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Redaktioneller Teil. ^ 185, 11. August 1916. Summe ausgeben. für die man eine wunderschöne kleine Haus bibliothek kaufen kann! Die Zeiten sind günstig, trotz alledem! Der Schund ist fortgcschenkt, die vergilbten Prämien-Bllchcr und die alten Schmöker! Die Bücherborte und die halblceren Bü cherschränke schreien nach Ersatz, und die haldleeren Kommoden hauchen wehmütige Erinnerungen an alte Schullefebücher aus, in denen »solche schönen Geschichten drinstanden«. Weshalb stehen wir denn solchen günstigen Zeiten in trostlosem Pessimis mus gegenüber? Sind wir auch schon angesteckt von der Hypnose, daß man für ein Buch nicht mehr als eine Mark anlegcn dürfe? Tann wollen wir uns ihr schleunigst entziehen! Arbeiten mid nicht verzweifeln, wenn auch nicht für 1.80! Jener Wiener Bankbeamte, den ich am Anfang meines Ar tikels erwähnte, stand kürzlich vor seinem Namenstag. Ich steckte mich hinter seine Frau und wußte sie zu bereden, ihm Heuer eine Serie von Freytags gesammelten Werken zu schenken. Nicht in Leinen, sondern in Halbfranz gebunden. Ich habe die acht Bände später in dem schönen Bücherschrank mit den alten ver gilbten Klassikerausgaben (teilweise in 32°) und dem andern Ge lumpe gesehen. Sie brannten sich in ihrer Schönheit förmlich in die Bücherei hinein, und schon bei meinem nächsten Besuch sagte mir ihr Besitzer, daß er die Dubletten seiner Klassiker veräußern werde. Hurra! Die kleine Kompagnie Freytag hatte einen ersten Sieg errungen! Nicht zum wenigsten durch ihre schmucke Uniform! Derselbe Herr wollte sich etwas später ein Buch über Porzellanmarken kaufen und er, der »in diesen schlechten Zetten«, ohne mit der Wimper zu zucken, für eine alte Porzellanlafse 36 li bezahlte, wünschte »selbstverständlich« das billigste der einschlä gigen Bücher, jenes von Loewenberg für «L 1.50. Ich jedoch sagte ihm geradezu, daß der Besitzer einer solchen Teppich-, Bronzen- und Porzellansannnlung, wie es die seinige sei, unbedingt den Grässe-Jünnickeschen Führer für neun Mark kaufen müsse, zumal er schon ein Gegenstück in Neugebauer-Orendis Teppich kunde in seinem prächtigen Bücherschrank stehen habe. Und er kaufte sich das Buch zu neun Mark. Die Berufsgenossen selbst aber sollen in diesen Tagen der allgemeinen Sorge endlich den rein ideellen Standpunkt verlassen. Sie sollen geldgierig werden! Sie sollen danach streben, an jedem Buchkäufer nicht 30 oder 32 -s, nicht 80 oder 80 «s, son dern an jedem 2, 4, 6 «A zu verdienen! Und die Bäcker- oder Fleischermeistersgattin, die, in ihrer neuen Sommcraufmachung, womöglich brillantengeschmückt, einen Roman im Preise von ^ 1.— verlangt, soll der Sortimenter mit demselben Aufwand von liebenswürdiger Überredungskunst, wie sic jeder Verkäufer eines Modewarengeschäftes entfaltet, zu bestimmen wissen, ein ihrem Geldbeutel entsprechend teures Buch zu kaufen. Zum Seufzen und Klagen liegt im Buchhandel keine Veranlassung vor, wohl aber zum frischen, fröhlichen Kampf. Also auf, zum Krieg und zur Eroberung! Zuvor aber wollen wir Bundes-(Bücher-) Freunde werben und unsere Kampfmittel, die Bücher, ans ihre tauglichen Eigenschaften, insbesondere auf ihre Güte und Dauer haftigkeit hin mustern. Warum ich Schriftsteller wurde. (Z u m 5 0. Geburtstage von Rudolf Greinz, 1 6. A u g u st 19 1 6.) Fünfzig Jahre ist eine schöne Zeit, wenn inan zurückblickt, und doch nur eine kleine Spanne. Erstrebtes und Erreichtes drängt sich da in einem engen Nahmen zusammen. Unwillkürlich fragt man sich: Warum bist du der und der geworden? — Warum ich Schriftsteller wurde ... da muß ich mit einem innern Lachen daran denken, was ich vorher alles werden wollte. Als ganz kleiner Bub war eS mein höchstes Ideal, ein Kaminkehrer zu werden. Der Beruf eines Schornsteinfegers erschien mir als der großartigste und gewaltigste. Ich hatte nämlich eine heillose Furcht vor den schwarzen Gesellen. Deshalb däuchte es mir offenbar als die Erfüllung aller Lebenshöhe, selbst ein so mächtiger Mensch zu werden, vor dem sich die Kinder fürchteten. Als Volksschüler hatte ich den heißen Wunsch, cs dereinst zu einem Lokomotivführer zu bringen. So hinaus zu sausen in die Welt und das schnaubende Dampf roß zu leiten, kam mir als der siebente Himmel vor. Dieses Ideal wurde bei dem Untergymnasiasten von dem Berufe eines Missionars ab gelöst. Ob dabei religiöse Motive oder abenteuerliche »Indianer- Phantasie^ die größere Nolle gespielt haben, vermag ich heute nicht ! mehr zu entscheiden. Der Obergymnasiast wollte Professor werden und ! hat denn auch tatsächlich an den Universitäten Graz und Innsbruck deutsche Sprache und Literatur, klassische Philologie und Kunstgeschichte studiert. Mit dem Professor wurde es jedoch ebensowenig etwas wie mit dem Kaminkehrer, Lokomotivführer und Missionar. Ich bin vom Professor zum Schriftsteller abgeschwenkt. Vielleicht war mir die Wissenschaft zu trocken und das Leben zu interessant, um davor in eine stille Studierstube zu flüchten. Warum ich Schriftsteller wurde? ... Ich glaube, aus Freude an den Menschen, aus dem innersten Drang, Menschen zu beobachten und zu ! schildern. Ich begann mit kleinen Skizzen aus dem Tiroler Volks- ! tum und stellte Menschen auf die Beine, die mir aus meiner Jugend ! in Erinnerung geblieben waren oder die ich auch aus der unmittel barsten Gegenwart schöpfte. Unwillkürlich suchte ich zuerst die heitern Seiten des Lebens, dessen unerschöpflicher Born mir immer wieder neue Gestalten und Geschichten bescherte. So entstand die Reihe meiner lustigen Tiroler Geschichten. Von da zu meinen Tiroler Kulturromanen war es eigentlich ein großer Schritt und doch ein selbstverständlicher. Viele haben sich bei l meinem ersten größeren Roman »Das stille Nest« gewundert, daß der ! Verfasser der lustigen Tiroler Bauerngeschichten auf einmal Roman schriftsteller wurde. Es war jedoch die gleiche Freude an der Schil derung der Menschen, die sich nur an größere und ernste Probleme und Stoffe wagte. Ich muß es aufrichtig gestehen: ich kann keine Menschen erfinden. Ich muß sie alle gesehen haben. Dann kann ich sie in die erdichtete Handlung hineinstellen. Es ist mir unmöglich, selbst aus meinen Menschen zu sprechen. Ich bin immer und allzeit unter ihrer Gewalt und muß sie reden und denken lassen, wie eben die von mir beobachteten Menschen geredet und gedacht hätten. Und das geht herunter bis auf die kleinsten und scheinbar nebensächlichsten Episoden- Gcstalten. So ist z. B. in meinem Roman »Gertraud Sonnweber« von den Trägern der Handlung bis zur kleinsten Figur kein Mensch, den ich nicht bis in alle Einzelheiten, Sprechweise und Gebärden unmittelbar aus dem Leben nachgezeichnet hätte. In dieser Be ziehung dürfte dieser Roman meine genaueste Kleinarbeit an Mcnschen- schilderung darstelleu. Das eigenartigste Erlebnis meines Schaffens war aber wohl das folgende. Es mag den Schluß meiner Selbstbekenntnisse bilden. Mit meinem Roman »Das Haus Michael Senn« habe ich, ohne es zu ahnen, einen Schlüsselroman geschrieben. Das mußte ich eines Tages zu meiner größten Überraschung erfahren. Das Werk ist vom Anfang bis znm Ende meine freie Dichtung. Die Menschen allein sind aus dem Leben geholt. Die alte Tiroler Bischofstadt Brixen, in welcher der Roman spielt, habe ich natürlich bis in alle Winkel gekannt wie ein Stück vertrautester Heimat. Nun hat es sich nachträglich herausgestellt, daß der Nomau nicht nur in seinen handelnden Hauptpersonen und in den Grunözügen der Handlung überhaupt, sondern sogar bis in verschiedene Einzelheiten des Geschehens die Familiengeschichte ausgerechnet eines alten Brixencr Kaufhauses ist. Dabei habe ich von den Menschen dieses Romans nicht einen einzigen ans Briren geholt. Es war mir jedoch ein Beweis, daß gewisse Schicksale nur aus einem gewissen Boden erwachsen und sich dadurch mit dem wirklichen Leben nicht nur bis zur Wahrschein lichkeit, sondern bis zur gänzlichen Übereinstimmung decken können. Damit mag auch ein weiterer Beweis geliefert sein, daß die boden ständige Heimatkunst ganz besonders die Fähigkeit und Pflicht hat, Kulturbilder der Gegenwart künftigen Geschlechtern in unverfälschter Treue als ein Vermächtnis deutschen Volkstums zu übermitteln. Rudolf Greinz. Kleine Mitteilungen. G. m. b. H. Nichtigkeit von Beschlüsse» einer Ge - s e l l s ch a f t c r v e r s a m m l u n g einer G. m. b. H. —Das Reichs gericht hat nach der »Jur. Wochenschr.« ein Urteil gefällt, in dem es sich nm folgenden Tatbestand handelt: Die Beklagte ist eine G. m. b. H., deren Stammkapital 200 000 .// beträgt; ihre drei Gesellschafter sind der Kläger mit einem Geschäfts anteil von 50 000 «F, ein anderer Gesellschafter mit einem Anteil von 100 000 und ein dritter Gesellschafter mit einem solchen von 50 000.//. Der Kläger, welcher Mitbegründer der Beklagten und Jahre hindurch der alleinige Geschäftsführer war, hatte sein Amt infolge von Streitig keiten mit den Mitgescllschafteru niedergclegt und gleichzeitig mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen, wodurch ihm auf einige Jahre die Konkurrenzenthaltung zur Pflicht gemacht, nach Ablauf der Frist aber der Wettbewerb gestattet wurde. Zu einer Zeit, als Kläger von dem Wcttbcwerbsvcrbvt freigcworden war, hatte eine außerordentliche 1067