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— Nr. sr. - 1««8. — Diese verbreitetste »»parteiische Zeitung erscheint Wochentags Abends (mit Datum des nächste» Tages) und lostet mit den siins wöchentliche» BcN tattern: Kleine Botschaft, Sächsischer Erzähle», Gerichts-Zeitung, Sächsisches Allerlei, Jllnstrirtes Unter, haltnngsblatt, Ge! den Postanstalte» und bei de» Ansgabestellen monatlich 40 Psciuiig». Postliste: I.NachiragNr. 2877. Lelkgramm - Adresse: Gelieralmizeilier. Fernsprechstklle Nr. IW. General- Srettag, den 28. April. ergev für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer LandeS-Anreiger). — Gegründet ««7» als „Anzeiger" e«. Berlag nnd Rotatio»-«naschin«n-Drn« Von Alexander Wied« in Chemnitz, Theaterstratz« Nr. 8. Anzeigenpreis: «^spalten» CorpnSzeilesea.S Silbanfaffend), oder deren Raum 20PfA (Preis verzeichnisse L Zeile N Psg.) — Bevorzugte Stelle (6 gespalten» Petit-Zeile circa ll Ailbe» fassend) 40 Psg. — Anzeiger können nur bis Bormittag io Uh» angenommen werden, da Druck uns Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern. Geschäftliche Anzeiger-Inserats find«» für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch di« täglich erscheinende Chemnitz«» Eisenbahn-Zeitung. Amtliche Anzeigen. Versteigert»«-. Morgen Freitag von Vormittagö V Uhr ab sollen im Ver- fieigernngsranme des hiesigen JustizgebändeS folgende Pfandstücke, als: Möbel, Spiegel, Bilder. Wider, Regnlciteure, Geldschräu'e. Pianinos, 2 Musikwerke, 1 Ziehharmonik', Ladentische, -Regale, Waareuschränke, 2 Nasirstühle, Nähmaschinen, Oelapparate, Brücken- und Tafelwaagen, Kopirpressen, ca.40,000 Stück Zigarren, Seife, Scifcnpnlver, Mehl, ti Tonneil, Heringe und eingelegte Gurken, Roth- und Weißwein, 1 Teigthcilmaschine, 1 Prägewalze, 2 neue Zweiräder, 0 Bände MeherS Lexikon, 1 Revolver, Maschinenöl, 4> Karton Briefpapier, 5 Karton Ansichtskarten, 1 Pferd, l Droschke und Bersch, mehr, gegen sofortige Bezahlung versteigert werden. Deutscher Reichstag. 72. Sitzung vom 26 April 1899, 1 Uhr. ' Am Tische des Bundcsraths: Niemand. Das HanS i I äußerst schwach besetzt. Aus der Tagesordnung steht ei» Antrag Nr. Liebes (Zentr.) ,l»d Nr. Hitze (Zentr.) auf Errichtung vo» Arbeitskammern in Verbindung mit einem Antrag Nr. Pachtticke (freist Vereinig.) und Rorsicke (wildlib.) wegen Errichtung eines Ncichsarbeitsamtes. Der erste Antrag lautet: Ter Reichstag wolle beschließen, die verbündete» Negierungen zu ersuchen, thunlichst bald der» Reichstage einen Ge setzentwurf zum Zwecke der Errichtung von Arbeitskammern vorzu- lcgcn, um so den Arbeitern de» freien und friedlichen Ausdruck ihrer Wünsche und Beschwerden zu ermöglichen und den Siaatsbehörden Gelegenheit z» gebe», sich über die Verhältnisse der Arbeiter fort- lausend zu nuiet^chlcn und mit den letzteren Fühlung zu behalten. (Kaiser! Februar-Erlasse vom 4. Fbruar 1890.) Dazu liegt von nationalliberaler Seite ein Zusatzautrag Hehl vor, der die Arbeiter durch Vertreter, die ihr Vertrauen besitzen, a» der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten betheiligen will. Zu diesem Zwecke sollen für die Industrie besondere Abteilungen der Gewerbegerichte gebildet werden, denen obliegen soll: n. zur Unter stützung der Arbeiter i» Fällen der Arbeitslosigkeit Kassen cinzurichte», k. Gutachten zur Förderung der gewerblichen Interessen an Staats: und Gemeindebehörden, und c. Wünsche und Anträge, welche die ge snndheillichen Verhältnisse der Arbeiter n»d die Fürsorge für Arbeiter- Wohnungen betreffen, zn berathen und de» Behörden vorznlege». Außerdem sollen die Funktionen dieser Abteilungen der Gewerbe geeichte als Einigungsamt dahin erweitert werden, daß ein gesetzlicher VcrhandlungSzwang eingeführt wird. Ein zweiter Zusatzantrag Ur. Pachtticke Roesicke verlangt die Rechtsfähigkeit für die zur Wahniehmnng von Bcrussintercssen ge gründeten Vereine, sowie die Außerkraftsetzung der Bestimmungen, die es solchen Vereinen verbieten, mit einander in Verbindung zu treten. Der Hauptantrag Ni. Pachnicke-Rvefick« verlangt die Er- richlmig eines Reichs-Arbcilsamles, dem die Untersuchung und Fest stellung der Arbeitervcrhältnisse im deutschen N«che unter Hinzu ziehung von Vertretern der Arleitgeber und Arbeitnehmer obliegt. Abg. vi. Hitze (Zcntr.) erinnert au die kaiserlichen Februar- Erlasse, deren Erfüllung sein Antrag bezwecke. In erster Linie seien Arbeitskammern nichl zu verwechseln mit Arbenerkammer», eine ge eignete Einrichtung, um Arbeiter und Arbeitgeber zu gemeinsamen friedlichen Verhandlungen zu bestimme». Beide hätten doch solidarische Interesse». Die Arbeiter müßten bei dieser gemeinsamen Organisation erkenne», daß bei den Arbeitgebern nicht immer blos böser Wille vorhanden sei. Er und seine Frciinde hielten die Forderung rechts, fähiger Berufsvsreinc der Arbeiter »ach wie vor ausrecht. Aber gleichviel, ob diese Forderung erfüllt werde oder nicht, jedenfalls be dürfe es auch der für die Arbeitgeber und Arbeiter gemeinsamen Arbeitskammern. Komme der Arbeitgeber den Arbeitern mit Ver trauen entgegen, dann werde das Vertrauen auch von der Gegenseite nicht fehlen und es werde den Arbeiter» Gemeinsamkeit der Bcruss- interesscn zum Bewußtsein gebracht werden im Gegensatz zu den Klasseniutcresse». Der Redner empsichlt sodann eine Gliederung in lokale Arbeitskammern nnd Bezirk carbeitSkanuuern. Unsere ganze bisherige soziale Gesetzgebung sei geschaffen werden ohne jede Fühlung mit den Arbeiter». Abg. Pachuicke (srcis. Vrg.) will in dcm Reicharbcitsamt eine Bcvbachtungsst.lle für Arbeit errichtet wisse». Ein sozialer Fortschritt setze zunächst eine gute Statistik der 'Arbeit voraus. Habe man doch bisher »och nicht einmal eine über chlliche Darstellung der Aussländc gehabt; erst durch ei» Arbeitsamt werde man auch über die Bestraf ungen infolge vo» Ausschreitunge» einen Ueberblick gewinnen nnd sehe», wie auch ohne Zuchthnnsgesetz solche Ausschreitungen eine aus giebige'Sühne -rfahr » könnet - - Abg. Frhr. V. TttttttM (Reichsp.) bedauert, de» beiden Vor rednern die Illusion nehmen zu müsse», als ob das ganze HanS mit ihnen einverstanden sei. Diese Anträge bedeute»!«» eine» Triumph für die Sozialdemokratie, größer als die zwei Millionen Stimmen, welche diese Partei bei den letzten Wahlen erzielt.habe, den» große Parteien im Hause hätten sich mit ihre» Forderungen denen der Sozialdemo kratie genähert. Er selbst würde bereit sei», wen» sich eine Majorität hier im Hanse dafür finde und auch die Regierung dem znstimme, Bcrnfsgenossenschafte» zu acceptire», etwa auf der Grundlage der Knappschastsvereine, und ihnen alsdann auch erweiterte Befugnisse z»zn estehen, aber es müßte dann auch gleich die von ihm stet» ge forderte Wittwcn- »nd Waisenv.rsicherung damit verbunden werden. Wen» man bestreite, daß die Februar-Erlasse bereits völlig durchge- sührt seien, so verweise er auf die Arbeiteransschüsse, die ja aller dings nicht obligatorisch, sondern nur fakultativ seien. Er selbst komme mit seinem Arbeiterausschuß sehr gut aus. Er möchte auch wohl wissen, woher man das Personal zu den Hitze'schen ArbcitS- kammern nehme» wollte? Auch die Arbeiter hätte» genug mit sich selbst zu lhuu. Selbst für Arbei'terciusschüsse zeige sich Interesse meist „ur da, wo sozialistische oder anarchistische Bestrebungen be ständen und Agitatoren thätig seien. Eine ganze Anzahl Aufgaben, die Abgeordneter Hitze ii» Auge habe, würden g.löst werden können, wenn man sich einfach auf den Boden der Knappschastsvereine stelle. Dem sozialistischen Standpunkt nähere sich aber am meisten der An trag Heyl, denn gerade die Gewerbcgerichle seien ja schon jetzt von den Sozialdemokraten usnrpirt. Es gebe nichts, was der Sozial- demokra ie förderlicher sein könne, als bas Gewerbcgericht als Einignngsamt mit ZwangSbesngnisse», wie Herr Heizt es vorschlägt. In großen Stabten zumal würben die Arbciterbeisitzer stets nicht» Anderes sein, als Delegrrke der Sozialdemokratie, und der freie Arbeiter werde sehr bald fühlen, daß seine Interessen von de» Delegictcn entweder gar nicht oder nur wenig vertrete» werden, wodurch er dann cbensalls zum Anschluß an die Sozial demokratie sich genöthigt sehe. Der Redner erhebt schließlich auch Einwendungen gegen den Antrag Pachnicke. Im Neichsamt de» Innern des ehe ja schon eine arbeilsstatistische Abthcilmig, die mit der Reichskv»»nissiv» sür Arbeiterstatistik zusammen arbeite. Abg. Frhr. Hetzt V. Herrnsheim (nat.-lib.) befürwortet seine Anträge. Es sei unwahr, daß sie geeignet seien, einen Riß in die sozialen Anschauungen der staalserhattcndcn Parteien zu trage». Sie enthielt.n im Gcgcntheil ein konservatives Element. Das bestehende Prinzip sei bereils durchlöchert, indem die Bergarbeiter den Gewerbe- Ein Niithfel de, Geschichte. Zur lOOjährigc» Erinnerung an de» Nastatter Gesandtciimord, 26. April 1799. Von l)r. Hans Hasselknmp. (Nachdruck verboten.) Am 1. März des Jahres 1799 ging cs ans dem markgräfliche» Schlosse zn Rastatt gar fröhlich zu. Graf Metternich, der kaiserliche bevollmächtigte österreichische Gesandte am Kongresse, gab heute eine Festivität. Ta drehten sich die Paare zierlich im Tanz, nnd zur Unterhaltung wollten einige Mitglieder der Gesellschaft das Sprich wort: ,.Hochmuth kommt vor den Fall" in Szene setzen. Mitten in dies vergnügte Treiben hi»: in fiel wie eine Bombe eine unerwartete Nachricht. Es wurde gemeldet, daß die Franzosen unter General Jvurdan am selbigen Tage, 30,060 Mann stark, über de» Rhein gesetzt hätten. Das war der Krieg, der Krieg ohne vorherige Kriegs erklärung, — und das, während »ran hier i» Rastatt mit aller diplomatischen Feierlichkeit über die Friede»sbeding»»gen verhandelte. Gedrückt »nd beunruhigt stob die Gesellschaft im »larkgräfüchen Schlosse aiiScin »der; es war vorbei mit Tanz und Provcrbe, nnd — das fühtlen Alle — vorbei auch mit dem Kongresse selbst. Und das war schade. Nicht als ob ans dem Rastatler Kongresse das Fricdenswcrk, das seine eigentliche Aufgabe bildete, wesentlich ge fordert, das arme, zertretene, zuckcnde Reich gerettet und beruhigt worden wäre. Nein, cs war "nur ein jahrelanges Schachern nnd Julrignircn Aller gegen Alle. Aber die Diplomaten jener Tage fühlten sich gerade bei diesem Kleinkram ver Politik besonders wohl; und dann: welch' ein lustiges Leben führte man i» dieser heiteren Kongreßstadl! Eine Unterhaltung drängte die andere; jetzt traf man sich und plauderte in dcm in reichstem Lichterzlaiize verführerisch strahlende», dem Schlosse gegenüber etablirten Cafö du Congres, wo man auch sei» kleines Jeu machen konnte; jetzt besuchte man das Konzen eines durchreisenden Virtuose» im Theater oder ei» Kabtnet mit Wachsfiguren, dessen Besitzer mit Recht auf die Neugier all' der Hunderte gerechnet hatte, die zu den zahlreichen Lcgationen gehörte»; und daun schließlich, nnd keineswegs zuletzt, gab es ja noch das , französische Theater dcs Bürgers Domöry aus Straßbnrg, wo die hübsche Bürgerin Hyacintle die große Anziehung bildete. Und Ge sellschaften, Bälle, Soupers jagten einander; der Graf Cobenzl, d r sich der erwähnte» Bürgerin Hyacinthe angenommen hatte, ver anstaltete intime Künstlerabcnde von besonderem Reize und endlich die g- tcn 'Nastatter selbst, deren Tasche» sich bei diesem Kongreß sichtlich füllten, bildete» zu diese», vergnügten Leben die berguügte Folie und rannte» sich Unglaubliches über die Herren Gesandten in die Lhren: daß sie sich in Milch und rothem Weine badeten, daß sic in, Sommer Salz auf die Straßen gestreut, um daraus statt dcs Schnees eine Schlittenfahrt zn unternehmen, und was dergleichen Gcrüchte mehr waren. Sow.it war Alles in Rastatt schön und gut. Wenn es da nur nicht einen dunklen Punkt gegeben hätte: die französischen Gesandten. Der Ucbermuth, die Frechheit, die Verächtlichkeit, mit der diese Herren anstraten, mußte selbst dem friedfertigste» Diplomaten die Galle er rege». Flegelei gehörte ja freilich zur guten republikanische» Sitte, und Bonaparte selbst hatte i» Udine bej de» Friedens, «Handlungen in einem Wuthanfall kostbare Porzellane zur Erde gworfe», hatte in Rastatt vo» de» kaiserliche» Gesandte» als Gimpeln geredet. Was aber schon bei dem Meister im höchsten Maße ärgerlich war, — bei de» Schüler» war es unerträglich. Halte di: französische Legalioii sich doch zuerst lange geweigert, öei de» kaiserlichen Bevollmächtigten Besuch abznstatle», nnd war dann auf dies Verfangen nur eiuge- gange», um durch ungehörige Kleidung ihre Mißachtung deutlich z» zeigen. Es war, als ob diese sranzösische» Minister einander an Dreistigkeit zu übertreffen suchte». Da war Bvnmer, ein Man» von guter Herkunft »nd besserer Bildung, der aber »ur ui» so eifriger war, den republikanischen Flegel heranszukehre», und der seine An maßung den Vertretern des Reiches gegenüber so weit trieb, daß selbst der geschmeidige und äußerst höfliche Albini ihm ei»es Tages bemerken mußte, die Rcichsdepntativn sei immerhin ein vertrag schließender Theil nnd verdiene als solcher mit einiger Rücksicht be handelt zu werde». Da war ser er Jean Dcbrh, ei» Komödiant und Prahlhans, der cbensv wie Bonnier jede Gelegenheit benutzte, Deutschland »nd alles Deutsche zn beschimpfen. Ihr Kollege Nobcrjot war persönlich ei» angenehm« Mann, stimmte aber öffentlich in ihren Ton ein; und so weit triebcn cs die übermüthigen Franzosen, daß sie im Herbst 1798, als die Kvnigin-Wiltw: von Preußen einer Vorstellung im Nastatter Theater beiwohnte, sich nicht mit dem übrige» Publik,»» der hohen Frau zu Ehre» von ihren Sitzen er hoben, sondern ihr während der ganze» Vorstellung ostentativ den Nückcn kehrte». Und dabei war Preußen ein der französische» Republik befreundeter Staat. Die Dreistigkeit der Franzosen »ahm eher noch zn, seitdem der Krieg, wie eben bemerkt, wieder ausgcbrochen war. Sie glaubte» sich schon ganz als Herren girieren zu dürfen. Aber diesmal kam es anders: Erzherzog Karl siegte und Jourdan mußte zurück. Den französischen Herren zn Rastatt ward übel nnd unruhig zu Mnthe. Scho» waren die kaiserliche» Gesandten, die Grafe» Metternich nnd Lehrbach, abgcreist, schon war der Kongreß thalsächlich aufgelöst und Rastatts Neutralität aufgehoben. Und die Situation n urde mit jedem Tage bedenllicher. Ocsterrcichische Husaren bennrnhigten die Um gebung der Stadt, finge» die Posten ans, drangen schließlich i» die Stadt selbst ein und besetzten sie. Wohl stand den sraiizöstsche» Ministern Unvcrletzlichlcil der Gesandten zur Seite, aber sie suhlte» doch: cs war hohe Zeit/sich zu salvircn. Am Morgen des 28. April waren ihre Wage» gepackt und fertig. Aber cs dauerte bis zu», Abend, ehe sie fortkome». Erst wollte man' sie irrlhümlich nicht zum Thore hinanSlasseDann gab cs lange Verhandlungen über eine Eskorte; die Franzosen verlangten, der österreichische Rittmeister verweigerte sie. So war es bereits über 9 Uhr geworden, als dcr Wagenzug endlich ans dem Thore hinansrollle. Es waren i>» Ganzen 8 Kutschen; in dcr ersten saß Debrh mit Frau nnd Töchterchen, in der dritte» Bonnier, i» der sünftc» Noberjot mit seiner Frau, in den anderen das übrige Äesandtschastspersonal. Sv ging cs in die Nacht hinaus und hinter den Wagen schloß sich das Stadlthvr. Es war eine fürchterliche Nacht, der Wind heulte, es re.,wie lind schneite, es schloßte und hagelte durcheinander. Die Fackel» der Begleiter waren schon nach wenige» Schritte» erloschen. Im Dunkel nnd Unwetter fahren die Wage» durch die Vorstadt dcr Rheingauer Allee zn. Da lauchtcn hinter de» Bäumen dnnlle Gestalte» auf. Ma» hört den Anruf: „Heraus!" in gebrochene» Laute», in nngarischem Tonfall. Debrn denkt, cs gelte seinem Passe, nnd steckt ihn zum Fenster heraus. Aber schon ist das Papier zerrissen, der Wagcnschlag geöffnet, ein paar schnelle Fragen nach seinem Namen — na h »icigichcn Berichten in französischer S;rache — werden an Debrh gerichtet, und Plötzlich fühlt er Säbelhiebe auf Arm und Stacken, denen zahlreiche andere folgen, bis er halb bewußtlos, halb sich bewußtlos stellend in den Straßengraben rollt. Szekler Husaren*) waren die Angreifer. Jetzt sind sie beim dritten Wagen, nnd als sie sestgestcltt habe», daß Bonnier sein Insasse ist, wird der jammernde nnd um Schonung flehende Franzose iii'cdergehanen. Die Wage» werden geplündert, Geld nnd Kostbarkeiten genommen, die Papiere achtlos ans dcm Boden und in den Wagen rerstreut. In zwischen waren die übrigen Mitglieder der Legativn entkomme», „nd auch Nobcrjot glaubte die Gefahr vorüber. Aber kan», war er mit sciner Iran wieder an seiner Kutsche angelangt, als man über ihn herfiel und >h» vor de» Augen seiner entsetzten Frau ermordete. Die That war geschehen. Leichen und Wagen standen eine kurze Zeit in Nacht und Sturm allein; dann erschien ei» ne»« Zug Szellcr Husaren nnd führte die Kutschen hinweg. Dcbry halte sich inzwisch.n erholt nnd war aus Umwegen in die Stadt hinein geflüchtet. Hier ries der Vorfall eine ungehcnre Aufregung hervor, und in der ganzen europäischen Wclt wiederholte sich diese Stimmung. Der österreichische Generalissimus, Erzherzog Karl, erklärte öffentlich seine Entrüstung über Len Vorfall und besaht die strengste Untersuchung. In Mainz tcaf die Nachricht während dcr Theatervorstellmig ein, nnd ein wilder Ruf: „Vc-uz-o-uwo, voilz-oniioo, niort nux eHIoinuncl-,!" war die Antwort. I» Deutschland beschäftigte sich die öffentliche Meinung in großer Erregung lange Zeit fast ausschließlich mit dieser Thal; aber »eben der tiefsten Entrüstung machte sich doch auch da» Gefühl geltend, daß den dreisten Fronte», die sich öffentlich de» Königsmordes rühmten, nur Recht ge chehcn s.i. Fichte fand den Gesandtenmvrd gräßlich, aber ec berichtete, dag ma» in Jena sich darüber freue nnd daß Schiller »nd Goethe ausriefcn: „Sv isl's recht, diese Hunde muß man tvdtschlagen!" Am größten »nd am berechtigst n war ttotüclich die Empörung jenseits des Rheins, nnd ma» müßte r,i» menschlich einen volle» Antheil a» ihr nchnicn, hätten die Franzosen nicht durch mnvürdige Komödien dafür gesorgt, ihre Gefühle in öder Th.cilralik aiiszudrücken. Bezeichnend, d.,ß di« nnglüctliche und gebrochene Witlwc R'vbcrjvt von den Traner- demvnstrativuen nichts wisse» wollte, la, aber der Maulheld Tcbrh die Sache nach Kräfte» ansuntzte und einen FalstafsiBericht »ach dcm anderen lieferte. Im R'alhe dcr Fünsh»t,d«t wurec» auf Bonnicrs nnd Rvberjvts Stühle Nachbildungen ihrer Kleider gelegt n»d beim Ausrufe ihrer Namen hatte der Präsi c»t jedesmal zu sagen: „Ermordet ans dcm Kongresse zn Rastatt!" Worauf die Sekretäre aufsprangen und riesen: „Sein Blut komme über da» Hans Oesterreich!" Am 8. Juni fand dann zu Paris eine eigene Trailers«« ans dcm Marsfclde statt, das zu di jem Zwecke durch cingejenlle Bäume als „Elysium" hergcrichtet war; es gab da auch einen Altar dcs Vaterlandes mit Inschriften und Flüche» gegen Oesterreich, antik gekleidete Jünglinge, eine» großen Atffzng, pomphaft: Rede» nnd eine neugierige, i»i Ganzen eher lustige Menge. Auh in anderen französischen Städten wurden Todtenfeicrn dieses Stile» abgehaltcn. * » » *) Die Szekler sind ei» besonderer »ngarischer Bolksstamm im östliche« Theile Siebenbürgens, wahrscheinlich ei» Rest dcr ersten Hil»»ciiei»ma,Mennig-