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Amtlicher Teil. 31 Beilage zu 275, 25. November 1899. Ich möchte noch erwähnen, daß im österreichischen Gesetz vom Jahre 1895 allerdings nur der wissentliche Nachdruck bestraft wird, daß sich aber auch in Oesterreich schon gewichtige Stimmen gegen die Straflosigkeit des fahrlässigen Nachdrucks erhoben haben, die alle hierin einen schwachen Punkt des Gesetzes erblicken. Vorsitzender: Ich möchte im großen Ganzen dem zustimmen und möchte nur auf die enorme Schwierigkeit Hinweisen, die sich steigern wird, je lebendiger und schneller unsere Produktion wird. Für Zeitungen und Zeitschriften ist es ein Ding der Unmöglichkeit, genügende Kauteln zu finden, um sich gegen betrügerische Autoren zu schützen. Es wird im einzelnen Falle für den Sachverständigen schwer sein, zu sagen: der Mann hat nicht fahrlässig gehandelr. Denken Sie, wie es bei einer Zeitung geht, wo jeden Tag so und so viel Manuskripte einlaufen, soll da bei jeder Kleinigkeit erst lange in der Registratur nachgeforscht werden, ob es sich auch wirklich um eine Originalarbeit handelt? Geheimrat Daude: In diesem Falle würde ich als Sachverständiger oder als Richter keine Fahrlässigkeit annehmen. Es kommt eben darauf an, wie bei einer Zeitung die Prüfungsarbeit verteilt ist. Daß Verleger und Herausgeber nicht ohne weiteres für jeden Zeitungsartikel einstehen können, das ist ganz klar. Vorsitzender: Ganz vorsichtige Leute acceptieren Beiträge nur auf Grund einer formellen schriftlichen Versicherung des Autors, daß es sich um eine Originalarbeit handelt. Das sind aber ganz erfahrene und vorsichtige Leute. Herr Mühl brecht: Die ^88ooiatiou zu Heidelberg stand auch auf dem Standpunkt, daß die Bestrafung der Fahrlässigkeit wieder hergestellt werden müßte. Herr Voigtländer: Hat Professor Nöthlisberger dafür gesprochen? Herr Mühlbrecht: Er hat für die Bestrafung gesprochen. Angeregt wurde die Sache durch Osterrieth, es wurde ihm von allen Seiten zugestimmt, und in der Eingabe der ^.88ooiatiou an das Reichsjustizamt soll die Sache betont werden. Herr Voigtländer: Darf ich noch eine Frage an Herrn Geheimrat Daude richten? Die Verfehlungen ans Grund guten Glaubens würden also künftig entweder vollständig straffrei bleiben, abgesehen von der Einziehung der Platten, oder sie würden als fahrlässiger Nachdruck betrachtet werden? Gcheimrat Daude: Es wird immer die Kernfrage bleiben, ob Sie sich in gutem Glauben befunden haben, ob Ihnen der betreffende Autor die Versicherung abgegeben hat, es sei eine selbständige Arbeit, und ob Sie Grund hatten, sich bei dieser Ver sicherung zu beruhigen. Ist das der Fall, dann sind Sie in gutem Glauben gewesen und können nach allgemeinen Grundsätzen nicht bestraft werden. Wenn Sie aber trotz der Versicherung des Autors doch innerlich die Ueberzeugung haben müssen, daß die Sache faul ist, und wenn Sie dann trotzdem eine nähere Prüfung unterlassen, dann sind Sie strafbar. Wir hatten neulich den Fall, daß ein ganz junger, unbedeutender Schriftsteller dem Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift einen Aufsatz zum Abdruck ein schickte, der von A bis Z abgeschrieben war. Der angebliche Verfasser, in der wissenschaftlichen Welt gänzlich unbekannt, hatte als Quelle seiner Arbeit die Schrift eines praktischen Arztes in Berlin angegeben; diese Quelle hätte der Verleger oder der Herausgeber unter den obwaltenden Verhältnissen sich zunächst ansehen müssen. Es würde sich dann sofort herausgestellt haben, daß Wort für Wort abgeschrieben war. In einen, solchen Falle mußte daher eine strafbare Fahrlässigkeit als vorhanden angenommen werden. Ihre Pflicht zu einer solchen Prüfung in zweifelhaften Fällen haben die Verleger selbst immer zugegeben; sie ist vom Sach- verständigcnverein in vielen Gutachten ausgesprochen und auch von den Gerichten stets anerkannt worden. Herr Schwartz: Ich muß hier von dem Standpunkt des Kunstverlegers meine Stimme erheben, weil diese Bestimmung präjudicierend für später ist. Für uns ist es von der allergrößten Bedeutung, daß die Fahrlässigkeit bestraft wird. Die Ausrede des »Nichtgcwußthabens« kommt alle Tage vor, und die Gerichte sind den Nachdruckern mehr entgegen gekommen, als nötig wäre. Ein Weinhändler hatte einen Porzellantellcr mit einem hübschen Köpfchen gekauft, das ein Maler mir in Verlag gegeben. Danach läßt der Weinhändler sich beini Lithographen eine Weinkarte machen. Der Maler sieht diese und ich kriege von ihm einen groben Brief: wenn ich ihn gegen dergleichen nicht schützen könne, so gebe er mir keine Bilder mehr. Der Lithograph ist allerdings ver urteilt und die Karte kassiert worden, aber er hatte nach Annahme des Gerichts weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Der Besteller hätte einen Porzellanteller hingegeben und danach wäre die Karte gezeichnet worden; nebenbei bemerkt war der Porzellan teller auch schon eine unberechtigte Nachbildung. Der aus dem etwaigen Minderabsatz resultierende Schaden ist ja nicht bedeutend, aber man kommt in Differenzen mit den Künstlern. Herr vr. Strecker: Ich kann das nur bestätigen und könnte ähnliche Fälle aus meiner Praxis anführen. Herr Voigtländer: Es ist angeführt worden, daß bei Wegfall der Fahrlässigkeit-Strafe die Staatsanwaltschaften nicht mehr in der Lage seien, eine Klagesache weiter zu führen, als bis sie die moralische Ueberzeugung erlangt hätten, daß hier bloß Fahrlässigkeit vorliegt. Also die ganze Aufhellung des Thatbestandes, die unter dem jetzt bestehenden Gesetze noch der Staats anwaltschaft zufällt, zum großen Vorteil einer prompten Justiz, die würde später vollständig wegfallen, und die Aufhellung der Sache dem bürgerlichen Streitverfahren überlassen werden müssen. Der Vorsitzende stellt als Resultat fest: Zu H 40 wird einstimmig als dringend nötig erachtet, auch den fahrlässigen Nachdruck mit Strafe zu belegen. Die Nachdrucker pflegen regelmäßig sich mit Fahrlässigkeit zu entschuldigen und es ist meist sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich, ihnen die vorsätzliche Verfehlung nachzuweisen. Die bloße civilrechtliche Verfolgung des fahrlässigen Nachdrucks kann nicht für ausreichend erachtet werden, zumal die Zuerkennung einer Buße, welche dem geschädigten Autor und Verleger zur Zeit die Möglichkeit einer leichten Erlangung eines Schadenersatzes bietet, nur im Strafverfahren erfolgen kann und also ausgeschlossen sein würde, wenn fahrlässiger Nachdruck nicht mehr ini Strafverfahren verfolgt werden könnte. 8 41. Auf Verlangen des Berechtigten kann neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. Die zu dieser Buße Ver urteilten haften als Gesamtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Anspruchs auf Schaden ersatz aus.