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Nr. 97. — LSSS. — Beilage )«m Chemnitzer General anzeiger. N..».«,»... Flüchtiges Glück. Roma» von Clarissa Lohde. (39. Fortsetzung ) (Nachdruck verböte».) Katharina drückt« ihren Kopf an Justus' Brust und gestand, Was sie nach Traunkirchen getrieben. Fast unsanft schob er sie von sich fort. „Abergläubisch? Nein, damit laß' mich ungeschoren. Meine Krau auf einem Bittgang zum Kalvarienberg? Es ist wahrhaftig zum Lachen." Jetzt fühlte sie sich wirklich tief verletzt. „Du kanntest meinen Glauben, als Du mir Deine Hand reichtest — versprachst, ihn zu ehren." „Ich hoffte jedoch, Du würdest in meiner Gesellschaft zu reiferen Ansichten gelangen. Aber ich habe schon lange erkannt: Du bist Nicht bildungsfähig." Daniit erhob er sich und verließ sie schroff. Wie ein Mehlthau waren seine Worte auf ihr Gemüth gefallen. Jetzt empfand sie es, daß eine Kluft zwischen ihnen lag. daß die Grundlage ihrer Anschauungen zu verschieden war, um einen Ein« klang der Seelen möglich zu machen. Ja, der Liebesrausch war verflogen. Justus begann etwas wie Langeweile im Alleinsein mit seiner jungen Fra» zu empfinden, da die Zeit der Tändeleien vorüber und er seelische Anknüpfungspunkte weder sucht« noch fand. Unwillkürlich flogen sein- Gedanken zu Anita von Atting zurück. Er malte sich aus, wie st« mit ihrem pikanten Geist, ihrer reichen Phantasie ihm den Aufenthalt hier zu verschönen gesucht haben würde. Katharina forderte von ihm Unter haltung, — wieviel angenehme^ wäre eS, sich unterhalten zu lassen l Mit aller Kraft drängte Katharina die traurige Stimmung zu rück, die über sie gekommen. Aber sie kounte dennoch nicht ver hindern. daß sie von ihrer früheren Heiterkeit verlor und zuweilen recht blaß aussah. „Um Himmels willen, Kind," schalt er sie eines Morgens, als rothe Ränder um ihre Augen sichtbar waren, „was soll das heißen? Nichts Widerwärtigeres, als ein thränenreiches Weib. Nimm Dich zusammen. Ich sehe, Du hast Dich schon zu sehr an die Ab wechselung des Berliner Lebens gewöhnt, die Stille hier bekommt weder Dir noch nur." Am anderen Tage befahl er, die Koffer zu packen, und Abends rahm er den Kourierzug nach Wien. Katharina war noch zu jung, um nicht im Wechsel der Bilder, die an ihr vorübcrzogen, zu vergesse», was sie bedrückte, um sich Nicht ganz dem Genuß der Reise hinzugeben. Und er liebte ja keine verweinten Augen. Sie wollte wieder fröhlich sein, wollte ihm gefalle». Justus halte nirgends viel Ruhe. Wien wurde nach wenigen Tagen schon wieder rerlaffen. Es ging über den Sömmering nach Triest, von dort nach Venedig. ' Katharina war entzückt, überwältigt von all' dem Neuen, Schönen, das sie sah. So gern hätte sie hier und da länger geweilt, aber immer nur hieß es: fort, fort. In Venedig war es sehr heiß Justus nahm Wohnung am Lido. Katharina mnßle sich einen reizende» Badeanzug kaufen und tann saßen sie stundenlang im Master, die kühle Meerfluth um sich spülen lassend. Aber auch das reizte Justus nicht lange. Weiter ging es nach den oberitalicnischen Seen, daun hinauf iu's Engadin. Hier wehte eine frische, tühle Gebirgslust. Außerdem traf JustuS in Poutresina Bekannte ans Berlin. Auch Konsul Brettuer von G'stad mit seiner Frau und ihrem unzertrennliche» Begleiter, dem Maler Fischer, halten dort für einige Wochen Wohnung genommen. Katharina fühlte sich tief bewegt, als sie diese Leute niedersah, die Zeugen ihres ersten Glückes gewesen. Zugleich ergriss sie die Sehnsucht nach Vater und Schwester mit innerer Allgewalt. Aber sie schämte sich fast, nach ihren Angehörigen zu fragen. Was sollte man davon denken, daß sie feit ihrer Verheirathung iveder Vater noch Schwester wiedcrgesehen hatte? Konsul Brettner aber kam ihr unaufgefordert entgegen. Er habe den Vorzug gehabt, mit ihrem Vater im Frühling öfter zn» samu e» zu sein. „Wir sind ja so nahe Nachbarn," sagte er. „G'stad und die Fraueninsel, das ist ja fast Ein-. Jetzt ist der Herr Professor mit Fräulein Tochter und dem interessanten Maler, dem Herrn Gunzbacher, auch in die Berge gegangen. Der Herr Professor fühlte sich ein wenig nervös — wer wäre das heute nicht? Bekommt ihm da- Wandern gut?" „Ich hoffe, ja," stotterte Krtharina. Sie hatte seit einigen Woche» schon keine Nachricht mehr von de» Ihren. Bei dem raschen Wechsel ihres Aufenthaltes waren offenbar Briefe verloren gegangen. JustuS machte den Hochlandssport mit. In elegantem Berg- kostüm mit Wadenstrümpfe» und Bergstock schloß er sich einigen be kannten Herren au und erstieg die Gipfel der Bcrgriesen, die unter ewigem Schnee stolz und majestätisch in die Wolken ragen. Auch für Katharina war ein kleidsames Lodenkostüm beschafft worden. Aber schon bei der ersten Partie auf einer der kleineren Touren zeigte es sich, daß ihr die körperlichen Kräfte dazu fehlten. So mußte sie denn davon ablassen. Nun aber blieb sie lange Tage allein und wieder kamen die Gedanken und legten sich wie dunkle Schatten über die Heiterkeit ihrer Seele. Frau Konsul Brettner »ahm sich der Einsamen an. Sie machte sie mit anderen Damen bekannt, meisten- auch Bremerinnen, die in kostbaren Toiletten exzellirten und in ihrem Reichthnm, ihrem Schmuck und ihren Millionen alle gewünschte Befriedigung fanden. Auch Frau Konsul Brettner war kinderlos, auch sie vermißte es sehr, dieses Segens entbehren zu müssen. Das vermittelte die Annäherung. „Sie sind noch so jung," tröstete sie Katharina ost, „Sie dürfen noch hoffen. Und daun, wenn man mit dem Manne nur stimmt, wie es bei Ihnen ja der Fall ist, läßt sich ja Alles überwinden Man sagt oft, das Verhältniß zwischen Mann und Iran gestalte sich um so inniger, wenn keine Kinder dazwischen stehen." Ja, wen» Mann und Frau mit einander stimmen, dachte Katharina. Aber stimmten sie denn mit einander? Selbst in ihren heiligsten Ueberzeugungen, ihrer Religion, standen sie sich fremd gegenüber, ja geradezu feindlich. Oft fühlte sie jetzt das Bedürfniß, in die Kirche zn gehen, die heilige Messe zu hören, aber sie wagt« das nur, wenn Jnstus nicht anwesend war. Seinen Spott über die ihr heiligen Uebunge» der Religion fürchtete sie mehr, als wenn er sie ernstlich darum gescholten hätte. Eine angenehme Zerstreuung war cS ihr, Abends i»> Hotels wenn sie mit Brettner's znsainmen speiste», sich vom Maler Fischer über ihren Vater, über Cilly und Hans Gunzbacher berichten zu lassen. Fischer erkannte das große Talent des jungen Künstler» neidlos an und wußte ihr von den vielt« Aufträgen zu berichte», die Gunzbacher nach dem großen Erfolge des „Pan" erhalten hatte. „Auf Jahre hinaus ist er mit Arbeit versehen," theilte er ihr mit. „Wie er mir erzählte, beabsichtigt er den Winter in Paris zuzubringen, ui» dort einige der bei ihm bestellten Bilder aus« zuführen und zugleich noch in den Ateliers der große» Meister z« studireu. Der Herr Professor schien übrigens nicht übel Lust zu habe», ihn auch dorthin, wie den letzten Winter nach Italien zu begleiten." „Mein Vater nach Paris?" wiederholte Katharina tcaurlg^ Sie empfand eS schnierzlich, daß er »och in weitere Fern« von ihr fortgehe» wolle, denn ihr war, als bedürfe sie jetzt, gerade seiner Liebe, seines Schutzes. „Sie sagen das so bekümmert, gnädigste Frau, als wäre Pari» au» der Welt," lächelte der Maler. „Ihnen und Ihrem Herrn Gemahl kostet es ja nnr einen Entschluß und Sie sind eben so leicht in Paris wie in München. Ach sie war ja aber noch nicht einmal nach München gekommen, und ihretwegen nach Paris zu reisen, um ihren Vater Wiedersehen zu können, das durste sie von Justus nicht hoffen.' Sobald alle geplanten nnd mögliche» Bergbesteigungen ausge« führt waren, erlosch auch Justus Interesse an dem Aufenthalte in Poutresina. „Es verlangt mich nach meinem alten Berlin," mit diese» Worten überraschte er eines Abends Katharina. „Morgen reisen wir."^ „Aber doch über München?" sagte sie sehr ernst. Diesmal war sie entschlossen, durchzusetzen, was sie für ihr Recht hielt. ) „Ich Hobe es Dir versprochen, nnd werde mein Wort halten," enlgegnete er nnmuthig. „Du hättest mich nicht daran zu mahne» brauchen. Ist Dein Vater jetzt in München?" Katharina konnte das bejahen. Sie hatte endlich einen Brief von Cilly erhalten, in dem ihr die Heimkehr der Ihren ans Parten« kircheu mitgetheili wurde. „Du wirst Manches verändert finden, Kathi," hatte die Schwester geschrieben, „wenn Du herkommst. Ein Jahr ist kamst verflossen, seit wir Dich zur Kirche geleiteten, aber unter Umständen ist auch ein Jahr eine recht lange Zeit. Unser guter Papa ist alt geworden» sein froher Humor hat ihn verlasse», obwohl ich und der treue Hau» Alles thnn, nm ihn zu erheitern. Das Wiedersehen mit Dir wird ihm aber hoffentlich seine frühere gute Laune wiedergebcn. Schreib« nur bald den Tag Deiner Ankunft. Ach, wie ich mich sehne, einmal wieder so recht traulich Aug' in Auge mit Dir zu plaudern. Soviel Hab' ich auf dem Herzen, soviel t" Wmktietzuug folgt.) «Humoristisches Allerlei. Mo ist der Kutscher? Ans der Schule. Lehrer: „Sage mir, wo sitzt das Herz?" Schüler (schweigt). Lehrer (auf die Brust deutend): „Fühlst Du denn hier keine Schläge?" Schüler: „Nein, da nicht, aber . . ." Moderne Erziehung. FräuleinJrma: „Siefahren jetzt nach Hause, Fräulein Else?" Pensionatsbackfisch: „Jh ich soll endlich meine Eltern kenne» lernen!" Wailu soll der Mensch Heimchen? Heirathet man im Frühling, Wird's ziemlich mißlich sein, Da wünscht die Frau natürlich , Die Reise an den Rhein, Wünscht, daß man täglich Blumen, Womöglich Rosen schenkt, Kurz, was man schwer ersparte, Ist futsch, bevor man'» denkt. Heirathet man im Sommer, Biel besser ist das nicht, Da will sie in das Seebad, Damit von ihr man spricht, Von ihren Toiletten, Vielleicht auch schon vom Flirt, Egal, was aus den Gatten Und seiner Kasse wird» Heirathet man im Herbste, Na, das ist gar verkehrt! Da will sie nach Italien, Ob man sich noch so wehrt, Da kriegt sie Nervenkrämps«, Und Reffen muß man stracks, Und die Finanzen haben Auf LebenSz-it 'neu Knax, Heirathet man im Winter, Ist man am schlimmsten dran. Führt man sie nicht zur Oper, Gleich ist man ein Tyrann, Dann RvulS, DinerS und Hülle, So lang' wie's geht, da gehst»— Kurz; wenn ich's überlege, Ein Reinfall ist es stets. Verschiedenes Grüße». Begegnen sich Bekannte und Verwandte, Sie grüßen sich, wie's Brauch in ihrem Lande. Der Sachse sagt: „Härr Jeses, schamster Diener!" „Ei grüß di Gottl" ruft laut der lnst'ge Wiener. In Pommern spricht man herzlich: „Gute« Tag l" Und sieht dem Weggcgang'ne» nickend nach. „Gelobt sei Jesus Christus!" ruft der Pole» Der Russe bückt sich grüßend bis zur Sohle. Der Frank« ruft den ganze» Tag: „von Mir I« Und naht der Abend, grüßt „öon soirl" er nur. Ein „Prosit Bruder!" ist Studcntengruß, Und bei dem Liebchen gilt als Gruß der Knß. In Schlesien hörst Du nach der zwölften Stunde .AuS eines jeden Unbekannten Munde — Ob weder Frühstück Dich noch Mittag laben — Den sonderbaren Gruß: „Gespeist zn haben!" Und die Berliner, leicht und ohne Sorgen, Die grüßen früh und Abends: „Ju'n Morgen!" Vicht immer möglich. Faß' die Gelegenheit^beipr. Schopf! So heißt es oft im Leben. Doch da» ist ja ^der-heikle Punkt — Me^hat ost'ne Glatze'cbeä.^ Nr. 17. Beiblatt zum „Chemnitzer General-Anzeiger" und zu», „Sächsische» Laudboteu". igg». MD Hüte Dich. « -Hüte Dich, ein Kinderhsrz 'Unbedacht zu kränken. V wie bald in stillen Schmer; Kannst Du es versenken. Lines Wortes Unbedacht Kann die Freude stören, Kann die ganze Blnmenpracht Ihrer Lust verzehren. Tritt bedächtiglich hinein In ihr kenzgefilde! Laß es Dir empfohlen sein Immerdar zur Milde! ; Ach, ein einzig Mal ja nur Blüh'u der Kindheit Rosen! M, so hüte Du die Flur vor der Stürme Tosen! „Die verkehrte Welt". So geht's in der verkehrten Welt! Da wird der Tisch auf die Uhr gestellt; Da kehrt man mit der Stube den Besen, Da muß das Buch in den Kindern lesen. Der Hahn legt Eier, die Henne kräht, Der Garten wird in die Blumen gesät. Der Topf wird in die Milch gegossen Und das Schloß wird mit der Thür verschlossen. Es fällt, o weh, vom Apfel der Baum, Die Pflaumen tragen die Aestchcn kaum. Da wird der Kopf ans den Hut gefetzt Und mit der Leinwand das Wasser benetzt. Di« Zähne werden mit Fleisch gekaut Und der Magen wird von dem Brote verdaut. Ten Kessel siedet man in dem Schinken, Ans dem Weine muß das Glas man trinken. Die Ziegel werden mit Dächern gedeckt, Und der Beutel wird in das Geld gesteckt. Di« Hunde miaue», die Katzen belle». Und die Pferde klingeln an Schlittenschellen. Es wird die Mutter vom Kinde gewiegt; Die Taube schwimmt und der Karpfen fliegt; Das Kälbchen führt den Schlächter am Seile, Und daS Schwein zerhackt ihn mit dem Beile Redaktion. Druck nnd Verlag: AlexanderWI« de ,'n^CH em »itz. Bildern werden die Farben gemalt, Mit Kuchen wird das Geld bezahlt; Au- Kegeln wird das Holz gedreht, Der Wind vom Staube fortgewcht. Die Kirche wird auf den Thurm gebaut Und das Wasser schreit in den Fröschen laulr Die Kinder befehlen, die Eltern bitten Und der Schnee fährt auf dem Schellenschlitten. Dort steht ein Bauernhof in, Hans, Da drischt das Korn den Drescher au»; Der Stall wird an das Pferd gebunden Und die Knöchel, spielen mit Kettenhunden. Die Stube kehrt die Mägde rein, An den Hühnern wärmt sich der Sonnenschein; Das Nest hat sich auf die Taube gesetzt, Und die Schafe werden auf den Hund gehetzt. Die Fische schnattern, die Schnecken schrei'n Und tragen Futter z» Disteln ein. Nach den Fliege» kommt die Milch geflogen Und der Brunnen wird ans dem Wasser gezogen. Denkt, daß der Ball mit dem Knaben spielt. Der Hase nach dem Jäger zielt. Die Gabeln mit den Menschen speisen Und Wagen auf Bedienten reisen! Viel könnte ich erzähle» »och, Von der verkehrten Welt, jedoch; Hier soll zuletzt der Anfang sein, Das Ende war von vornherein . . . Nu», Hans, schneid' dem Poem Dich aus, Trag'S nach dem Kleinod ivie ein HauS, Und säum' nicht, nach dem Deklamiren Dem Hörrrkreis zn applandiren!