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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 185, 1l, August 1916. Ausstattung eine sinkende Tendenz (um einen Börsenausdruck zu gebrauchen), trotzdem bei den frecheren hohen Preisen zahlreiche Auflagen der Werke jener und anderer Romanschriftsteller ab gesetzt worden waren. Diese beiden Schriftsteller waren aber durchaus nicht die einzigen, die diese abschüssige Bahn in der Preisbildung betreten muhten. Die Sortimenter bcrkauften von jener Zeit ab im Schweiße ihres Angesichts dort vierzig Mark bücher, wo sie früher bei weit geringerem Aufwand« an Zeit und Mühe acht Romane zu je fünf Mark verkauft hatten. Und schlimmer noch: jene Romanbände von Ompteda, Paul Keller u. a. m., die zu den alten Preisen auf Lager waren, wurden fast gar nicht mehr verlangt und mögen jetzt als unverkäufliche La denhüter vergilben und verstauben. Alan möge mich nicht mitzverstehen. Ich bin nicht gegen die Veranstaltung billiger Vüchersammlungen. Sic haben ihre Berechtigung, ihren Wert und sind oft, wie z. B. bei der Reclam- schen Universalbibliothek, geradezu eine Kulturtat. Aber wo gegen ich mich als Buchhändler und als Kaufmann wehre, ist jene Tendenz, die der glotzen Menge den Markpreis als Normal preis für ein Buch aufdrängt. Von der Engelhornschen Romanbibliothek kostet der gewiß nicht dünne, gut gebundene Band in gefälligem Oktavformat nur 75 Pfg. Aber Engelhorn hat niemals dem Publikum durch eine amerikanische Reklame die Meinung eingehämmert, man brauche für ein Unter haltungsbuch nicht mehr als 75 Pfg. auszugeben. Engelhorn wurde auch viel gekauft, in meiner Jugend sogar abonniert, aber nie und nirgends bedeckten Engelhornbände so auf dringlich Schaufenster, Auslagen und Ladentisch der Sortimenter oder die Verkaussstände der Bahnhossbuchhändler und Kioske wie jetzt die Markbünde. Wenn die Buchhändler sich auf sich selbst besinnen würden, so würden sie nicht das Billigste anpreisen und Markbücher in Partien beziehen, sie würden auch nicht im Betrage von .-kt 1.80 den Normalpreis für ein Buch erblicken. Sie würden sich vielmehr für Bücher verwenden, bei denen sie einen namhaften Betrag verdienen, damit so ihr Wissen und ihre Arbeit in würdiger Weise entlohnt werden und auch jene ihrer Gehilfen. Dann werden die Verleger nicht mehr wetteifern in der vorzeitigen Ausgabe von Taschen- oder Feld post-Ausgaben, dann werden nicht drei bis vier von ihnen einer den andern unterbieten im Preise für ein ausgcgrabcnes gutes Buch. In dieser Weise Stellung zu nehmen gegen die raubbau- treibendcn Verleger ist m. E. die erste Aufgabe der nen ge g r ü n d e t e n B u ch h ä n d l e r g i I d e. Sie zu lösen wird nicht schwer falle». Lesen wir doch in Nr. 114 des Börsenblattes, daß es Karl Robert Langewiesche längst deutlich geworden ist, »daß die Qualität der Produktion und der Organismus seines Verlages den Ansprüchen der Zeit nach dem Kriege nicht mehr genügen werden«. Erinnern wir uns doch: Frcytags Soll und .haben ist trotz des hohen Preises in weit mehr als dreihundert Auflagen verkauft worden, dagegen sind die Sammlungen Spe- mann und Frehtag trotz des schönen Formats, der guten Aus stattung Md des wertvollen Inhaltes entschlafen. Weshalb aber erst bis nach dem Kriege warten? Weshalb nicht schon jetzt die leeren oder halbgeleerten Bücherbretter mit schön gebundenen und gut ausgestatteten Bänden füllen? Jetzt ist die beste Gelegenheit dazu, trotz der sogenannten schlechten Zeiten. Denn die Lücke auf dem Bücherbrett oder der leere Winkel in der Kredenz schmerzen den büchcrliebcnden Deutschen. Er soll aber Qualitätsware kaufen. Die grotze M a s s e d azu zn e rzi e h en, i st m. E. d ie z w ei tn ä ch ste Aufgabe der Buchhändlergilde. Ungleich schwerer als die erste Aufgabe, jedoch leicht zu lösen, wenn man die rich tigen Maßnahmen dazu ergreift. Zu diesen Maßnahmen gehört in erster Linie die Fähigkeit des Buchhändlers selbst, Qualitätsware von Mittelwarc oder gar von Schund unterscheiden zu lernen. Hier liegen die Dinge noch sehr im argen. Die große Masse der Buchhändler und ihrer Mit arbeiter ist nicht in der Lage, in dieser Beziehung ein eigenes, sicheres Urteil zu fällen. Man kann aber leicht zur richtigen Be wertung von Qualitätsbüchcrn kommen, wenn man das schließ lich für jeden Berus notwendige richtige Gefühl für seine Ware 1066 besitzt, in unserem Falle also Büchcrliebhaber aus angeborener Zuneigung zum Buche ist. Als solcher wird man sich bald eine eigene, kleinere oder größere Bibliothek anschaffen und in ihrer Benutzung praktisch die Qualitätsware kennen und schätzen ler nen. Ala» wird z. B. bald erkennen, daß ein Papierumschlag um ein Pappapier ein unzulänglicher Ersatz für einen Pappband oder für «in kartoniertes Buch ist, daß ein tzalblederband mit Papp deckeln auch daun bald Ärger bereitet, wenn die Ecken abgerundet sind, daß ein .Halbfranzband in kurzer Zeit ganz unansehnlich wird, wenn er nicht auch an der Seite und unten einen Gold- oder Farbfchnitt hat, daß ein ganzseitiges Querbild für den Leser immer auf dem Kopf steht, wenn es laut Zunftregel nach außen gestellt wird u. dgl. mehr. Dies alles kann ein Buchhändler we der bei der Herstellung, weder im Verkehr mit Buchgewerblern (die insbesondere bei Neuerungen sehr oft verkehrte Wege eiu schlagen) lernen, noch im Laden beim Auszeichnen oder Ver kaufen von Büchern, noch beim Besuch von Buchausstellungen. Selbst dort, wo dem Lehrling oder dem jungen Gehilfen Ge legenheit geboten ist, sich eine richtige Warenkunde an der Hand von Anschauungs-Material anzueignen, ich meine, an den Buch- hündlerschulen in Leipzig und Wien sin Stuttgart gibt es eine solche leider noch nicht), wird er die Beurteilung der Qualitäts ware im Buchhandel an der Hand einer kleinen, nicht nur im Hinblick auf den Inhalt, sondern auch im Hinblick auf die Aus stattung ausgewählten eigenen Bibliothek erlernen. Er wird dann als Verleger kein« Surrogate hinausgehen lassen und als Sortimenter keinen Schund verkaufen. Denn beide werden wis sen, daß der Besitzer eines in Bockleder gebundenen, kostbaren Buches sich betrogen fühlt, wenn bei diesem der Goldschnitt nur oben angebracht ist, weil der Weiße Schnitt an der Seite und unten schon nach einmaligem Lesen beschmuddelt sein kann, daß der Papierumschlag bald eingerissen um das Buch herumhängt, die Ecke des Pappbandes bald die graue Pappe durchscheinen läßt auch dann, wenn jene abgerundet ist, kurzum, daß man durch solche ärgerlichen oder unerfreulichen Dinge keinen Menschen zum Büchcrliebhaber erziehen oder zum Kauf teuerer Bücher be stimmen kann. Er wird ferner leicht begreifen, weshalb die Jn- selbücherei in kurzer Zeit sehr hohe Absatzziffern erreichte, und wird schließlich merken, welch ein Snobbismus sich bei Heraus gabe vieler sogenannter Liebhaberausgaben breit macht. Ist der Buchhändler so weit, daß er die Qualitätsware in seinem Berufe richtig beurteilen kann, dann folgt die für die ge genwärtige Zeit allerdings schwierige Aufgabe, die grotze Masse zum Kauf solcher Qualitätsware zu bestimmen oder zu erziehen. Ich schrieb soeben: »für die gegenwärtige Zeit schwierig«, meine dieses aber nicht im Sinne des Herrn Kollegen Ditthorn, der in Nummer 117 dreimal Wehe schreit über die teuren Zeiten und am liebsten, fcheint's, den Handkuß einführen möchte für jeden, der statt Tabak oder Bier dann und wann ein Reclambändchen, und für jede, die statt teuerster Hüte oder Kleider hin und wieder ein Ullsteinbuch kauft — sondern ich meine damit das Ver derben, daß die Markbücher sowie die Drei-Mark-Romane und, mehr noch, die »großzügige« Reklame dafür über den deut schen Buchhandel gebracht haben. Es ist, als ob die große Masse hypnotisiert sei, für ein Unterhaltuugsbuch nur eine Mark und sür einen gebundenen Roman höchstens drei Mark auszugeben. Wenn schon jahrelang zur eigentlichen Bllcherkaufzeit, zu Weihnachten, gewisse Kreise zum Kauf von Zeitungs-Prämien gewöhnlichster Ausstattung ungehalten wurden, so war dieser übelstand deshalb noch nicht so schlimm, weil die diesbezüglichen Angebote sich nur an die Leser einiger Zeitungen wandten. Seitdem die Reklame für die Merkbücher eingesetzt hat, wird die ganze Welt, soweit sie deutsche Bücher liest, mit Ausdauer, Geschick und nicht ohne Ge schmack dazu bestimmt, beileibe nicht mehr als eine Mark für ein Buch anzulegen. Rassen wir uns auf, jetzt, in dieser Zeit, wo alles aufs Kämpfen eingestellt ist! Erziehen wir die große Masse des Vol kes zum Ankauf guter Bücher, aus echten Stoffen und von gedie gener Arbeit! Lassen wir nicht nach, Leute zu Bücherfreunden heranzubildeu, die ein kleines Vermögen für ihre Teppichsamm lung, ein Kapital für ihre Bronzen angelegt haben und auch jetzt, in diesen teuren Zeiten, für einen alten Porzellanteller eine