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36 einer solckwn Schandc bescheiden betragen. Der Einkäufer Wassili 'Iwanow ist beauftragt, einen solchen Kasten zu saufen, oder, wenn er ihn nicht fertig auftreiben kann, zu einem geziemenden Preise zu bestellen." Nicht minder in teressant ist folgender Ukas der Kaiserin, welcher streng das Tabakschnupfen in den Hofkirchen verbietet: ,^>hre Kaiser liche Majestät hat geruht, durch einen namentlichen Ilkas den Hofkavalieren und Hofdamen Ihren kaiserlichen Be fehl zu eröffnen, hast niemand in den Hofkirchen während des Gottesdienstes Schnupftabak zu gebrauchen hat. Wenn aber jemand entgegen dem Befehle Ihrer Kaiserlichen Ma jestät Schnupftabak gebrauchen wird, so ist ihm von den Kammerlakaien die Tabatiere abzunehmen und nicht meh-r zurückzugeben. Diejenigen aber, welchen die Tabatierrn abgefordert yerden, haben sie ohne jeden Streit hcraus- zugeben, damit die Liebhaber deS Schnupfens ans Furcht vor dieser Maßregel sich während des Gottesdienstes des Schnupfens enthalten." Etwa zwei Jahre später wurde die Bestrafung der Hofchargen durch Ankettung auch in den Kirchen angewandt und zwar für diejenigen, welche sich dort des Schwatzens schuldig machten. Wie lange dieser lUas zur Anwendung kam^und wann er völlig seine Be deutung verlor, ist nicht bekannt. » Chinesische Haarkünstler. In China gehört das Geschäft des Rasierens und Haarschneidens zu den mobilen Berufsarten, die beim Umherziehen durch die Straßen ausgeübt werden. Das ganze Handwerksgerät des chinesischen Figaro besteht aus einend etwa 3 Fuß hohen Bambusuntersatz, auf dem ein rotlackierter Hvlznapf mit Wasser steht, während in einer Schublade die Rasiermesser sowie kleine Handtücher untergebracht sind. Seife wendet der Berschönerungskünstler im Lande der Zopfträger bei seinen Manipulationen nicht an, er befeuchtet Kopf und Gesicht seines Sunden einfach ein wenig und dann rasiert er mit seinem eigentümlich geformten Messer frisch drauf b»S, bis dieses stumpf' geworden^ ohne sich in seiner eif rigen Arbeit durch daSst Gedränge und Geschiebe der auf- uud ab wog en den Menschenmenge irgendwie stören zu las sen. Nachdem das auf einem dreibeinigett Schemel hockende „Opfer" in obiger Weise bearbeite^ d. h rasiert worden ist, miacht sich der Haarkünstler zunächst daran, den Zopf seines Sunden auszuflechten und auszukämmen. Sodann muß dieser sich über ein Waschbecken bücken und der Bar bier kämmt und wäscht daS Haar. Hierauf entnimmt der Rastlose seiner HandwerkStafche eine Anzahl eigentümlich geformter kleiner Sonden und Schjäufelchen. Letztere die nen dazu, die Ohven seines Klienten zu reinigen, eine unter Zuhülsemchme von Sonde und Schwämmchen ebenfalls sehr gewissenhaft ausgeführte Prozedur. Dann greift der Bar bier zu einer Art von kleinem eisernen Reibeisen, mit dem er die Augenlider seinesst'zweifelsohn« sehr starkncrvigen Sunden abfchrapt, nachden^er die Augendeckel zu diesem Zweckb ein wenig umgedreht. Endlich nachdem das Haar deS „Dulders" getrocknet und sein Zopf sorgfältig ge flochten ist, was ebenfalls eine geräumte Zeit in Anspruch nimmt, kann -er also Beglückte seines Weges gehen, nach»- dem er sich ungefähr anderthalb Stunden unter den Hän den seines Verschönerers befunden, der er für seine aus dauernden Bemühungen, einen Betrag gezahlt, der nach unserem Gelde kaum zehn Pfennige auSmacht. Schlagfertig. In einer Prvvinzstadt am Rhein ereignete sich während eines Diners ein Intermezzo, das in der Gesellschaft noch lange besprochen wurde. Man hatte die Tischordnung so getroffen, daß ein Pärchen neben einander saß, von dem man" diesmal aber bestimmt er- wartete, «S werde sich /.aussrrechen" und „einig werden". Wan schien sich getäuscht zu haben, denn die junge Dame behandelte den eleganten und beliebten Leutnant äußerst schnippisch. Da wurde ihr der Hecht gereicht, bei dem die rheinische Sitte verlangt, daß man beim Nehmen der Hechp- leber ein Verschjen mache, aber ohne ein Plagiat zu ver üben. Tic Dame ist nicht verlegen und sagt laut und deut lich, indem sie ihnen Tischherrn anschaut: „Die Leber ist vom Hecht und nicht von einem Schwein — wer um mich freien will, muß mehr als Leutnant sein!" Ein beklem mendes Schweigen entstand. Aber es war noch nicht aller Tage Abend gekommen. Dem Leutnant wird der Hecht gereicht, und er sagt: „Die Leber ist vom Hecht und nicht von einem Pfau, ein schneid'ger Leutenant nimmt keine Eans zur Frau!" Ein Händeklatschen und Bravo rufen belohnte den schlagfertigen Offizier. März. Nun steigt ein neues, junges Leben Rings um uns auf in stummer Pracht, Und unsichtbare Hände weben Das Kleid der Erde Tag und Nacht. Tas ist ein Werden, Keimen, Sprießen, Ein Recken, Strecken allerwärts: Die ersten, blauen Veilchen grüßen Im März> Die Sonne sendet gvld'ne Pfeile Ins fernste, wcltentleg'ne Tal. Frau Hasel hat gar große Eile Mit ihren Kätzchien sonder Zahl! Die Weiden dämmern blau-verschwommen, Bon Frühlingsahnung träumt dein Herz, Schon sind die Lerchen angekomMen Im März. Der letzte Schmee schmilzt auf den Höhen, Wie Silber flimmert Teich und Fluß. Der Birke grüne Wimpel wehen Dem Junker Lenz den Jubelgruß. Ein erster Falter kommt geflogen. Und lauter klingen Lied und Scherz, Hoch schwingt die Lerche sich im Bogen Jtn März^ Es briaust der Föhn. Bald ist vertrieben Des strengen Winters letzte Nächst. Und willst du dich nicht gar verlieben, Nimm vor den Mädchen dich in acht! Der März mit seinen linden Tagen Bringt manchem Liebeslust und Schmerz . . . Die Herzen sollen lauter schlagen Im März. Nachdr. verb. Elimar Kernau. Denk- «ad Siaasprüche. Gar lieblich ist das Lachen IN Gottes schöner Welt; Doch weil es oft uns Schwachen Zu kühn die Seele schwellt. Wird Schjmerz ihm beigescllt. Fouqus. O Wohl kann die Brust den Schmerz verschlossen halten, Doch stummes Glück erträgt die Seele nicht. Goethe. Der Schmerz, die Freude spielen nicht mit Bildern, Ein Blick, ein Wort genügt^ um sie zu schildern. Und wo in Phrasen Schmerz und Freude spricht, Glaub' ich das Eine und das Andre nicht. Badenstedt. Drnck und Brrlag von Langer L Winterlich, Riesa — Für di« Redaktion verantwortlich Hermann Schmidt, Riesa. «r. S. O Aya San. Sine japanische Geschichte. Deutsch von Gertrude Hildebrandt-Eggert. — Nachdr. verb. Ein Franzose, ein besonders genial beanlagter Mann, hat ein Buch geschrieben, in dem er zu seiner eigenen Be friedigung und zur Verwirrung anderer Männer zu be weisen sucht, daß die Frauen Japans^ herzlos und leicht zu gewinnen sind. Ich bin ein alter Mann, kein Ge lehrter, und war nie im Leben im Bücherschreiben geübt, aber dieses Franzosen Buch hat mir einen bitteren Ge- schmack auf der Zunge zurückgelassen, hat mich mit dem Wunsch« erfüllt, die Geschichte eines reizenden japanischen Mädchens, das ich vor langen, langen Jahren kannte, zu erzählen. Der Held der Geschichte ist bot. Er stsirrb vor langer Zeit, und ich bin wohl der einzige,' der von den traurigen Ereignissen seines Lebens weiß. Die Geschichte ereignete sich vor vielen Jahren, dazumäl) als ich zum ersten Male nach Japan kam Wir waren uns' an Bord eines P. und O.-Tampfers von Hongkong begegnet, er ein Künstler, der nicht eben schwer an weltlichen Gütern mit Ausnahme seiner Pinsel und Farben zu tragen hatte; ich, ein junger Ingenieur im" japanischen Eisenbahndienst. Sein Gesicht mit den scharf geschnittenen Zügen, mit den wundervollen tiefen, grauen Äugen verfolgt mich noch wie ein Phantom Unter den Griechen in St. Edwards', einer Schule, war er bekannt als „Glauoopis", der Strahlen äugige. Die Spitznamen sind selten schmeichelhaft, dieser aber war es. Ich habe mich ost gewundert, wie Frauen es vermeiden konnten, sich, sobald sie ihn sahen, in ihn zu verlieben. Wenn ich eine Frau gewesen wäre, nicht um die Well hätte ich'A vermeiden können. Vielleicht verliebten sich auch Manche in ihn, ich weiß nur von einer einzigen. Ich sagte schon, daß ich ihm auf einem P. u. O-- Dampfer von Hongkong begegnete, und unser zufälliges Bekanntwerden reifte ball» zu einer vertrauten Freund schaft. Er erzählte mir, daß er ein Jahr lang in Italien gewesen wäre, bis er/ dessen müde, ein weniger bekanntes Arbeitsfeld hätte suchen wollen. Er war südwärts ge wandert, erst nach Aegypten, dann nach Indien, wo er einige Zeit verweilt hatte, bis, an sein Ohr Gerüchte drangen von der wunderbaren Schönheit des Landes der aufgehenden Sonne. Sv ließ er Indien hinter sich und reiste gen Norden, nach Japan. Ich fragte ihn, ob er Freunde dort hätte. Nein! Keine dort und keine zu Hause. Er stand allein in der Welt. Aus' vielerlei spätern Bemerkungen schloß ich, daß er keineswegs ein vermögender Mann war; ein kleines'' Kapital, erworben durch frühere Arbeit, war alles, was er besaß. Als wir in Tokio ankanwn, schlug ich vor, daß er, sobald ich mich häuslich eingerichtet hätte, zu mir ziehen und bei mir wohnen solle. Er nahm meine Einladung freundlich an, und so trennten wir unsEnur für kurze Zeit. Kaum war ich zwei Tage in Tokio, als" ich erfuhr, daß der Fürst von Kaga den Wunsch hegte, für die Schule seiner Hauptstadt in Kanazawa einen englischen Lehrer zu gewinnen. Es fiel mir sogleich ein, daß das s eine Stelle für Bertram — der Name meines Künstler- < freundes — sei, und daß Bertram der geeignete Mann j 3«hr». füo die Stelle wäre. Die Japaner waren damals in Hinsicht auf die pädagogischen Fähigkeiten ihrer fremden Lehrer nicht sehr schwierig, und Bertram-stand über den meisten, die in ihrem Dienste waren. So fuhr ich sporn streichs nach seinem Hotel"und, fand ihn auch glücklicherweise zu Hause. Mit wenigen Worten erzählte ich ihm' den Zweck meines Besuches, und daß Eile not tat,' gab ihm auch, so gut ich konnte, Auskunft über die Pflichten und den Gehalt der Stelle. Er sprang vor Vergnügen auf, und, um es kurz zu inüchen, es gelang ihm, nachdem wir einige hohe Beamte des"Daimios besucht hatten, die Stelle zu bekommen. Sein Gehalt war 150 Dollars monatlich und die dafür verlangten Leistungen wöchentlich 16 Stun den in seiner Muttersprache. Bald nachher verließ er Tokio und ging nach Kana zawa, und Aüonate lang'hörte ich nichts von ihm. Aber eines Morgens, dreiviertel Jahr Mochten seit feiner Abreise in die Verbannung verstrichen sein, fand ich auf meinem Frühstückstisch, einen Brief mit dem Poststempel „Kana zawa". Er brachte eine ausführliche Schilderung von allem, was Bertram seit unserer Trennung begegnet, nicht zu vergessen auch manche amüsante Schilderung seiner Schüler und Kollegen und seines Hauses, das er seine reizende ästhetische Wohnung nannte — zum Schluß bat ec mich, meine „verteufelten" Pläne beiseite zu werfen und ihn aufzusuchen. „Verteufelt" war ein Wort, das Bertram stets ge brauchte, wenn er etwas' nicht leiden konnte, gerade so, wie er jeden, der ihm unangenehm war, mit „Scheusal" be zeichnete. Ich brauche wohl nicht zu versichern, daß diese beiden Beiwörter keineswegs immer verdient waren. Bertram hatte außer manchen andern kleinen Schwächen noch die, die den Meisten Künstlern eigen ist, daß er in der weiten Welt nichts äußer Malerei eigentlich beachtens wert fand. Für den Künstler selbst eine reizende Theorie, aber für die übrige Menschheit recht deprimierend. Und sie sprach sich auch sehr in seinem Briese aus. Er vergaß völlig, oder tat doch wenigstens so, daß ich nicht alles so über den Haufen Wersen und meine Arbeit mir nichts dir nichts aufgeben konnhe. Ich bekam jedoch Urlaub, da nichts Besonderes vvrlag, und zehn Tage nach Empfang seines Briefes stand ich vor seiner Haustür, oder, um es wahrheitsgemäß auszudrücken, rasselte ich an seiner Kos- hido, denn in Japan haben die Häuser keine Türen. Eine sauber aussehende Frau, die, wie ich später hörte, sich des Namens „O Kiu San" — die Goldige — wie Bertram sie nannte, erfreute, erschien nun und nötigte mich mit vielen Verbeugungen, einzutreten. „Danna", ihr Herr, sagte sie,! sei in dem Augenblicke nicht zu Hause, aber er habe mich erwartet und sie beauftragt, das Bad zurecht zu Machen, ob ich es nicht nehmen wolle? Ich müßte sicherlich von der Reise ermüdet seit». So redete die gesprächige alte DaMe weiter, glückselig, daß sie jemand hatte, der ein bißchen von ihrer Sprache verstand, denn ich muß zu meinem Leidwesen gestehen, Bertram mit all seinen Tugenden und Reizen hatte sich bisher nicht als Schüler des Japanischen ausgezeichnet. Die gute alte Seele war wirklich nicht eher beruhigt^ als Ibis sie mich mit eigenen Augen in dass bvühhsiße Wasser hatte steigen sehen. Nach dem Bade begann ich, dass Haus und seine Ausstattung zu mustern. Es war ein geräumiger aller; Gyiihler an der Elbe. velletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". Mesa, de« 3. MSr; IS««. SS.