Volltext Seite (XML)
91, 20. April 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d, Dtlchn. Buchhandel. 4915 1806 wird bemerkt, daß die Menge der jährlich erscheinenden Monatsschriften und Journale, die in steter Zunahme be griffen sei, nachteiligen Einfluß aus den Buchhandel ausübe. Da solche in jeder Leseanstalt zu bekommen seien, notierten sich die Gelehrten nur die sie besonders interessierenden »Ma terien«, und anstatt die Journale für ihre Privatbibliothek zu kaufen, begnügten sie sich damit, daß sie nun wüßten, wohin sie im Bedarfsfälle ihre Zuflucht nehmen könnten. Es waren also hauptsächlich die Lesezirkel, denen man ungünstigen Ein fluß zuschrieb. Von der Michaelis-Messe 1821 lautet ein Be richt, der Absatz von Bücher» nähme immer mehr ab durch die immer zahlreicher werdenden Lesezirkel, deren Teilnehmer sich des Bücherankaufs für eigene Rechnung meist überhoben fänden. Ebenso klagte man in der Michaelis-Messe 1822 über Abnahme der Leselust (von Büchern) und Zunahme der Jour nallektüre, die alle Aufmerksamkeit von wissenschaftlichen Schriften abziehe; bei vielen Werken bestimme man die Höhe der Auslage nur nach der bekannten Anzahl von Lesezirkeln und drucke höchstens ein Fünftel mehr; dies verursache Ver ringerung der Auslagen, höhere Preise und Hemmung des Absatzes. Gegen den Betrieb des Buchhandels durch N i ch t b u ch h ä n d l e r, durch die »Pfuscher und Stöhrer« hat der »legitime«, »reguläre«, »Voll-Buchhandel«, wie er sich in seinen Beschwerdeschriften gern nannte, mit wechselndem Erfolg stets angekämpft. Den Leipziger Buchhandlungs-Depu tierten war besonders das Zeitungs- und Intelligenz-Comp toir in Leipzig ein Dorn im Auge. In einer Beschwerde von 1774 über das Comptoir und einen Notar Schultz, die neben bei Bllcherhandel getrieben haben, bitten sie, diesen, »die weder Bürger noch Buchhändler sind, auch als Buchhändler keine Onsia tragen, engere Grenzen zu setzen, und einem jeden an die Handtierung, zu der er ursprünglich verpflichtet und ange wiesen ist, zurllckzuführen, folglich dadurch die würklichen Buch händler in Stand zu setzen, als nützliche Mitglieder des ge meinen Wesens und als Unterthanen des besten Fürsten ferner würksam und im Stand zu bleiben, das zu erfüllen, was von guten Bürgern gefordert und erwartet wird«. Trotz aller Ab wehr wurde aber das Eindringen Unbefugter in den Buch handel immer lästiger. »Alles«, schreibt K. C. Stiller an F. C. W. Vogel <15. April 1820), »Pfuscht jetzt in unsre Handlung, Gelehrte und Ungelehrte, Buchbinders und Schulmeisters! würden sie dies aber können, wenn es nicht überall bereit willige Kollegen gäbe, die ihnen alles mit 15-257- Rabatt zur Betreibung der Pfuscherei zu schickten?« Und Ehr. Hor vath an P. G. Kummer, Potsdam, 12. December 1820: »Sie wißen ja, daß jeder Gelehrte, Antiquar, Postofficiant, Buch binder, Jude u. s. w. jetzt das Buchhändler Geschäft betreiben, und durch Buchhändler dazu veranlaßt werden, und eben da durch ist alles Uebcl entstanden; dies abzuändern ist vergeb liche Mühe.« Glaubt man nicht eine ganz moderne Philippika gegen eigennützige Sortimenter und skrupellose Verleger vor sich zu haben, wenn man liest: »Der deut sche Buchhandel leidet gegenwärtig an vielen Mängeln und Mißbräuchen, die aber größtenteils ein Theil der Mitglieder selbst und mit Wissen verschuldet hat. Taub gegen jede das allgemeine Beste betreffende Maßregel, ist ihr Streben nur, ihr kümmerliches Daseyn durch jeden Absatz, auch mit dem winzigsten oder unrechtmäßigstem Vortheile, zu fristen.« Und doch findet sich diese Stelle in einem Büchlein, das bereits im Jahre 1830 erschienen ist (Büchner, Karl: Die Bildung des Buchhändlers). Ein Lebender kan» sich nicht getroffen fühlen, wenn die entrüstete Frage, die der Verfasser in bezug auf »solche Verstockte« anschlictzt, zur Nachachtung auch hier noch angefügt wird: »Sind solche Subjekte nicht, wegen ihrer Handlungs weise, des Namens Buchhändler unwürdig?« Etwas derb zwar an unserer heutigen Sprechweise gemessen, aber die gute alle Zeit liebte es nicht, ein Blatt vor de» Mund zu nehmen. Von all den vielen, mehr oder weniger praktischen Vor schlägen zur Besserung des »Verfalls des Buchhandels« sei einer seiner unbestreitbaren Originalität wegen hier nach dem »Archiv« mitgeteilt. Er empfiehlt die Einführung des jetzt einen beachtenswerten Zweig des Büchervertriebs bildenden Abzahlungsgeschäfts. »Zur Aufhelfung des gesun kenen Buchhandels« machte in Nr. 258 des Allgemeinen An zeigers der Deutschen von 1807 ein Anonymus <S. Z.) folgen den wohlgemeinten Vorschlag, dem freilich erst viel später die Ausführung folgte. Es sei bekannt genug, daß selbst gute, ja vortreffliche, aber kostbare Werke zu Ladenhütern würden und den spekulierenden Verleger in Nachteil setzten. Den meist geldarmen Gelehrten seien viele gute brauchbare Werke zu kostbar, zu bändereich, um dieselben sich anschafsen zu können. Wie also, wenn die Buchhändler sich entschlössen (einzeln oder vereinbart), solche Werke auf Prozente anzubieten und zu ver kaufen, so daß nämlich ein Käufer, zufolge eines bündigen, für sich und seine etwaigen Erben geschlossenen Kontrakts mit dem Buchhändler jährlich fünf oder mehr Prozent bezahlte, bis durch diese Prozentzahlung der Ladenpreis des Buches vollständig entrichtet wäre, und dafür sogleich bei Entrichtung des ersten Termins das ganze Werk zum Besitz erhielte? Da mit wäre beiden Teilen geholfen. Die Erben würden durch die etwa nachzuzahlenden Prozente weniger einbützen, als sie durch den einmaligen hohen Preis, den der noch lebende Be sitzer hätte zahlen müssen oder können, verlören. Buchhändler und Verleger kämen zu ihrem Gelbe und gute Werke würden mehr und nach Verdienst verbreitet. Honorare und Druck kosten würden dem Verkäufer leichter, und dem Käufer würde der Ankauf minder drückend. — Eine nur sünfprozentige jährliche Teilzahlung dürfte frei lich (vergleiche den Sprechsaalartikel im Börsenblatt 1912, Nr. 75: Raten im Reisebuchhandel) wenig geeignet gewesen sein, dem Buchhandel »aufzuhelfen«, und es ist daher Wohl kein Wunder, wenn er sich diesem Vorschlag gegenüber ganz Whl verhielt. Für Verleger sehr ergötzlich zu lesen ist, was vi. Gold« friedlich (a. a. O. III, S. 293) über die zudringlichen Ver lagsangebote schlechter Schriftsteller und über die Autoren jagd mitteilt. Decker in Berlin schrieb 1797 verärgert durch die Massenangebote billiger Übcrsetzerarbeit und von Manuskripten zu Dutzenden: »Man kann sich bey Gott vor der Schriftstellersucht aller dieser Kerls nicht mehr retten, und sie haben ein so aufdringendes Wesen dabey, daß man vor Angst nicht weiß, wie man sie fortschicken soll«. Auch was der frühere Bibliothekar des Börsenvereins F. Herm. Meher im »Archiv« über Preisherabsetzun gen berichtet, wird der moderne Buchhändler mit Verständnis bemehmen. Die immer häufiger werdenden Herabsetzungen der Bücher im Preise veranlaßten Frdr. Frommann zur Her ausgabe eines Katalogs herabgesetzter Bücher. In einem Zirkular, datiert Jena, 21. Oktober 1839, spricht er sich folgen dermaßen aus: Um dem alten, dem Wesen des deutschen Buck handels vollkommen gemäßen Auskunftsmittel einen neuen Schwung zu geben, plane er, daß eine Anzahl geachteter Hand lungen sich zum Drucke eines gemeinschaftlichen Katalogs von im Preise herabgesetzten Büchern vereinigen und diesen teils selbst, jeder in seinem Wirkungskreise, tätig verbreiten, teils ihnen näher befreundeten Kollegen zu solcher Verbreitung be sonders empfehlen sollten. Die Sortimenter müßten durchgängig wenigstens 257» Rabatt von den herabgesetzten Preisen erhal ten. Auch müßte ihnen für etwaige Lagerexemplare der her abgesetzten Sachen eine Entschädigung im Namen sämtlicher teilnehmenden Verleger geboten werden, und zwar so, daß man ihnen die Preisdifferenz nicht bar, sondern durch Lieferung s«o«