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^ 99. 2 Mai 1910 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 5221 in Breslau und Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. Im zweiten, demnächst folgenden Bericht werden wir mit der Besprechung der ausgestellten Objekte beginnen. Ernst Kiesling. Kleine Mitteilungen. »Internationaler Literatur-Bund ? — Unter dieser Über schrift gibt die Vossische Zeitung vom 26. April 1910 folgender Einsendung eines Lesers Raum: »Jüngst suchte in einer Berliner Tageszeitung ein literarisches Unternehmen Mitarbeiter auf dem Wege der Anzeige. Ich sandte meine Karte ein und erhielt darauf aus Berlin 8W. eine Zuschrift, die mich stutzig macht. Danach hat sich ein »Internationaler Literatur-Bund« (Berlin 8VV., Genf, Oxford) gebildet, der den Kampf gegen »die schlechte Literatur, welche den Volkscharakter verdirbt«, auf seine Fahnen schreibt. Der Bund plant eine »Sammlung kleiner literarischer und künstlerischer Arbeiten deutschen Geisteslebens«, die »60 Bände umfassen und etwa 6000(1) deutschen Autoren und Künstlern eine nie wieder kehrende Gelegenheit bieten« soll, »im ganzen deutschen Volk bekannt zu werden«. »Honorar«, heißt es weiterhin, »kann nur ausnahmsweise gezahlt werden». Dagegen ist dem Bunde »ein freiwilliger Druckkostenzuschuß« »naturgemäß angenehm«. Selbst verständlich muß jeder Einsender zuvor die Mitgliedschaft dieses wahrhaft idealen Bundes erwerben; der Jahresbeitrag ist auf 20 ^ festgesetzt. Wer Mitglied wird hat auch das Anrecht auf Über weisung von Rezensionsexemplaren; man erhält, meint die Zu schrift, auf diese Weise »sukzessive ganze Bibliotheken umsonst und gewinnt dadurch ein unschätzbares Nachschlagewerk der modernen Literatur«. Der Verein plant schließlich die Errichtung einer kostenfreien Leihbibliothek, einer Zeitschrift und einer Darlehns kasse (?). Die Schriftstücke des vorerst noch ziemlich dunklen Bundes, der Wilhelmstraße 119 haust, zeichnet vertretungsweise ein Herr Strelow.« * Verband der Fachpresse Deutschlands. — Der Ver band der Fachpresse Deutschlands E. V. tagte am 27. April unter Vorsitz des Herrn Georg Elsner in der Berliner Handelskammer. Der Vorstand konnte über ein weiteres er freuliches Anwachsen der Mitgliederzahl berichten: es erfolgte die Neu-Aufnahme von zehn Firmen; vier weitere Anmeldungen liegen vor. — Eine vom Vorstandsmitgliede Herrn L. Schott- laender erlassene Rundfrage, Schaffung einer Konvention gegenüber ungerechtfertigten Abzügen bei Zahlungen, sowie unbilligen Forderungen der Inserenten und Abonnenten, große Anzahl zustimmender Erklärungen, daß die Gründung dieser Konvention innerhalb des Verbandes unverzüglich beschlossen wurde. — Eine überaus lebhafte Debatte entspann sich über den neuen Buchdruck - Preistarif, über den zurzeit Verhandlungen zwischen dem Deutschen Verleger-Verein und dem Deutschen Buchdrucker-Verein schweben. Der Verband ist in der Verleger kommission durch zwei Delegierte vertreten, die über den bis herigen Verlauf der Verhandlungen Bericht erstatteten. Aus dem Widerstreit der Meinungen, an dem sich Verleger und Drucker beteiligten, trat klar der Wunsch zutage, im Wege friedlicher Verhandlungen die bestehenden Unstimmigkeiten zu beseitigen, wozu nach Darlegung der in der Sitzung an wesenden Buchdruckereibesitzer der Deutsche Buchdrucker-Verein durch Vorlage eines neuen für die Verlegerwelt modifizierten Tarises den Boden schaffen dürfte. — Der Verband äußerte sich des ferneren zu einigen von seinen Mitgliedern vorgetragenen Rechtfällen. — Die sehr wichtige Frage der Stellungnahme des Verbandes zu den bestehenden und in Gründung begriffenen Jnserentenvereinigungen mußte wegen vorgerückter Stunde — es war inzwischen Mitternacht geworden — auf die Maisitzung vertagt werden. * Hansabund. — Die erste Generalversammlung der Hansa bund-Delegierten von Berlin, die im Lehrervereinshause zu- sammentrat, war zahlreich besucht. Als Vorsitzende der Organi sation von Berlin wurden gewählt die Herren: Direktor Eyck,— Malermeister Jost, A. Mannheimer i. Fa. V. Mannheimer, — Konsul Michels, — Direktor Dr. Oppenheim, Kommerzienrat Schmidt i. Fa. Schmidt L Lorenzen, — Prokurist Seegers, und zwar wurde für die nächste Geschäftsperiode Herr Kom merzienrat Schmidt mit dem Vorsitz im Präsidium betraut. Als Beisitzer fungieren die Vorsitzenden der 20 Berliner Bezirks gruppen. Zum Sekretär der Organisation Berlin wurde Herr Kaufmann Fellgiebel bestimmt. * Auktionspreise. — Von der Versteigerung von Schriften, Blättern und Bildern zur Geschichte und Kulturgeschichte Badens und der Pfalz bei Ernst Carlebach in Heidelberg am 11. April d. I. (Katalog Nr. 316) seien hier folgende bemerkens werte Preise mitgeteilt: Kat.-Nr. 1 Bartolozzi 350.— 2 — 60.— 9 Chodowiecki 23.— 21 Frommel 30.— 33 Sandrart 120.— 46 Kobell 20.— Kat.-Nr. 61 Kobell 33.— 65 Marin 26.— 74/76 Reynolds 460.— 76 Rheinansichten 110.— 109 Jffland 40.— 115 Ritter 42.— Die Anfänge der Bnchdruckerkunst in Rußland. — In Erwiderung und teilweiser Berichtigung einiger Mitteilungen über die Einführung der Buchdruckerkunst in Rußland, die im vorigen Jahrgang (Heft 9, Beiblatt) der »Zeitschrift für Bücher freunde« P. Hennig veröffentlicht hatte, macht im jüngsten Heft dieser Zeitschrift K. Baerent in St. Petersburg einige nähere Angaben über diesen Gegenstand, die auch in weiteren Kreisen des Buchgewerbes Interesse finden dürften. Nach Hennig hätte zuerst im Jahre 1493 in Tschernigow an der Desna Georg Czernowic ein Gebetbuch (Oktöiob) in illyrischer Sprache und mit cyrillischen Lettern gedruckt; das trifft jedoch nach Baerent nicht zu; vielmehr dürfte hier eine Verwechslung mit einem »Oktöied« vorliegen, das allerdings im Jahre 1493, aber nicht in Tschernigow, sondern in Letinje auf Befehl des Woiwoden Georg Oernojeviö gedruckt worden; da Montenegro auf slavisch Lernogöria heißt, scheint Hennig dieses für den Druckort und den Wojwoden für den Drucker gehalten zu haben. Auch war dieses »Oktöiell« keineswegs der erste Druck in cyrillischer Schrift; vielmehr waren solche nachweislich schon im Jahre 1491 von Schwajpold Fjeol in Krakau hergestellt worden wie sich daraus ergibt, daß der Drucker wegen dieser zu gunsten der griechischen Kirche entfalteten Tätigkeit vor das Gericht des Krakauer Bischofs gestellt wurde; da es sich dabei im ganzen um fünf, zum Teil sehr umfangreiche Bücher handelte, darf man wohl annehmen, daß Fjeol seine Tätigkeit schon erheblich früher, wahrscheinlich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, in Krakau begonnen hat. Andere frühe Bücher in cyrillischer Schrift sind dann in Venedig (seit 1493), in Tergoviste in der Walachei (seit 1510), in Prag (seit 1617), in Serbien (seit 1530) und eigen tümlicherweise auch seit 1561 in Württemberg, nämlich in Tübingen und Urach hergestellt worden. Sieht man von all diesen Druckereien, die natürlich nicht im eigentlichen Sinne als russische gelten können, ab, so ist allerdings der erste russische Drucker Ivan Fedörov, der 1564 in Moskau unter Aufsicht des Dänen Hans Hansen die berühmte slavische Apostelgeschichte, den »^pöstoi«, ! druckte; indessen ist auch dieses Buch nicht das erste, das in Ruß land selbst hergestellt wurde; vielmehr muß als solches ein Evangeliarium aus der gleichen Druckerei gelten, das einen hand schriftlichen Eintrag aus dem Jahre 1563 enthält, allem Anschein nach aber schon vor dieser Zeit entstanden ist. Auch die weitere Angabe Hennigs, daß das erste Buch weltlichen Inhalts, das in Rußland erschien, ein Werk über Kriegskunst aus dem .Jahre 1647 sei, trifft nicht zu, vielmehr ist als solches ein Abc-Buch (Äzbuka) aus dem Jahre 1634 zu nennen, während jenes andere Buch erst an zweiter Stelle folgte; in den übrigen slavischen Ländern wurden solche Bücher in cyrillischer Schrift schon weit früher hergestellt, so z. B. 1586 in Wilna eine Grammatik des Kirchen- slavischen, 1688 eine Gesetzsammlung für das Großfürstentum Litauen. Die Beziehung zu Dänemark, die sich aus der Mit wirkung Hansens ergibt, scheint nicht von Dauer gewesen zu sein und hinterließ jedenfalls keine tieferen Spuren; dagegen weisen viele Anzeichen auf einen engern Zusammenhang der ersten Moskauer Druckereien mit der italienischen Buchdruckerkunst hin, sei es daß Fedörov selbst in Venedig gearbeitet hat, oder Börsenblatt für ben Deutschen Buchhanbel. 77. Jahrgang. 674