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4614 Nichtamtlicher Theil. „1L 283, 4. Deccmbcr. So endete die Bewegung und man darf sagen, zum Nutzen aller Bctheiligten. Alle die schönen Plane der Schriftsteller waren zu Wasser geworden und die Hoffnungen, die Leibnitz zu Anfang des Jahrhunderts gehabt, waren umsonst gehegt. Er habe einigemal darüber nachgedacht, schrieb der Philosoph am IS. Octobcr I71S an Sebastian Kortholt nach Kiel, ob nicht unter den Gebildeten vorzüglich Deutschlands eine ooeiotso subsorixtoria gestiftet wer den könnte, welche jene vor der Habgier der Buchhändler schützte, die nicht veröffentlichten, was Veröffentlichung verdiente, sondern was ihnen, die selbst meist Ignoranten seien, gefiele, oder was sie um geringen Preis oder gratis den Autoren entrissen. Lcibnitz dachte sich die Sache so, daß die Mitglieder sich auf die zu drucken den Werke subscribirtcn und daß mit der hierdurch erzielten Ein nahme die Auslagen nebst Zinse» gedeckt werden sollten. Die übrigen Eremplare sollte» dann um so Iheurer an die verkauft wer den, die noch Verlangen trügen, „kutonr, lrauc societatom tuu- clsnr bibliopolao iu oräiuour rocknetnrsm 6t tuuckum sibi eomparu- ^6836t." Kortholt schien der Plan nicht unbedenklich, >,I)6 ciillicuitati- dus recte mones," schreibt Lcibnitz am 19. November wieder, „ex cesLnturo."*) Die von Lcibnitz so gefürchtete xotentin gentis biblioxoluris war es nicht, an der die Pläne des Philosophen und seiner Nach folger zwei Menschcnalter später scheiterten. Den» einmal trat ja der Buchhandel dem Selbstverlag nicht unbedingt feindlich gegen über, dann aber würde er, sofern er den Kampf um das Dasein mit einem lebenskräftigen Gegner aufzunehmen gehabt hätte, diesen zu bewältigen nicht vermocht haben. Der Gegner, der ihm so gern ge fährlich geworden wäre, erwies sich zwar in mancher Hinsicht störend und schädigte den Geschäftsbetrieb, am meisten aber schnitt er sich ins eigne Fleisch und bewies aufs neue, daß, was theoretisch richtig ist, praktisch sehr unzulänglich sein kann. Theoretisch richtig ist nämlich, daß der Selbstverlag dem Schrift steller den gewünschten Lohn am sichersten und reichsten gewährt. Der Schriftsteller hat in diesem Fall die Möglichkeit, schon dem Drucker und Papicrhändler gegenüber fein Interesse auss beste zu wahren. Er betraut dann einen Commissionsbuchhändler mit dem geschäftlichen Vertrieb und sicht im klebrigen getrost der Zukunft entgegen in der begründeten Erwartung, daß sein Buch auch Käufer findet. So die Theorie. Die Praxis weist dem so rechnenden Schriftsteller mit leichter Mühe nach, daß seine Berechnung aus vielen trügerischen Voraus setzungenberuht. Zunächst ist ja die Behauptung falsch, daß dem Schriftsteller unter jeder Bedingung das Recht zustände, seine Ar beit belohnt zu sehen. Ist er aber nur berechtigt, seine Kraft zu Markt zu bringe» und — mit Lessing zu reden — zu sehen, ob ihn Jemand dinge — ob ihm Jemand sein Buch abkause —, so wird er die vor hundert Jahren so oft gemachte Erfahrung wieder mache», daß eine Schrift mit ihrem Geschricbenscin noch nicht die Berechti gung zum Gedrucktwerden erwiesen hat. Aber selbst vorausgesetzt, die gedruckte Arbeit habe die Veröffentlichung durchaus verdient, wer mag dem Verfasser gegenüber die Bürgschaft übernehmen da für, daß er den erwarteten Lohn durch den Absatz der gedruckten *) Lcibnitz an Seb. Kortholt, Opera omnia 6(i. Darens. V. 333, 334. Exemplare voll erwirbt? Wer möchte selbst dafür einstehen, daß wenigstens die aufgcwandten Kosten dem sclbstverlegcnden Schrift steller durch den Absatz wieder zurückfließen? Auch heutzutage, wo die Verkehrsverhältnisse dem Selbstverlag — er werde unmittelbar durch den Schriftsteller oder durch einen Commissionär besorgt —- soviel günstiger sind, als zu Klopstock's und Lessing's Zeit, sind die Vorbedingungen zu den großen Einnahmen des selbstverlegen- deu Schriftstellers, der gewisse Absatz und die Zahlungsfähigkeit der Abnehmer noch unsicher genug, um den Autor von Bemühun gen abzuhalten, die ihm in den allermeisten Fällen nichts bringen würden, als eine neue Auflage der Erfahrungen, die von längst- vergangencn Geschlechtern gemacht wurden. Doch ist ja im Ernste auch nicht zu fürchten, daß für das heute lebende Geschlecht die Lehren verloren wären, die die Wirklichkeit seinen Urgroßvätern gab. Das Bewußtsein hat sich durchgekämpft, daß der Verleger — nicht der Einzelne, sondern derStand — etwas mehr gelernt haben muß, als, wie der über den Nachdruck der Drama turgie verdrießliche Lessing meint, Pallete zubinden, daß er ein für dieLitcratur und ihre naturgemäße Weiterbildung durchaus nöthiger Bestandtheil der menschlichen Gesellschaft ist und daß die Interessen des Schriftstellers am besten gewahrt sind, wenn er sie als mit denen des Verlegers identisch ansieht. Denn der Verleger ist der verkörperte Geschmack, das ver körperte literarische Streben seiner Zeit. Er ist die dankbare Nach welt, die Einzelnes von dem Wiederaufleben läßt, was frühere Ge schlechter schriftstellerisch geleistet, wichtiger aber ist er als der, der dem Geschmack der Mitwelt Ausdruck gibt. Als solcher ist er ein gutes Corrcctiv für Leute, die von ihrer Autorsähigkeit allzu große Ansichten haben, als solcher normirt er das Honorar, das er glaubt für ein angcbotenes Manuskript geben zu können. Und indem er das erkaufte Manuskript zum Gegenstand einer geschäftlichen Spe kulation macht, handelt er ja nur im gleichzeitigen Interesse des Autors. Denn der Absatz des Buches, das er gekauft, konnte ihm gleichgültiger sein, sofern es sich nur um Commissionsverlag han delte. Wo er aber wirklicher Verleger ist, wo er durch ausgcwand- tcs Capital auf den Erfolg seiner Unternehmungen hingewiesen wird und wünschen muß, daß seine Thätigkeit ihm nicht nur die gehabten Kosten, sondern auch Gewinn einbringe, da arbeitet er gleichzeitig für den Schriftsteller, der aus seinem Thun einen der muthmaßlichen Nachfrage entsprechenden Lohn zieht, ohne in die Gefahren zu kommen, die seinen Geschäftsfreund nicht selten bedrohen und schädigen. Etwas „Statistik". . In Nr. 246 u. ff. d. Bl. befindet sich unter der Ueberschrift „Der deutsche Buchhandel und Fauchcr's Vierteljahrschrist" eine Entgegnung auf den in genannter Zeitschrift enthaltenen Artikel von Fr. Kleinwächtcr, welche viel des Interessante» bringt und manches — nicht alles—, das sich der allgemeinen Zustimmung ersrcuen wird. Einsender hat nicht die Absicht, sich eingehender mit dem In halt der Entgegnung beschäftigen zu wollen, überläßt dies vielmehr gern berusenercn Federn, die sich zweifellos bald finde» werden. Ich begnüge mich daher damit, nur einen Punkt herauszuheben. DerVerfasser klagt Kleinwächter mehr oder minder dcrSchwarz- malerei hinsichtlich der buchhändlerischen Ncchnungsbcreinigung an, und wenn er den Buchhandel dagegen in Schutz nimmt und ver- thcidigt, so ist das vom collegialischcn Standpunkt aus recht lobens wert!), doch bin ich der Ansicht, daß der Verfasser dabei in den ent gegengesetzten Fehler verfällt und in diesem Punkte zu weiß malt, was ich, so zu sagen eutrs uous, in unserer Fachzeitschrift, wieder nicht sehr empfehlenswerth halte. DerVerfasser citirt für seine Behauptung die Abrechnung der Bazar-Gesellschaft; er wird mir jedoch gestatten müssen, daß ich und mit mir ohne Zweifel viele