Volltext Seite (XML)
4 Die ältesten Siegel des oberlausitzischen Adels. Wir schicken der Beschreibung der einzelnen Siegel noch einige all gemeine Bemerkungen über das Wappen- und Siegelwesen der Zeit bis etwa 1500 voraus. Die Wappen und daher auch die Siegel des Oberlausitzer Adels weisen keineswegs einen charakteristischen oder einheitlichen Typus auf. Der alte Slavenadel, von dem wenigstens ein Theil auch nach der Eroberung des Landes durch die Deutschen (Ende des 10. Jahrhunderts) seine Güter fort besitzen durfte (AG. 1 fg.), war schon im 13. Jahrhundert, mit welchem hier die urkundlichen Nachrichten erst beginnen, völlig in dem übrigen Adel deutscher Nationalität aufgegangen, und da er im 10. Jahrhundert gewiß noch keine erblichen Familienwappen geführt hatte, so vermögen wir aus Siegeln, deren Wappenbilder sich vielleicht dem sogenannten „slavischen Typus" nähern, noch keineswegs auf altslavische Abstammung der betreffenden Familien zu schließen. Der Adel der Oberlausitz, selbst den sogenannten Uradel, welcher sich nach ober lausitzischen Ortschaften mit slavischem Namen benannte, nicht ausgenommen, war von jeher ein aus den Nachbarländern, Meißen, Böhmen, Niederlausitz, Schlesien, selbst der fernen Mark Brandenburg, eingewanderter und bildete, genau ebenso wie die Bürgerschaft in den Städten, ja sogar die Bauernschaft auf dem Lande, eine bunte, vielfach wechselnde Mischbevölkerung. Die Mehr zahl brachte bereits ihre erblichen Familienwappen aus ihrer alten Heimath mit; nach deren Muster und Vorbild werden sich auch die schon früher im Lande ansäßigen Familien nach und nach ihre Wappen erst gebildet haben. So begegnen wir denn auf den oberlausitzischen Siegeln schon bis Ende des 16. Jahrhunderts fast allenthalben Wappen, welche auch in dem einen oder anderen Nachbarlande genau ebenso vorkommen. Nicht unwichtig in Betreff der künstlerischen Form der Siegel ist die Frage, wo sich wohl der oberlausitzische Adel seine Stempel oder Petschafte habe anfertigen lassen. Da sich das Land den größten Theil des von uns behandelten Zeitraums hindurch unter böhmischer Herrschaft befand, so ist gewiß die Annahme berechtigt, daß die meisten werden in Prag gestochen worden sein, wohin Geschäfte aller Art den Adel gelegentlich führten, und wo damals bereits fast alle Künste blühten. Die Siegel des Rulco und des Johann v. Biberstein (1290, 1304, Abbild. Tas. IV, 60. V, 61), des Heinrich v. Kamenz (1313, Abbild. Tas. V, 70), des Luther v. Schreibers dorf (1283, Abbild. Tas. V, 71) dürften sicher Prager Ursprungs sein. Ebenso weisen mehrere Siegel altlausitzischer Familien, welche frühzeitig auch in Schlesien Güter erworben hatten und sich vorzugsweise auf diesen aushielten, auf Breslau hin, so z. B. die der Herren v. Baruth (1292, 1334, Abbild. Tas. III, 40. 41), v. Kittlitz (1290, Abbild. Tas. III, 42), v. Wisenburg (1279, Abbild. Tas. Ill, 44 b.). Das Siegel des Cristan v. Gersdorff, des Stammvaters der oberlausitzischen Familie dieses Namens, trägt die Umschrift 8. 68.I8ri^I sätzj (1317, Abbild. Taf. I, 5). Der letzte Buchstabe des Familiennamens, das niederdeutsche p (statt pb oder I), läßt darauf schließen, daß das Siegel in der Mark Branden burg, etwa in Stendal, der Residenz der Markgrafen, welche damals auch die Oberlausitz besaßen, und wohin Cristan v. Gersdorff, als da maliger Landvogt, häufig in Geschäften reiten mußte, werde gestochen