Volltext Seite (XML)
Zur Mordlhat im Lismarck-Archiprl. Ucbcr die Ermordung der Krau Wolff im Bismarck-Archipel berichten Briese jetzt noch Einzelheiten, die das bisher Gemeldete noch ergänzen: Die Landschaft Caparatawa liegt am Fuße des Varzin- berges etwa 10 Kilometer landeinwärts von der Küste der Gazellenhalbtnsel bei Herbertshühe. Herr Kaufmann Wolff hat dort vor einigen Jahren Land erworben von Eingeborenen und Plantagenbau begonnen. Eine Meinungsverschiedenheit über ein kleines Stückchen Land bildete den AuS- gangSpunct von Zwistigkeiten und Aus einandersetzungen zwischen ihm und deut früheren Besitzer. Dieser, der alte verwegene Häuptling Tokilang, behauptete, Laß das Land ihm gehöre und er es nicht ver kauft habe, noch auch zu verkaufen beabsichtige. Herr Wolff wurde ernstlich bedroht und sah sich genöthigt, die Behörde um Schutz anzugehen. Leider scheint man in HerbertShvhe die Sache zu leicht genommen zu haben. Es wurden ihm Gewehre und Patronen, aber keine Polizeisoldaten zur Verfügung gestellt, so Laß seine eigenen Arbeiter nur mit Lcm Gewehre in der Hand arbeiten konnten. Am 1. April begaben sich die gleißnerischen Wilden zu Herrn Wolff, um angeblich Freundschaft zu schließen. Tokilang erklärte sich bereit, sein Land abzutrcten und versprach, am 8. ein Schwein als Geschenk oder zum Verkaufe zu bringen. Ein anderer Häuptling Namens Tokilang meinte cs dagegen aufrichtig mit Wolff und soll ihn mehrmals gewarnt haben, einmal sogar in der Nacht. Am 8. April Morgens 8 Uhr, nachdem sich Wolfs mit den Arbeitern zur Pflanzung begeben hatte, kamen nun Tokilang und sein Sohn Tomanmanduk, sowie eine große Anzahl Eingeborener nach der Wohnung Wolff s. Es befanden sich dort Frau Wolff mit ihrem Säugling und ein Halbblutmädchen Cary Coe. Die Eingeborenen riefen Frau Wolff aus dem Hause auf die Veranda, um ihr das Schwein zu zeigen. Während nun über den Preis oder die zu machenden Geschenke verhandelt wurde, versetzte Tomanmanduk der Frau Wolff einen Schlag mit der Axt auf den Hinterkopf: die Frau stürzte unter einem Schrei zu Boden. Weitere Hieve mit der Axt und zahlreiche Lanzenstiche führten den Tod herbei. Die Leiche war schrecklich zugerichtet. Carn Coe, ein Halbblutmädchen und eine Freundin -er Krau Wolff, die sich im Hause befand, hörte den ersten Schlag und den Schrei und suchte nach der anderen Sette des Hauses zu entkommen. Gleich war ein Eingeborener hinter ihr her und schlug mit dem Beile nach ihr, traf jedoch nur das Haar. Das Mädchen stürzte zu ihrem Glück von der Veranda auf die Erbe, so daß ein zweiter Hieb für den Augenblick nicht treffen konnte. Ein schwarzer Arbeiter aus Buka hatte Geistesgegenwart genug, die in der Nähe befindliche Küche zu öffnen, in die er und das Mädchen hineinflüchteten und dann die Thür von innen abzu schließen. Mittlerweile wurde im Hause das arme kleine Kind auf die gräßlichste Weise ermordet, ebenso ein schwarzes Kindermädchen und ein Arbeiter. Die zahlreichen Wilden wütheten wie die Bestien. Tokilang brüllte fürchterlich und reizte seine Bande zum Raube und Morde: „Wo ist das andere Weib!? Wo sind die Gewehre? Wo ist das Geld!?" Vierzehn Mausergewehre und tausend Patronen, ferner einige Tausend Mark fielen den Räubern in die Hände. An dem Piano wurden alle Tasten aufgerissen und jede einzelne zerschlagen. Im ganzen Hause wurde Alles zer trümmert. Auch Cary Coe wäre ein Opfer der Wuth ge worben, da man versuchte, in die Küche einzudringen, wenn nicht abermals die Geistesgegenwart des erwähnten Bakujungen sie gerettet hätte. Der von ihm plötzlich aus gestoßene Ruf: politinwn!" (die Polizeitruppe) jagte den Räubern Schrecken ein, und es wurde Cary Coe so möglich, in den Wald zu entkommen, wo sie bis zum Abend umherirrte, bis sie in der Missionsstation Takabur an langte. Noch am selben Abend wurde sie nach Ralum be fördert, wo sic sich jetzt langsam erholt. Frau Wolff und ihr Kind wurden in der Missions station Bunapopc am Freitag, 4. April, unter reger Be theiligung der weißen Bevölkerung bestattet. Seither sind etwa 1500 Arbeiter verschiedener Pflanzungen bewaffnet worden, um die Aufständischen zu verfolgen und nach Ge bühr zu bestrafen. Das Ergebniß des Zuges ist noch nicht bekannt. Man weiß aber fchon, daß einige Caparatawa- leute gefallen sind; auch soll ein Poltzeisoldat umgekommen sein. Tokilang hält sich in Waikiri verborgen. DeS Weiteren berichtet der Correspondent der Kölnischen Volkszeitung" noch die folgende Thatsache: Die Ein geborenen von Karavia, die wahrscheinlich Beziehungen zu einem Theil der Aufständischen haben, sind nach Herbertshöhe gekommen und haben unter -em Vorwande, baß sie in Gefahr seien, Gewehre verlangt. Auf Ordre des Vicegouverneurs hin sind denselben in diesen Tagen -er Aufregung 65 GewehrenebstPatronenauS- ge händigt worden. Damit sind die Leute in ihre Heimath abgezogen ohne weißen Führer, so daß sie nach Belieben Hausen und sich zu den Feinden der Weißen schlagen können. Dieses von allen Weißen als höchst un klug bezeichnete Vorgehen der Verwaltung hat die be stehende, nicht unbegründete Unzufriedenheit unter den Weißen sehr gesteigert." Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. 6. Leipzig, 30. Mai. Vier Mitglieder des Athletenclubs „AtlaS" hatten am 2. Februar an emem Bockbierfest theilgc- nommen und dann ein Tanzlocal in der Brandvorwerkstraße aufgesucht. Da eS ihnen aber auf dem Tanzboden nicht gefiel, kehrten sie zum Bockbierfest zurück und zechten hier bis gegen 1 Uhr. Ehe sie nach Hause gingen, machten die Vier, Venen sich der 22 Jahre alte Drucker Earl Otto F. angeschlossen hatte, noch in verschiedenen Restaurationen Station uns kamen schließ lich, stark angetrunken, wieder in dem ersterwähnten Tanzsaal an. Als hier der 21 Jahre alte Horndrechsler Otto Emil I. und der 19 Jahre alte Metalldreher Fürchtegott Otto I. statt Damen zu engagiren, miteinander durch den Saal tanzten, sah sich der als Tanzmeistcr funairende Zimmermann H. veranlaßt, ihnen dies zu verbieten und den Tänzern anzurathen, lieber den üblichen Tanzgroschen zu opfern und mit Damen zu tanzen. Diesen guten Rath nahm Erml I. sehr schlecht auf und versetzte H. eine Ohrfeige. Natürlich wollte H. sich diese Behandlung nicht gefallen lassen, bekam es aber nun mit beiden Brüdern zu thun. Diese brüllten und tobten im Saale wie die Wilden, so daß schließlich der Schutzmann Kr. dem Emil I. Ruhe gebot und als derselbe dieser Weisung nicht nachkam, ihn festnehmen wollte. Alsbald trat ihm Otto I. mit den Worten entgegen: „WaS ist mit meinem Bruder!" „Und wenn Du auch Schutz mann bist! Du hast meinen Bruder loszulassen." Der Wirth He-, der infolge de» Lärmen» hinzukam, forderte die vier Athle ten und F. arif, da» Local zu verlassen. Diese kamen zwar dem Verlangen Le.'S nach, auf der Straße änderten sie aber ihren Sinn und kehrten zurück. Im Vorgarten wurden sie vom Wirth nochmals deS LocalS verwiesen, worauf Otto I. auf den im Spiel freilich hier und da etwas gemacht pathetisch, ge sanglich mit bedeutenden Accenten eingreifend. Frl.Sengern ist in den letzten Wochen mit einer großen Partie nach der andern hervorgetreten, ein sprechender Beweis für ihr ernste» künstlerisches Streben. Der Adriano liegt ihr in jeder Hin- sicht vortrefflich, und rS stellt zu hoffen, daß sie mit ihm, wenn ste erst den Stoff voll beherrscht, ihr Glück machen wird. In der Darstellung hatte sie den zweifellos verzeichneten, verschwom menen, hin und her schwankenden Charakter im Ganzen ge troffen, mochte sie auch noch manche Lücke aufweiseu. Die gesangliche Ausprägung seiner flehenden und drohenden, seiner baß- und liebeglühenden Ergüsse entbehrte nicht ausreichenden stimmlichen Materials und leidenschaftlichen BortragS. Doch störte das zeitweilig stark« Trrmoliren ihre» Ton» und ihr« mangelhafte Drclamation nicht unerheblich. Der herrlich« Andante-Satz hätte vor Allem ruhiger gesungen werden müssen. Im klebrigen gab die Vorstellung nicht Anlaß zu er neuter Besprechung. Die Nebenpartien waren vortrefflich besetzt, die Ensemble aut, zum Theil höchst lebendig zu- sammeugearbeitet, die Chöre rein und sicher, dir Aufzüge, Tänze und Gruppiruozen befriedigend. Das zahlreich er schienene Publicum nahm die Aufführung recht beifällig auf. vr. Rud. Krauße. * Blasewitz. Anläßlich der Sängerfahrt des Leipziger akademischen Gesangvereins „Arion" in unserem Orte ist von dem PreßnuSschusse des Festcomitä» eine prächtige Festzeitung zusammenaestellt worden, die nicht allein das Programm für den Verlauf des ganzen Festes, sondern auch andere unterschiedliche Beiträge enthalt, die selbst für die nickt direct Betheiligten einiges Interesse haben dürften. Die Kunst druckerei von Alwin Arnold wird dem schmucken Heftchen durch verschiedene Illustrationen eine weitere Zierde verleihen. Das selbe wird in den allernächsten Tagen erscheinen und an den Festtagen für Interessenten zu haben sein. nämlich da» erste Mal, daß der Kaiser die Widmung eine» Roman» genehmigt hat. , Wissenschaft. * Die Wiener kaiserlich« Akademie der Wissenschaften hat den Historiker Professor Ernst Dümmler in Berlin und den Sprachforscher Wilhelm Thomsen, Professor der ver gleichenden Sprachforschung in Kopenhagen, zu Ehrenmit gliedern der historisch-philosophischen Elaste, sowie den Pro fessor der Chemie E. Fischer in Berlin zum correspon- virenden Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe gewählt. Literatur und Theater. Alb-rt-Tbeater. Leipzig, 29. Mai. Das Meßthaler-Ensemble brachte gestern das Drama „Einsame Menschen" von Ger hart Hauptmann, eine Ibseniade, in welcher das Vorbild des norwegischen Dichters am deutlichsten zu Tage tritt; nur ist Hauptmann larmoyanter als der schneidige Norweger, der mit unerbittlichem Secirmesscr an gesellschaftliche Zustände herantritt. In der Thal ist der Eindruck, den die „Einsamen Menschen" Hervorrufen, durchaus demjenigen der alten Rühr stücke verwandt, nur daß Hauptmann diese Rührungen durch einen mehr auf geistigem Gebiete liegenden Conflict zu be wirken sucht. Die Aufgabe, die er sich gestellt hat, ist klar und durchsichtig: ein freistrebender Denker geräth in Conflict mit den religiösen Anschauungen des Elternhauses, fühlt sich unverstanden von seiner eigenen nur auf daS Nächste und Wirthschaftliche gerichteten Frau, wird dagegen von einer in« HauS kommenden Studentin in allen seinen Bestrebungen nach Verdienst gewürdigt und dieser Seelenbund entfremdet ihn dem häuslichen Glück und führt zur tragischen Kata strophe; denn als die Freundin durch seine Familie „fort geekelt" wird und wieder zum Waaderstabe greift, stürzt er sich inS Wasser. Bei der Ausführung dieses Planes stieß Hauptmann auf ein Hinderniß, daS er nicht glücklich überwunden bat. Die geistige Bedeutung dieses Bockerath tritt in dem Drama nicht überzeugend genug hervor, sein großes Werk kann er ja dem Publicum nicht vorlesen, und ebenso wenig wurden wir von der geistigen Bedeutung deS Frl. Mahr überzeugt. DaS müssen wir Alle« bona Läs hinnehmen. So erscheint Vockerath nur als ein eitler Schriftsteller, der nach Anerkennung dürstet, die daS zuge reiste Fräulein ihm spendet, während uns bei seinem Ver halten der eigenen Frau gegenüber die Heiue'schen Worte einfallen: Und wenn Du meine Verse nicht lobst. Laß' ich mich von Dir scheiden. UeberdieS ist er ein Schwächling, der an einem Schürzen band hängt und zu Grunde geht, als dies Band reißt. Fräulein Mahr aber gehört in daö Album der fahrenden Damen Ibsen'S und ist diesem getreulich nachgezeichnet. In der Detailmalerei enthält daS Schauspiel indeß viel Verdienst liches und einzelne Scenen weisen in ihrer Gemlltbswärme auf den schlesischen Volksstamm hin, welchem der Dichter an gehört. Die Aufführung fand zwar Beifall, doch war sie nicht durchwegbeifallswürdig. Am meisten sagte uns Jeanette von Fielitz als Käthe Bockerath zu; die Rolle ist zwar in hohem Grade weinerlich; aberste enthält doch einige Lichtblicke und gerade dadurch, daß dieDarstellerin diese hervorhob, unter schied sie sich vortheilbaft von manchen Vorgängerinnen. In der Scene, in welcher sie dem Maler Braun mittheilt, daß sie sich durch Arbeit Geld verdienen müsse, hatte sie etwas Schalkhaftes und Liebenswürdiges; in eine bloße Trauerweide hätte sich doch Vockerath nicht verlieben können; doch auch für den Schmerz der Enttäuschungen, die sie in ihrer Ehe erlebte, fand sie einen guten, sich steigernden Ausdruck. Dem Neurastheniker Vockerath gab Herr Knaak daS hastig Ner vöse, Schwankeude und Springende, daS solchen Naturen eigen ist, während Herr Adalbert den Maler Braun als einen etwas decadenten Phlegmatiker spielte, der dabei ebenso gutherzig, wie empfindlich ist. Die Rolle würde noch dankbarer sein, wenn der Dichter ihn nicht so oft gehen und wiederkommen ließ; wir haben nicht gezählt, wie oft er seinen Hut und Paletot an den Nagel hängt und wieder herunter nimmt. Der alte Vockerath und Frau Vocke rath (Herr Martini und Hedwig Margot) waren ein glaubwürdiges, frommes Ehepaar. WaS aber die Anna Mahr der Else Schloesser betrifft, so sprach die Darstellerin oft zu undeutlich, war in ihrem ganzen Wesen zu unsympathisch schroff und interessirte nur in den Scenen von größerer seelischer Bewegtheit in den letzten Acten. Der Regie gegen über hätten wir nur auszusetzen, daß sie einzelne Scenen zu sehr in die eine Coulisse hineinschob, so daß der eine Flügel des Zuschauerraums bisweilen nur die gesticulireuden Hände zu sehen bekam. Rudolf von Gottschall. * Hermann Sudermann soll die Absicht haben, daS Schloß von Blankensee, den Jahrhunderte alten Rittersitz der Herren v. Thümen, das dem Dichter schon seit Jahren als Sommer aufenthalt dient, käuflich zu erwerben. Das Dichten bringt doch noch mehr ein als Lorbeeren. * Dem Dichter Edmond Rostand werden, wie man den „Times" aus New Pork schreibt, seine Autorrechte am „Cyrano von Bcrgcrac" streitig gemacht. Als kürzlich daS Drama in Chicago gegeben werden sollte, erhob ein Samuel Groß bei Ge richt Einspruch gegen die Aufführung, und zwar mrt Erfolg. Groß ist der Verfasser eines Schauspieles „Der königliche Kauf mann von Granville" und behauptet, daß der Rostand'sche „Cyrano" eine Bearbeitung seines Stückes sei, das er schon vor langer Zeit in Privatkreisen als Mamiscript circuliren ließ. Da die Sachverständigen erklärten, das Schauspiel von Groß sei in der That die Grundlage (tke basi8) der Rostand'schen Dich tung, was aus zahlreichen Parallelstellen der Handlung wie der Sprache hervorgchc, wurde die „Cyrano"-Auffuhrung untersagt. Man ist auf den Ausgang der Angelegenheit gespannt, die leb haft an die Halm-Bachcrl-Affäre bei Gelegenheit der Erstauf führung des „Fechters von Ravenna" in München erinnert. * Nataly von Cschstruth hat ihren neuesten Roman „Die Bären von Hohen-Esp" dem Kaiser gewidmet. Der Kaiser hat die Widmung angenommen. Es liegt nun zwar absolut kein Anlaß vor, jede» neue Product au» der Feder der hinlänglich bekannten Cschstruth zu verzeichnen, weil ein Roman dieser fruchtbaren Autorin nichts weniger bedeutet, als ein literarisches Ereianih, diesmal muß aber auch der Eichstruth jüngstes opus erwähnt werden, ist doch der enorme — Fleiß der Verfertiaerin der schon viel verschlungenen, ja sogar dramatisirten „Ganse- Liesel" in außergewöhnlicher Weise anerkannt worden. ES ist Wirth etnschlug, während Emil I. demselben einen Tritt an den Leib versetzte. Emil I. wurde hierauf vom Schutzmann Kr. verhaftet, schlug aber um sich, stemmte sich mit den Füßen ein, bog sich zurück und setzte seiner Abführung die größten Schwie rigkeiten entgegen, so daß der Schutzmann Sch. seinem College» zu Hilfe kommen mußte. Nunmehr wurde auch Otto I. fest genommen. Das gab dem Drucker F. Veranlassung, die Leute, welche infolge der Vorgänge auf der Straße sich angesammelt hatten, aufzufordern, den Wirth, dessen Sohn und Schwieger sohn niederzustechen. Der Schutzmann P., welchen der Lärm ebenfalls nach dem Tanzlocal geführt hatte, nahm aber den Schreier alsbald fest und führte ihn in das HauS ab, das er hinter sich abschloß. Nun traten die zwei anderen Mitglieder des Athletenclubs, der 81 Jahre alte Asphaltarbeiter Johann Heinrich R. und der 28 Jahre alte Zinkograph Gustav Rudolf D. in Thätigkeit. Sie riefen: „Der muß raus, sonst schmeißen wir die ganze Bude caput l Immer los Colonne l" und D. versetzte dem Wirtbe He. einen zweiten Fußtritt an den Leib, worauf dieser sich schleunigst inS Haus rettete und dieses ab schloß. D. und R. zertrümmerten nun die Thürfüllung und versuchten in das HauS einzudringen. Dem Exceß wurde schließlich dadurch ein Ende gemacht, daß man die Uebelthäter nach Nummer Sicher brachte, dem I. war es allerdings ge lungen, sich vom Schutzmann loszureißen und zu entfliehen. Aus Grund der eingehenden Beweisaufnahme wurde Emil I. zu fünf Monaten Gefängniß und zwei Wochen Haft,R. zuvierMonatenGesängniß und einer WocheHaft.D. zuvierMonatenGefängniß.F. zu drei Monaten Gefängniß und Otto I. zu zwei Wochen vier Tagen Gefängniß und zwei Wo chen Haft verurtheflt. Bei dem Letzteren gilt die ganze Strafzeit, bei D. und F. fe 6 Wochen, bei R. und Emil I. ;e fünf Wochen der erkannten Strafen als durch die Unter suchungshaft verbüßt. ' - Verkehrswesen. -r. Wie wir schon kurz mittheilten, treten die b e d e u t e n d- sten französischen Eisenbahnen vom 1. Juli ab dem Vereinsreiseverkehre bei. Hieraus erwächst den Reisenden zunächst der Vortheil einer längeren Fahr kartengiltigkeit, denn eine Rückfahrkarte z. B. von Dresden nach Paris gilt nur innerhalb 13 Tagen, während man vom obenerwähnten Tage ab bei Entnahme eines zusam- mengcstcllten Reisehcftes eine Geltungsdauer von 60 Tage» erhält. Der Mehrbetrag eines solchen Heftes gegen eine Rück fahrkarte ist nicht erheblich, er beträgt z. B. von Dresden aus in 2. Classe nur 3,20 -L. Ein weiterer Vortheil entsteht da durch, daß man künftig nicht mehr an die Benutzung des Weges über Köln-Aachen gebunden ist, sondern auch in einer oder in beiden Richtungen über Hof-Heidelberg-Mctz oder Straßburg reisen und hierbei beliebig die Fahrt unterbrechen und Seiten touren einschalten kann. Auch können Reisehefte mit Scheinen 1. und 2. Classe oder 2. und 3. oder nur 3. Classe ausgefertigt werden. Eine besondere Verkehrserlcicbterung wird aber im Verkehre nach der französischen Riviera (Nizza, Cannes u. s. w.) gewonnen, weil nunmehr dahin durchgehende Reise hefte mit 60 tägiger Giltigkeit je nach Wahl über Genf oder Basel-Lyon oder über Paris — aber unter Aus schluß italienischer Strecken — zusammengestcllt werden können. Die Reischcfte nach Frankreich erhalten zwei Umschläge, je einen in deutscher und in französischer Sprache. Beide Um schläge müssen vom Hcftinhaber mit der Namensunterschrift ver sehen werden. Bestellungen nehmen die bekannten Ausgabe stellen und die größeren sächsischen Stationen an. Sport. Der nächste Sonntag bringt die Entscheidung von nicht weniger als drei mit 100000 dotirten Rennen: den Großen Preis von Hamburg, das Wiener Derby und das französische Derby in Chantilly. Am klarsten liegt bis jetzt die Situation in dem Kampfe um Frankreichs „Blaues Band". Ein großes Feld von ca. 16 Theilnehmern wird sich am Start versammeln, doch kommen aus Grund der bis jetzt gezeigten Form nur vier Pferde ernstlich in Betracht. Es sind dies „Retz" unter I. Reiff aus Camille Blanc's Stall, Baron Schickler's „Olivarez" unter Milton Henry, M. de BrSmoud's „Maximum" unter dem erfolgreichen englischen Jockey W. Laue und M. de Saint-Alary'S „Arizona" unter W. Pratt. „Retz" ist bis jetzt nur dreimal gestartet worden und hat eS verstanden, diese drei Starts zu drei überlegene Siege zu gestalten. Am 31. März ge wann er den Prix de Fontainebleau über 2200 m gegen die nützlichen „Dorine", „Montella", „Nossibs" und „Kokonor", eine Woche später den Prix de Guiche (2000 m) gegen die im Derby ebenfalls genannten „Darius" und „Ltliom" und end- sich die Poule d'Essat deS PoulainS gegen „Khasnadar", „Impromptu", „Le Mandinet" und „Le Firmament". DaS einzige Moment, das gegen ihn spricht, ist der Umstand, daß sich der Blanc'sche Hengst schon seit Ende März in vor geschrittener Condition befindet und es äußerst schwierig ist, ein Pferd zwei Monat« lang auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit zu halten. Doch wird dieser Umstand dadurch ausgeglichen, daß „Retz" nur den Anstrengungen dreier Rennen ausgesetzt wurde und diese immer mit überlegener Leichtigkeit gewonnen hat. In „Maximum", dessen Chancen durch den ebenfalls nach amerikanischer Manier reitenden, von England herberufenen W. Lane erhöht werden, tritt „Retz" rin ernst zu nehmender Gegner in den Weg, der nament lich über viel Stehvermögen verfügt. Auch er ist schon seit Mitte März auf den Beinen. In „Olivarez" hat man einen Candidaten vor sich, der zwar keine so bestechenden Leistungen aufweisen kann. Das gute Laufen seines Stallgenossen „La Loreley" gegen „Kizil Kourgan", den er im Derby vertritt, macht aber auf den Schickler'schen Crack, der von Milton Henry geritten wird, aufmerksam, doch hat er gegen die Obenerwähnten wie gegen den noch zu besprechenden „Arizona" nur Außenseiterchancen. Dieser Letztere ist wohl das Pferd, welches am ehesten berufen erscheint, die Favoriten „Retz" und „Maximum" zu stürzen. Für ihn spricht die Form seines Stalles, der im letzten Monat bald alle hochdotirten Rennen gewinnen konnte. Er selbst brachte es nur im Prix Daru zu einem Siege; vorher unterlag er gegen „Linaro" und „Bahr Boussons", doch war er immer placirt. In seinem Stall wurde er immer für besser wie „Kizil Kourgan" gehalten, wenn auch die Thatsachen dieser Meinung anscheinend wider sprachen. Doch der Umstand, Laß diese hochclassige Stute zu Hause bleibt,obwohl sie allein nachForm Aussicht hätte, „Retz" und „Maximum" zu schlagen, und die Vertretung ihres Stalles „Arizona" überläßt, deutet klar und deutlich daraus hin, daß ihr Besitzer sich von der augenblicklichen Superiorität de» Hengstes überzeugt fühlt. Die ganze Präparation „Arizona-" läßt diesen als das kommende Pferd erscheinen, daS erst im Moment des Rennen- auf der Höhe seiner Fähigkeiten steht. Nach diesen Erwägungen sollte man in „Arizona" den voraussichtlichen Sieger des französischen Derbys erblicken» der in „Retz" und „Maximum" seine gefährlichsten Gegner zu finden hätte. Die übrigen Candidaten sollten mit Ausnahme von „Olivarez", „Liltom", „Bahr VoussoufS" und „Darius" mit dem Ende gar nichts zu thun haben und auch diese gehen oben erwähntem „Trio" gegenüber nur mit kleinen Außenfeiterckancea inS Renne«. -X. 8 Schwimmvereiir Leipzig-West. In Folge des bis vor Kurzem anhaltenden ungünstigen Wetters konnten die Uebungen zu dem für Sonntag den 1. Juni geplanten Eröffnungs- sch wimmfeste nicht so stattfinden, daß ein guter Erfolg des Festes gewährleistet werden kann. Es macht sich deshalb eine Verlegung des Festes auf Sonntag, den 15. Juni nothwendig. Am 24. d. M. fand im Vereinslocal, drei Linden, em Vor tragsabend statt. Der 1. Schwimmwart des Vereins, Herr Fink, entwickelte vor einem zahlreich erschienenen Zuhörer kreise in fesselnder Weise die Geschichte der Schwimmkunst seit altersgrauer Vorzeit bis auf die Gegenwart, beleuchtete die Vortheile deS Schwimmens auf unser körperliches Wohlbefinden, empfahl ein Zusammengehen der Turnkunst mit der Schwimm kunst, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß der Schwimmunter richt in Schule und Heer bald obligatorisch werde. Dies Ziel zu erreichen, sei Sache der Schwimmvcreine. Herr Bade- anstaltsbcsitzer Fuchs gab dann noch einige behcrzlgenswerthe Lehren aus seiner mehr als 20jährigen Praxis für das kalte Baden, dessen beste Anwendung die Regelmäßigkeit sei. Reicher Beifall wurde den beiden Rednern für ihre interessanten Aus führungen gezollt. O. Kiel, 29. Mai. DaS allmähliche Nahen der „Kieler Wo ch e" ist bereit» deutlich zu spüren. Die Keinen Sonnabend- Regatten, auf denen die Sportleute sich für die bevorstehenden großen Wettkämpfe rüsten, haben begonnen und all die größeren und die noch zahlreicheren Keinen Yachten benutzen die Zeit eifrig zum Segeln. Anscheinend wird die „Kieler Woche in diesem Jahr noch glanzvoller als sonst, obwohl die Betheiligung englischer SportSkreise mit Rücksicht auf die gerade in die „Kieler Woche" fallenden Krönungsfeierlichkeiten in London ge ringer werden dürfte. Dafür sind zahlreiche amerikaniscke Gäste zu erwarten, theils mit Dampf-, thcils mit Segelyachien. Aus Skandinavien treffen ebenfalls zahlreiche Meldungen ein und den im vorigen Jahre hier weilenden iranzösi schen Sportsleuten hat der Aufenthalt so gut gefallen, oaß sie sicher wiederkommen werden, sogar mit einer neuen Nacht der internationalen Sonderclasse. Ob die Kaiserin den K a i s e r nach Kiel begleiten wird, ist noch nicht bekannt. Wenn dies der Fall sein sollte, würde Wohl auch der prächtige Blumencorso wieder stattfinden, der mehrere Jahre ausfiel. Der Fremden verkehr zur Kieler Woche wird von Jahr zu Jahr größer. Vermischtes. — Wohlfahrts-Lotterie. Bei der am 29. Mai Vor mittag« fortgesetzten Ziehung fiel 1 Gewinn von 5000 .St auf Nr. 333 262, 9 von 500 auf Nr. 39 264 40 745 115 649 132 853 173 495 357 808 363 415 367 374 436132. — Bei der Nachmittag« fortgesetzten Ziehung fiel 1 Gewinn von 5000 auf Nr. 142 367, 2 Gewinne von 1000 ans Nr. 20 667 429 560, 15 von 500 auf 5205 47 521 48 180 60 519 92 063 126 073 204 291 270 973 278 413 279 075 389 704 397 675 427 936 437 639 47 l 757. ----- Ucber ein Unglück auf dem Potsdamer Ntugbahuhof Berlin, da« einer Telegraphistiu da« Leben ostete, bat der „Köln. Ztg." Herr Rütt aus Duisburg olgende Schilderung geschickt: „Ich wollte nach Friedenau ahren. Der Zug stand bereit, und weil nur noch wenig Zeit zur Abfahrt übrig war, ging ich eiligen Schrittes, halb laufend an dem Zuge entlang, um ein Coupö 2. Classe zu erreichen. Am ersten Wageuabtheil 2. Elaffe stand die Dame und mühte sich vergebens ab, die Coupe- thür zu öffnen. In dem Augenblick, als ich vor bei wollte, um ein Wageuabtheil weiter zu erreichen, trat die Dame zurück und mir gerade in den Weg. In folge deS Anpralls, der übrigen« nicht besonder- hestig war, verlor die Dame das Gleichgewicht uud fiel unglück licherweise zwilchen zwei Wagen auf die Schienen und wurde überfahren. Ein Verschulden trifft mich nicht, da nicht ich die Dame umgerannt habe, sondern die Dame mir, rückwärts tretend, sich vom Wagen abstoßend, in den Weg kam, wodurch daS schreckliche Unglück entstanden ist." Der in jedem Fall selbst zu bemilleidende Herr Rütt hat an die Familie der Verunglückten folgendes Schreiben gerichtet: „Unterzeichneter erlaubt sich tief betrübt über den schrecklichen Unglücksfall, der ihm mit dem Fräulein Ottilie Seidel passirte, seinen aufrichtig gefühlten Schmerz Ihnen zu unterbreiten. Unglücklich durch da« traurige Ereigniß, bitte ich, meine aufrichtigste Theilnahme entgegen nehmen zu wollen, und habe ich nur den Wunsch, daß der liebe Gott Sie in Ihrem Schmerz trösten möge; der durch Zufall entstandene Unglücksfall bringt mich fast zur Ver zweiflung. Ich bitte nochmals, meine innigste Theiloabme entgegen zu nehmen und verbleibe mit herzlichem Beileid Ihr tief trauernder Heinrich Rütt und Frau Lina geb. Hücking." --- Zweibrücken, 30. Mai. (Telegramm.) Der „Schwä bische Merkur" berichtet auS Waldmoor: Gestern Morgen wurden im Wilhelmsschacht der Hartfeldgrube durch Explosion schlagender Wetter acht Bergleute getödtet und einer schwer verletzt. Sieben der Getödteten sind Italiener. ---- Neustrelitz, 28. Mai. Bei einer militärischen Uebung wurde laut einer Meldung der „Meckl. Nachr.", heute Vor mittag die Leiche des Strelitzer GattenmörderS Borchert an einem Baume in den Tannen der Strelitzer Frohnerei in kaieender Stellung hängend aufgefunden. Die Leiche war bereits stark verwest und daS Gesicht von Raub vögeln zerfressen. AIS Erkennungszeichen diente daS Teschin, das bei der Leiche gefunden wurde und von dem Mörder s. Zt. auf der Flucht mitgenommen war. — Trier, 28. Mai. Im Alter von 101 Jahren ist hier der älteste Bürger der Stadt, der Rentner Wendel Schoe rn an a, infolge eines Unfälle« gestorben. ----- Bom Busse« (Württemberg), 27. Mai. Am Sonn tag starb der den meisten Buffenbesuchern wohlbekannte Glöckner Frank an der Wallfahrtskirche im Alter von 9 0 Jahren, nachdem er sein im Jahre 1827 vom Vater übernommenes, weit in die Lande hinein wahrnehmbares Amt 75 Jahre lang versehen hat. Jetzt ist eS aus den Enkel deS Verstorbevcn übergezangen. Franks Vater batte das Amt im Jahre 1783 augetreteu, nachdem Kaiser Joses die Eremitage auf dem Bussen aufgehoben hatte. (Schw.M.) ----- Wien, 29. Mai. Wie die „Neue Freie Presse" meldet, sind heute beim Aufstieg auf die Rax zwei Touristen, ein Einjäbrig-Freiwilliger und ein Chemiker, beim Katzenkopf abgestürzt; beide sind todt. ----- Parts, 29. Mai. Heute Abend entlud sich über der Stadt ein heftiges Gewitter, verbunden mit Wolkenbruch. ----- Bern, 29. Mai. Die Frau de« Hotelwirths Cbarnot in der Pekinger Fremdeuaiederlassung hatte sich bekanntlich während der Belagerung durch die Boxer al« kriegerisch tapfere Dam« ausgezeichnet und mit gutem Erfolge die Kugelbüchse gehandhabt. Die« hat sie nun auch in friedlichem Wettstreit an einem Schützenfeste in ihrem Heimathcanton Wallis gethan, wo sie letzten Sonntag als einzige Frau im Schießstand hautirte uud mit 100 Schüssen 35 Cartons herausschoß. Sie gewann damit «inen silbernen Becher und als Ehrengabe de« Verein« noch einen Eichen kranz. — In der vergangenen Nacht 3»/, Uhr ist der 5866 w lange Albulatunnel der künftigen Schmalspurbahn in« Engadin durchgeschlagen worden. Der Tunnel beginnt auf der Nordseite oberhalb deS Dorfe« Berguen und führt unter dem Albulaberg hindurch bi« zum rugadiuischeu Dorfe Bever«. Die Eisenbahn soll im Frühjahr 1903 er öffnet werden. (Voss. Ztg.) — Fort de France, 29. Mai. Die vulcanischen Aus brüche erfolgen jetzt sehr zahlreich und mit geringer Heftigkeit. Dem überseeischen uud dem localen Verkehre dienende Dampfer schaffen die Bevölkerung deS nördlichen TheileS der Insel fort. Der Bürgermeister von Cayenne hat den von der Katastrophe Betroffenen außer der freien Ueber- fahrt auch sonstige Erleichterungen im Falle ihrer Ueber- siedelung angeboten. — Bon den HuutbertS. Man verfällt auf Alles. Jetzt soll Eva Humbert ein — Mann sein. Von Personen, welche mit der Familie Humbert eng befreundet waren, liegt eine Erklärung vor, baß „Fräulein Eva Humbert", deren aus fallend hohe Gestalt und ganz unweiblich klingende Stimme Jedermann befremdeten, männlichen Geschlechtes sei. Al- Motiv diese« Betrug« wird angegeben, daß schon vor Ge burt dieses Kindes der Crawford - Schwindel eingeleitet war. Nach dem ursprünglichen Plane batte der alte Crawford die Tochter de« angebeteten, aber leider einem Anderen vermählten WeibeS (der Frau Humbert) zur Erbin der Hundert Millionen unter der Bedingung eingesetzt, daß das junge Mädchen als Achtzehnjährige den Neffen des Erblasser« heirathe. Und zur Durchführung dieser romantischen und rührenden Combiuatiou hatte, vermuthet man, Frau Humbert da« Taufregister falschen lassen. — Daß sich die flüchtigen Humberts nach Griechenland gewandt hätten, glaubt man weiterhin vielfach. Jetzt ist daS franzö sische Eousulat im PiräuS benachrichtigt worden, daß da« Ehepaar Humbert auf einem deutschen Postdampfer nach Athen unterwegs sei. Ueber die Frage der eventuellen AuS- lieserung der Flüchtlinge haben schon Berathungea der griechischen Behörden stattgesunden.