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5022 Börsenblatt k d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 95. 27. April 1910. Kleine Mitteilungen. Aus den» Deutsche» BuchgewerbehauS in Leipzig. Exlibris aus der Sammlung der Frau Elisabeth Western. — Im Nebenraum des Saales der alten Drucke im Deutschen Buchgewerbehause in Leipzig befindet sich zurzeit eine größere Kollektion Exlibris, die aus der Sammlung der Frau Elisabeth Western herriihrt. Besonders zahlreich und mit schönen Stücken ist hier der Leipziger Mathieu Molitor vertreten. Molitor, der seine Künstlerlaufbahn als Maler begann, dessen reines und starkes Formengefühl ihn dann zur Plastik führte, hat sich auch als Graphiker längst einen sehr geschätzten Namen erworben, zu dem seine formvollendeten und feinsinnig erdachten Exlibris nicht wenig beigetragen haben. Wie wenige hat Mvlitor das Wesentliche des Exlibris erfaßt, durch klare, möglichst knappe Disposition auf persönliche Neigungen oder den Beruf des Be sitzers hinzuweisen, und in Gemeinschaft mit seinem natürlichen Schönheitsempfinden hat er eine Reihe höchst reizvoller Bücherzeichen geschaffen, die nicht allein die Besitzer, sondern jeden kunstlieben den Menschen, der sie zu sehen Gelegenheit findet, erfreuen. Un- gemein verständlich und beredt sprechen die edlen weiblichen Ge stalten in den Versinnlichungen der Exlibris für Helene Molitor und die Schwestern Brehmer. Ein Suchen und Enträtseln, um die besonderen Neigungen zu entdecken, für die diese Zeichen be stimmt sind, ist hier ausgeschlossen. Die Liebe zur Musik, zur Natur usw. ist in diesen Blättern unzweideutig bildlich verkörpert. Ebenso prägnant ist in den Exlibris für die Herren vr. Ulrich Thieme, W. Limburger und Josef Klemm der Kunstliebhaber, der Goethefreund und der Illustrator veranschaulicht. Da die Originale zu diesen schönen Blättern alle als Federzeichnungen behandelt sind, so geben uns die technisch vorzüglichen Ätzungen die charakteristischen Eigentümlichkeiten der künstlerischen Hand christ mit unbedingter Treue wieder. Für die Bücherei des Bayerischen Kunstgewerbevereins hat Julius Diez in seiner markigen Zeichenweise ein treffendes Bild in einer männlichen und einer weiblichen Figur gefunden, die gemein sam einen großen Folianten heben, um den sich ein Spruchband schlingt. In verwandter Darstellungsweise mit stilvollen, teils kolorierten Blättern schließt sich ihm Georg Barlösius an. Seine bedeutsame, ausgereifte Kunst der Formengebung mensch licher Figuren dokumentiert Otto Greiner in herrlich modellier ten männlichen Gestalten in zwei radierten Blättern für vr. Paul Hartung und Or. H. Schmidt. Den Charakter der Marke hebt B. Wenig in seinen meisterhaft gezeichneten Darstellungen hervor, den auch der englische Künstler I. W. Simpson betont. Liebt es Melchior Lechter seiner künstlerischen Sprache einen herben Ausdruck zu verleihen, so weisen Heinrich Vogelers Gestaltungen dagegen liebenswürdige, graziöse Züge auf. H. Hirzel pflegt seine Zeichen mit einem schönen Landschaftsbilde auszustatten. Ferner sind unter anderen noch mit wertvollen Blättern ver treten: Hans Thoma, Geiger, Dasio, Orlik, Eckmann -f, Horst Schulze, Lehmann und Zarth. Auch einige ältere Meister hat die interessante Sammlung mit bezeichnenden Stücken aufzuweisen, so ein Blatt von A. F. Oeser für vr. Alphons Dürr und Arbeiten von Stöffel, Bürkner und Grandville. Ernst Kiesling. Aus dem graphischen Kabinett bon Beher L Lohn in Leipzig. — Im Kunstsalon von Beyer L Sohn in Leipzig be gegnen wir gegenwärtig drei graphischen Künstlern von ausge sprochener Eigenart: Max Mayrshofer, Heinrich Kley und Carl Thiemann, von denen als der originellste der erst genannte gelten darf. Mayrshofer bietet eine mit weichem schwarzen Kreidestift ausgeführte Reihe von Originalzeichnungen, die sich aus Figuren- und Landschaftsbildern, Pferdesport darstellungen, Strand- und Straßenszenen zusammensetzt. Das Motiv an sich bedeutet für Mayrshofer nichts. Ihm kommt es vor allem daraus an, den wahrgenommenen Natur eindruck mit beschränktesten Mitteln, wenigen Strichen, aber mit höchster Lebendigkeit wiederzugeben. Und wenn man sieht, mit welcher Schärfe er Formen- und Bewegungsmotive fest zuhalten weiß, wie er Einzelfiguren und große Volksmengen dar stellt und wie er daneben mit wenigen gewischten Tönen die Stimmung der Landschaft, den Glanz des Lichts in der Luft zur Erscheinung bringt, so muß man diese faszinierende Darstellungs art bewundern. Das Bestreben, mit wenigem viel zu sagen, gelangt in seinen Zeichnungen zu vollendetem Ausdruck. Alles in allem sehen wir hier einen Graphiker ersten Ranges vor uns, dessen scheinbare Leichtigkeit des Schaffens auf einem durch eifriges Studium unterstützten großen künstlerischen Können beruht. Heinrich Kley, der sich auch durch seine bildlichen Beiträge ür die »Jugend« in weiteren Kreisen bekannt gemacht hat, ent öltet mit seinen flotten, mit verblüffender Sicherheit hinge worfenen Federzeichnungen viel Witz. Die überschäumende Lebens lust, die seine Schilderungen erfüllt und von reicher Phantasie unterstützt wird, hat etwas Fortreißendes. Außer seiner ormalen Begabung verfügt er auch über ein ungemein risches Farbengefühl, das er außer in figürlichen Dar- tellungen auch in einer Reihe stimmungsvoller farbiger Hasenbilder und bei der Wiedergabe von Jnnenräumen großer industrieller Etablissements mit Glück verwertet. Besonders interessant sind nach dieser Richtung hin die Darstellungen aus den Kruppschen Werken und die Motive aus Venedig, Berlin, Dresden, Paris und anderen Städten. Carl Thiemann ist mit einer Anzahl sarbenschöner, in stilistischer Formensprache gehaltener, farbig getönter Holzschnitte vertreten, deren' breite, a tte Tonwirkung die Form aufs beste unterstützt. In seinen reizvollen Blättern bringt er mannigfaltige Motive zur Darstellung. Ernst Kiesling. Ein französisches Wörterbuch für Blinde. — Ein eigen artiges, typographisch interessantes Erzeugnis ist soeben von der Druckerei des Blinden-Erziehungsinstituts in Wien in seinem ersten Band herausgegeben worden. Es ist die Übertragung des Langenscheidtschen deutsch-französischen Wörterbuches von Or. Villatte in den Punktdruck, die von der internationalen Ge sellschaft studierender Blinder in Gens nach mehrfachen ander weitigen Verhandlungen der genannten Druckerei anvertraut wurde. Bei Herstellung des Abdrucks waren ungewöhnliche Schwierigkeiten zu überwinden. Schon der heute zum Blinden druck allgemein verwendete Zwischenpunktdruck, bei dem die er habenen Punkte der einen Seite zwischen den Vertiefungen des Druckes der anderen Seite zum Zwecke der äußersten Raum ausnützung zu stehen kommen, erfordert große Genauigkeit beim Bedienen der Maschine. Hierzu kommt aber, daß mit Rücksicht auf den großen Umfang des ganzen Werkes, dessen französisch deutscher Teil allein fünf Folianten umfassen wird, das Werk in Kurzschrift gedruckt werden muß; dies setzt bei dem übertragenden Drucker die Kenntnis sowohl der deutschen als auch der gänzlich verschiedenen französischen Blindenkurzschrift voraus. Es mußte ferner das ganze System der Abkürzungen und bildlichen Be zeichnungen umgearbeitet werden. Daß diese hervorragende Leistung, die ganz von einem Blinden, dem Herrn Karl Satzen- hofer, ausgeführt wird, einem lange gehegten Wunsche der gebildeten Blinden entspricht, zeigen die zahlreichen Bestellungen aus allen Ländern. (Wiener Zeitung.) * Ans dem Antiquariat. — Die Bibliothek des verstorbenen Clever Historikers Professor Or. Robert Schölten wurde von der Thomasdruckerei und Buchhandlung, G. m. b. H. in Kempen (Rhein) erworben. Sie enthält in ihrem historischen Teile zahlreiche Spezialschristen sowie auch Urkunden und Manu skripte. Ein Katalog über diesen Teil erscheint im Laufe des Mai. Zum russischen Lchriftstellerkongretz. — Die Abhaltung des zweiten russischen Schriststellerkongresses hat sich länger ver zögert, als nach der ersten Anzeige (siehe Börsenblatt 1910, Nr. 38) zu erwarten war. Jetzt hat sich ein Organisationskomitee ge bildet, das ein Programm und Regulativ für die Tätigkeit des Kongresses ausgearbeitet hat. Es sind vorgesehen: Berichte über das Autorrecht — über die Literaturkonvention — über die Be dingungen eines besseren Absatzes der Erzeugnisse der Presse, — über Maßregeln gegen die Ausbeutung der Literatur und der Schriftsteller, — über die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Verlegern und den Schriftstellern, — über die materielle Sicherstellung der letzteren, — über die literarische Ethik, — die Statistik der Presse, — über die Einrichtung