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2836 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 52, 5 März 1910. nissen der Zeit herauswachsen und ihnen dienen, aber auch teils in den modernen Sprachgebrauch, teils in die eigenartige Bil dung von Wirtschaftsformen hinein, so daß auch hierdurch die technische Behandlung des Alphabets nicht unbeeinflußt bleibt Während auf der einen Seite durch die Ausdehnung und Bevor- zugung der wirtschaftlichen Gesellschaftsformen (Aktiengesell schaften, Gesellschaften mit beschr. Haftung, Erwerbs- und Wirt- schaftsgenossenschaften usw.) die Firmennamen sich von der begrifflich festbegrenzten Bezeichnung des Personennamens los gelöst und zu unpersönlichen Sachnamen und unbestimmteil Titel bezeichnungen sich erweitert haben, hat sich bei den in den bibliographischen Hilfsmitteln enthaltenen Titeln eine ähnliche Wandlung der Namenseigenschaft vollzogen. Wie in letzter Zeit im kaufmännischen Leben überhaupt das Bestreben nach modernen, bisweilen sogar exotischen Schlagwörtern, die propagandistischen Zwecken dienen, die Oberhand gewann und selbst vor den Pforten der handelsgeschäftlichen Tradition nicht Halt machte (es sei hier nur an »Deutsche Verlags-Anstalt«, früher »Hallberger-; an »Kalasiris G. m. b. H.« usw. erinnert), so ist diese Sprachwandlung auch für die Firmenbildung nicht ohne Bedeutung gewesen, und der Geschichtschreiber späterer Jahr hunderte wird es einmal leicht haben, die charakteristischen Merk male der wirtschaftlichen Entwicklung aus der Geschichte der Firmentitel festzustellen. Beispiele wie: »Verlag Nee Linit«, »Verlag Nord und Süd«, »Verlag Renaissance«, »Verlag Priebe L- Co.«, »Verlag der Jla« (— Internationale Luftschiff-Aus stellung), »Hapag« Hamburg-Amerika-Paketfahrt-Aktiengesell- schaft), oder gleiche Beispiele bei Büchertiteln wie »Mono graphien«, »Sammlung«, »Jahrbücher«, »Aus Natur und Geistes welt«, »Praktika«, usw., bei denen überall der sprachlich bestimmte Personenname hinter dem zusammengesetzten Schlagworte oder Sachnamen, der unpersönlichen Firmen- und Titelbezeichnung zurückgetreten oder überhaupt nicht vorhanden ist, könnten ins Hundertfache vermehrt werden. Überdies wird diese Wandlung auch durch einen einfachen statistischen Vergleich illustriert. Das »Offizielle Adreßbuch für den Deutschen Buchhandel« verzeichnete im Jahrgange 1896: IlO Firmen unter »Verlag . . . .«, während im Jahrgange 1909 nicht weniger als 320 Firmen dort figurierten. Unter »Buch handlung . . . .« waren im ersteren Jahrgange jenes Adreßbuchs 80 Firmen, im letzteren Jahrgange aber 136 Firmen aufgeführt. Dort also eine Vermehrung der unpersönlichen, aus Sachworten zusammengesetzten Firmen ums Dreifache, hier eine ungefähre Vermehrung ums Doppelte während eines Zeitraums von etwas mehr als einem Jahrzehnt! Sprechen auch mancherlei andere, bei spielsweise registriertechnische Momente für eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen persönlichen und unpersönlichen Titel- und Firmennamen zugunsten der letzteren, so wird durch diesen Ver gleich doch das absolute Wachsen der unpersönlichen, aus Sach- Wörtern bestehenden Firmennamen bestätigt. Dazu kommt, daß bei solchen wortreichen, zusammengesetzten Firmen- und Bl'ichertiteln ergänzende Formwörter (der, die, für, von usw.) als grammatische Eindringlinge dem Alphabetisierenden sich aufdrängen, mit denen er nie etwas Rechtes anzu fangen weiß: Soll er sie als gleichwertige Glieder der alpha betischen Buchstabenfolge der Haupt- und Sachwörter - Familie einreihen oder ihnen nur die untergeordnete Bedeutung gramma tischen Zierates zubilligen? Schon hat sich der monogrammatische Begriff »Deva« in den buchhändlerischen Fachkreisen und in den Kreisen der Bücherkäufer als buchtechnisches Schlagwort einge bürgert, vielleicht um darauf hinzudeuten, daß es sich einmal als wohlfeiler Ersatz für das Firmenschild der »D.-V.-A.« dem buch händlerischen Volksmunde einprägen wird. So eigenartig und zufällig die Entstehung solcher Firmennamen und Titel auch er- scheinen mag, sie ist doch nicht lediglich auf Willkürlichkeiten zurück zuführen, ihre Entwicklung spiegelt vielmehr charakteristische Merk male der Wandlungen in Wirtschaft und Sprache wider. Nicht etwa, als ob diese Entwicklung im Buchhandel ihren Anfang gemacht hätte. Im kaufmännischen Leben, namentlich im Bankgewerbe, hat jene Erscheinung weit größere Kreise gezogen; fast die ganze deutsche Hochfinanz (Deutsche Bank, Disconto- gesellschaft usw.), die einstmals von wenigen Machthabern persön licher Geschäftspolitik beherrscht wurde, ist zur unpersönlichen Be triebsform übergegangen. Ob darin ein Gewinn oder ein Nach teil für das Wirtschaftsleben zu erblicken ist, kann und soll hier nicht erörtert werden. Trotzdem mag sich diesem oder jenem die Frage aufdrängen, ob nicht im Firmenschutzrechte eine Handhabe gegeben sei, den Gang dieser Entwicklung nach gewissen einheitlichen Gesichtspunkten zu bestimmen. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die maßgebende Behörde, das Handelsregister, hat nur die Be fugnis, darüber zu wachen, daß den einschlägigen V orschriften des Handelsgesetzes entsprochen wird; daß sich beispielsweise öffentlichen Verkehre bedient. Es liegt daher auch in der Hand dieser Registerbehörde*), die Eintragung einer Firma oder die Benutzung eines Namens zu verweigern, wenn dieselbe Firma unter dem gleichen Namen schon besteht oder wenn bei Neu gründungen die Firmenbezeichnung keinerlei Identität mit den Besitzernamen aufweist oder schließlich auch, wenn der Firmen name überhaupt irreführend und geeignet ist, über die tatsächlichen Besitzverhältnisse hinwegzutäuschen. Uber die Benutzung eines Firmennamens besteht im allgemeinen der Grundsatz, daß dieser eine Analogie mit dem Namen des Besitzers oder doch mit dem einet Besitzers aufweisen muß. Dies gilt ebenso für Gesellschafts gründungen, doch kann hier auch der Sächz weck des Unter nehmens der Firmenbezeichnung zu gründe gelegt werden. Daß nach diesem Gesichtspunkte während der letzten Zeit in der Praxis in weitgehendstem Maße verfahren worden ist, hat der Entwicklung der Firmentechnik in der geschilderten Weise wesentlich Vorschub geleistet. Die Entwicklung der Firmen- und Titeltechnik ist somit der Entwicklung der Wirtschafts- und Sprachgebilde auf dem Fuße gefolgt. Geht man einige Jahrzehnte auf diesem Entwicklungs wege zurück, so findet man, daß in früheren Zeiten nur in ge ringem Maße mit diesen Eigenheiten der Firmennamen- und Titelbildung und deshalb auch mit den daraus folgenden Schwierig keiten bei der Alphabetisierung zu rechnen war. So zeigt der Vorgänger des Hinrichsschen Bücher-Verzeichnisses: »Kirchhoffs Bücher-Katalog aus den Jahren 1856/60«, daß dessen Bearbeiter die hier vorhandenen Alphabetisierungsgrundsätze in geradezu weitherziger Weise zu vereinfachen wußte, um Unebenheiten zu beseitigen und die Klippen der Alphabetisierungsarbeit, zu um schiffen. Nach den einleitend aufgestellten Regeln wurden »persönliche Stichworte, die eine absonderliche Orthographie befolgen, der Bedeutung nach aber mit unpersönlichen Über einkommen, bei diesen eingeordnet«; z. B. Baader unter Bader, Bluhme unter Blume, Süß unter Süs. Bei der Behand lung der Fremdwörter wurde, um Inkonsequenzen zu vermeiden, eine gewisse sprachwissenschaftliche Methode befolgt, indem sie »nach der Orthographie ihrer Abstammung eingeordnet wurden«; nämlich Actenstücke unter Ae . ., Konfirmanden unter Con . . ., Katechismus unter K . . ., Katalog aber unter Ca . . ., um, wie es in den »Erläuterungen« heißt, keine »Trennung von Catalogue, Catalogus usw. zu veranlassen«, während aus gleichen Gründen auch der Umlaut mit seinem Stammvokal zusammen geordnet wurde. Andrerseits ging man aber auch über diese sprachlichen Vernunftgründe hinaus, indem nicht nur »willkürliche Vokal verdoppelung« (Baath) und »die Konsonantenverdoppelung vor Konsonanten, nach langen Vokalen oder Diphthongen« (Kaufmann statt Kauffmann, Kraft statt Krafft, Nieger statt Riegger, Käufer statt Kauffer), sowie die »Konsonantenverschärfung in der Mitte oder am Ende der Worte« (Lemke statt Lemcke, Franke statt Francke, Brand statt Brandt, Herz statt Hertz) unbeachtet gelassen, sondern auch »die provinzielle Ausstoßung des »e« in Schlußsilben (Baur statt Bauer, Riedl statt Riedel) nicht berücksichtigt wurde«. Der Sprachreinheit zuliebe verwandelte sich in deutschen Namen das »y« in ein »i«, nur die Träger der dominierenden Namen »Bayer« und »Mayer« blieben von diesen deutschgesinnten Laut vertretungen unbehelligt. Man sieht also, dem Grundsätze der Ein fachheit in der Behandlung des Alphabets wurden die weit gehendsten Konzessionen gemacht, die freilich heute einen unverant wortlichen Verstoß gegen das geheiligte Personennamen- und Firmen-Recht bedeuten würden. Denn in unserer Zeit wird die Unveränderlichkeit der registrierten Personen- und Firmennamen sorgfältig durch das Recht verbürgt, so ") Vergl. meinen Artikel »Der Verkehr mit dem Handels register« im »Tag« Nr. 10, Jg. 1910.