Volltext Seite (XML)
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Eigkntiom d-» Mrs-Nvkrei»« »kr D-utsch-n Buchhai,«!,r. M 283. —Leipzig, Mittwoch den 4. December. — 1872. Nichtamtlicher Theil. Schriftsteller und Verleger vor hundert Zähren. (Schluß aus Nr. 277.) Und wie für den Verfasser, so hatte der Selbstverlag auch für den Bücherkäufer seine bedenklichen Seiten. Warum auf ein Buch pränumeriren oder subscribiren, dessen Werth man nicht kannte? Da wartete man doch besser das Erscheinen des Buches ab, sah was Herrn Nicolai's deutsche Bibliothek oder eine andere Zeitschrift dar über sagte, und faßte dann seinen Entschluß. Vielleicht wartete man dann gar noch, bis der wohl zu erwartende Nachdruck erschienen war. So muß Voß 1780 die üble Erfahrung machen, däß man ihm nicht allein durch schlechte Subscription und Pränumeration die Möglichkeit nimmt, seine Odyssee zu drucken, sondern daß man seiner in Schwaben noch obendrein spottet. Man schreibt ihm von dort, daß man sein Werk kaufen werde, sobald ein Nachdruck vorläge.*) Wenn so in den schlecht oder auch gar nicht zahlenden Sub- scribentensammlern und in vielerlei sonstigen Unannehmlichkeiten dem Selbstverläge der Schriftsteller ein wesentlicher Hemmschuh an gelegt wurde, so hatte der Buchhandel seinerseits keinen Grund, die Schriftsteller in einem Vorhaben zu fördern, das dem Verleger den Krieg erklärte. Und so sehrLessing irrt, wenn er glaubt, daß „Reich und mehrere Buchhändler, wenn schon nicht unter der Compagnie von Dodsley begriffen, dennoch für ihre Unternehmungen, den Ge lehrten den Selbstdruck zu verleiden, sehr wohl gestimmt" seien, so ist doch gewiß, daß der Buchhändler nicht ohne Behagen zusah, wie sich der Autor auf dem Gebiete des Selbstverlags abängstete, um schließlich froh zu sein, wenn er von dem wieder in alter Weise aus genommen ward, in dem er so gern nichts weiter gesehen hätte als seinen Commissionär. „Ich bedaure," schreibt Nicolai an Merck nach Petersburg, „jeden Gelehrten, der Nutzen von seinen Werken ziehen will. In einzelnen Fällen kann Pränumeration dienlich sein, wie Zachariä, Unzer, Wieland zeigen, im Ganzen wird, denke ich, dem Uebcl (den Klagen der Autoren) nicht abgeholfen." Und in einem andern Briefe: „Ueberhaupt gleicht die Buchhandlung einemFärbe- kessel, an dem man viele Jahre gestanden nnd im Schweiße seines Angesichts muß gearbeitet haben. Wer die Sache nur von außen ansieht, glaubt, cs käme nur auf einige Necepte und aufs Eintauchen *) In der Zeit, als die Verlagskasse eristirte, ist unsere Großmut!) hundcrtma^ Ii,khr als vorher^ in Anipruch^ genommcn^wo^e^ Anfänger Quartetten für einen wahrhaftig nicht niedrigen PräninnerationSpreiö anS, aber, wie sie heilig versichern, bloß, weil „Kenner sie täglich zur Heraus gabe anfmnntern nnd Liebhaber sehnlich danach verlangen". (Berl. Mon.- -Schr. v. Gcdikc n. Biester XU. 449.) und Herausziehen aus dem Kessel an. So leicht sehen jetzt viele Gelehrte den Buchhandel an, die sich dadurch zu bereichern gedenken. Wer aber, wie ich, das Innere der Sache kennt, siehet wohl, wie sehr sie sich betrügen." Verhielt sich der Buchhandel dem Selbstverlag der einzelnen Schriftsteller gegenüber nicht feindselig, sondern zeigte er sich sogar bereit, zeitweise stützend einzugreifen, so trat er, als jener die Form der Dessauer Unternehmungen annahm, ihm entschieden feindlich gegenüber. Die Nachricht, welche die Direktoren der Buchhandlung der Gelehrten in die Welt sandten — der Debit der Verlagscasse- Artikel sollte, soweit er durch anderweite Vermittlung nicht statt fand, durch den Buchhandel vermittelst jener Buchhandlung besorgt werden—, nahm zwar ausdrücklich Bedacht auf die Möglichkeit, daß der Buchhandel den Verkehr mit den Dessauern ablehnen würde, allem, nach aber überschritt das Verhalten des Buchhandels beiweitem das Erwarten. Zwar war, als man von Dessau aus die Schriftsteller zu beglücken dachte, der Zustand des Buchhandels nicht mehr der alte, der nur Tauschverkehr gekannt und von dem Geschäflsgenossen ver langte, daß er zur Betreibung seines Geschäfts auch für Verlag sorge, doch aber war er ebensowenig der heutige, der Sortiment und Verlag getrennt neben einander bestehen sieht. Denn wenn, wie die „Nachricht" der Dessauer besagt, auch damals schon einzelne Handlungen, wie Weygand und Weidmanns Erben und Reich in Leipzig gar nicht mehr tauschten, sondern ihre Artikel in feste Rech nung, daneben auch ü conäitiou versandten und in der nächsten Ostermesse Zahlung des Saldo verlangten, so war dies immerhin noch Ausnahme, die Regel aber war, daß man zu tauschen suchte und dem baaren Einkauf nach Möglichkeit aus dem Weg ging. Und man vermied daher, thcilweise nicht aus Interesse für den Gesammt- buchhandel, sondern aus Interesse für den eigenen Beutel einen Verkehr, in dem die Gegenseite zunächst Geld zu sehen wünschte. Gute Handlungen lehnten jeden Verkehr mit Dessau ab. Was die großen Handlungen aus Prinzip, die kleineren aus Rücksicht auf ihr Verhältnis; zu den großen und das wenig Lohnende des Ver kehrs mit den Dessauern unterließen, das trieb in Verbindung mit der eigenen Unmöglichkeit das ganze unter fürstlicher Protection gegründete Unternehmen rasch dem Abgrund zu, in den es früher oder später jedenfalls stürzen mußte. Und wie später noch die zu Grabe Getragenen gleich Verpesteten verfehmt sind, ergibt sich aus dem Leben K. F. Bahrdt's, dessen Briefe über die Bibel von der Gelehrten-Buchhandlung waren debitirt worden. Der Berliner Verleger Mylius weigert sich ausdrücklich, die Fortsetzung zu ver legen, wenn das Buch nicht einen andern Titel erhält, „weil er die bloße Fortsetzung eines Artikels der Gelehrten-Buchhandlung nicht verlegen wolle". 629