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80, 9. April 1915. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. wenig mehr als ein Name sein«, und wenn man auf S. 5 gar findet, daß dem reifen Nietzsche aller Nationalismus und beson ders der deutsche Patriotismus verächtlich gewesen, daß er ein schlechter Deutscher, aber ein guter Europäer gewesen wäre. Er hätte nur noch hinzuzufügen brauchen, daß Bernhardt für die aller meisten Deutschen noch nicht einmal ein Name war, und daß die wenigen, die jetzt allmählich etwas von ihm erfahren haben, das auch nur den Engländern und ihrem Geschrei darüber verdanken. Übrigens gesteht dies ein anderer Engländer, der Theolog D. G. Cairns, in einer Broschüre »ilo sosver to Leiobardi« (— kspors kor vor time. dlo. 12. Oxkord llniv. kross. 16 S. 8") wenigstens mit Einschränkung auf die kirchlichen Kreise in Deutschland auch ein, wenn er sagt: »Tbo rvritsr vk tkis trsot eso oolx SIIV tbst aktor aisox xesrs vk Legusintaooo rvitb reli^ious and xbilantdropio oirolos in OisioLnv, it is bis bollok tbst most vk tbsir loaäioß minäs aro guits uos.cguaintocl vitb it« (T. 3). — Dabei wird aber die Reihe der »Kriegshetzer« von anderen immer mehr erweitert, wie man aus dem langen Titel eines Buches er sehen kann, das sich mit dem »deutschen Kriegswahnsinn« besaßt; er lautet: »Tbo 6orman xospsl vk blvocl and iroo. 6eriosnx's vor mania. '1'bo teutvniv point vk viov SS olkioisllx ststed bv vor leLdeis: cl volleotioo vk speeekes and vritinM bx tbo Kormau Lmporor — Ibo 6orman Ororvn-prioos — Or. von Lotbmann- 3oI1rvoA — krinoo von Lülov — 6eosrsl von Lornbardi — (leoo ral von der 6oltr — llonoral von Oisiiseivitr — krvkossor von Irsitsoblro — krokossor volbrüok« (London: A. W. Shaw. 272 S. 8"). Also auch der alte Clausewitz, der nun schon über hundert Jahre tot ist! Die Schriften von Bernhardt waren zum Teil schon vor dem Kriege in englischen Übersetzungen erschienen und dienen jetzt in billigen Ausgaben als eins der wirksamsten Agitations mittel gegen uns. Da ist »6s.vg.Irx« (London: Hodder L Stough- ton. XXIII, 2V8S. 8»), »kormgox god tbo ooxt «-ar« (London: Ar nold. 288 S. 8"), »klorv tlormgox mgkes rvgr« (London: Hodder L Stoughton. XVI, 248 S. 8») und unter besonders aufreizendem Titel »Lritgio gs (lorwgox's vgssgl« (London: Dawson. 256 S. 8°), eine Übersetzung des Buches »Unsere Zukunft«. Die unge heuren Auflageziffern — man spricht von mehr als 30 000 Exem plaren für jedes einzelne dieser Bücher — lassen sich mit der ver hältnismäßig geringen Verbreitung der deutschen Originale gar nicht vergleichen. — Auch Nietzsche war den Engländern seit einigen Jahren in ihrer eigenen Sprache zugänglich, und in »Var kditivos« wird für eine weitere Bekanntschaft mit ihm ge sorgt. Treitschkes Schriften aber waren der Mehrzahl unter ihnen ein Buch mit sieben Siegeln, »a soslsd boolr to tbo mgjoritx vk Loxlisb regders«, wie I. A. Cramb in seiner Schrift »6er- mgox god Lo^iglld« (London: Murray 1914. XVII, 137 S. 8") betont. Auf dessen schiefe Darstellung — er hat den bestimmenden Einfluß des deutschen Historikers aus die jetzigen Ereignisse ent deckt — geht die Kenntnis der meisten englischen Schriftsteller zurück, die über die tieferliegenden Ursachen des Krieges schrei ben, und sie schreiben dabei jetzt alle über Treitschke, als ob er ihnen seit Jahrzehnten geläufig wäre. Crambs Buch erschien vor dem Kriege, sein Verfasser ist gestorben, ehe der Kampf begann, und doch gehört es mit an die Spitze der Kriegsliteratur; aus Vorlesungen entstanden, ahnt und schürt es mit glühender Bered samkeit den unausbleiblichen Konflikt. Inzwischen hat man sich daran gemacht, Treitschke zu übersetzen: »Dreitsebir«. klis liko and «orlr. Trsoslstod into Loxlisb kor tbo kirst time« (London: Jar- rold. IX, 329 S. 8") ist der erste Band einer Serie seiner Schrif ten; außerdem sind »Solootions krom DieitsobLo's I>vetures oo polities. Trsnsl. bx Ldam I.. kvrvsns« (London: Gowans L Gray. 128 S. 8°) und »Tbo vrAsiürstion ot tbo srmx. LoinZ Z 23 vk bis looturss on polltivs. 'Irans!, bv Ldsm I.. 6orvsns« (London: Ebenda. 63 S. 8°) bis jetzt erschienen. Ebenso wie bei der Über setzung des Buches von H. Frobenius: »Tbo 6eimsn Lm- pire's bour ok destinx« (London: Laune. 138 S. 8") handelt es sich hier jedenfalls um Eingriffe in die Rechte des Verlegers. In dieser Hinsicht kennt man in England keine Skrupel. — Wenn die famosen deutschen »rvsr iospirors« nun auch in allen Veröffent lichungen wiederkehren, so sind ihnen doch auch besondere Bro schüren und Bücher gewidmet; von E. Barker: »büotrsek« and Troitsolüro. Tbo rvorsbix ok porvor in modern 6ormsnx« (Oxford: Iloivorsitx kross. 28 S. 8") aus der schier unendlichen Serie der »Oxkord ksmxblets, 1914«, von der schon über 50 Nummern ge druckt sind, und Joseph Me Cabe: »Droitsebbo and tbo §root v-sr« (London: Unwin. 287 S. 8") usw. Nun Wäre vielleicht der Gedanke ganz naheliegend, den Spieß umzukehren und den deutschen »rvsr iospirors« eine Serie eng lischer »Kriegshetzer« entgegenzusetzen; aber es hat ja gar keinen Zweck, so leicht es auch wäre. Zudem hat Norman Angell in einem Buche »krussisuism and its dostruvtioo. IVitb rrbick is ropriotod ksrt II ok Tbo Arest Illusion« (London: Heinemann. XX, 240 S. 8°), mit dem ec sich auch in die Reihe der Schlag wortleute stellt, dies Geschäft schon besorgt und seinen Lands leuten in dem Kapitel »Tbo krussisn vritbin our midst« (S. 74 —100) einen Spiegel zur Selbsterkenntnis vorgehalten. Die übrigen Agitationsschriften gruppieren sich in erster Linie um »Tbo Xsisor«, den »rvsr lord«, was einfach eine Über setzung der Bezeichnung »oberster Kriegsherr« sein könnte, wenn es nicht noch einen besonderen Unterton hätte. I. M. Kennedy, der auch durch andere Bücher den Krieg wie ein Geschäft ausnutzt, hat mit diesem Titel eine kleine Schrift veröffentlicht: »Tbo vsr lord. L obsrsoter stuclx ok Xsiser Vübelm H, bx loosos ok bis spoeebes, lottors and telexrsms« (London: F. L C. Palmer. 96 S. 16"), eine natürlich sehr einseitig gewählte Anthologie aus münd lichen und schriftlichen Äußerungen des Kaisers. Weitere Schrif ten gegen den Kaiser sind: F. MundelI: »Tbo Xsisor uoiosslr- od« (London: Jarrold. 160 S. 8°); anonym »Tbo real Xsisor« (London: Melrose. VUI, 179 S. 8"); George Saunders: »Tbo Isst ok tbs Haus« (London: Routledge. VU, 192 S. 8"), auf dem Titelumschlag mit einer persiflierenden Darstellung des bekannten Gemäldes »Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter« versehen. Der Verfasser war früher Korrespondent der Morning Post in Berlin und ist mit einer deutschen Dame aus dem Tiergartenviertel verheiratet. Interessant ist es übrigens, daß das gleiche Buch in Amerika (New Jork: Dutton L Co.), aber mit einem bei weitem weniger beleidigenden Titel erschienen ist. Es heißt dort: »Luildor Slld blanderer. L studx ok emperor Vll- lism'ö okaraotor »od koreissn poliox«. Dann wäre noch W. N. Willis: »Tbo Kaiser and bis bsrbsrisos« (London: XoZIo-Kastoro kubl. Oo. 64 S. 8°) zu erwähnen, während das dicke Buch von Austin Harrison, dem Herausgeber der LoZIisd keviorv, mit dem Titel: »Tbo Laisor's vor« (London: G. Allen L Unwin. 251 S. 8") in der Hauptsache eine Sammlung älterer Artikel ist, die ihre Benennung Wohl mehr der Ansicht ver dankt, daß damit auch der Absatz wächst. (Fortsetzung folgt.) Zur Soziologie des Witzblattes von Henny Moos mit einem Anhänge: Das moderne Witzblatt im Kriege. München 1915, Verlag von Max Steinebach. Preis M. 3.— ord. Als Student sandte ich einmal gleichzeitig zwei Witze an ein ge lesenes Witzblatt; man wird mir mildernde Umstände zubilligen, wenn ich erwähne, daß es in der zweiten Hälfte des Monats geschah, die bekanntlich nach dem 5. beginnt. Der eine Witz schien mir so unwider stehlich komisch, daß selbst ein verhärteter Hypochonder in ein be freiendes Lachen ausbrechen mußte, den andern rechnete ich nur zu den Katerwitzen, jener Sorte von Scherzen, die beim Katerfrühschoppen darum sehr beliebt sind, weil sie den Hörer nur zu einem säuerlichen Lächeln zwingen, während ihm das Lachen bis in die Haarwurzeln weh täte und den Magen umkehren würde. Der Katerwitz wurde eines Abdruckes mit Illustration für würdig befunden; mit dem andern konnte ich leider die todsichere Wirkung auf deu Hypochonder nicht aus üben, denn der Witz kam, »ohne das Licht der Druckerschwärze erblickt zu haben«, wieder an mich zurück; er hatte offenbar bei dem Witzblatt- Redakteur versagt, wie ein nasses Zündhütchen. Lange Zeit beschäf tigte mich das Problem, wie die Redakteure es wohl anfangen, den guten Witz herauszufinden, und ich dachte mir eine Vorrichtung, die das Zwerchfell in direkte Verbindung bringt mit einem kleinen Seis mographen, der durch die Bewegung einer Nadel die Brauchbarkeit des Witzes vor Augen führt. Nun ersehe ich aus dem Buche von Dr. Henny Moos, wie es gemacht wird, denn Seite 65 heißt es: » .... da gehen die Einsendungen durch die Instanzen der drei Redakteure, sofern sie sich nicht sofort als unbrauchbar erweisen (nämlich die Einsendungen!). 463