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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L vlnterltcb in Riesa. — stvr die Redaktion verantwortlich: Arthur HSHnel in Riesa. SSV. Donnerstag, 14. Lezembrr liill. abeubS. «4. Jahrg. rn Mil«stiit haben wir bereits gestern bekannt gegeben. In der Ur teilsbegründung wird ausgeführt: Durch die Vcr- Haftung deS englischen SchisfshLndlers Schultz, die am 1. März dS. IS. in Hamburg erfolgte, ist eine Ge- sellschjaft von Spionen unschädlich gemacht worden, die seit mehreren Mvnaten für das englische Spionagebüro militärische Geheimnisse in Teutschland zu erkunden be müht war, deren Preisgabe für die Sicherheit deS Rei ches im höchsten Grade schädlich war. Tie Verhandlung hat ein erdrückendes Beweismaterial ergeben. Fast in allen wesentlichen Punkten hat sich das Gericht auf die Angaben des Schultz gestützt. Wenn er auch vielleicht nicht alles gesagt hat, was er weiß, so konnte ihm doch Glauben geschenkt werden. Als er verhaftet war und man ihm vorhielt, daß dies ein Unglück für ihn sei, sagte er: „O nein, das war mein Glück, denn wenn ich nicht verhaftet worden wäre, hätte ich noch viel mehr gemacht und wäre 20 Jahre nicht aus Deutschland her ausgekommen." Tas Gericht ist überzeugt, daß Schultz über die Tätigkeit des englischen Nachrichtendienstes und seiner Agenten ganz wesentliche Tatsachen verschwiegen hat; eS glaubt aber seinen Angaben nicht nur, soweit sie ihn selbst betreffen, sondern auch, soweit sic offen sichtlich die Mitangeklagten belasten. Anscheinend hat Schultz seine Reisen, die ihn als Schifsöhändlcr nach Deutschland führten, dazu benutzt, um mit allen mög lichen Personen zwecks Erkundung militärischer Geheim nisse Verbindungen anzuknüpfen. Er hat sich insbeson dere an die Angeklagten Hipsich, Wulff und von Maack gewandt, deren Verkehr mit dem englischen Nachrichten dienst vermittelt, ihnen die Teckadressen und die Teck worte für ihre Korrespondenz angegeben und selbst bei Absendung der Geheimnisse mitgewirkt. — Tie gesamte Tätigkeit des Schultz war zusammenzufasscn als ein fort gesetztes Verbrechen gegen Paragraph 1 deS Spionage gesetzes. Ter Angeklagte Hipsi ch ist geborener Oesterreicher. Er ist seit mehr als 12 Jahren bei der Weserwerft an gestellt und hat 1909 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, nachdem das NeichSmarineamt die Beschäf tigung von Ausländern in derartigen Betrieben ver boten hat. Durch seine dienstliche Tätigkeit hatte er Ge legenheit, die Pläne von Kriegsschiffen kennen zu lernen und Einsicht in viele geheim zu haltende Tinge zu neh men. Er hatte sich eine große Sammlung von Plänen und auderem wichtigen Material angelegt und alles an das englische Nachrichtenbüro geliefert. Ter große Wert dieses Materials geht am besten aus der Ueberraschung und unverhohlenen Freude hervor, die von den Englän dern geäußert wurde. Ter Angeklagte von M a a ck lernte Schultz im August 1901 kennen, der ihn gleich am ersten Tage fragte, ob er mit „seinen englischen Freunden für Marinesachen" korrespondieren und Auskünfte erteilen wolle, wozu Maack sich schließlich bereit erklärte. Maack hat dann auch den Angeklagten Hipsich von der Wcserwerft als geeignet empfohlen. Er gab an Schultz seine schrift liche Aufstellung über die Verwendung der Schiffe des Norddeutschen Lloyd, der Hamburg—Amerika-Linie usw. im Falle eines Krieges. Tiefe Mitteilung wurde von Schultz nach England geschickt. Im Tczember 1910 ist dann Maack selbst nach England gereist und dort mit Agenten deS englischen Nachrichtendienstes zusammen gekommen. Er hat auch diesen den Hipsich als geeig neten Mann für geheime Erkundungen empfohlen und hat angegeben, wie er am besten zu gewinnen sei. Auch hat er versprochen, bei einer süddeutschen Maschinen fabrik sich nach einem Motor zu erkundigen, über dessen Verwendung für Kriegsschiffe die Engländer Kenntnis zu erhalten wünschten. Maack ist daher der Beihilfe zum Verbrechen nach Paragraph 1 für schuldig befun den worden. Der Angeklagte Wulfs ist seit sechs Jähren bei der Norddeutschen Maschinen- und Armaturenfabrik in Bremen angestellt gewesen und war hauptsächlich mit An bringung und Revision von Unterwasserschallsignalen für Kriegsschiffe und Unterseeboote betraut. Als Schultz 1S10 in Teutschland war, hat Wulfs ihm zu erkennen gegeben, daß er bereit sei, ihm Material zu liöfern. Jin März 1911 hat er dann mit Schultz eingehende Verhand lungen gepflogen und hat u. a. den Auftrag erhalten, über das in Kiel in Bcku befindliche Schiff „Ersatz Odin" Mitteilungen zu machen. Tiefen Auftrag hat er auSge- führt. Wie weit er sonst noch von Schultz Aufträge er halten hat, ist nicht mit Sicherheit erwiesen worden, auch nicht, daß er wirklich geheim zu haltendes Material geliefert hat. Er ist daher des Versuches gegen Para graph 3 des Spionagegesetzes für schuldig befunden worden. Die Angeklagte Eckerntann war Wirtschafterin von Wulff und Hipsich und hat zeitweise dieselbe Wohnung innegehabt. <Äe hat den .Schultz auf Wulff aufmerk sam' gemacht und daraus hingearbeitet, daß Schultz sich der Angeklagten Wulff und Hipsich als seiner Spione bediente. Sie hatte volle Kenntnis von dem- was Schultz trieb. Sie hat sich daher der Beihilfe zum Verbrechen gegen Paragraph 1 schuldig gemacht. Was die Strafzumessung! betrifft- so war der Angeklagte Hipsich am schwersten zu bestrafen, denn er hat lediglich aus Gewinnsucht gHandelt, ahne irgend ein anderes Mvtiv. Er hat Geheimnisse, die ihm i« dienstlicher Tätigkeit bekannt geworden waren- preis gegeben und das Deutsche Reich in erheblicher Weise gefährdet. Irgend welche MilderungSgründe sind nicht vorhanden. An zweiter Stelle komM Schultz in Betracht, obwohl er als AlrslSnder anzusehen ist und auch ein Geständnis abgelegt hat. Sein Verteidiger hat sür ihn mildernde Umstände beantragt, die ihm aber nicht zu gebilligt werden konnten. Der Angeklagte Maack hat durch unwahre Angaben die Untersuchung erheblich er schwert. Er mußte sich als ehemaliger Kriegsfreiwil liger von 1870-71 ganz besonders der Gefährlichkeit der Spionage von Schultz und Hipsich bewußt sein. Der Aufstand in China. I» Peking und Nordchina hat der jetzt veröffentlicht« ausführliche Bericht einer Rede, die General Huanghsing am 2. Dezember vor dem republikanischen Kongreß in Schanghai hielt, großen Eindruck gemacht. Er gab zu, daß er Han- yang infolge der Unfähigkeit der Truppen und wegen seiner schielten Geschütze verlor. Die Generale, die die Schlacht wirklich gewannen, seien die neuen Kruppschen Batterien gewesen, deren Lieferung Deutschland noch teuer zu stehen kommen werde. — 14000 Mann neue Truppen und die Flotte sammeln sich bei Wutschang. Auch werden Bor bereitungen getroffen, um die Hankaubahn zu zerstören. Di« republikanischen Führer in Schanghai fahren inzwischen fort, Juanschikai telegraphisch die Würde de» ersten Präsi denten einer neuen Republik anzubieten und ihm zu er kläre», daß e» unmöglich sei, die Mandschudynasti« beizu behalten. — Lin interessante» Charakteristikum der Revo lution ist die Nichtachtung der Gesetze zur Unterdrückung de» Opiumgenuss«». Da» Rauchen ist wieder ausgenommen worden und neue Mohnkulturen entstehen. Di« Provinz«« Junnan und Setschuan tun sich besondrr» darin hervor. In Junnan gab die revolutionäre Regierung offiziell die Erlaubnis zum Wiederaubau von Mohn, und au» Setschuan berichtet der Zolldirektor über Steigerung de» Mohnanbaue». Heber Hetzereien der japanische« Presse Segen Dentschkand Wird cruSNobohernmgeschrieben: In der japanischen Presse Sonnte man von vomcherekn seinen Aergpr über die erzwungene Vorsicht und Zurück haltung gegenüber den Ereignissen in China nur schlecht verhehlen. Und da «ran einen Grund znm Einsreisen für Japan nicht sand,- suchte «an einen; solche» künst lich zn schaffen. Für die japanische Presse war und ist nun aber seit de« Regierungsantritt Saionjts Deutsch land Wieder das rote Doch und so wurde Deutschland verdächtigt, alle möglichen Levergriffe getan zn habe»> um fFapanS Eingreifen zu begründen. Mij HmGlr» soll ten deutsche Matvvfen» gegr« die Neutralität- in de« Kamps einbegriffen Haven. Mr Kiantscha» sollte die deutsche Garnison «obillsiert und nach Hantzmh Peking, Tsinanfu gesandt feste. Mr, die Japan Time», das osft- ziöse Blatt, entbMebe sich sogar nicht- Versteckt aus Deutschlands Beteiligung oder Unterstützung her Unab- hüngigkettSerklürmrg ttvu Schautung htnzMveisen. Wabere Blätter erklärten ganz vffm. Deutschland habe Scham- t ung bereits besetzt nm» wert» «S bchallar. Und M Fell-, sllmukek- unä spiekpseräe Pauk Marke, Im Kampfe ums Dasein. Roman von Arthur Eugen Simson. 24 »Man erzählt, daß er in Amerika Sklaven gehalten habe, und wie Sklaven will er auch uns behandeln. Wir wollen ihm zeigen, daß wir nicht von ihm abhängig sind und ihn nicht fürchten. Heinrich, ich habe bereits mehreren Arbeitern heute gesagt, daß Du in der Bcrgschenke nicht fehlen wirst; wenn Du nicht kommst, so werden sie glauben, es fehle Dir der Mut.* Einen Augenblick stand Heinrich zögernd da. Er fühlte, daß der Blick seiner Schwester auf ihm ruhte, zugleich hatten LängnerS Worte sein Blut schneller fließend gemacht. Sollten die Arbeiter wirklich glauben, es fehle ihm an Mut? Sollten sie später mit höhnendem Lächeln auf ihn herabblicken und ihn für einen Feigling halten? »Versprich heute noch nichts,* bemerkte Rosa. »Gut, ich werde Euch morgen sagen, ob ich mit zur Derg- schenke gehe,* wandte sich Heinrich an Langner. »Es hat ja Zeit bis dahin,* fügte er hinzu. Längner zuckte mit der Achsel. „Wie Du willst," entgegnete er. „Ich habe geglaubt, ein großer Entschluß gehöre nicht dazu, und wo alle zusammen halten, sollte der einzelne nicht zurückstehen, doch will ich nicht in Dich dringen, «8 muß jeder selber wissen, was er zu tun hat." Er war nicht im stände, seinen Unwillen ganz zn ver bergen und verließ mit kurzem Gruß das Haus. Einige Minuten lang herrschte Schweigen in dem kleinen Zimmer. Es gereute Heinrich fast, daß er dem Wunsche der Schwester nachgegeben halt«. „Weshalb wünschtest Du, daß ich an der Zusammen kunft nicht teiluehmen möge?" fragte er endlich. „Weil Längner an der Spitze steht und Dich dazu auf gefordert hat." »Was hast Du gegen ihn?" »Ich mißtraue seiner ehrlichen Absicht." „Kami er ein anderes Streben haben, als einen höheren Lohn zu erringen?" „Ich weiß eS nicht, allein ich kenne seinen Charakter länger al» Dur ein Gefühl der Angst erfaßte mich bei dem Gedanken, daß Du an der Versammlung teilnimmst, denn ich bin fest überzeugt, sie wird kein gutes Ende nehmen." „Wenn alle daran teilnehmen tue ich unrecht, mich ans- zuschließen. Man wird glauben, daß mir eS an Mut gefehlt habe.* Rosa schüttelte den Kopf. „Du hast schon öfter gezeigt, daß Du Mut besitzest," sprach sie. „Doch, Du hast ja versprochen, Dich erst morgen zu ent schließen, zuvor hast Du Gelegenheit, Dich zu überzeugen, wie viele an der Versammlung teilnehmen." Heinrich schwieg. Früh am folgenden Morgen verließ er das Haus und begab sich zur Arbeit. Noch immer war er unschlüssig, was er tun sollte, und es war ihm deshalb lieb, daß er mit Längner nicht zusammentraf. Unter den Arbeitern wurde viel über die Versammlung, welche an dem Abend stattfinden sollte, gesprochen und die meisten gingen hoch hinaus mit ihren Forderungen. Die Mittagszeit kam und er sah Alma durch den Wald hingehen, um ihrem Großvater daS Essen zu bringen. Er wollte ihr Zurufen, sie bemerkte ihn jedoch nicht. Früher hatte er in Reuters Nähe gearbeitet, durch den Aufseher war ihm eine andere Arbeitsstelle angewiesen worden. Nach einiger Zeit trat Alma zu ihm. Der Weg und die frische Luft, welche über die Hochebene hinfuhr, hatten ihre Wangen leicht gerötet. „Rosa läßt Dich bitten, heute abend nicht zur Bergschenke zu gehen," sprach sie. Heinrich schwieg. ES war ihm nicht lieb, daß die Schwe ster noch einmal auf seinen Entschluß einzuwirken suchte. Was konnte es schaden, wenn erdieDersammlung besuchte, brauchte «r den Beschlüssen derselben doch nicht beizustimmen. „Auch ich bitte Dich, gehe nicht dorthin," fügte Alma leise hinzu. Heinrich blickte sie forschend an; schüchtern, mit niederge schlagenen Augen stand sie da. „Weshalb nicht, Alma?" fragte er. DaS Mädchen schien durch diese Frage in Verlegenheit zu geraten. „Es sind so viele rohe Männer unter den Arbeitern, sie werden gewiß nicht das beste beschließen," sagte sie end lich. „Ich habe auch meinen Grvj-vatcr geveterr, nicht dort hin zu gehen, er hört jedoch nicht aus mich." Die Bitte deS einfachen Mädchens, welches selbst in dem Hause seiner Schwester kaum ein Wort an ihn gerichtet hatte, machte «inen tieferen Eindruck aus Heinrich, als die Mahnung seiner Schwester. „Gut, ich werde nicht htngehen, sondern nach der Arbeit heimkehren," entgegnete er. Ein Zug der Freude glitt über AlmaS Gesicht. „Rosa wird sich freuen," bemerkte sie und ihre blauen Au^ gen blickten zu ihm auf. „Und Du nicht auch?" rief Heinrich. „Doch, doch," entgegnete das Mädchen hastig und ent fernte sich dann schnell, ehe Heinrich im stände war, noch ein Wort an sie zu richten. Auch am Nachmittag traf Heinrich Längnernicht; erst am Abend, als die Arbeit beendet war, trat derselbe zu ihm. „Du gehst doch mit mir zur Bergs.henke?" fragte Läng ner. „Nein," gab Heinrich kurz, bestimmt zur Annvort. „Und weshalb nicht?" fragte Längner. „Ich werde zu dem, was dort beschlossen wird, wohl nicht nötig sein." „Sprich lieber dieWahrheitnnd sage, daß Deine Schwester eS nicht gestattet," rief Längner lachend und seine Stimme klang wie Hohn. „Ich will Dir noch einen Rat geben, D» bist alt genug geworden, um selbst zu wissen, was Du zu tun hast; mußt Du doch selbst verdienen, wovon ihr lebt. Die Frauen sehen die Angelegenheiten der Männer immer mit anderen Äugen an, weil sie dieselben nicht verstehen; wer in dessen klug und selbständig ist, handelt nach dem eigenen Kopfe, und das ist immer daS beste." Ein Gefühl des Unwillens schoß in Heinrichs Brust auf. War eS doch, als ob Längner ihn belauscht habe, als ob er wisse, daß er sich durch AlinaS Bitte hatte bestimmen lassen. „Ich weiß allein, waS ich zu tun habe. Ihr könnt Euren Rat deshalb erspare»," entgegnete er heftig. „Ich werde nicht mit Euch gehen; weshalb ich es tue, kümmert niemand, Euch am wenigsten." „Oho, Bursche," fuhr Längner auf. „Halt Deine Zunge etwa« mehr im Zaume." ISS,20