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die hohen Herrschaften zu dem in der Nähe errichteten Fest- zclt, wo den Arbeitern und Pächtern deö Königs ein Fest« mahl zu Ehren des Geburtstages des Königs gegeben ivurde. --- Kings Luu» (Grasschast Norfolk), 10. November. An dem Festmahle, das heute nachmittag den Arbeitern des königlichen Gutes Landringham gegeben wurde, nahmen 500 bis MU Personen teil. Als Kaiser Wil helm, daS Königspaar, der Prinz von Wales und die nUrigen Fürstlichleiten das Festzelt betraten, erhoben sich alte Anwesenden nnd brachen in lante Hochrufe aus. Kaiser Wilhelm und König Eduard verweilten etwa eine halbe Stunde, wobei sie sich in srenndlicher Weise mit den Teilnehmern am Mahle unterhielten. Ans ein von Sir Tightou Probvn ansgebrachtes Ovch ans den König Eduard crividertc der K ö n i g mit einer lnrzcn An sprache, an deren Schluß er auffvrderte, ans das Wohl des deutschen Kaisers zu trinken, von dem er hoffe, daß er noch oft nach Saudringha m k v m m e n iverde. Kaiser Wilhelm verbeugte sich dankend. Von dem Festzclte auS-begaben sich die hohen Herrschaften zu Fuß nach Sandringhain zum Thec zurück. Jin Schlosse Sandring- l am und im Laufe des Nachmittags der Staatssekretär des Acnßern MarguiS von Landsdoivne mit Gemahlin, sowie «.ine Anzahl anderer Gäste eingetroffeu. * London, 10. November. („Reuters Bureau") Dem Vernehmen nach belänst sich der Betrag, welchen der o e n tsche K aise r zum Besten der verheirateten Mann schaften nnd Familien der Noual DragvvnS gespendet hat, auf s ü n s h u n dert P s und, die gleiche Snmme, wie vor drei Jahren bei der Abfahrt der Mannschaften nach dem Kap. Balfour über die neuen kolouicn und die auswärtige Politik. London, 10. November. Auf dem heutigen Lord- i'.l ah or - Ban le tt in Gnildhall sagte der Parka-- ur e n t s s e k r e t ür der Admiralität Arnold- Forster in Erwiderung eines auf die Marine anS- gebrachtcn TriukspruchcS: Es ist die Pflicht der Behörden, dafür zu sorgen, das; das Land mit den nötigen Mann- uhastcn und Geschützen versehen sei. Tie Admiralität ist bemüht, diese Pflicht zu erfüllen, und ergreift Maßnahmen, nm genügende Reserven für den Fall eines Krieges zu haben. Der M i n i st c r p räsidcnt beantwortete den Trintsprucki auf das Ministerium wie folgt: Ich bin sicher, das; niemand hier anwesend ist, der nicht das Bedauern darüber teilt, daß Lord Salisbury nicht länger den Platz einnehmen kann, den auszufüllen mein Glück oder anch mein Unglück ist. Seit dem letzten Jahre hat das Land höchst ereignisreiche zwölf Monate durchgcmacht; ihm war Angst und dann Freude im Zusammenhang mit der Krö nung beschert, es sah seinen Herrscher am Rande des Grabes und beglückwünschte ihn zur Wiedergenesung. Aber ein noch größeres Ereignis war die Wiederher stellung des Friedens. Redner wies dann auf die Befreiung von dem langen Drucke, den jedermann während des Krieges empfunden habe, und setzte hinzu: Das Land kann sich jetzt wieder seiner inneren Politik widmen. Der einzige Gegenstand von innerpolitischem Interesse ist gegenwärtig die Uuterrichtsvvrlage. Balfour besprach so dann die koloniale und auswärtige Politik, sowie die auf den Schluß des Krieges folgende Lage und sagte: Dieser krieg hat uns die Antwort auf die zwei Fragen gegeben, welche von Staatsmännern und Kritikern, ehe der Krieg begann, voll Besorgnis aufgeworfen waren. Die erste Frage war: Ist das britische Volt jetzt, was cs in ver gangenen Zeiten war, ein Volk, in der Tat nach Frieden begierig, aber nicht ungerüstet sür den Krieg, und bereit, seine großen nationalen nnd persönlichen Opfer zn bringen, welche ein notwendiger Krieg unvermeidbar er heischt? — Tic zweite Frage war: Sind jene großen, sich selbst verwaltenden.Kolonien, die ihren Ursprung, ihre Ab stammung, ihre Gesetze und ihre Politik von uns ge nommen haben, sind diese bloß stille Teilhaber an der Reichssirma, sind sie nur bereit, au den Vorteilen teilzu nehmen, und sich nicht den Gefahren ansznscyen, oder sind sie bereit, gleich ihren Vorfahren im alten Lande, für das Reich zu kämpfen, von dem sic ein Teil sind? — Diese beiden Fragen werden nicht mehr gestellt, weil jedermann die Antwort weiß, welche bejahend lautet. Tie erste, noch nicht beantwortete Frage ist diese: Wird der Krieg, der zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht ist, von nicht minder erfolgreichem Frieden gefolgt sein? — Für meinen Teil sehe ich der Zukunft unserer ne »en Kolonien nnd des großen südafrikanischen Gemein wesens, von dem unsere neuen Kolonien ein wesentlicher Teil sind, in h o ff n u n g s v o l l c r, doch nicht, denke ich, in zu sanguinischer Stimmung entgegen. Wir haben mit großen materiellen und großen moralischen Schmierigkeiten zn kämpfen, wir haben eingedenk zu sein, daß die beiden neuen Kolonien noch vor wenigen Monaten der Schauplatz des Krieges gewesen sind, der einzigartig in der Hinsicht war, daß jedes menschliche Wesen in den beiden Kolonien entweder ein Kriegführender war, der auf der einen oder anderen Seite im Felde kämpfte oder auf Kosten nnsercs Landes unterhalten wurde, und nicht ans den Mitteln dcS Gemeinwesens, von dem eS ein Glied war. England hat den Grundsatz Napoleons umgekehrt, der das Land, in das er eindraug, sein entfallendes Heer ernähren ließ. — Balfour warf sodann einen Rückblick auf den Verlauf des Krieges und hob hervor, daß während des ganzen Krieges die Industrien in Südafrika stillge standen haben, und cs jetzt nötig sei, wieder von vorne anzufange n. Dies sei eine große Aufgabe, welche, wie er glanbc, binnen kurzem durchgeführt werde. Die Kolonien würden zu einem höheren Stande des materiellen Gedeihens gebracht werden, als ehe sie ein integrierender Teil des britischen Reiches wurden. Neben den materiellen seicir auch moralische Schwierigkeiten vorhanden, welche die bedeutungsvolleren seien. Balfour erklärte, er zweifle nicht, daß die wichtige Aufgabe, die früheren Gegner zu versöhnen, erfolgreich durchgcsührt werde. Er verwies auf die große administra tive Befähigung Lord Milncrs und erinnerte an Cham berlains bevorstehende Reise. In Bezug hierauf sagte er, von allen glücklichen Momenten, welche Chamberlains Verwaltung des K o l o n i a l a m t c s zu einer der größten in der britischen Geschichte mache, glaube er, daß kaum eines glücklicher gewesen sei, als der Gedanke eines persönlichen Besuches Südafrikas, um an Ort nnd stelle über die vielen Probleme zu urteilen, mit denen England sich beschäftigt. Die Kolonien wüßten jetzt, daß England den fähigsten seiner Söhne auSsende, um persönlich die Probleme zu behandeln, an denen daS Mutterland nnd die Kolonien gleicherweise interessiert sind. Redner legte nahe, daß dies der erste vieler ! o l ch c r B e s n ch e i n d c tl k o l o n i c n sei und betonte den Wert des persönlichen Elements in solchen Fällen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß schließlich nicht bloß ein durch Gesehe und Gefühl gebildetes Band zwischen England und den Kolonien bestehen werde, sondern eine Art konstitutioneller Union für die Angelegenheiten der gemeinsamen Interessen gesunden werden möge. Doch würde der ein übereilter Staatsmann sein, der gegen wärtig die so riesenhafte Ausgabe versuchen wollte. In zwischen hoffe er auf eine engere fiskalische Verbindung mit den Kolonien. Er hege die Znversicht, Chamberlains Versuch iverde große Frucht tragen, er scbc auf die kolo nialen Probleme mit hoffnungsvollem Ange und sehe keine unüberwindliche Schwierigkeit. — Alsdann kommt der Ministerpräsident auf den patriotischen Geist, der von Canada, Australien, Neuseeland und ande ren großen Besitzungen bewiesen sei, zu sprechen. Sodann sagte er bezüglich der auswärtigen Be ziehungen: Ich kann nicht weniger glücklich von unseren auswärtigen Beziehungen sprechen. Im allgemeinen fühle ich mich etwas schüchtern, üver die auswärtigen Be ziehungen zu reden, weil ich bemerkt habe, daß der Be such von dem g r o ß e n, fr eu n d l i ch gesinnten Souverän bei seinen nächsten Verwandten zum Tert gemacht wurde für die w t l d c st e n, p h a n t a st i s ch st e n Erfindungen, welche, wie ich denke, selbst eine er findungsreiche Presse je entdeckte. Ich habe Ihnen nichts zn sagen über diese eingebildeten Verhand lungen und sonderbaren Handelsgeschäfte, von denen daS Gerücht auswärts verbreitet ist. — Bezüglich des Somalilandes sagte Balfour, er wünsche die An gelegenheit nicht mit Nachdruck hervorzuheben, die keine sehr große Bedeutung für das Reich hat, welche vielmehr außerhalb der ganzen Bahn der britischen Entwickelung liegt und vielleicht deshalb gegenwärtig von so großem Interesse ist, weil sie das freundschaftliche Em pfinden Italiens für England in ein Helles Licht gerückt hat und die Bereitwilligkeit zeigt, mit welcher Italien mitarbcitet für unsere gemeinsamen Interessen. Balfour beglückwünschte sodann den Minister des Aenßern, MarguiS of Laudsdo w u e, zum Erfolge seiner Diplomatie, welche nicht für England allein, son dern für die ganze Handclswelt die Freiheit des Handels mit ganz China gesichert habe. Landsdownc habe die Ge schicklichkeit besessen, einen Handelsvertrag mit China zu stände zu bringen, wie anch das Bündnis mit Japan, womit er den Interessen des internationalen Friedens und Handels große Dienste geleistet habe. Er, Redner, glaube, jede Macht Europas wünsche fest den Frieden und sei entschlossen, daß der Friede aufrecht erhalten werden solle. Balfour verglich sodann den Stand der politischen Dinge mit den Vorgängen bet vulkanischen Ausbrüchen und sagte weiter, an jenen Stellen, wo eine höhere Civilisatton mit niedrigeren, eine gute Regierung mit einer schlechten, westliche Ideen mit weniger entwickelten in Berührung konuuen, gebe es einen Knotenpunkt, wo Gefahr entstanden sei und ent stehen könne. Aufgabe der europäischen Staatskunst sei, zu erkennen, wann diese Gefahren auftreten. Dieselben bedrohten den Weltfrieden nicht so, als wenn zwei große Mächte in tötlichem Streite zusammenstoßen. Er glaube nicht, daß die Staatökunst der Welt sich dieser groben Auf gabe nicht gewachsen zeigen werde. Balfour ging alsdann dazu über, die internationalen Eifersüchteleien und Vor urteile zu zerstreuen, welche so viel Ungemach verursacht hätten, so viel Ungemach verursachen werden. Er führte ans: Man sagt, wir seien Gegenstand allge mein e n M i ß t r a u e n s, allgemeiner Abnei gung unter unseren Nachbarn. Ich weiß nicht, ob es so ist; cs ist außerordentlich schwer, die Empfindungen großer Gemeinwesen einznschähen, aber wenn dem so ist, so mag die Ursache wahrscheinlich im letzten Kriege liegen. Und wenn dem so ist, so werden diese Empfindungen schwinden mir dcrUriache, welche sie geboren hat. DicBorurteile wer den schwinden, die unruhige See wird wieder ruhig werden. Aber es mag sein, daß der Bocrenkrieg Vorwand, nicht Ursache war. Wenn es so ist, führe ich nicht Klage, denn dann sind wir nicht die Hauptlcidcnden. Aber ich denke, es ist ein großer Verlust für die internationale Civili- sation, daß diese Empfindungen lebendig bleiben durften. Es gibt kein Gefühl, das die europäischen Staatsmänner emsiger pflegen sollten, als den Geist internationaler Toleranz, Freundschaft nnd Liebe, Enrpfindungcn, die, wenn sie in rechter Weise gefördert werden, mächtigste Wirkung in der Zukunft haben, wenn immer eine Gefahr den europäischen Frieden bedroht, indem sie uns die Fort führung der groben Politik deö europäischen Konzerts er möglichen, das in de^Vergangenheit ein großes Werkzeug für den Frieden gewesen, nnd bestimmt ist, in der Zukunft eine noch größere Rolle für den Fortschritt und die Ge sittung der Christenheit zu spiele«, als während der jüngsten Jahre. Der Premierminister schloß seine Rede, indem er die Hoffnung aussprach, daß dies erreicht werde durch Zummenschluß, durch Pflege der Zuneigung zwischen den Völkern Europas und durch gegenseitige Verständi gung der europäischen Staatsmänner. Indisches Budget. * London, 10. November. (Unterhaus.) Staats sekretär für Indien, Lord Hamilton, bringt das indische Budget ein. Er tvcist auf die günstige finanzielle Lage Indiens hin. Der Ueberschuß für das laufende Finanzjahr werde auf 1 700 000 Pfund Sterling geschätzt. Er erklärt, cs sei nicht unwahrscheinlich, daß man die Weißen Truppen in Indien vermehren müsse. In Bezug auf die Wirkung der Politik auf die militärischen Ausgaben erklärt Hamilton, die Politik Englands an seinen eigenen Grenzen wie an denen der anstoßenden Länder habe sich nicht geändert. Diese Politik sei nicht aggressiv und stütze sich auf den Grundsatz der Selbst verteidigung, die von wachsamer Beobachtung der Vorgänge geleitet iverde. Dec Tod des frübercn Emirs berühre in keiner Weise die Abmachungen, welche England mit Rußland in Be zug auf die Grenzen der beiderseitigen Aktion»-, Verkehrs oder Einflußsphären getroffen habe; auch die Grundlage des Einvernehmens zwischen England und dem jetzigen Herrscher von Afghanistan berühre er nicht. * London, 10. November. Tas Unterhaus nahm die zweite Lesung der Appropriationsbill an. Rußland. * Petersburg, '10. November. Im Hinblick auf die Ver mehrung der Torpedobootsflotte im Schwar zen Meere werden auf der Werft in Nikolajew zwei neue Torpedodivisionsboote in Dienst gestellt. Orient. * Konstantinopel, 10. November. Der serbische Ge sandte Gruitsch ist heute mit zweimonatigem Urlaub von hier abgereist. Asten. Japan in der Mandschurei. * Petersburg, 10. November. Die japanische Re gierung eröffnet im Dezember in der Mandschurei Konsulate, und zwar in Charbiu und Dalray. Amerika. Panamakanal; Revolution in Bcnczucla; Belagerungs zustand in Bolivia. * New Bork, 10. November. Die Verhandlungen mit Columbien sind soweit gediehen, daß nichts mehr übrig bleibt, als ein formaler Abschluß des Vertrages zur Erbauung des Panamakanals. — Ein Telegramm aus Caracas meldet: Tie beschädigten Brücken der deutschen Bahnlinie sind wieder hergcstcllt. Die Flucht der Armeen der Aufständischen dauert fort. Das revolutionäre Comitc- in Caracas ist nicht im stände, die Ursache der Spaltung unter deu Führern zu erklären oder zn sagen, was auS den 10 000 Mann geworden sei, die bis zum 2. November unter Waffen gestanden haben. In amtlichen Kreisen sei man der Ansicht, Matos habe sich in der Richtung auf Tncacas zurückgezogen und Castro habe am Sonnabend 1000 Mann entsandt, um Matos anzugrcifcn. Er beab sichtige, Coro, Barcelona, Ciudad Bolivar und Cumana unverzüglich wieder zu erobern. Die Verbindung zwischen Caracas und Valencia und Puerto Cabello sei wieder hcrgcstellt. * Valparaiso, 10. November. Infolge der Niederlage der Bolivianer in Acre durch die Brasilianer hat gestern der Präsident von Bolivia, Pando, ein Dekret erlasse», durch das Bolivia in den Belagerungszustand versetzt wird. Marine. O Berlin, 10. November. S M. S „S losch" isr am 7. November in Rvseau (Insel Dominika eingetroffen und am 10. November von dort nach der Insel 2r. Eujlatius (West indic») in Scc gegangen. S. M. E. „Ebarlottc" ist am 8 November in Montevideo eingetrofscn nnd geht am 10. No vcmbcr von dorr nach Bahia in See. S. M. S. „M oltkc" ist am 8. November in Porto Grande auf S. Vin cent (Eap Vertusche Inseln) eingetroffeu nnd geht am LU. No vember von dort nach Earlhagcna (Spanien) in Sce. 2. M. S. „H a n s a" ist am 8. November von Tsingtau nach Wusung in See gegangen. S. M. S. „Ilti s" ist am 10. November in Wusung eingetroffeu und gebt am 11. November von dort nach Tsingtau in Scc. S. M. S. ,.V inet a" ist am 10. No vember von La Guapra nach Puerto Cabello, S. M. S. „Ga zelle" am 9. November von La Guayra nach St. Thomas, S. M. S. „Panther" am 10. November von Port vf Spain (Trinidad) nach Puerto Cabello in Scc gegangen. Dampfer „Lu eie W o c r m a n n", mit den abgelöstcn Be satzungen der Schiffe der wcstafrikanischcn Station, hat nm 7. November von Suellaba aus die Heimreise forgesetzt. S. M. S. „B r umme r" isr am 8. November von Wilhelmshaven in See gegangen und am 9. November in Kiel cingetrosfen. Bel gischer Aviso „Ville d ' A n v c r s" ist am v November in Bremerhaven cingctroffcn und am 10. November wieder in Scc gegangen. S. M. S. „M a r s" ist am 8. November von Kiel in See gegangen. Poststation für die 5. Torpcdobootsdivision ist vom 12. November ab bis auf weiteres Kiel. Poststation für S. M. S. „Zielen": bis 15. November Wilhelmshaven, vom 16. bis 17. November Cuxhaven, vom 18. November ab bis auf weiteres Wilhelmshaven. Poststation für S. M. S. „Carola": bis 12. November Gjcnncr bei Apenrade, vom 13. November ab bis auf weitere» Kiel, Kunst und Wissenschaft. Musik. Neues Theater. Leipzig, 11. November. „HanS Heiling", MarschnerS Meisterstück, das der Componist selbst nicht ansteht, ein tief durchdachtes (rein deklamatorisches!) Werk zu nennen, säugt an, auf dem Repertoire auch großer Bühnen immer seltener zu werden. In der Tat, der Geschmack des Publikum?, daS ihm vor 70 Jahren zujubelte, hat sich gewendet, die Geisterromantie mag mauchem nicht mehr zeitgemäß erscheinen; man konstruiert sich zur Zeit Gespenster anderer Art. Indessen, wer schärfer hinblickt, sollte der nicht die tiefe rein menschliche Bedeutung des scheinbar so wunder lichen Stoffes erkennen, nicht in dem Geschicke des Erdgeistes symbolisch das Schicksal eines jener bleichen Menschenkinder wiedergespiegelt finden, „die schwer und ernst in den Tiefen deö Wissens nur den Tod geschaut haben und trotz des tiefsten Empfindens doch um jedes reine Glück des LcbenS betrogen werden"! Und nun vollends die Musik der Oper: ein genialer Wurf, groß, kräftig, kühn, „auö voller Seele gesungen", das durste der Meister selbst von ihr rühmen! Darum sind wir unserer Oper für jede Reproduktion des Werkes erneut zu Danke verpflichtet. Und diese selbst scheint bekanntlich nur einsacher, als sie in der Tat ist. Gewisse Figuren des Dramas zumal sind leicht zu verfehlen und finden tatsächlich nicht oft eine vollbesriedigende Wiedergabe. Das gilt besonders von der Königin, mit der auch Frl. Andor nicht recht zu stände kam, obschon sie gewiß die ausreichenden Mittel dazu hat. Ihre Gestalt muß sich größer, boheitsooller berauSheben. Was der Sohn er leidet, daS hat anch die Mutter dereinst erfahren müssen. Sie ist „durch Mitleid wissend" geworden. Die mild- schmerzliche Resignation ihres Wesens hat etwas tief Rührendes und nimmt für diese Königin mehr ein, als manche andere ihrer Art in der alten Oper erreicht. Frl. Andor ließ uns nun freilich recht kühl. Ihr Vortrag entbehrte zum Teil der Stimmung und Steigerung, ihr Organ, so groß und voll es ist, der feineren Durchbildung. Worin sich das letztere zeigt, brauche ich Wohl nicht zum fo und so vielten Male auseinander zu setzen. Daß Frl. Andor auch musikalisch nicht ganz fest war, fällt außer dem ins Gewicht. — Auch Herr MoerS blieb seinem Konrad einiges schuldig, weniger dem dargestellten, als dem gesungenen. Der Leibjäger ist, obgleich ein derber Natur bursche, schon nicht ohne einige Selbstgefälligkeit. Das traf zu. Auch das erste (übrigens durck einen musikalischen Schnitzer nicht erheblich beeinträchtigte) Lied verfehlte er im Ausdruck nicht. Aber in dem schmachtenden Arioso, da muß der gute Junge doch ganz anders loSlegen; die offenbar mit voller Absicht sentimental gehaltene Liebeserklärung läßt sich nicht so hin- fäuseln, sie muß aus voller Brust kommen, wenn sie über zeugen soll. Freilich ein breites quellendes Legato in dieser Lage, das ist Herrn Moers' Stärke nicht. — Herr Kunze endlich ist ein guter Busso, namentlich wenn es sich um derbere Komik handelt! Sein Stephan war darum ein ganz! gelungener Kerl. Nur „gemalt" war er gar zu grotesk Mit zwei kreideweißen Flecken auf den Backen — den Dorf schmied möchte ich sehen! Das Attentat mit den Reimen war gesanglich grob. Doch das gehört fast zur Sache. Die übrigen Partner der Ausführung sind bekannt. Herr Schütz ist ein trefflicher Heiling, gestern vielleicht stimmlich zuweilen zurückhaltender als sonst, auch nicht ohne einige kleine Versehen. Frl. Serbe gab die Anna ganz allerliebst wieder. Nur die große Arie verlangt noch größere drama tische Verve. Die Mutter Gertrud des Frl. Köhler ver trüge recht Wohl eine Steigerung des Ausdrucks. Herr Marion spielt als Schneider eine ganz ergötzliche Figur. Die Chöre sangen nicht ohne Sorgfalt, griffen auch einigermaßen in die Handlung ein. Nur die des Vorspieles dekorierten zumeist regungslos die Wände, was mit dem In halt ihrer Gesänge gar nicht in Einklang steht. Herr Kapellmeister Hagel leitete die von kleinen Män geln nicht freie Ausführung mit sichtlichem künstlerischen Ernst, vr. N. Krauße. Pietro Maücagui in Amerika. Ein sehr trauriges Ende scheint die vielbesprochene Amerika-Tournee MascagniS nehmen zu wollen. Der italienische Maöstro träumte von einem Triumphzug durch das Dollarland, die Veranstalter der Tournee prophezeiten unerhörte künstlerische Siege. Nunmehr hat die mit größ ten Worten angekündigte Unternehmung vorläufig einen tragischen Ausgang genommen. Wie schon gemeldet, wurde Mascagni in Boston verhaftet und gegen Kaution vor der Abführung srcigclassen. Er batte verschiedentlich jeiuen Kontrakt gebrochen, weil seine Tournee fehl geschlagen ist. Jetzt, nach Auflösung seiner Truppe, klagen seine Managers wegen kontraktbruchs, nm einen Teil des an Maücagni vorausbezahlten Geldes zurückzuerhaltcn. Eine Ergänzung dieser Nachricht bietet das folgende Tele gramm des „B. L.-A." auS N c m P o r k: Der Komponist Mascagni, dessen Konzert- nnd Lperntourncc durch die Union bisher von wenig Erfolg gekrönt war, wurde auf die Klage seiner früheren Impresarien, Gebrüder Mitten thal, wegen Rückzahlung eines Vorschusses von 8000 Dol lars in seinem Hotel in Boston „technisch" in Haft ge nommen, spät am Abend jedoch gegen Leistung einer Kaution von 12 000 Dollars wieder in Freiheit gesetzt. Die Kläger behaupten, Mascagni 11000 Dollars vor Be ginn seiner Tvnr vorgcschosscn zu haben. Danach hätte» sie ihm kontraktgemäß dreimal wöchentlich je 4000 Dollars bezahlt. Seit anderthalb Wochen Hütten sie diese Zah lungen eingestellt, so daß sic Mascagni 6000 Dollars schul deten. Da Mascagni ihnen aber 14 000 Dollars aus der Zeit der Tour schulde, blieben 8000 Dollars an sie zurück- zuzahlen. Die Verhandlung soll heute stattsinden. — Tie Schuld an diesem Fiasko dürfte freilich nicht der Komponist allein haben. Sie trifft mehr seine Jmpresarit, die mit einer Leichtfertigkeit, als wäre New York wirklich noch der Platz für jede Jahrmarktskunst, ihre Aufgabe zu lösen suchten. Ursprünglich bestand die Absicht, Mascagni au die Spitze eines aus amerikanischen Musikern zusammen gesetzten Orchesters zu stellen und als.konzert-Tirigentcu ciuzusühre», wie sich das ja auch in Europa vollkommen be währt halte. Tiefe Idee wäre zweifellos durchaus erfolg reich gewesen nnd hätte sich mit verhältnismäßig bescheide nen Mitteln durchführen lassen. Plötzlich wurden die Jm- vressarii von dem Ehrgeiz ersaßt, ein ganzes Orchester ans Italien zu importieren, welches angeblich von dem Maestro selbst aus den hervorragendsten Künstlern des Landes anSgewähli und sorgfältig cinstudiert worden war. Es sei gleich hier bemerkt, daß dieses Orchester die eigentliche Schuld au dem traurigen Verlauf der Stagione trügt. Ans ganz undisziplinierten Kräften zusammen gewürfelt, während der Ueberfahrt au Bord des Schiffes zur ersten Probe vereint, bildet es einen Tonkörper, aus welchem auch Mascagni trotz ost zehnstündiger Proben an einem Tage nichts Gutes herausbringen konnte. Die Operngesellschaft, welche ebenfalls in Erweiterung des ur sprünglichen Projektes mit hcrüberkam,enthält einige gute, einige passable Solisten, einen sehr mittelmäßigen Chor, endlich Dclvrationcn, die schon den Dimensionen nach für das Metropolitan Overa House ganz lächerlich erschienen. Nach der ersten Ausführung, die „Cavalleria" und „Za- uctte" brachte, vertröstete man sich auf „Iris" und „Rat- clifs", die angeblich in besonders sorgfältiger Art vor geführt werden sollten. Am Abend der angesagtcn Premiörc für „Iris" wurde das Publikum einfach nach Hause geschickt. MaScagni weigerte sich bei dem Stande der Dinge, wie er noch anläßlich der letzten Probe sich zeigte, sein Werk vorzuführen. Die Aufführung wurde um eine Woche verschoben, allein auch dann erlitt sie vor einem halblecren Hause eine ganz unzweideutige Ab lehnung. Zur Premiere von „Natcliff" ist es überhaupt nicht mehr gekommen. Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. C. Leipzig, 10. November. Durch seine Stiefmutter im Erbe benachteiligt zu sein, behauptet der 27 Jahre alte Buch. Kinder Arthur Julius K. aus Leipzig. Er hat ihr am 23. Februar 1902 in ihrer Wohnung das Ansinnen gestellt, sie (die Stiefmutter) solle sich (christlich verpflichten, ihm insgesamt 10000 alS sein und seiner Schwester Erbteil aus dem Nachlasse seines 1886 zu Leipzig verstorbenen Bakers zu gewähren. Falls die Skief- mutter aber seiner Forderung nicht entspräche, würde er Anzeige gegen die Stiefmutter wegen Erbschleicherei, lebensgesährdender Behandlung seiner Mutter und seines angeblich infolge dieser Behandlung verstorbenen Bruders, wegen Testamentsunterdrückuiig, wegen Diebstahls und Meineids erstatten. Er werde die Stief- mutter stürzen, wenn sie ihm das Geld nicht gäbe. Frau K. ver weigerte die Zahlung ver verlangten Summe und erstattete ihrer- seitS gegen Len Stiefsohn Anzeige wegen versuchter Erpressung. K. wurde auch wegen des gedachten Vergehen» unter Anklage gestellt, auf Grund der eingehenden Beweisaufnahme aber kostenlos frei» gesprochen. Ei» Deficit von über tausend Mark stellte der Viehhändler M. Ende August 1902 fest, als er mit dem 45 Jahre alten Fleischer Carl Wilhelm Eduard F. aus Zeitz, der seit Jahren für ihn tätig gewesen war, genaue Abrechnung hielt. F. hatte Jnkassovollmachr und bei Produktenbändlern, Restaurateuren und Fleischern die Gelder für geliefertes Vieh eiiigezogen. Bei der Abrechnung ergab sich, daß 13 Posten in Höhe von 46 -XL 90 bis 141 ./t 20 insgesamt aber 1029 ./c 50 welche auS der Zeit vom 7. Juli 1901 bi» 22. August 1902 stammten, von den Kunden Ms. au F. bezahlt, von diesem aber nicht ordnungsmäßig an seinen Prinzipaj abgcliescrt, sondern sür sich zurückbehalten und in eigenem Nutzen verwendet worden waren. F. wurde wegen Unterschlagung zur Verantwortung gezogen, er gestand sein Vergehen reumütig ein und machte nur zu seinen Gunsten geltend, daß er Len Kunden Ms., wenn diese innerhalb eines Monats bezahlten, die üblichen Prozente habe gewähren müssen und Liese dann natürlich M., wenn er durch spätere Ver- untreuungen frühere Unterschlagungen gedeckt habe, nicht habe an- rechnen können. Da er schon vor 1901 sich an den Geldern Ms. vergriffen habe, sei die tatsächlich in eigenem Nutzen verwendete Summe geringer als 1029 ./il 50^. Ter Gerichtshof erkannte gegen F. auf sechs Monate Gesängnis. Unter Ausschluß ver Lcffcntlichkeit verhandelte der Gerichts- hos gegen Len Gutsauszügler Bruno Hermann P. aus Äorschmitz und die Gutsbesitzerin Hulda Minna Pö. aus Leipnitz wegen Ver gehens nach 8 172 LeS Reichsstrafgejetzbuchs. Die Angeklagten wurden schuldig befunden und nut je einer Woche Gejängnis bestraft. Ebenfalls in nichtöffentlicher Sitzung hatte sich der Schlosser Max Emil St. aus Leipzig wegen Vergehens gegen 8 I8lu des Reichsstrasgesetzbuchs zu verantworten. Der Gerichts- Hof billigte ihm mildernde Umstände zu und erkannte unter Anrechnung von zwei Wochen der erlittenen Untersuchungshaft auf sechs Atonale Gefängnis. Wegen Verbrechens im Sinne von 8 176 Ziffer 3 des Str.-Ä.-B. wurde der 30 Jahre alle Väcker- melsler Bernhard Theodor S. aus Hohenmölsen, zuletzt in Pegau wohnhaft, unter Ausschluß mildernder Umstände zu drei Jahren Zuchthaus und tüns Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Den 43 Jahre alten Kürichnergejellen Gustav Johannes R. aus Nebra traj wegen gleichen Verbrechens eine Zuchthausstrafe von drei Jahren neun Monaten, die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihm aus sechs Jabre aberkannt. El» fahrlässiger Gcschirrsührcr. Am Abend des 28. Juni kam der 39 Jahre alte Gochirrjührer Ernst Oswald L. aus Boh- rigen vom Roßplatz her und wollte nach der Nürnberger «traße. Ais er die Sternwartenstraße passierte, wurde aus einem Hausgrunb- stücke von dem Markthelscr Ln. und zwei anderen Männern ein Roll wagen rückwärts herauSgejchobeu. On. winkte L. zu, damit dieser halten sollte, L. trieb aber >ein Pserd an, um noch vorbeizukommen. Dies gelang ihm aber, wie er voraussehen mußte, nicht. Der am Hinteren Teile des Rollwagens lchiebende On. wurde von dem linken Hinterrade LeS Flalchenbierwagens erfaßt, gegen den Rollwagen ge drückt und erlitt mehrere schmerzliche Verletzungen. Wegen fahr lässiger Körperverletzung unter Außerachtlassung einer Bcrufspflicht wurde L. unter Zubilligung mildernder Umstände zu dreißig Mark Geldstrafe, im Nichtzahlungsfalle zu 6 Tagen Gesäng- niS verurteilt. Wechselfälschnttg. Aus Gefälligkeit hatte ein Bekannter des 31 Jahre allen Tapezierers Woiüemar Adalbert L. aus Markran« städt einen von L. ausgestellten Wechsel aceeptiert. Der Wechsel mußte prolongiert werden und die Bank, bei welcher L. den Pro- longalionswechsel unterbriiigen wollte, verlangte auch noch zu ihrer Sicherheit die Unterschrift der Frau deS Acceptanteu P. L. veranlaßte sein Dienstmädchen, Len Namen der Fran P. auf Len Wechsel zu schreiben, und überreichte dann denselben der betreffenden Bank und erlangte dadurch Ge- stundung seiner Schuld. Als entdeckt wurde, daß die Unter schrift der Fran P. nicht von dieser herrüvre, wurde er wegen schwerer Urluudensäljchung zur Verantwortung gezogen. In oer Hanplverhandlung gab L. an, er habe angenommen, daß Frau P. einverstanden jein werde, wenn er auch ihren Namen aus den Wechsel setze. TicS war jedoch nicht der Fall, dec Ehemann P. l atte sogar versucht, den gejäljchten Wechsel an sich zu bringen. Da L. wegen Eigeiitumsvergehens noch nicht bestraft ist, kam er unter Zubilligung mildernder Umstände mit einer Strafe von zwei Monaten Gefängnis davon. Sport. 8 Obwohl wir schon wiederholt darauf hingcwiesen haben, Las; Programme und Anmeldescheine für die am 16. November in Len „Drei Linden" in Leipzig-Lindenau statlfindende Ausstellung von schottischen Schäferhunden von dem Vorsitzenden des iächfisch-thüringischen Zweigvereins des kontinentalen Collie- Clubs Herrn Carl Fr. Weber in Chemnitz, Poststraße 20, und Herrn Wilhelm S ch n e e g a ß in Leipzig, Bayerische Straße 47, zu beziehen sind, werden wir benachrichtigt, daß noch immer Anfragen einlausen, von wem die Programme zu haben find. Der Vorstand des genannten Vereins hat sich deshalb entschlossen, noch einige Ausgabestellen sür die Programme einzurichten, um die Besitzer von CollieS in den Stand zu setzen, noch schnell die Programme zu beziehen und ihre Tiere zu melden. Außer obengenannten zwei Herren sind zu jeder AuS- kunst über die Schau bereit und habe» Programm« vorrätig die