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H «s. Beilage zam „Riesaer Tageblatt". «ota«on»druck und Berlag don Lang«, t vt«t«rlich in Niel«. — Ur dk Redakiio« verantvottttchi Hermann Schmidt in Riesa. Doanerstag, SS. Mrz ISLA, ebenes. «S. Jahrg. NimmM «§ iti DeM» Wrüp. Gig,n» Bericht. 8ob. Berlin, 24. Mär, IVOS. Seit Bestehen de» Reichstage, ist der Marineetat noch nicht im Zeitraum von 1*/, Stunden erledigt worden. Diese Kunstlristuug hat heute die deutsche Volksvertretung fertig gebracht. Dem Marineminister v. Ttrpitz wird sein Gehalt ohne ein Wort zur General» dtSkusston bewilligt. Herr Singer gab den Schlüffe! zu diesem rätselhaften Lun. Die Frage der Flottenrüst» nagen soll in aller Ausführlichkeit beim Etat deS Reichskanzlers zur Sprache gebracht werden. Da der Reichskanzler in der nächsten Woche seinen Etat im Reichstage vertreten wolle, hätte man die wichtig« Frage bis dahin zurückgestellt. Im Handumdrehen ist ein halbes Hundert von Kapiteln erledigt. Der Präsident Stolberg schnurrt di« Zahlen herunter. Daß der Sozialdemokrat Seo «ring beim Kapitel Werften die ArbeitSoerhältniffe in Wilhelmshaven bespricht, ist dem ferienlustigen Hause — morgen fällt die Sitzung wegen eines katholischen Feier tages aus — nicht angenehm. Geheimer AdmiralitätSrat HarmS weist die Angriffe gegen die Werftoerwaltung zurück. Eine eingehendere Erklärung über die Veranlassung zu dem Automobiltempo der Beratung gibt der wieder genesene freisinnige Schrader bet dem Kapitel „Neu bauten*. Die Parteien hätten sich geeinigt, an dieser Stelle die Frage des Verhältnisses unserer Marine zur eng lischen nicht zu erörtern. Sie hat eine politische Bedeutung angenommen, die weit über da» Technische hinauSgeht. Er hoffe, der Reichskanzler werde jede verlangte Auskunft geben. Und damit ist die Sitzung beendet. Die meisten Abgeordneten fahren mit den NachmittagSzügen in die Heimat. Den Journalisten ist der zweistündige Arbeitstag eine willkommene Ueberraschung. Allein die Tribünenbe sucher, die große politische Debatten erwarteten, ziehen mit langen Gesichtern betrübt heim. Freitag wird unter an- derem das Antomobilhastpfltchtgesetz beraten werden. Die Hoffnung schwindet immer mehr, daß der Frieden im europäischen Wctterwinkcl gewahrt bleibt. Zwär widersprechen sich' auch heute die Nachrichten, aber sie deuten dach mehr auf Krieg. Die vorliegenden Berichte in der Wiener Presse stimmten darin überein, daß eine Einigung der GrotzmSchie nicht erreicht Mrde betr. der Serbien gegenüber einzunchmeuden Hal tung und in kürzester Frist wahrscheinlich auch nicht erreicht werden wird. Aber auch, wenn sie erreicht werde, würde sie bereits zu spät kommen. Unter diesen Umständen wird Oesterreich seinen für nächsten Sonnabend in Aus sicht genommenen selbständigen Schritt in Belgrad nun mehr in allerkürzester Frist, vielleicht schon heute, unter nehmen. — Es verlautet allerdings, daß auch die heute Oder morgen zu überreichende Note des Grafen Forgatsch kein ausdrückliches Ultimatum sein, sich aber nur wenig von einem solchen unterscheiden wird. Diese Note wird Von Serbien innerhalb einiger Tage eine klare Anttvort verlangen, und >venn diese nicht in einer für Wien zu- friedenstellenoen Weise erfolgt, so sind für die ersten April- tage die ersten militärischen Entscheidungen an der serbi schen Grenze zu erwarten. Es kann lt. „L. D." keinem Zweifel unterliegen, daß mit dem Eintritt dieser Ereignisse auch die mouteuegrtutsche Regierung dein! österreichischen Gesandten in Cetinje die Pässe zu stellen wird. Die Stärke der nüoutenegrinischcn Armee wird auf 40000 Mann beziffert. Im Gegensatz zu Serbien erwartet man, daß Montenegro in der allerkürzesten Frist, sogar schon innerhalb -wcier Tage, seine Streitkräfte vpe- ratiionsfälig bereitstellen kann. Aus Cetinje wird gemeldet: Die gesamten feld verwendbaren Streitkräfte Montenegros sind seit einigen Tagen mobilisiert- Die Armee besteht aus elf Brigaden, welche in vier Divisionen zusamuiengefaßt werden, elf Gebirgsbatterien und einigen berittenen Aufklärerabtei lungen. Tie in den letzten Lägen verbreitete Nachricht, daß eine bereits auf Kriegsfuß gestandene halbe Division (Brigade) bei Spizza wieder demobilisiert wurde, ent spricht somit nicht den Tatsachen. In Wiener wohlunterrichteten Kreisen gibt umn un tern 24. d. M. lt. „B- L.-A." folgende Darstellung von der augenblicklichen Lage: „Neber Formeln, Vermittlungs vorschläge und Pourparlers sind wir heute hinaus. Das ist alles überwunden und vorbei. Wir müssen darauf be stehen, klare Verhältnisse zu schaffen und ganz bestimmte Garantien zu erhalten, daß Serbien auf seine Ansprüche verrichtet. Wir müssen eine Sicherheit dafür haben, daß der Friede aus Jahre hinaus garantiert ist. Die Friedens vorschläge der Mächte sind alle gescheitert, selbst der letzte Versuch Englands, das mit allen Kräften eine Niederlage Rußlands abwenden möchte, ist mißlungen. Auch Frankreich gibt sich umsonst Mühe, im Interesse des Friedens r,u wirken. Es sieht doch ein, wie unvollkommen es 'organisiert ist, da es ihm nicht einmal gelingt, einen Poststrcik abMvenden. Wir stehen nun Gewehr bei Fuß und erwarten, was 'Serbiens gestrenger Herr Iswolski entscheiden wird. Der aber hält an dem Gedanken fest, die Frage «offen zu lassen, bis die Konferenz sie erörtert hat, und weigert sich, auch nur zu erklären, welche Hal tung Rußland auf einer Konferenz einnehmen würde. Mn bedingungsloses Durchsetzen der Konferenz hält er für einen Triumph, während 'England und Frankreich lediglich besorgt sind, den Kiüeg aufzuhalten. Es hat aber jetzt schon den Anschein, als sei Rußland das Losschlagcn nicht weniger wünschenswert als Oesterreich-Ungarn, das mit gwßer Zuversicht in die Zukunft sieht und mit vollem Vertrauen sich auf seinen großen Verbündeten verläßt. Diese auf die äußerste Spitze getriebene Situation kann nicht länger als einige Tage dauern, auf jeden Fall muß bis zum Monatsende Klarheit geschaffen sein. Der serbische Sriezsminister Ziwkowitsch erklärte lt. „D. L.-A." auf Befragen dem Ausschuß für die Landesverteidigung, daß die friedlichen Bestrebungen von Milowawoitsch keinen Erfolg haben würden. Der blu tigste Krieg sei den Forderungen Oesterreichs vorzuziehen. Der Ausschuß für die nationale Verteidigung Möge weiter hin Freiwillige anwerben, er sei der Unterstützung des Kriegsministeriums sicher. — Die Unsicherheit in Serbien wächst. Räuberbanden tauchen überall auf, viele tvHl- häbcnde Serben verlassen das Land. Von serbischer Seite bemüht miau sich neuerdings eifrig, beim türkischen Gesandten in Belgrad und bei der Pforte um die 'Erlaubnis zur Durchfuhr des in Saloniki angekoMMenen oder unterwegs befindlichen und weiter bestellten Kriegsmaterials und strebt auch hierfür eine Unterstützung durch Rußland, Frankreich und England an. (Diese Unterstützung würde ein eigentümliches Licht auf die Bemühungen werfen, Oesterreich-Ungarn in einem an geblichen Friedensinteresse von ernsten Schritten in Belgrad abzuhalten.) Großen Eindruck haben nach dem „Tag" an den höch sten Stellen in Wien die nachstehenden, aus angeblich verläßlichen Quellen geschöpften Mitteilungen über die bewaffneten Banden in Serbien und Montenegro hervor gerufen: Im ganzen stehen 22 serbische Banden mit 682 Repetiergewehi-en, 710 Bomben rind 127 Kilogramm Dy namit an der bosnischen Grenze. Don diesen sind für den Sandschak bestimmt 7 Banden mit 317 Gewehren, 270 Bomben und 50 Kilogramm Dynamit. In Montenegro stehen bereit: 36 Banden mit 040 Gewehren und 770 Bomben, von denen 8 Banden mit 200 Mann und 200 Bomben an. der Grenze des Sandschaks stch.'m Frankreich hat nach einer Meldung der „Köln. Zig." die Erklärung abgegeben, daß cs jeden Eingriff in den österreichisch serbischen Konflikt ablehut, auch wenn eine bewaffnete Intervention von feiten Rußlands erfolgen sollte. — All zuviel Sicherheit dürfte die Erklärung nicht bieten, denn wenn Rußland gegen Deutschland marschieren ließe, wür den jedenfalls in Frankreich die „Flinten von selbst los gehen." Glücklicherweise scheint cs für Rußland nicht empfehlenswert zu sein, aktiv in den Krieg einzu greifen. Alle Zeitungen melden ans bester Quelle oen Rücktritt des Kriegsministcrs R «ocoiger. An seine Stelle soll General Suchomlinow ernannt werden. Als Grund der Entlassung RoedigerS wird seine Duma rede aenannt, Worin er d ic S ch w nchc d er ru s s is ch cn Armee anerkannte. Darin besteht, wenigstens zunächst, für Deutschland die Hoffnung auf Erhaltung des Friedens im Reiche. England spielt natürlich wieder in bekannt geschickter Weise die Rolle des. sich freuenden Dritten. 8o!iäv Issvkvnukl-en genau gepeiUt uns reguliert, ru enerkennt vorteiibstten Preisen. > ri lis d sv: Ämmsnukl-sn 8oU0e psdriksts - Unübertroffene ^us«»bl »on IS bis IVO b^srN. Verkannt. Roman von Lothar Palmer. 26 Bei Gott, bei dem Andenken an seine geliebte Mutter, es sollte das letzte Mal gewesen sein. Er wollte sie schützen, ver teidigen, nicht anklaaen und quälen mehr. „Bei Gott!" rief er, und hob die Hand wie zu heiligem Schwur gegen den Abendhimmel, und sein Ruf zitterte über den Wasserspiegel hin. Und dann zog er den unseligen Brief hervor und riß ihn in tausend kleine Fetzen, die er dem Abend winde und dem Fluß zum Spiel gab, und er trat mit den Füßen drüber hin, bis ihm leicht ums Herz wurde. „So, nun ist's vorbei, mein armer Liebling, Du sollst nicht mehr so verblaßt vor mir stehen, wie heute, nie wieder soll der Schmerz so groß in Deinen lieben Augen stehen wie in jenem Augenblick, als Du mir die Hand so weh preßtest und so leidgequält Lebewohl sagtest." Und dann wandte er plötzlich seine Schritte heimwärts. Nein, nicht schreiben wollte er ihr heute mehr, hingehen zu ihr wollte er auf einen kurzen, flüchtigen Moment, ihr nur sa gen: Sei froh, mein Liebling, vergib Du mir, daß ich Dich so quälen konnte, es soll nie wieder geschehen, nie, ich schwöre es Dir. Ich habe Dich ja so lieb, ich vertraue Dir, ich glaube an D»ch. Vergib und laß uns glücklich sein!" W'e weit er ausschritt, wie er eilte. War er denn in seinem Grübeln und Sinnen so weit gegangen, daß er die Stadt gar nicht erreichte? Längst hatten die Abendglocken geläutet, ein Heller Schein zitterte über dem Häusermeer der Stadt, hie und da an vereinzelten Fenstern leuchteten die Lampen, vom Bahn damm flimmerten die Laternen herüber, und am Himmel blitz ten die Sterne. So schnell war Göllnitz gegangen, daß ihm der Schweiß auf der Stirn perlte, aber er hatte eine innere Unruhe, die ihn stetig vorwärts trieb. Und nun bog er endlich in die Straße ein und sah die elektrische Kugel am Eingang ihres Hotels. Nur einen Augenblick wollte er hinauf, nur ein paar gute Worte ihr sagen. Sie würde ja schon den späten Besuch ver zeihen, die Liebe, die Sorge um sie hatte ihn dazu getrieben. Aber wie « an ihren Fenstern emporsah, lag alles im Dun keln. So bald war st« zur Ruhe gegangen? Gewiß hatte seine schwarze Laune sie tief betrübt,ihr wohl garKopfschmerzen und Migräne gebracht. Und verstimmt, unfroh mit sich selber ging er heim. Nun schrieb er ihr doch, wie er sich zuerst vorgenommen hatte. Voll Zärtlichkeit und Güte schrieb er, nicht nur einige flüch tige Worte, sondern alles, was ihm das Herz bewegte, was er heute aus dem einsamen Wege gelobt, was er in vielleicht übertriebenem Ehrgefühl gefehlt, noch nach Mitternacht trug er den Brief zur Post. Späte Nacht war's, als er sich zur Ruhe legte, aber er fand keinen erquickenden Schlaf. Alles, was Cäcilie ihm nachmit tags gesagt, zog wieder an ihm vorbei, und er kam sich so klein neben ihr vor. Eh' der Tag voll hereingebrochen war, stand er schon auf. Er war nervös und verstimmt und es dünkte ihm entsetzlich lange, daß er seine Braut erst nach zwölf auf suchen sollte. Dann besann er sich, daß er vielleicht noch vor den Unterrichtsstunden ins Hotel konnte. Sie hatte sich ja früh niedergeleot, vielleicht stand sie beizeiten auf, dann konnte er ihr noch „Guten Morgen" wünschen, ehe sie seinen langen Brief erhielt, konnte wieder Frieden in ihr armes, gequäl tes Herz tragen. Aber es war noch nicht sieben, eine Stunde mußte er doch mindestens noch warten. Um sich die Zeit zu vertreiben, nabm er ein Buch vor, aber selbst zum Lesen fehlte ihm die rechte Sammlung; nun begann er eine Wanderung durch seine Stube und sie kam ihm so öde vor, alle Familienbilder waren schon mit den Möbeln zur Schmückung des neuen Heims fortgeschickt, nur ein Miniatur bild Cäcilies trug er bei sich. Wie eres ansah, wurde ihm so weich und sehnend zu Sinn. Er war hart und lieblos mit ihr gewesen. Wie vieles hatte er gut zu machen. Und er wollte es, er gab sich selbst das feste Manneswort. Nun hörte er Schritte auf der Treppe, das war wohl je denfalls der Briefbote, der ihm seine Zeitungen brachte? Als es an seiner Tür pochte, öffnete er selbst, es war Pöh- land, und Göllnitz erschrak, was wollte der Freund in aller Frühe bei ihm? „Ich war schon gestern gegen abend hier und wollte Dich sprechen!" sagte der Referendar. „Ich machte einen weiten Spaziergang, aber wa» ist denn so wichtiges passiert, daß Du Dich zu mir verirrst?" „Der Gottschall, der Schurke, hat Wechsel auf meinen Na men gefälscht!" „Wer?" rief Göllnitz, und er fühlte, wie sein Herz dröhnend „Allein Stubeunachbar, der Bursche, von dem ich Dir frü her einmal erzählte, der Buchhalter mit den Tonkabohnen." AllmählichfaßteGöllnitz sich wieder. „Wieheißt derMensch?" fragte er. „Wie er heißt, weiß Gott und er allein. Hier hat er sich Franz Gottschall nennen lassen, aber er soll unter mehreren Namen segeln. Die Kasse in seinem Geschäft hat er ausgeraubt, die Hausfrau um ihre ganzen Wertpapiere betrogen und mei nen Namen zu unlauteren Manipulationen mißbraucht. Du entsinnst Dich doch des Zettels, von dem ich Dir sagte?" „Alles, alles," sagte Göllnitz, der tief aufscufzte. Um eines solchen Betrügers und Verbrechers willen hatte er sein Lieb gequält, den Verleumdungen eines Schurken Glauben geschenkt und seine arme Braut verdächtigt. „Was grübelst Du?" Göllnitz fuhr erschreckt auf. „Wie kann ich Dir dienen?" »Ich sehe selbst noch nicht klar, aber ich mußte mich mit Dir anSsprechen. Dank einer schlaflosen Nacht konnte ich auf die Spur des Verbrechers führen, und, wie ich soeben erfuhr, hat man den sauberen Vogel auf der Strecke nach Vlissingen erwischt. Er soll sich verzweifeltgegenseine Festnahme gewehrt haben, aber mein Signalement war zu genau gewesen." Während nun Pöhland die Erlebnisse der Nacht erzählte und Göllnitz ihm nur mit geteiltem Interesse zuhörte, weil er sich nun doppelt sehnte, Cäcilie sein Unrecht und seine Härte abzubitten, brachte der Briefträger einige Briefe und Zeitun gen. „Du verzeihst," sagte Göllnitz, der die Schrift seiner Braut erkannte und Pöhland nickte leicht mit dem Kopfe: während Göllnitz las, besah er voll Interesse auf dem Aufsatz seines Schreibtisches einen eingelegten Pistolenkastcn und da der Freund scheinbar sehr wichtige Nachrichten las, entnahm er dem Kasten eine der Waffen. Es waren einfache Revolver, und er fragte: „BistDu nicht unvorsichtig, das Zeug so ohne Verschluß stehen zu lassen?" aber Göllnitz antwortete nicht. Er stand in der Fsnsteroertiefuna und starrte wie geistesabwesend vor sich hin. ' 164,20