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Mit einem Nachruf an den kürzlich verstorbenen St.-B. Rechts anwalt Dr. Schedlicb. welcher seit 1. Januar 1889 dem Collegium und >n diesem dem Ausschuß für die WohlsahrtSpoluei und dem für die Markthallen angedörte. Redner dankt dem St.-B Gott- schaü für das am Grade Schedlich'S Namens des Collegiums aus gesprochene Lebewohl und rühmt dein Abgeschiedenen nach, dag er allezeit Das, waS er für gut gehalten, mit »mnnlichem Freimut!) vertreten habe und seiner liederzeugung immer treu geblieben iei auch selbst da. wo er wohl Wichte, nicht aus die Mehrzahl rechnen zu können. Er sei ein glücklicher Mensch gewesen, denn er habe — Ideale gehabt und wer Ideale in seinem Innern trage, der stt geichntzl gegen das Gift de» Gehässigkeit und Berleumdung. Die Anweiendc» erhöhen sich schließlich zum ehrenden Andenken an den Tobten von ihren Plätzen. — Hierauf giebt der Burschende noch »olgende Mitkheiliiiigen vor Eintritt in die Tagesordnung: Durch da-S König!. Haneminitterinin ist in» Aufträge Sr. Maicstät des .'konigS der Stadt Dresden st» Händen deS Rathess ein Exemplar der Gedenkmünze an das iM>lähuge Wettiner-Fest zugettellt worden. Mittelst Schreibens legt He»i St.-B. Thiel wegen Unabkömmlichkeit vom Gcscliäik iei» Amt als Stadtverordneter nieder und bittet um freundliches Andenken: Herr St.-B. Vierling zeigt an, daß er sich ansassig gemacht habe: Schuldirektor C. Schmidt überreicht im Aufträge des städtischen Vereins. deS Allgemeinen HanSbescher- verenlS, des Hanshesitzervere'nS der Oppellvorstadt und der Bürger- vereine der Wilodcuffervorstadt. der Oppellvorstadt und der Anton stadt je eine ans die Steuerreform bezügliche Petition, welche sümmilich für Abschaffung der MietkzinS und Grundwerthstcuer und Deckung deS dadurch entstehenden AnSsalles durch die städtische Elilkoinnlentleiler cintreten und welche aiis Antrag des St-B. Hotralh Dr. Osterloh dem Finanz- und RechtSausichug überwieie» tverden. Endlich liest der Vorsitzende noch ein Schreiben des Fürsten Bismarck an Rath und Stadtverordnete vor, in welchem der Fürst iemen „verbindlichsten Dank" für die Glückwünsche zu seinen, GeburiStag nilsipricht. — Tie Tagesordnung dringt zu nächst einen Antrag des St.-B. Klingner, in welchem derselbe den Nach ersticht wissen will: ls von jetzt an den Ban von Steigessen nicht mehr zu gestatten und 2) ein Prcisausichleibcn für die beste Esse mit mechanischer Neinigung zu veranstalten. In langer Rede begründete Herr Klingner diesen Antrag, zu welchem ihn der Hin blick aui Fenersicherheit. Reinlichkeit und Menschlichkeit bewogen hat. Das; Steiacsscn heule noch bestehen können, bezeichnet er als das achte Weltwunder, da sie den obengenannten Begriffen durch aus zmviderstnachcn. Der „arme, unglückliche Mensch", der ge zwungen iei. dahinein zu steigen, sei nur zu bedauern, um io mehr aber, da dies ganz zwecklos geschähe. Durch dieses NeinigungS- vclfahrcn werde bei Ruß mir aus der Esse hinaus in s Freie ge trieben und die Stadt im Allgemeinen verricht. Diese Essenreini gung bedinge auch, dcch der Schornsteinfeger in einer Kleidung „beramlaufen müsse, die zu Hohn und Spott hcrauStordere, wodurch manches »inge Geinüth verbittert werde." Redner bat aus seinen vielen Reiien und durch Bücher sich eingehend über die Essenreinignng insormgl und »geht zurück am die urällesten Zeiten. Schon die allen Römer hätten schöne, mit glasirlen Ziegeln ausgclcgte Essen, die auf mechanischem Wege gereinigt worden seien, gebaut, ebenso seien die russischen und holländischen Essen eingerichtet. Man bringe da mileil, am Ende der Esse, einen Sack an, in den der ganze Nus hineinfalle und io werde ein Entweichen nach Oben verhindert und das sei die Hauptsache. Tie hier noch brauchliche „asiatisch heidnische Einrichtung" habe ihn, den Redner, seitdem er „mit dem Ruh aut gespanntem Fuße lebe", fortwährend verdrossen. Was vor Hunderten von Jahren schon besser gemacht und >» sehr vielen S Stadien längst eingerichtet worden sei, müsse endlich auch hier ver- T bessert werden. Schon Luther habe in seinen Briefen an die ^ lL Graten Mansfeld sich über die „Menschenschinderei" beim Effen- ^ «kehren ausgesprochen und Peter der Große habe befohlen, daß die ^MZEssen niiid gebaut und mit glasirte» Ziegeln nusgelegt werde» « sollten, damit „die Quälerei der Meirichen", die das Einslcige» in . r« die Esten darstclle, anihöre. Das einzig Richtige sei die mecha- rs A^msche Reinigung. Redner wendet sich schliesslich an den anwesenden «Herrn Oberbürgermeister und legt ihm seinen Antrag dringend >«an's Her,. Es sei dies eine der hochwichtigsten Angelegenheiten «der Stadt und er werde sich, wenn er die Uebelslände beseitige, «nicht nur den Dank der ganzen Bürgerschaft, sondern „auch der r-r ^ t?» ganzen Welt" verdienen. Die hochpathctischc AusdrnckSwrm des s« ^Redners und die eingcslochtenen vielen drastischen Bilder und Bc- ^ ^ Zeichnungen erregten vielfach grobe Heiterkeit, die den Sprecher aber d'^dnrchanS nicht beirrte. St.-B. Schoursleinieger Anders li erklärt, berufliche» Standpunkt Herrn Klingner in Vielem rnstiinmen ---.§« zu müssen, meint aber, wenn man jetzt gleich die Sieigesscn beiei- >d5-, S tigen wolle, denn andere und zwar wiederum alte Beschwerlichkeiten ^ die Schornsteinfeger und die Bcwodnerschnfl heraufdeschworen würden. Sieigefsen würden so nur noch wenige gebaut, in allen L L"Neubauten " " --L --s S errichte man die sogenannten russischen Essen. Gegen den zweiten Theil des Klingncr'ichen Antrages iei er aber nicht. M-tEr hält cö aber nicht iür angchracht, immer und immer wieder Ar -unsere Skadt als eine vollständig verrußte hiiizilstellen. Mau nehme davon auswärts in einer Dresden nicht günstigen Weise «^ziedr wohl Notiz. So lange mir Kohle geheizt werden müsse, «l-s werde es eben Ruß geben, das werde nicht zu ändern sein. ^ Schließlich wird von dem Klmgner'schcn Antrag der Punkt 1 ab- z-» ^-gelehnt. dagegen der Punkt 2 znm Beschluß erhoben. — lieber die skHeicibwtzung deS Schulgeldes bei den Bezirksichulen können wir uns unter Hinweis ans die in unserer vorgestrigen Nummer ge brachte auSlührliche Darstellung kurz fassen. TaS Eollegwim stimmt dem Rache allenthalben bei. Darnach wird das Schulgeld in den bew'ictmctcn Schnicn, welches bisher in den vier unteren Klasse» wöchentlich 20 Pia., in den vier oberen Klassen aber wöchentlich t!0 P'g., mithin lahrtich 10 Mk. 40 Pfg. und 15 Mk. 60 Pfg. betrug, ans die für alle Klassen aleichmäßiae Summe von 7 Ml. 2o Pfg. pro Jahr herabgesetzt und gilt diese Herabsetzung schon vom 1. Avril d. I. an. St.-B. Tr. Roitzsch verwandte sich für noch wettere Neduzirung aus 4 Mk- 20 Pfg. pro Jahr: sein An trag fand aber nicht genügende Unterstützung. Vom Referenten, Si.-B. Dr. Unruh sowohl, wie vom St.-B. Hotralh Tr. Osterloh wurde hervorgehobcn, daß die Stadt Dresden in den Bezirks ichulen gegenüber anderen Städten ein außergewöhnlich hohes »Schulgeld erhebt — Für den deutschen Hilssverein in Wien wird zur Errichtung eines deutschen Erzieherinnenheims eine einmalige Uniecstütziing von 500 Ml. bewilligt, auch stimmt man der Ge währung eines Beitrages bis zu tzOiiO Mk. zur Deckung desjenigen FeblbctiageS, welcher der Dresdner Kunstgenossenschaft bei der die'-jährcgen iiitcrnaiioi'.alcn Ausstellung von Agunrcllcn rc. etwa entstehen konnte, zu. — Zur Verbesserung der Beleuchtung im SitzungSiaalc der Stadtverordneten bewilligte man 900 Mk. Es ist und bleibt in dohcm Grade bedauerlich, daß dieser Saal nicht durch elektrisches ^«chl erleuchtet werden kann, denn die Hitze-Aus strömung des Gases bildet für die Tribünen einen zu Zeiten iast unerträglichen Uebelstond. So hcmctile vorgestern Abend, gleich zu Anfang der Sitzung eine Luit aus den Tribünen, vor der jeder Elntcetende förmlich zucuckprallte; daß dieser »ngeiunde Gasdunst im Lau e einer mehrstündigen Sitzung nicht geringer werden konnte, ist selbstverständlich! — ES wurden im Laufe der Sitzung noch veiichicdene Summen bewilligt für die bauliche Unterhaltung einer Aiuaht städtischer Grundstücke, iür die Einlegung neuer Gas- leilnnaen in die Scheffel-, die Stein- und die Hechtstraße und für Ausbcsteniiig der ,-mhrbahn in der Wienerstrabe zwischen der Prager- und Earoloslraße und in der Slncicncrstraße Zwischen der «.tephanien- und Fürstenstraße. Betreffs der vom Rache befür worteten Pflasterung der Lindengassc zwischen der Bürgerwiese und der Slnlveslraßc ichlug der Finanzausschuß Abtehniing vor. St.-V. Wvkwrka machte aber w ausdrücklich ans den m der That jämmer lichen Zustand dieses Pflasters aufmerksam, daß das Ausschußaut- achteii in dieser Beziehung abgelehnl wurde und der dortigen Be wohnerschaft die Freude wird, ein gangbares Pflaster demnächst »nler die Füße zu bekommen. — Auch für das Jahr 1889 wissen die soeben erschienenen Jahresberichte der Gewerbeinspektoren über zahlreiche Wohlsahrtseinrichtungen. Stiftungen, Wohlthätigkeitsakle von Ar beitgebern zu Gunsten der Arbeiter zu melden. Aus dem Aufsichts- bczirk Dresden wird hierüber Folgendes berichtet: Die Glas- hüttcnbesitzer W. Hirsch und Bedrich zu Radeberg haben die sammtlichen Kranken, - - -. der Lstenzemabrik v beiter, wetche sich gut WohnungSmiethe. und außerdem werden für alle Arbeiter vre Krankenkassenbeiträge von der Fabrik bezahlt. Ferner ist ln der Fabrik von Kummer und Eomp. dt Niedersedlitz seit Ende 1888 die Einrichtung getrosten worden, daß diejenige» Monteure. Ar beit« rc., welch« mindestens 8 Jahre in der Fabrik beschäftigt sind, jedes Jahr eine Prämie erhalten, die für 3 Jahre W Mk., für 4 Jahre 40 Mk.. für 5 Jahre 45 Mk., für 10 Jahre 100 Mt. beträgt. Außerdem werden auch die eingehenden Strafgelder an solche, welche, wie oben mindestens 3 Jahre in der Fabrik gearbeitet -ob«, nach einen, gewtilen Modus vertheilt und am 34. Dezember jeden JabreS auSgezahlt. Zu den Arbelterwohnungen. über welch« bereits früher berichtet wurde, sind in neuern Zeit die blnzugekom- men, wetche von den SiemeuS'Ichen Hüttenwerken beschosst wurden. Ferner ist aus de« Werken der Vereinigten Glashütte» zu Radr- berg ein PenllonshauS für unverheirnthete Arbeiter eingerichtet worden, eine Idee, die auch nnderwärls Nachahmung verdient. In der Cbokoladrnfabrik von Otto Rüger im Lockwitzgrund sind außer anderen zweckmäßigen Eimichtuugen Spetteiittk. Aäriustuve». sowie ein gesunder und angenehmer Ansenthaltsort für die Arbeiter während der Pausen geschaffen worden. Die Erfahrungen, die im Bezirke mit Arbeilerwohnrinnen beziehenttlch mit Scylasciniicd- tuiiqeu gemacht wurden, sind nicht durchgängig als günstige zu bezeichnen, es ist vielmehr wiederholt zu bemerke» gewesen, daß insbesondere junge Leute sich nicht gern einem Zwange unterwerfe» und lieber eine schlechtere Wohnung imiebaben. in welcher sie nach Belieben komme» und gehen können, als eine bessere, in welcher sie den Bestimmungen einer Hausordnung unterworfen sind. In Dresden sind in »euerer Zeit niedrere VolkSheimc errichtet worden, und zwar zwei für Männer und ein solches für Frauen und Mädchen. Die Mitgliedschaft für de» Verein Boikswohl und die damit ver bundene Benutzung der Volksbeime wird durch eine» Beitrag von 2 Mk. jährlich erworben. Der Aufwand für diese Bollsdeime wird in der Hauptsache durch freiwillige Gaben bestritten, doch ist auch mit der Bcwirthschastung derselben eine gewisse Einnahme ver bunden, da die verabreichten Speisen und Getränke baar und in größeren Mengen eingekunst. sowie für einen bestimmten aber immerhin sehr niedrigen Preis wiederverkanst werden. Namentlich weiden durch den Bicrverschank erhebliche Uebcrscknsse erzielt. Ob min diele Bolkshcime gerade von Denjenigen, für welche sie be stimmt sind, also vrlondcrs von Arbeitern und deren Familie», wirklich benutzt werden, ist noch nicht festgestcllt worden, und wird sich dies erst nach einiger Zeit des Bestehens derselben ergeben. Jedcittalls ist die Benutzung der Volkshetme eine sehr rege, da öfter in einem Heim täglich über 100 Personen zu Mittag ipciien und Abends die Räume von Lesenden oder sich sonst Beschäftigen- den vollständig gestillt sind. In dem ziemlich großen Garte» des einen HcimS sieht man tni Sommer 50 bis 00 Kiiihcrwageii, während auf den vorhandenen Spielplätzen Kinder in großer Zahl an,«treffen sind- Im Winter weiden in diesen Bolksbeimen Bor träge gehalten, die in sittlicher Beziehung günstig wirken und gut besucht sind. Die »r den meisten größeren Fabriken vorhandenen Cantincn erfüllten ihren Zweck iiiwteru. als sie den Genuß von Branntwein iimncr mehr verdrängen. Der Verbrauch des Bieres in Flaschen bürgert sich mehr und mehr ein. und es sind betreffs dieser Cantinen nur zufriedenstellende Erfahrungen zu verzeichnen, Tie Unlerhallnngscibeiide, welche von Seiten des Direktors einer größeren Slcingntfahrik im Winter drei bis vier Mal für die iämnillichcn Arbeiter der Fabrik eingerichtet waren und s. Z. auch gern besticht wurden, konnten mchl weiter fortgesetzt werden, da durch soziaidemokratische Flugblätter den Arbeitern und Arbeiter innen der Bestich dieier Abende verboten wurde. Die für einen derselben bereits bestellten Speisen und Getränke sind der Armcn- verwallung überwiesen worden Daß alle Arbeiter diesem Verbote gern gefolgt sind, möchte wohl bezweifelt werden; es ist dieses Borkominnlk aber ein Beweis dafür, wie ans die Freiheit des eigenen Willens bei den Arbeitern einacwirkt wird. — Das Programm deS F r ü h l ings s e st e s. welches der Radfahrervcrcin „Turner" zu Ehren des Frecheren von Kap-Herr auf Schloß Prohlis veranstaltet, verspricht einen anregenden und fröhlichen Tag. Man fährt M2 Uhr Nachmittags von der Großen Wirchschast in. Großen Garlcn gemeinsam ab. nm 4 Ubr ist Fest ball in Prohlis. Um 5 Uhr beginnt ein Blumen- und P'rciScvrso- fahrcn; Reigen uno Kunstfahren im Schloßhoi, ein Concerl in» Garten, die Bertheiliing der Preise an die Wettkämpfer und end lich ein großes Brillantienerwerk werden sich daran schließe». DaS Preisgericht besteht ans Herr» Eommi!sionsrath Julius Rcichardt als Elneiipreiörichtcr, den Herren Job. Fversler, Arth. Vogel, Art. Kandt, H. Ulbrich, H. Lcidenrolh und Arth. Siede. ES ist durch Hm. Freiherr« v. Kap-Herr ein erster.Prels im Werthe von 150 Mk. gestiftet, weitere Preise von 50 bis zu 20 Mk. herab sind von Verschiedenen ansgcsetzt. So verspricht das Fest am 11. Mai vielseitigen Genuß und kräftige Entiältimg des edlen All- Hell !-SportS. — Aus allen Städten Sachsens verlautet, daß der erste Mai ohne alle Vorkommnisse verlausen ist. — Die durchweg ruhig verlaufene Kundgebung am I.Mai wurde in unserer Stadt abgeschlossen durch ein Eoncert im Trianon. Gegen 6 Ubr trafen die Ausflügler von Loschwitz aus in kleinen Trupps wieder in der Skadt ein und zogen graßen- theils in das Eoncertlokal, wo sie niir ihren Faimlien den weiten Saal bis au» den letzten Platz füllten. Gegen Mitternacht zer streuten sicb die Blassen ohne jedweden Zwischenfall. Es ist in unserer Stadt aus Anlaß der Feier nicht eine einzige Verhaftung vorgenommcn worden. — Zum Bürgcimeistcr von Penig ist der Rechtsanwalt Dr. Weber ans Köiiigstein gewählt worden. — Die nächste vssenliiche Sitzung des B e z i rs a u ss ch u l s e s der Amtshauplinannichast Dresden Altstadt findet Dienstag den 6. d. M. Voimittngs VUO Ubr statt. Fortsetzung des örtlichen Ttzeiles auf Seite 4 und v. rageSgeschichte. Deutsches Reich. Nachdem der dritte Iagdausflug von Eisenach aus resnllatlos verlausen war, ist der Kaiser Tonnerslag Vormittags 10V< Uhr in Begleitung des Großherzogs und des Erb- großherzogs in Weimar emgettvffen. Bei der Auffahrt zum Schloß durch die im reichsten Fahnenschmuck prangende Stadt wurden die Hcrr'chnilen von der Bevölkerung stürmisch begrüßt. Um 6 Uhr verabschiedete sich der Kaiser und traf Abends 11 Uhr in Potsdam ein. wo er im Sladtichloß übernachtete. Nach den nunmehr vorliegenden Nachrichten aus den meisten deutschen Arbeiterzentlen sind Donnerstag rm Lause des Tages und auch Abends und Nachts Rnhcstörunaen nicht vorgckommen. Ter Kaiser hat bei Besichtigung des Forts Bismarck vor Straßburg am 24. April Mittags von dort aus ein Telegramm an den Fürsten Bismarck nach Friedriclisrub gerichtet. Ter Kaiiei bat den Wunsch ausgesprochen, daß das von den Schlesiichcn Piovinzialständen ihm angcbolcne Fest bei seiner An wesenheit in BwSlau weniger prunkvoll veranstaltet werden möge, als es projeklirt war. Nach den bisher bekannt gewordenen Ent würfen batten die Kosten voraussichtlich über 200,000 Mk. betragen. Stach alle» bisher vorliegenden Nachrichten über die Maifeier ist in Berlin dieselbe ruhig verlaufen. Brsher wurden nur 2 Ruhe störungen bekannt, die jedoch keineswegs einen bösartigen Charakter trugen. Beim AuSslugc der Schuhmacher versuchten einige Perso nen durch Schwenken rother Tücher vor den Augen eines Polizi sten und durch revolutionäre Redensarten zu dcnionstriren. Von diesen Personen w»rde eine verhaltet. In der ..Jnngiernhaide" gerieth ein vereinzelter Trupp von Arbeitern mit einem Gendarmen dadurch in Streit, daß der Weisung, den Platz zu verlassen, nicht sofort entsprochen wurde. Nachdem der Gendarm, welcher durch dre Arbeiter hart bedroht wurde, Hilfe bekommen batte, nämlich einen weitecen Gendarmen und zwölf Mann Militär, wurden die drei nm meisten Renitenten verhaltet, lieber die Haltung der Polizei herrscht überall Befriedigung und Anerkennung. Von eimelnen Episoden sei noch Folgendes angeführt: Ten erbittertsten Eindruck machten die streikenden Brauergeicllen, welche sich znm Frühschoppen vereinigt batten. Dieselben, die sonst kontraktlich 6 Liter Bier erhielten, haben den Bovcott über die bayrischen Brauereien verhängt und saßen demgemäß höchst trübselig beim Weißbier. Im Ganzen fan den etwa 18 derartige .Morgensprechen" — so heißt jetzt der ver pönte .Frühschoppen" — statt. Die zahlreichen Ausflug« gingen mit Vorträgen. Tanz und Kaffeekochen in Scene. Zu den .Feiem den" gehörte auch daS sozialistische .Volksblatt", welche» .deS AibelterfciertageS wegen" erst wieder am Sonnabend erscheint. Einzelne Aibcitcrgrschäfte blieben geschloffen, so diejenigen der Fron Halenclever, deS Stadtverordneten Klein, des Reichstags kandidaten a. D. Auerbach. Gut« Geschäfte machten spekulative Blumenhändler, die für dielen Tag daS schüchterne Veilchen und die zarte Lilie zu Hause ließen und nur blutrothe Nelken in ihren Körben fetlboten. Im Allgemeinen war da» Bild der Stadt nicht wesentlich von dem anderer Tage verschieden. Ueberall herrschte emsigste THSrigkeit ln Werkstätten, bei Bauten, auf Berladeplätzen. Allerdings sah man, wir feiernde Arbeiter mit weißem Kroaen und Sonntagsrock, meist mit Regenschirmen oder Spazlrrstöcken und einem in Papier gewickelten Päckchen Stullen ln der Hand, in kleinen Trupp- der Umgegend oder den Bahnhöfen zultredten. In einem Lokale lm Olten sammelten sich etwa 150 Mann zur .Mor gensprache". Dort gewährte eS einen eigentbümltchen Anblick, daß während dl« feiernden Arbeiter beim Schoppen Bier saßen, üb« ihren Köpfen die Maler im Schweiße des Angesichte- die Außen seite de- großen Tanzsaale« «nstrichrn. Die Feiernden sahen ohne Groll der Arbeit u» In Mariendorf ist «m Arbeiter verhaftet wachen, wen ocrlelbe zn ein« in der CbaiGeestraße wohnhaften LrhrerSwlttwe. welch« stet- sehr anständig gekleidet geht, am Vor abend de» 1. Mai die Drohimg geäußert hat. daß man ihr den „Staat" am 1. Mai schon versalzen werde. Geängstet, wie sie war. äußerte jene LehrerSwittwe kurz danach zu der Arbetterirau: .Wenn ich Ihnen mit einem von meinen Kleidern dienen kann, gebe ich gern ein solche» ab." Sie erhielt aber zur Antwort: .Mein Mann verdien», was ick brauche: wir Ariden uns nicht a»f Kosten der Allgemeinheit. Ihnen wird das schon besorgt werden." Als Kurio sum sei erwähnt, daß der jüdische Rechtsanwalt Abraham in Rix- dorf seinen 5 Leuten frctgegcben batte l Ausgezeichnet. — An ein zelne» Häusern wurden röche Fahnen auigehißt. an einer Stelle wgar au> den Telephondrähte», doch wurde» dieselben alsbald von der Fcuerwelir entfernt. — Dem bvykottlrten Dorfe Blumberg war beböldticherscitS Militär zum Schutze für den 1. Mai und die sol- genden Tage angcboten worden. Die Blumberger lehnten densel ben unter Hlmvciü daraus, daß ihr Knegerveretn unter Waffen stehen wird, dankend ab. Der Präsident der Reichsbank. v. Dcchend. ist am Mittwoch im Alter von 7<» Jabre» verstorben, nachdem er schon 1886 das fünfzigjährige Dienstjubiläum gefeiert halte. Dcchend stand seit 1865 an der Spitze der preußische» Bank und seit der Begründung der Reichsbank im Jahre 1876 an der Spitze der letzteren. Noch tn der letzten ReichstagSicision vertrat er mit Eriolg die ReaterungS- vorlage für oic Verlängerung des Privilegiums der Neichtzbank. Dcchend bemühte sich stets, die Bank unbeeinflußt von der Tages politik lediglich den geschäftlichen Interessen dienstbar zu erhalten. In der Hauptiachc ist ihm die» auch gelungen. Decheno war keine aeniale PecsonUchlctt, aber ein nüchterner, ehrlicher Geschäftsmann. Mit der V»nk war er durch seine laugiählige Thätigkeit innig ver wachse». Bis in die letzten Monate hinein war er stets von Ge danken und Plänen eriüllt, daS Institut zn vervollkommnen und den Geschäftsbetrieb zu erweitern. Eine ausgedehnte Personal- und Lvkalkenntniß am den verschiedenen Plätzen kam ihm dabei zu Statten. Besonders thätig war er für Einführung der Goldwäh rung und Ausbildung de» Giroverkehres. Die Darinoperatton, der sich Herr v. Dcchend unterziehen mußte, wcn glücklich verlaufen: indessen »raten später Komplikationen ein. denen die durch die Krank heit geschwächten Kralle des hochbetagten Mannes nicht mehr zu widerstehe» veruiockiteii. — Dcchend war am 2. April 1814 z» Mmien- wcrdec geboren Bon der Regierung in Arnsberg wurde er 1818 zur Leitung der damals gegründeten Darlehnskasse berufen. Aus der Stellung eines Vortragenden RatheS im Handelsministerium criolgte 1851 seine Ernennung Z»m Mitglied des Haiii'ihanldiiekto- rinms. deren Präsident er am 5. Dezember 1865 wurde. Dcchend hinterläßt eine Witlwe. welche ihm 7 Sohne und 7 Töchter geschenkt hat Eine Tochter ertrank aui der Hochzeitsreise >m Vierwald- slädlerice als Gattin des Prof. Wichclhaus. Dcchend gehörte von l867 bis 1869 dem Abgeordnetenhaus« an als sreikvnservalivcr Ver treter kür Schsciden-Malmedy. Dem Bundesrath ging daS Militärgesetz zu. Es führt den Titel: Gesetz betreffend die FnedenSpräienzstärkc des dentichen Heeres, und toll eine Vermehrung der Prüfenzttürke für die nächsten 4 Jahre, von Jahr zu Jahr steigend, enthalten. Die deutsche Flotte und sänimtliche Dampfer des Majors Wißmnnn segelten, wie genieldet, aus Sansibar ab, um Kilwa zu bomdaldiren und dadurch den Ende dieser Woche stattsindcn- drn Angriff zn Lande, den Major Wißmann mit 1200 sudanesischen Truppen macht, zn untcrslützcn. In Kilwa. einem der Hanplans- gangSpnnktc deS Sklavenhandels ans dem Innern, hatte bekannt lich der Kampf der Aittsländischen gegen die Dentichen die blutigste Form angenommen, indem die beiden StativirSbeainten der deutich- ostairikaiwche» GeseUichasl, Hessel und Krüger, ermvidct und ihn Häupter ans Stangen öffentlich ausgestellt wurden, wo sie noch vor ganz Kurzem zn sehen waren. Möglicherweise wirkt die all. gemeine Empfindung des AraberthnmS in Ostafrika, daß gegen dir deutichc Macht mit Gewalt niclu aiiziikümpten sei, auch dorthin und die Besetzung von Kilwa uno Lindi winde dann sich ohne dir desürchteten ichwcrcn Kämpie vollziehen. Vor ciniacr Zeit wurde schon berichtet, daß auch die Häuptlinge in icnen südlichen Küsteu- distlikten versucht hätten, in Unterhandlungen mit den Deutsche» zu treten, wie cs im Norden bereits Bana Heri mit Erfolg gethan hat Der Reichstagsabgccndnele Frhr. v. Münch hatte gegen seinen Collcgen Frhm. v. Giittlingen, sowie gegen einige andere Herren, die sich den: demokratischen Baron mißliebig machten, wegen des vermeintlich gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Wahlbcstechung Klage angestrengt, ist aber mit seinem Klageantrag von der Staatsanivailichall abgewieien worden, da demselben jede juristische Grundlage fehle. Bei der Torpedoboot-Schießübung mit Revolveikcmoncn bei Kiel ist ein Steinfischer erschossen worden. Jener Grcnzvorfall, welcher sich am Ostermontag in der Nähe von Markirch auf französischem Gebiete avspiclle und mit der Ver haltung zweier Einwohner aus Markirch durch französische Gen darmen endete, hat seinen Abschluß vor dem Tribunal in St. Diö gefunden. Das Gericht nahm aus Grund der Aussage der Gendarmen an, daß die beiden Markircher Bürger „vivo In UinsLo!" gernien haben und diese erhielten dafür vier Monate Geiängniß zueckaiüit. Nach diesseitigen Informationen wird anzunehmcn sein, daß diese Nute wirklich gefallen sind. Tics erscheint auch kinigcrmaßen erklärlich. Denn man hört vielfach, daß die dies seitigen Grenzbewohner über das wiederholt hervortrctende schroffe Verhallen der iranzösischen Grcnzbeamten einigermaßen erbittert sind. In Lagos zAirika) ist der Forschmigsressende Hanvtmaiin Jenner am Fieber gestorben, welcher 1887 im Spatherbsle vom Auswärtige» Amte zur Erforschung von Kamerun ausgcsandt worden war. Oesterreich. In Lundenburg entstand in Folge der Forde rung der Arbeiter einer Raffinerie um Lohnerhöhung ei» Exzeß, als dieie Lohnerhöhung nicht gewahrt wurde. Die Arbeiter rotteten sich zusammen und wollten die Raffinerie stürmen, woran sic von der Gendarmerie gehindert wurden. Dragoner zerstreuten die Menge, wobei einige leichte Verletzungen stattsanden. Eine Verhaftung wurde voracnoimnen. Tie Regierung plant die Errichtung eines StaatsratheS für Oesterreich zur gründlichen Vorbcratvung der im Parlament emzw bringenden Gesetze nach deutschem Muster. I» Krakau brach in der Franz Josef-Kaserne am 1. Mai 2 Uhr Nachmittags ein Brand auS, welcher nach zweistündiger Arbeit ge löscht wurde. Feiernde Arbeiter aus Biala zogen Dienstag haufenweise nach Saybuich und ermunterten die dortigen Arbeiter »um Ausstcmdc. ES gelang ihnen auch, die Arbeiter der Tuchfabrik Braeck znm AuSstande zu bewegen. Die Ausständigen verlangen M Pcoz. Lohnerhöhung und nehmen eine drohende Hallung an. In Zadzicle nächst Sayhzttch wurde Montag Abends ei» Schnapsladeu ver wüstet. In Biala selbst wurden weitere 300 Arbeiter ausständig, Ruhestörungen haben bis jetzt nicht mehr stattgesunden. Tic gerichtliche Verhandlung über die Ausschreitungen in den Vororten Ottakring und Ncnlerchcnscld bei Wim hat bereits statt- gctundcn. Tie Anklagen lauteten aus öffentliche Gewaltthätigkcit, Diebstahl und Ticbsiahltheilnchmung während einer dem Bestoh lenen zugcstoßcnen Vcdrängniß. Die Strafen bewegen sich zwischen 14 Tagen und 3 Jahren estnachcn KcrkcrS. Im Laufe der Ver handlung wurde Folgendes scstgestelll: Ter Branntwcinschänkcr Adolph Engel erzählt, ivie er bei dem Herannaben des Naubzugcs die Rolldalken seines große» Lokales geschlossen habe, diese aber mit Stangen, Hacken und anderen Instrumenten vollständig zer stört worben seien. Er batte nicht Zeit gehabt, den Gasometer abzusperren, und sich in die oberen Wohnräume entfernt, weil er fürchten mußte, von dem beginnenden Steinhagel erschloaeu zu werden. Seine Frau wollte nicht von der Stelle, um nicht ihre Maaren prciszugcben, er zog sie jedoch wider »hrcn Willen fort. Daß die Gasflammen brannten, hatte den Nachtheil, den Plün derern ihr Werk zu erleichtern. Er hoffte jedoch, daß eS auch den Bortheil baden würde, dem Militär und der Wache die Tbätcr zu zeigen. Darin irrte er sich indcß, denn undertdalb Stunden lang hausten hier die Verbrecher, ohne daß Hilfe erschien. Seine Frau begab sich zum Polizei-Kommissariat Ottakring und bat kniefällig um Rettung. Man antwortete ihr: »Geben Sie nur nach Hause, liebe Frau, eS wird bald Hilfe kommen." ES kam aber Niemand. In Wien ist In keinem Stadttheile am 1. Mai eine Störung eingetreten. Vormittags fanden über M Arbeiterversammlunaen patt: all« dotirten den achtstündigen Arbeit-täg und sprachen sich mr die Fernhaltuna störender Elemente aus. Gegen 1 Uhr begann der Zug de- MemchenskomeS nach dem Prater und gegen 5 Ubr waren an 40.0tt0 Personen dort zusammengeströmt. In den zum Prater führenden Straßen waren Liele Läden und insbesondere die Branntwetnschänkrn geschlossen. Die übliche Pratrttalirt entbehrte »um Theil des gewohnten Glanze-: vom Hofe nahmen an derselben die Erzherzöge Otto uno Ludwig Victor Theil. Die Jlnanzwelt fehlte gänzlich mit ihren sonst aufaeputzten Damen. Der Rennplatz tn d« Freudenau war nur schwach besucht; unter den Anwesenden befand sich d«r Erzherzog Wilhelm und der Minister de- Au-wär-