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Freie vaterländische Vereinigung. — Am 16. Januar hielt die Freie vaterländische Vereinigung in Berlin im Neichstagsgebäude eine Versammlung ab, zu der die Vertrauensmänner der Landes- organisatioiicu, die Unterzeichner des ersten Aufrufes und die Verbands letter eingeladcn waren. Hcrvorgegangen aus einer Zusammenkunft in Berlin im Februar vor. Jahres, an der sich etwa 70, den ver schiedensten Ständen, Berufen und Parteien ungehörige Männer be teiligten, verfolgt die Freie vaterländische Vereinigung den Zweck, unter Ausschluß aller parteipolitischen Betätigung, die Errungen schaften des Krieges für die Zeit des Friedens zu sichern. Der der zeitige Vorsitzende, Geheimer Justizrat Professor vr. Kahl, gab zu Be ginn der von etwa 90 Personen besuchten Versammlung einen ein gehenden Bericht über die bisherige Arbeit der Vereinigung und ihre Entwicklung. In der Besprechung, die sich an diesen Bericht schloß, herrschte Einmütigkeit darüber, daß es nicht Sache der Vereinigung als solcher sein könne, sich zur Frage der künftigen Friedens bedingungen zu äußern. Im weiteren Verlauf der Tagung wurde Beschluß über dcu Ausbau der Organisation gefaßt, die bisher noch der festen Grundlage entbehrte. Es wurde ein Vorstand von 35 Mit gliedern gewählt, dem u. a. angehören: Geheimer Justizrat Professor Kahl, Geheimer Kommerzienrat von Borstg, Handelskammersyndikus Or. EhlerS, M. d. Abg.-H., Professor vr. vou Haruack, Generaldirektor der Kgl. Bibliothek, Verlagsbuchhändler vr. ftrr. tt. e. Liebmann, Großherzogl. sächs. Staatsminister z. D. von Richter, Oberverwal- ungsgerichtsrat Schiffer, M. d. N. und M. d. Abg.-H., Oberverwal tungsgerichtsrat Or. Schlutius, vr. von Schwabach, Arbeitersekretär Giesberts, M. d. N. und M. d. Abg.-H., Glatho, Vorsitzender des Kartellverbands deutscher Werkvereine, Hartmann, Generalsekretär der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, Oberlandesgerichtsrat Hahne, Oberlandesgerichts-Prüsident vr. Holtgreven, Präsident der Ober- rechnuugökammer u. d. Rechnungshofes des Deutschen Reiches Holtz, Geheimer Jnstizrat Professor vr. Landsberg, Geh. Negierungsrat Schmedding, M. d. Abg.-H., Geh. Justizrat Schreiner, Wirkl. Geh. Oberjustizrat Or. von Staff, Prof. vr. Pfannmüllcr. Die Freie vaterländische Vereinigung verdient das Interesse des Buchhandels besonders deswegen, weil auch an ihn die Ausgabe herantrcten wird, nach dem Kriege an dem Ausgleich der-Parteien und ihrer Forderungen mitzuwirken. Denn wenn sich auch aus der Notwendigkeit gemeinsamer Arbeit unter dem Drucke des Krieges die Parteien auf einen Burgfrieden geeinigt haben, so ist doch zu be fürchten, daß nach Friedensschluß die alten Verhältnisse wiederkehren werden, falls nicht rechtzeitig dafür Sorge getragen wird, die Errungenschaften dieses Krieges auf politischem und wirtschaftlichem Gebiete sicherzustcllen. Vor allem wird der Verlagsbuchhandel viel dazu beitragen können, daß die Formen des Kampfes wesentlich andere werden als früher, wenn er im Bewußtsein seiner Verant wortlichkeit aus dem Kriege die Lehre zieht, daß die aus ländische Propaganda gegen Deutschland zum Teil wenigstens aus man chen Veröffentlichungen Nahrung gezogen hat, die wohl von dem mit deutschen Verhältnissen vertrauten Leser nicht mißverstanden werden konnten, dem Auslande aber willkommenen Anlaß boten, sich auf diese abfälligen Kritiken zu berufen. Wir haben diese Schädigungen, zu denen oft in bester Absicht auch Autoren und Verleger die Hand geboten haben, in aller Schärfe während des Krieges in dem gegen uns geführten Verleumdungsfcldzuge erfahren und werden auf Mittel und Wege be dacht sein müssen, ihnen nach Kräften entgegenzuwirken. Es dürfte sich daher für den Buchhandel empfehlen, alle jene Bestrebungen zu un terstützen, die, getragen von dem Geiste der Eintracht, unser politisches und wirtschaftliches Leben in Zukunft unter höhere Gesichtspunkte zu stellen suchen, als sie die Parteibrille erkennen läßt. Fortzahlung des Gehalts an zum Kriegsdienst einbernfene Hand lungsgehilfen. — Die Handelskammer zu Münster i. Wests, teilte dem Deutschen Handelstag am 17. Dezember mit, daß es auch nach ihrer Ansicht dringend wünschenswert sei, daß die durch die einander wider sprechenden Urteile der verschiedenen Kaufmannsgcrichte über die An wendbarkeit des § 63 auf die einberufenen Angestellten hervorgerufene Nechtsunsicherhcit beseitigt werde. Eine Klarstellung durch den Gesetz geber dürfe jedoch ihres Erachtens nur nach der Richtung erfolgen, daß, wie auch die Mehrzahl der Gerichte entschieden habe, die Einbe rufung zum Heeresdienst nicht als »unverschuldetes Unglück« im Siune des 8 63 anzusprechen sei. Die Kammer führte aus, daß gegenwärtig eine sehr große Anzahl von Arbeitgebern den einberufenen Angestellten bzw. deren Angehörigen freiwillig das Gehalt ganz oder teilweise weiter gewähre oder ihnen sonstige Unterstützungen zukommen lasse, bte bei der langen Dauer des jetzigen Krieges weit höhere Beträge ergeben als die Sechswochengehälter. Wenn aber ein rechtlicher An spruch eines Handlungsgehilfen im Falle seiner Einberufung auf Fort zahlung seiner Bezüge bis zur Tauer von sechs Wochen durch Gesetz begründet werde, so würde dies besonders für die kleinen und mitt leren Gewerbetreibenden, die durch den Krieg ebensosehr in Mit leidenschaft gezogen würden wie ihre Angestellten und die auch nicht immer als die wirtschaftlich Stärkeren bezeichnet werden tonnten, eine unter Umständen sehr große Härte bedeuten. Unbillig würde vor allem der Zwang zur Fortzahlung des Gehalts an diejenigen Ange stellten sein, die erst kurze Zeit vor der Einberufung ihre Stellungen angetrcten haben, wie es zurzeit besonders nach der Musterung der bisher Dienstuntauglichen häufig der Fall sei. Personalaachrichtea. Jubiläum. — Am heutigen Tage kann Herr Richard Hart mann auf eine ununterbrochene 25jährige Tätigkeit im Hause Wil helm Ernst L Sohn in Berlin zurückblicken. Er trat am 19. Januar 1891 in die Dienste der genannten Firma ein und fand hier ein großes Arbeitsfeld vor, das ihm Gelegenheit gab, sich durch Fleiß und Um sicht eine Vertrauensstellung zu schaffen und sich die Zufriedenheit und Anerkennung seiner Herren Chefs bis in die dritte Generation des Hauses Ernst zu erwerben. Möchten dem arbeitsfreudigen Mann noch viele weitere Jahre ersprießlichen Schaffens beschicken sein! Paul Leopold Friedrich f. — Aus Königsberg i. Pr. kommt die Nachricht, daß der ordentliche Professor der Chirurgie vr. Paul Leopold Friedrich nach langer Krankheit gestorben ist. Unter seinen zahlreichen Schriften seien hervorgchoben Untersuchungen über den Choleraerreger und Mitteilungen über den Tuberkelbazillus. In der Gehirnchirurgie hat er Forschungen über die Beeinflußbarkeit des Epileptikergehirns angestellt. Auch das Gebiet der Darm- und Lungenchirurgie ist von Friedrich wesentlich gefördert worden. Insbesondere hat er über die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose und des Lungenemphy sems zwei größere Arbeiten veröffentlicht. Julius Basch f. — Justizrat Julius Basch, Rechtsanwalt am Land gericht I, Berlin, ist am 16. Januar im Alter vou 69 Jahren gestorben. Er galt als ein kenntnisreicher und scharfsinniger Jurist. Mehrere kleine Kommentare, so über das Handelsgesetzbuch und das Wechsel- recht, die aus seiner Feder stammen, haben in weiten Kreisen Anklang und Anerkennung gefunden. Julius Moser i. — In Steglitz ist der Bildhauer Professor Julius Moser im Alter von 84 Jahren gestorben. Von seinen Schöpfungen, die meist in Berlin Aufstellung gefunden haben, verdienen hervorgchoben zu werden: die Sandsteinfigur »Kunsttechnik« vor der Nationalgalerie, die Gruppe der Fischerei auf der Belle-Alliance-Brücke am Halleschen Tor, die sitzende Gestalt Werner v. Siemens' auf der Potsdamer Brücke, die Chamisso-Büste auf dem Monbijouplatz und die Bronzefiguren Friedrich Wilhelms I. und Friedrich Wilhelms III. am Haupttor der Kadettenanstalt in Lichterfelde. Wilhelm Jüßli f. — Der deutsch-schweizerische Portraitmäler Wil helm Füßli ist dieser Tage im hohen Alter von 85 Jahren in Baden- Baden gestorben. Seine besten Werke besitzt die Vaterstadt des Ver storbenen, Zürich, in ihrem Museum. Otto Ammon -ft — In seiner Vaterstadt Karlsruhe ist der Anthro pologe und sozialphilosophische Schriftsteller vr. Otto Ammon im Alter von 73 Jahren gestorben. Ursprünglich Ingenieur übernahm er 1869 die Leitung der »Konstanzer Zeitung«, die er bis 1883 als Eigen tümer und Chefredakteur fortführte. In den folgenden Jahren wandte er sich mehr der wissenschaftlichen Publizistik zu und veröffentlichte eine Reihe geschätzter anthropologischer Werke, von denen »Die natür liche Auslese beim Menschen« (2. Aufl. 1906), »Die Gesellschaftsord nung und ihre natürlichen Grundlagen« (3. Aufl. 1900), und »Zur Anthropologie der Badener« (1899) am bekanntesten geworden sind. Sprechfaul. Zur Papierfrage. Man klagt jetzt vielfach ilbcr Mangel »nd hohe Preise des Druckpapiers. Könnte nicht durch Anwendung von Fakturen in etwas kleinerem Format manches überflüssige Stück Papier gespart werden? L. 6. Verantwortlicher Redakteur: EmtiThomaS. — Verlag: Der Bdrscuveretn der Deutschen Buchhändler in Leipzig, Deutsches Buchhänblerhaus. Druck: Ramm ä: Seemann. Sämtlich ln Leipzig. — Adresse bar Redaktion und Expedition: Leipzig, Gerichtsweg SS sBnchhändierhaiiSI.