische Anteil ist tatsächlich größer, als diese Zahl angibt, aber nicht leicht kontrollierbar. Aus diesen verläßlichen Zahlen ergibt sich, daß der amerikanisch-englische Einfluß in Kuang-Tung hinsichtlich der wichtigen Propagandaleute 25 mal so groß ist als der deutsche. Gerade die Bewohner dieser Provinz, besonders der Provinzialhauptstadt Canton, gelten aber allgemein als die gewandtesten, klügsten und unternehmungslustigsten Chinesen. Von Java bis Peking findet sich der Cantonese überall in leitenden Stellungen, und das ist natürlich den anglo-amerikanischen Interessen sehr förderlich. Ähnlich ungünstig wie in der Provinz Kuang-Tung liegen für Deutschland die Einflußverhältnisse in den übrigen Teilen Chinas mit Ausnahme des Kiautschougebietes. Daraus folgt die Notwendigkeit, die deutsche Pionier- arbeit in China wesentlich zu steigern und frühere Versäumnisse gutzumachen. Statt dessen drohte aber kürzlich das Gegenteil einzutreten. Durch die chinesische Revolution war nämlich bei den an der deutschen Kulturarbeit in China interessierten Inlandskreisen eine Erschlaffung dieses Interesses eingetreten. Da eine Weiterentwicklung dieser „Chinamüdigkeit" ganz unberechenbaren Schaden angerichtet haben würde, erhoben sich im Lager der Eingeweihten warnende und mahnende Stimmen. Der „Ostasiatische Lloyd" veröffentlichte in Nr. 24 vom l4. Juni ds. Is. einen bedeutsamen Artikel „Die Revolution in China und die deutschen Kulturbestrebungen". Ähnliche Gedanken kamen im Iuliheft der „Ostasiatischen Lehrerzeitung" zum Ausdruck. Von vr. Frhr. von Mackay erschienen bemerkenswerte Artikel in den „Leipziger- Neuesten Nachrichten" (5. September: „Eine Kulturmission für den deutschen Buchhandel") und in der „Vossischen Zeitung" (9. September: „Revolution und deutsches Schulwesen in China"). (Bericht über elfteren Artikel Mackays im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel" vom 7. September.) Alle diese Artikel gipfeln in der Feststellung, daß die Revolution mit ihren Folgeerscheinungen eine Situation geschaffen habe, die einer kräftigen Weiterentwicklung der deutschen Kulturarbeit nicht hinderlich und schädlich, sondern gerade außerordentlich günstig sei. Für diese Auffassung werden verschiedene überzeugende Gründe angeführt (s. An lage l). Danach ist die Revolution dem ausländischen Schulwesen im allgemeinen sehr förderlich gewesen, weil die Regierungsschulen sämtlich geschloffen wurden und die Chinesen ausschließlich auf die Fremdenschulen angewiesen blieben, denen infolgedessen viele neue Schüler zuströmten. Den Löwenanteil daran hatten natürlich wieder die Engländer und Amerikaner mit ihrer wesentlich größeren Schulenzahl und ihren ungleich reicheren Betriebsmitteln. Dadurch sind wieder weitere chinesische Volkskreise für die auf ethischer Basis ruhende deutsche Kultur, vorläufig wenigstens, verloren gegangen. Nun spricht aber vr. Frhr. v. Mackay in der „Vossischen Zeitung" (s. oben) die Aberzeugung aus, daß der Siegeszug des amerikanischen Materialismus, wie überhaupt der ganzen angelsächsischen Kultur, jetzt unbedingt ins Stocken geraten müßte. Die chinesische Weltanschauung, deren Fundament die Werke der großen Sittenlehrer Kung- fu-tse (Consucius) »nd Lao-tse sind und bleiben werden, ist so ganz und gar auf das Ethische gerichtet, daß der gebildete Chinese in der deutschen Kultur viel mehr wesensverwandten Zügen begegnet, als in der anglo-amerikanischen. Daß die klare Erkenntnis dieser Tatsache unter den Chinesen neuerdings wieder Boden gewinnt, dafür zeugen verschiedene Ereignisse der jüngste» Zeit, die in Anlage l Absatz 3 erwähnt sind. Eine» schönen Erfolg der deutschen Sachs be deutet auch die feierliche Wiederöffnung der Aniversität Peking am 15. Mai d. I., bei der, wie der „Ostasiatische Lloyd" berichtet, die Begrüßungsansprache und zwei weitere Reden in deutscher Sprache gehalten wurden, erstere von dem Chinesen Or. Chiu, dem Direktor des Vorbereitungskursus für die Aniversität. Alle diese Anzeichen berechtigen zu der Erwartung, daß die deutschen Kulturbestrebungen in China noch große Erfolge erzielen können und werden, wenn die nötige Opferwilligkeit vorhanden ist. Der Notschrei nach Anterstühung und Förderung vom Mutterlands aus erklingt in der deutsch-chinesischen Presse immer und immer wieder. Es lassen sich daraus drei Hauptforderungen formulieren: l. Mehr Geldmittel! 2. Mehr deutsche Lehrkräfte! 3. Mehr deutsche Lehrmittel! l. Die Notwendigkeit einer ganz wesentlichen Erhöhung der pekuniären Aufwendungen ist selbstverständlich. Es handelt sich eben um einen, allerdings unblutigen, Krieg, und zum Kriegführen gehört in erster Linie Geld und nochmals Geld. Die Erfolge der Amerikaner und Engländer sind fast ausschließlich auf die großzügige Finanzierung ihrer Schulunternehmungen zurückzuführen. Mit den jederzeit verfügbaren reichen Mitteln konnten diese Schulen die deutschen nicht nur an Zahl, sondern auch an äußerer Ausstattung erheblich überflügeln. Das Äußere aber spielt bei dem Chinesen eine große, vielfach ausschlaggebende Rolle. Zu dem Schriftleiter der „Ostasiatischen Lehrerzeitung" äußerte ein Chinese: „Slnnarnsn ssick: outsicke must been proper, rnaskeck insicle/ Lier heißt es also für uns Deutsche: recht viel neue Schulen gründen und allen deutschen Schulen eine würdige und möglichst repräsentable Ausstattung geben! Mackay sagt darüber in der „Vossischen Zeitung" (s. oben): „Es müßten Schulen geschaffen werden, in denen zunächst in zwei jährigem Kurs ein umfassender deutscher Sprachunterricht erteilt, dann eine Einführung in deutsche Literatur und 1584«