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Separat-Abdruck aus dem Neuen Lausitzischen Magazin. (Bd. I.XVil.) Die ältesten Siegel des oberlausitzischen Adels. Von vr. Hermann Knothe. Die eingehende Behandlung der ältesten Adelssiegel eines ganzen, wenn auch nur kleinen Landes gewährt ein vielseitiges Interesse. Der Heraldiker von Fach findet die Bestätigung, in einzelnen Fällen vielleicht auch die Berichtigung längst verbreiteter Ansichten und lernt in der Regel auch die Wappen neuer, grade nur diesem Lande angehöriger Familien kennen. Dem Kultur- und zumal dem Kunsthistoriker spiegeln sich auch in den Siegeln einer bestimmten Zeit die allgemeinen, während derselben herrschenden Bräuche, ja Moden wieder. Der Genealog erkennt oft in ungeahnter Weise nur aus den Siegeln, wie alte Familien ganz verschiedenen Namens ursprünglich einein und demselben Geschlecht angehört haben, und dem Spezialgeographen eröffnen sich hierdurch ganz neue Blicke in die ältesten Territorialverhältniffe des Landes. Die heutigen Nachkommen jener ältesten Familien aber erkennen zu ihrer Ueberraschung häufig genug, wie die Wappen, welche sie gegenwärtig führen, von denen ihrer Ahnen nicht nur in der Form, sondern auch dem Inhalt nach abweichen. Seit mehreren Jahrzehnten bereits mit der ältesten Geschichte des Ober lausitzer Adels beschäftigt, haben wir bei unseren Forschungen in den ein heimischen, wie in auswärtigen Archiven uns stets von den irgend interessanten Siegeln der einzelnen Persönlichkeiten entweder vollständige Zeichnungen oder doch genaue Skizzen gefertigt. Je mehr die Menge des auch auf diesem Gebiete bisher Nichtbekannten wuchs, desto lebhafter empfanden wir den Wunsch, durch eine besondere Arbeit über die ältesten Siegel des oberlausitzischen Adels unsere früheren Arbeiten über die „Geschichte des Oberlausitzer Adels bis Mitte des 16. Jahrhunderts" (Leipzig, 1879) und „Fortsetzung" dieser Geschichte bis Anfang des dreißigjährigen Kriegs (Dresden, 1887. N. Lausitz. Magazin 1887, 1—174) zu ergänzen. In der Oberlausitz verbreitete sich verhältnißmäßig spät erst, selbst bei dem Adel, eine gewisse allgemeine Kultur. Da niemals ein Landesherr auf die Dauer darin residirte, so fehlte es allezeit an einem fürstlichen Hofhalte, als der natürlichen Pflegstätte adlicher Sitte. Bis gegen Mitte des 14. Jahr hunderts besaßen wohl nur die vornehmsten Adlichen des Landes eigene Siegelstempel (Petschafte, Typare). Man scheute die Kosten, welche die Bestellung und Anfertigung eines solchen in einer großen Stadt des Aus landes verursachte. Konrad v. Tettau ließ (1295) ein von ihm ausgestelltes