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Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 10, 14. Januar 1916. Kraft des deutschen Schwertes und die Erkenntnis der Zweckmäßigkeit deutscher Organisation hinaustragen, so soll der deutsche Buchhändler etwas noch viel Herrlicheres htn- bringen: in seinen vorsichtigen und Weichen Händen das schimmernde Licht der deutschen Seele! Und er muß dieses Lichl strahlen lassen ohne all jenes unglückliche Beiwerk kul tureller üderhebung, wie es so vielen gerade unserer besseren Elemente im Orient anhaflct und wie es so oft schon lähmend und zerstörend gewirkt hat bei an sich guten Leistungen und Absichten. Das schimmernde Licht der deutschen Seele! Wahrlich, eine große Ausgabe, diese Leuchte sicher hindurchzutragen durch den Strom von Blut und Schrecken, der unser altes Europa umtost. Einmal dort, muß sie im Garten des Orients freigegeben werden, aus daß ihr steter und Heller Schein über all die bunten Blüten orientalischen Denkens leuchte, sie zu befruchten mit Wärme und aus ihnen einen Glanz fremder geheimnisreicher Farben in sich aufzunehmen. Wenn es dem deutschen Buchhändler gelingt, so leise und so sicher zugleich auszutreten, daß keiner derjenigen erschrickt, die immer fürchten, der Geist Europas wolle den des Orients ver nichten, so wird er eine Tat vollbringen und die Überzeugung erhalten, am großen Werke dieser großen Zeit nicht nur mit- gewirkt zu haben, sondern auch durch das Zaubermitlel des Geister einer gewaltigen Zukunst aus dem Dunkel des Werdens zum Lichte des Seins verholfen zu haben! Kleine Mitteilungen. Ein deutscher Ausschuß für Erziehung und Unterricht. — Ende 1915 haben sich in Berlin im Hause des Vereins deutscher Ingenieure Vertreter großer pädagogischer Vereinigungen und Be- rnfsverbände sowie in Fragen der Erziehung und des Unterrichts führende Persönlichkeiten in einer freien Organisation unter dem Namen »Deutscher Ausschuß für Erziehung und Unterricht« zu gemein samer praktischer Arbeit vereinigt. Die endgültige Organisation und die Aufstellung des Arbeitsplanes wird in den nächsten Wochen er folgen. Binnen kurzem wird der Deutsche Ausschuß für Erziehung und Unterricht mit seinen ersten Arbeiten hervortrcten. Die Ge schäfte des Ausschusses führt der Deutsche Bund für Erziehung und Unterricht (Geschäftsstelle Hamburg 36). idc. Kundenfang durch Benutzung eines Adreßbuches. Urteil des Kammergerichts vom 28. April 1915. (Nachdruck verboten.) — Beim Jahreswechsel, der in fast allen Branchen und größeren Städten Neuauflagen der Adreßbücher bringt, gewinnt ein Prozeß an Bedeu tung, der das Kammcrgericht in Berlin beschäftigt hat. Im Verlage der Firma L. erscheint »Das deutsche Eisenbahnadreßbuch«. Es ent hält ein »alphabetisches Adressenverzeichnis« von Firmen, die sich mit der Herstellung von Eisenbahn-, Berg- oder Kleinbahn- und Strahen- bahnmaterialien und -Bedarfsartikeln befassen, sowie einen Bezugs quellennachweis solcher Firmen mit Aufzeichnung der Spezialitäten einer jeden Firma. Der Verlag von Z. verlegt eine Zeitschrift, der er einen Anzeigen-Anhang beigcgebcn hat mit der Bezeichnung »Nach weisung deutscher Firmen auf allen Gebieten des Handels und der Industrie und Schutzmarkenregister«. Der Verlag benutzt bei der Anwerbung von Inserenten Ausschnitte aus dem Bezugs- qnellenvcrzeichnis des X.'schen Adreßbuchs. Diese Benutzung geschieht in der Weise, daß die Ausschnitte auf Postkarten aufgeklebt werden, auf denen sormularmäßig zur Ankündigung in der Zeitschrift aufge fordert wird; diese Postkarten werden den betreffenden Firmen zu gesandt. Die Firma L. hat Klage auf Unterlassung der Benutzung und auf Schadenersatz erhoben. Das Landgericht Berlin hat die Klage abgcwiesen, das Kammergericht dagegen auf Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben, soweit cs sich um die Benutzung von Ausschnitten handelt. Aus den Gründen: Das Deutsche Eisenbahn-Adreßbuch stellt sich uach der besonderen Art der in ihm dnrchgefiihrten Gesamtordnung und Gruppierung, der Stoffsichtung und Auswahl, der Erfindung von Schlagworten, der Unterordnung unter Schlagwortc, der Verweisungen, des Gebrauchs von Abkürzungen als eine eigenartige Geistesschöpfung dar. Es er schöpft sich nicht in einer Wiedergabe von Tatsachen. Vielmehr ist auf Grund einer Sammel- und Nachforschungsarbeit eine eigenartige Gedankenarbeit statistischer Art geliefert. Deshalb ist dem Adreß buch und seinen Teilen der urheberrechtliche Schutz zuzusprechen. Da bei ist auch zu erwägen, daß durch die Summierung der Benutzungs- Handlungen insgesamt ein größerer Teil des Werkes benutzt wird. Die Beklagte hat zwar keinen Nachdruck veranstaltet, sie eignet sich aber durch Verwendung der Ausschnitte die geistige Arbeit des Ur hebers unmittelbar an. Schon hiernach ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet. Er folgt aber auch aus § 1 des Wettbewerbsgesetzes und aus dem § 826 BGB. (vorsätzliche Schädigung eines anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise). Durch wiederholte Handlungen hat sich die Beklagte gegen den Willen des Urhebers ohne Mühe und Kosten das Ergebnis langjähriger, mit Aufwendung besonderer Branchekenntnis, mit Fleiß, Mühe und Kosten erreichten Arbeitserfolge nutzbar gemacht. Sie gibt sich durch Verschweigung der Quelle als Verfasser dieser sich als Bestandteile eines größeren Sam melwerkes darstellenden Ausschnitte aus und verlockt damit die In serenten, in ihrer Zeitschrift anzukündigen. Durch Zusendung der Ausschnitte dringt sie in die Kundschaft der Klägerin ein. Den Kundenfang erleichterte sich die Beklagte dadurch, daß sie eine fertige und übersichtliche Zusammenstellung aller für den einzelnen wesent lichen Angaben dem Kunden vorlegt und dadurch ihm und sich die Bestellung bequem macht. Durch Verschweigung der Quelle unter drückt sie die Erfolge der Klägerin und täuscht die Empfänger ihrer Sendungen. Ein derartiges Verhalten verstößt gegen die An schauung aller billig und gerecht denkenden Verkehrsgenossen; es ist auch dann als Unsitte anzusehen, wenn es von vielen geübt wird. (Aktenzeichen 10 H. 362/15.) Aufbewahrung von Firmenstempeln und Quittungen. — Nach ! einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist der Prinzipal j rechtlich nicht verpflichtet, seine Firmenstempel und seine Formulare verschlossen aufzubewahren. In dem Erkenntnis des Oberlandes gerichts heißt es: »In einem kaufmännischen Geschäft wird der Firmenstempel so oft gebraucht, daß es ausgeschlossen ist, ihn ständig unter Verschluß zu halten; dies ist auch nicht üblich. Ähnlich ist es auch mit den Quittungsformularen in kaufmännischen Geschäften. Eine Nechtspflicht, Formulare besonders sorgfältig aufzubewahren, besteht nur in besonders gearteten Fällen, zum Beispiel bei Scheck formularen wegen der besonderen Gefahren des Mißbrauchs oder bei Zahlungsanweisungen mit angehängten Quittungsformularen, in welchem Falle es sich um fertiggestellte, rechts- und beweiserhebliche Urkunden handelt.« Englands BUcherproduktion im Jahre 1915 wird soeben durch »Publishers' Circular« bekannt. Sachverständige haben geglaubt, daß die Zahl der Neuerscheinungen und Neuausgaben um ein Drittel ge ringer sein würde als im Vorjahre, aber die Lage des Büchermarktes war viel besser als befürchtet wurde. Vergleicht man die Jahres ziffern bis 1906 zurück, so ergibt sich von 1906 bis 1913 eine ständige Zunahme von 8603 auf 12 379 insgesamt, davon der Neuerscheinungen von 6985 ans 9541, der Neuausgaben von 1618 auf 2838. Im Jahre 1914 fiel die Zahl der neuen Bücher auf 11 537 (8863-1-2674) und 1915 weiter auf 10 665 (8499-1-2166). Die größte Abnahme weist die in England sonst geradezu gras sierende Nomanliteratur aus, nämlich 419 Bände; die technische Literatur nahm um 167, die naturwissenschaftliche um 142 ab. Andrer seits nahmen infolge des Krieges zu: die geschichtlichen Werke um 309, die geographischen um 118, in geringerem Maße auch solche über Philo sophie, Religion, Philologie, Landwirtschaft und Gartenbau. Bemer kenswert ist das Urteil des Verfassers der Zusammenstellung im »Cir cular«, daß »die Durchschnittsqualität der jetzt veröffentlichten Bücher wahrscheinlich etwas geringer ist als in den Tagen des Friedens«. Personalnachrichten. Francis Charmes f. — In Paris ist der politische Schriftsteller und Akademiker Francis Charmes, der seit dem Tode Brunetieres die »Revue des deux blondes« leitete, im Alter von 68 Jahren gestorben. Francis Charmes war früher der Auslandspolitiker des »dournal des vebats«. Seine ruhige, sachliche, angenehm klare und dabei doch etwas trockene, pedantische Schreibweise paßte gut in die »Oedats«, wie sie später in die akademisch-konservative »Revue des deux Mondes« paßte. Für jede Nummer der »Revue« schrieb Charmes einen Nück- blicksartikel über die Vorgänge in der internationalen Politik. Als er Direktor der »Revue des deux blondes« geworden war, wurde er in die Akademie gewählt, in der die Leiter der »Revue« gewissermaßen einen Erb sitz haben. Bcrantmortlicher Ncdnltcur: Emil T I, v in ns. Gering: Tor 21 d r s e „ v e r c i n der Tonischen Buchhändler zu Leipzig. Teutsches Buchhändlers,,rne-. Druck: Ranim L Seemann. Sämtlich in Leipzig. — Adresse der Ncdaktion und Expedition: Leipzig, Gerichtsweg 26 tBnchhändlerhanS).