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Eisendecher am Bahnhose be grüßt. * Die Stimmung für eine Wiederwahl Roosevelts ist im Wachsen begriffen. sS. Ausl.) * Im persischen Parlament wurde der englisch russische Vertrag einer abfälligen Kritik unterzogen. (S. Ausl.) Wiesbaden. (Zweiter Tag: Pensionsversicherung der Privat angestellten.) Von unserem Vertreter auf dem nationalliberalen Parteitage in Wiesbaden wird uns geschrieben: Der zweite Tag der Wiesbadener Tagung hatte naturgemäß einen ganz anderen Charakter als der Liste. Der Sonnabend^hatte die Richt linien für die großen politischen Fragen festgelegt. Der Sonntag brachte Vie Erörterung einer Einzelsrage, der Pcnstonsversicherung der Privat angestellten. Wer einigermaßen verfolgt hat, was in den letzten fahren alles über diese Angelegenheit geschrieben und gesprochen worden ist, der wird die ungeheure Schwierigkeit ermessen können, über das Thema zu einer Versammlung politisch erfahrener Leute zu sprechen, Neues zu sagen und zu fesseln. Dem Abg. Dr. Stresemann ist dies Kunststück gc- lungen. In seiner stundenlangen Rede erörterte er die Materie mit einer Sachkenntnis, daß kein Winkel unbeleuchtet blieb und gleichzeitig mit, solchem Schwung, daß auch in den kleinsten Momenten die hohe po litische und nationale Bedeutung dieser wichtigen Frage ihr Recht fand. Es erübrigt sich, dem Gcdankengange der Rede hier zu folgen. Sie bedarf keiner Interpretation und spricht für sich selbst. Doch mag immerhin auf zwei Punkte aufmerksam gemacht werden. Dr. Strese mann kritisierte die Denkschrift des Reichsamtes des Innern, aber nicht insofern, als er die Nichtigkeit der statistischen Berechnung etwa bezweifelt hätte, sondern im Hinblick auf die unzureichenden Unicrlagen der Statistik. Das Durchschnittsachalt der Privatangestcllten sei wesentlich zu hoch angenommen, und auch die Beiträge seien zu hoch de- messen worden. Das größte Interesse aber nahmen die Ausführungen des Redners über die Möglichkeiten der Durchführung der Versicherung in Anspruch. Dr. Stresemann legte alle Vorteile und Nachteile der beiden zunächst in Betrachr kommenden Wege dar und empfahl, sich vor läufig noch nicht für einen dieser Wege zu entscheiden. Es handelt sich darum, ob man die Privatangestellten, die zum größten Teil schon der Alters- und Invalidenversicherung unterstehen, durch einen Ausbau dieser Reichsinstitution sicherstellen, oder in einer Sonderkasse versichern soll. Das erstere sieht leichter aus, wird aber wahrscheinlich, besonders für die Witwen und Kinder, nur Unzulängliches leisten können. Der bessere Weg scheint nach den heutigen Erfahrungen die Errichtung einer eigenen, auf die besonderen Verhältnisse der Privatangestellten zuge schnittenen Versicherungskasse. Ta man aber heute noch nicht sehen kann, auf welche Art der Versicherung die Organisationen der Privat engestellten sich einigen werden, so erscheint es zweckmäßig, sich nicht vorzeitig sestzulegen. Schließlich kommt es ja auch mehr daraus an, daß die Privatangestellten überhaupt sichcrgcstellt werden, als auf welche Weise dies geschieht. In der einstimmig gefaßten Neiolution über das eagestbema wird denn auch gesagt, daß die Sicherung der Privatdeamten mn Gebot staatlicher Notwendigkeit sei, daß der Vertretertag aber in bezug auf die Art der Versicherung „keine bindende Stellung" einnehmen wolle. Der Vortrag Strescmanns fand solchen Beifall, daß der Vertreter- lag beschloß, ihn im Druck erscheinen zu lassen. Es ist das eine wohl verdiente Ehrung des jungen, fleißigen Parlamentariers, auf den die wachsen mit vollem Recht stolz waren. In der Diskussion kam die Wirkung der Rede recht deutlich zum Ausdruck. Kaum ein Redner be gann, ohne zu erklären, daß alles Wichtige ja schon in dem Referat ge sagt sei, daß er nur zu Einzelheiten seine persönlichen Ansichten oder Wünsche ausführen wolle. Von besonderem Wert waren die präzisen Feuilleton. rntt Derirbrirg nach Deutdeh-Ostafrika. vm. Auf dem Victoria-Niansa, den 19. August 1907. Seit fünf Tagen schwimmen wir auf dem Victoria-Njansa. Wir sind an Bord des „Clement Hill", eines Bootes, das in Solidität und Sauberkeit mit einem Rhein- oder Donaudampfer eine gewaltige Aehn- I.chkcit hat. Man sieht, es ist schwer, der Kultur zu entfliehen. Die Endstation der Ugandabahn am See ist KissumuffPort Florence). Es wurde gerade eine Straße zum Hafen hinab in Ordnung gebracht. Eine Walze würde die Arbeit schnell schassen. Statt dessen arbeiten Hunderte von Negern in einer Linie nebeneinander, Schulter an Schul ler, Rücken an Rücken gebückt, einer genau in der Haltung des anderen. Man sieht nur die Schlegel blitzschnell in die Höhe wirbeln und gleich mäßig niedersallen. Von der Seite gesehen, ergibt sich die scheinbar systematische Darstellung von Menschengruppcn auf ägnptischen Reliefs als realistische Wirklichkeit. Sogar eine gewisse Eckigkeit und Gerad linigkeit ber einzelnen Figuren fehlt nicht, und es gehört eine wirkliche Art Studium dazu, Physiognomieunterschiede bei den einzelnen In dividuen heranszufinden. Wieder an hundert Neger schleppen ein rie siges Objekt, eine Kiste mit Material für einen Hausbau, ein Boot oder einen Dampfkessel. Es gibt keine Last, die sie, wenn man sie nach ihrer Art und ohne sic zu treiben, arbeiten läßt, nicht befördern können. In Europa würde man einen Unternehmer, der nach diesem äquatorialen Muster vorgehen wollte, einfach sür oerrückt halten. Denn icin Verfahren wäre viel zu kostspielig, als daß er dabei bestehen könnte. Hier in Afrika spielen Menschen als Arbeitskräfte, wenn es sich um herkömmliche Negerarbeit handelt, keine Rolle. Reichen hundert nicht, o stellt man noch einmal hundert ein. Für ihre Unterkunft braucht nicht gesorgt zu werden; sie schlafen am Weg, und der Reis und das Zuckerrohr, sowie die paar Bananen, von denen sie leben, sind billig. Aur Zeit muß man ihnen lassen, denn die erfordert ihre Art nun ein- mal. Die Methode ist unmodern, aber es ist die, nach der die Pyramiden qcbaut worden find. — Folgen Sie mir auf den Markt von Kissumu. Er liegt ziemlich weitab von dem Orte; auch auf Entfernungen kommt cs hier nicht an; sie rauben ja nur Zeit, und auch die Zeit, die anderwärts Geld ist, hat sür den Neger keinen Wert. Viel Volk ist auf dem Wege dorthin, Männer, Frauen, alles nackt; die Weiber tragen, wenn sie -0 Jahre alt geworden sind, ein minimales Lendentuch, das sie indessen »ur von vorn deckt; die Männer wieder benutzen als einziges Beklei dungsstück ein Messer, das an einer Schnur über den Rücken hänot, und zwar so, daß es an dessen Ende so ziemlich die Mitte hält. An den Armen und am Schienbein findet sich bei beiden Geschlechtern vielleicht Montag 7. Oktober 1907. Erörterungen des Vorstehers des Verbandes Deutscher Handlungs gehilfen Georg Hill er-Leipzig, der für die Privatangestellten und seinen Verband im besonderen der nationalliberalen Partei bankte, daß sie so warm sich der Interessen des neuen Mittelstandes angenommen habe. Die weiteren Ausführungen der sehr beifällig aufgenommenen Rede gipfelten in der Empfehlung einer besonderen Versicherungskasie. Neues zur Sache konnte in der Debatte nicht mehr vorgebracht wer- den, und nach annähernd vierstündiger Dauer sprach der Vizepräsident des Reichstages Paasche das Schlußwort. Der Geist der Einmütig keit habe die Verhandlungen durchzogen. Von Spaltungsgelüsten sei keine Rede. Hoch die Partei. Jubelnd fiel die Versammlung ein. Vor her hatte noch der Parteiveteran Justizrat Gensel-Leipzig der Parteileitung für die musterhafte Geschäftsführung und die große Ar beitslast im Namen der Vertreter gedankt. * * r«e Am Nachmittag folgten zwei Volksversammlungen in dichtbesetzten Sälen, ein Festmahl und ein Gartenfest im Kurhaus, der trefflichsten Stätte dieser immer festlichen Stadt. Man sieht nur frohe Gesichter, trotz der unvermeidlichen Abspannung nach diesen anstrengenden Tagen. In den kurzen Pausen zwischen den offiziellen Veranstaltungen ergehen sich die Vertreter in den herrlichen Anlagen am Kurhaus oder riskieren eine Fahrt auf den die Stadt beschützenden Neroberg, von dem aus man das Weltbad in seiner ganzen Schönheit überblicken und in der Ferne den Rhein blinken sehen kann. Das heißt — nicht immer. Uno am heutigen Sonntag auch nicht recht. Aber Kundige zeigen mit dem Finger hin und versichern bei allen Rebstöcken des Neroberges, es sei so. Nehmen wir also an, es sei io aut wie wahr. Zum Disputieren hat so wieso kein Mensch mehr Lust. Also Schluß für heute. Ausgleich. Von unserem Wiener b'.-Korrespondenten wird uns geschrieben: Baron Beck und Dr. Wekerle haben sich also doch über die Prin zipien des neuen Ausgleichs geeinigt; cs ging schwer, sehr schwer; ein leicht hingeworfencs, in kühner Weise konzipiertes Werk ist der neue Ausgleich nicht; es stellt die Frucht zahlloser Kompromisse dar. Noch lagern die sieben Schleier der Salome über dem genauen Inhalt; doch lägt sich heute bereits Wesen und Art überblicken. Bei den letzten, so eben abgeschlossenen Ausgleichskonfcrenzen hatte die Politik zum ersten Male ein entscheidendes Wort, da die Ungarn alles aufboten, dem politischen Ziele zuzustreben, das da beißt: Selbständigkeit. Für Oesterreich war dies eine bedeutsame Schwierigkeit, da „Los von Ungarn" zwar ein schöner Gedanke .st, mehr als ein Schlagwort, aber internationale Rücksichten und auch die Erwägung, daß ein "oli- tisches Durchschneiden der Fäden, die beide Neichshalften in wirtschall- lichcr Beziehung verknüpfen, denn doch Erschütterungen des wirtschaft lichen Organismus Hervorrufen würde. Es hieß also, in politischer Be ziehung Ungarn einige Zugeständnisse machen und dafür auf wirtschaft lichem Gebiete Zugeständnisse erhalten. Die ungarische Regierung muß, um für das Ausgleichsoperat die Zustimmung des Parlaments zu er halten, ein politisches Bonbon der Unabhängigkeitspartei schenken, die österreichische Regierung muß vor allem auf ökonomische Vorteile sür die österreichische Ncichshälftc Hinweisen können, wenn sie vor dem Par lament erscheint. Die Kabinette Beck und Wekerle sind nun der An schauung, daß sie mit dem neuen Ausgleiche reüssieren werden. Die Frage ist: Ist es das Ei des Kolumbus oder der Versuch, die Quadra tur des Zirkels zu konstruieren? Wie lauten bie Aktivposten Ungarns? Ungarn kann es als einen Erfolg seiner Scparationsbestrebungen, als einen Erfolg seiner 1848er Partei bezeichnen, daß an die Stelle des bisherigen Zoll- und Handels- Bündnisses nun ein Zoll- und Handels -Vertrag tritt. Nicht zwei Reichsbälsten schließen ein Bündnis; zwei Staaten schließen einen Vertrag. Weiter ist die Möglichkeit geschaffen worden, daß in abseh barer Zeit Ungarn eine selbständige Notenbank errichten kann. Das I ist heute ein Danaergeschenk; das ist nur eine politische Arabeske; ein billiger Triumph, das ist eine glänzende Münze, die heute keinen Kurs wert hat. da die internationalen Gcldverhältnisse und die finanziell prekäre Lage Ungarns vor allem auf lange Zeit die beredtesten und M. Jahrgang. stärksten Anwälte für die Erhaltung der gemeinsamen Notenbank auch in Ungarn selbst, auch bei den Chauvinisten der ungarischen Unabhängig keitspartei sein werden. In ökonomischer Beziehung hat Oesterreich eine Erhöhung der Quote erzielt; die Ungarn werden für die gemein samen Ausgaben künftig anstatt 34,4 Proz. um 2 Proz. mehr, also 36 Proz. zahlen, das ist um 4 800 000 Kronen mehr. Auch in der Frage der Eisenbahntarife hat Oesterreich sich die nötige Freiheit verschaff!; es hat nicht zugestanden, daß der Anschluß an Annabcrg durchgeführt wird, es hat zu verhindern gewußt, daß Ungarn eine neue eigene Dur^- bruchsstation ins Ausland erhält. Auch in der Frage der Zuckersurtaxe wurden die österreichischen Interessen gewahrt. In wieweit den anderen Punkten des Ausgleichs ein Erfolg Oesterreichs erzielt wor den ist, diese Frage wird erst bann beantwortet werden können, wenn das ganze Ausgleichsoperat vorliegen wird. Dann werden die Parla mente das entscheidende Wort haben. Der Zustand der Ungewißheit, unter dem Oesterreich nun schon seit 1904 leidet, ist noch nicht endgültig überwunden. Man erinnert sich heute, anläßlich der Vereinbarung der beiden Regierungen eines Wortes, das der Kaiser Heuer im Sommer einer politischen Persönlichkeit gegenüber tat: „Kein Ausgleich wird beide Teile befriedigen, aber der schlechteste Ausgleich ist besser als keiner." Deutsches Reich. Leipzig, 7. Oktober. * Der Kaiserbesuch in Holland. Ter niederländische Minister der äußeren Angelegenheiten, Van Tees van Goudrian. ist von einem Kor respondenten des „Gil Blas" im Haag über den Besuch des Deutschen Kaisers bei der Königin Wilhelmina, interviewt worden. Ter Minister sagte: Ter Besuch Kaiser Wilhelms ist ein reiner Höflichkeitsakt. Wilhelm II. war seit der Hochzeit der Königin Wilhelmina nicht in Holland und wünschte die Königin einmal wiederzusehen, für die er auf richtige Sympathien hegt. Aber seine Reise hat keine politische Trag weite. Die Beziehungen zwischen den Höfen können in einem konstitutio nellen Lande wie Holland ist, keine nationale'Bewegung Hervorrufen und noch weniger die Leitung der politischen Geschäfte beeinflussen. * Personalien. In Posen verlautet, daß nach Vollendung des Residenzschlosses der Kronprinz sein Hoslager in Posen aufschlagen werde und zwar als Kommandant des Regiments Jäger zu Pferde. — Wie die „Münster Zeitung" authentisch erfährt, ist die Nachricht, der kommandierende General des 7. Armeekorps v. Vis sing werde aus seiner Stellung scheiden, unrichtig. Frhr. v. Bissing genießt nach wie vor das vollständige Vertrauen des Kaisers. * Simon Copper. Wie sich die „Köln. Volksztg." aus Südwestafrika schreiben läßt, beendet sich Simon Copper, der Kapitän des Gochas- oder Frsn-mannhottentotten wieder auf dem Kriegspsade. Der Kriegs schauplatz sind unbctretene Gebirgspfabe und zerrissene Bergschluchten. Das Franzmanngebiet gehört außerdem zu einem nicht kleinen Teile der Kalahariwüste an, ein Nmstaud, der die Verfolgung außerordentlich er schwert. Bei Gagamsolei, unmittelbar an der englischen Grenze, etwa in Höhe Geiachab, baute Simon Copper seine Werft auf. Zweimalige Versuche der Truppe Mitte April und Anfang Mai dieses Jahres, ihn dort erneut zu fassen, mußten nach großen Mühen und Anstrengungen ausgegeben werden, da in der Kalahari selbst die Bleis Mützen> voll ständig ausgetrocknet waren und die Tiere nach zweitägigem Wasser mangel versagten und zur Rückkehr zwangen. Die Schutztruppe be schränkte sich in der Folge auf die Defensive und legte längs des West randes der Kalahari befestigte Stationen an. Kamelreiter über nahmen den durch den Wassermangel ungemein erschwerten Patrouillen dienst. Wie nun scheint, hat Copper die Blockade durchbrochen. Nach mehrmonatiger Ruhe soll er wieder zur Offensive übergegangen sein. — Man wird abwarten müssen, ob diese Nachricht ihre amtliche Bestätigung findet. * Der Vorstand des preußischen LtüdletageS wird heute unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Kirschner in Berlin zu einer Sitzung ur- sammentreten, um über eine eventuelle schleunige Einberufung des all gemeinen deutschen Städtetages Beschluß zu fassen. Eine Anzahl von Provinzialstävtetagen hat nämlich den Antrag gestellt, die Frage der Auf hebung res Steuerprivilegs der Beamten, Geistlichen unv Lehrer auf noch einiger Mctallschmuck. Der Markt ist ein durch eine Hecke um friedigtes Viereck; in der Mitte eine der Grundform nach symmetrische offene Halle mit Schilfdach, unter der Nahrungsmittel feilgeboten wer den. Am Eingang hocken die Geldwechsler, einige Nollen mit Kupfer geld vor sich, stumpfsinnig und unbeweglich ihre Schätze bewachend, auf dem Boden. An den Rändern als modernes Element ein paar Inder, die grellbunte Kattune, Weckuhren, Spiegel, Petroleumlampen, alles geringster Qualität, und noch ein paar andere Kinkerlitzchen als die ersten Vorläufer europäischen Komforts feilbietcn. Alte Weiber mit Sämereien und dann eine ganze Reihe von Schmieden. Ihr Eisen haben die Schmiede aus den Erzen des Landes gewonnen. Sie arbeiten mit selbstgebrannter Braunkohle; ihr Amboß sprüht, und ihr Blasebalg faucht in die Glut. Ein Dutzend schwarzer Gestalten hockt in jeder Werkstatt; alle sind an der Arbeit beteiligt. Was sie in primitivster Weise Herstellen, sind eigentümlich geformte kleine Spaten, Lanzenspihen, Eisenstäbe, Hacken und Kuhglocken, jedes einzelne nach derselben, regel- mäßig wiederkehrenden Grundform. Dieser Markt wird, von dem Kram der Inder abgesehen, zu den Tagen Nechos nicht anders gewesen stin. als zu denen Christi oder heute. Tie Leute amüsieren sich sehr über unsere Anwesenheit und unsere Neugierde; daß sie unsere Aufmerksam keit erregen, schmeichelt ihnen sichtlich nicht wenig. Sie lachen und necken sich und machen Witze, die von großem Beifallslärm ausgenommen werben. Kreischend springen sic beiseite, wenn sie photographiert werden sollen; dann drängen sie sich wieder heran, um aus nächster Nähe den Apparat zu besichtigen. Zu bemerken ist. daß die Kawirondos an sich nicht unangenehme, manchmal beinah hübsche Gesichtszüge haben. Ihre Körper sind wun derbar; was daneben auffällt, ist der erstaunliche Einfluß, den ihre Un- beschuhtheit auf Grazie und Leichtigkeit ihres ivanges ausübt. Beide sind von einer Vollkommenheit, wie sie keine Kinderstube, keine Tanz stunde, kein Sport uns beibringt. Ich werde die Gestalt eines jungen Mädchens oder einer jungen Frau von Kawirondo nicht vergessen, die vor uns herging, als ich mit zwei Herren unserer Gesellschaft den oben erwähnten Markt verließ. Freilich, das Benehmen der Schönen war dabei von drastischer Komik. Ihr muskulöses Aussehen und festes Aus schreiten täuschte mich zunächst darüber, daß wir eine Frau vor uns batten: ich mußte darauf aufmerksam aemacbt werden. Aus dem Haupte trug sie eine der uralten Tonsloschen mit Wasser, die im ganzen Orient noch heute im Gebrauch sind; im übrigen war sie unbekleidet. Sie ging schnell dahin mit einer Kraft und Schönheit der Bewegungen, die ihres gleichen suchen. Der Gedanke, daß sie eine Sohle wie Leder haben mußte, kam dabei gar nicht auf. Ihre Figur war ebenmäßig, die Taille, die mit keinem Korsett Bekanntschaft gemacht batte unverkümmert gleich der der Mcdieecrin. Ein anderes Weib hielt sie ans. Nach kurzem Schauri am Wege eilte sie dann an uns vorüber, um die versäumte Zeit wieder einzuholen. Dabei bemerkte sie, daß wir sie beobachteten. Und nun geschah das Komische. Sie fing an, zu kokettieren, zu koket tieren in diesem Zustande, und -war nach uraltem, ewig und allerwärls gleichem Rezept mit Augenklimpern und allen Schikanen. Das Eigen- tümliche dabei war, daß sie sich ihrer Nacktheit offenbar nicht entfernt bewußt war; dagegen schien sie anzunehmen, daß ihr höchst elegant, voll- ständig glatt rasierter Schädel — ein kleiner, hirnarmer Weiberschädel, wie er manchmal auch anderwärts, wenn auch nicht so unvcrhuilt, zu finden ist — unsere Aufmerksamkeit auf sie gezogen habe. Sie suastc ihn wenigstens über ihre schwarze, an Plastik reiche Hintcrseite nach Möglichkeit zur Geltung zu bringen. Als sie uns lachen sah, kam sic zu einem Entschluß. Sic blieb stehen, spuckte, mit Nesvekt zu sagen, zweimal aus, wie ein Farmer aus Kentucky, dann schritt sic auf uns zu und erbat, sang c-eno, ausgestrcckter Hand ein Backschisch! Was ihr denn auch in Gestalt etlicher Kupferanas verabfolgt wurde. Wenn mir in den Sinn kommt, daß das alles Wirklichkeit, daß d:e weite glänzende Wasserfläche, die wir seit Tagen durchfurchen, wirklich der Viktoria Nyassa und daß die lachende Sonne über uns wirklich die gefürchtete Sonne Afrikas sein soll, so glaube ich manchmal au einen Traum. Das klingt banal; indessen ist die Welt hier so nett und freund- lich, so fast ganz ohne das Absonderliche, auf das man im Herzen des schwarzen Erdteils doch schließlich Anspruch hat, daß man an der geo graphischen Tatsächlichkeit unserer Lage in der Tat irre werden kann. Es ist, als wenn man irgendwo zwischen Lübeck und Kopenhagen schwömme; der Dampfer ist hübsch überfüllt, die Wellen Hüpfen, eine kühle Brise liegt auf der See, und es wird pünktlich zu Breakfast. Lunch und Dinner gebeten. Auch an der üblichen L-katgesellschaft fehlt es nicht; die Exzellenzen Dernburg und Nccheuberg haben sich mit Dr. Nathcnau als drittem Mann drin im Nauchsalon zu ihr zusammcngefundcn Nur die schwarzen Matrosen, die mit affenartiger Behendigkeit ihren Dienst versehen, der Adler, der über uns seine Kreise zieht, und das Eilige- borenenkanot, das ab und zu am Horizont über die Szene geht, ent sprechen nicht ganz dem Bild stillen Oitseefriedcns, das die Welt, von unserem Promenadendeck aus gesehen, hier bietet. Ich hatte mir den See anders vorgestellt, als eine Art großen Sumpf, mit viel Schilf, den breiten Blättern riesiger Seerosen auf dem Wasser, mit Krokodilen, Nilpserdgebrüll, brütender Sonne und heißer schwerer Luft. Von all dem ist nicht die Rede; an Krokodilen und Nilpferden fehlt es zwar nicht, doch bekommen wir sie einstweilen nicht zu Gesicht, der See ist frei und offen und das Klimatische so unheimlich sympathisch, daß es hier unter dem Acquator direkt mißtrauisch stimmen muß. Manchmal vermißt man sogar den wärmenden Sommerüberzicher. Ich schreibe diese Zeilen nach dem Lunch und weiß auf Grund der Erfahrung der vorhergegangenen Tage, daß sich gegen Abend die Szenerie ändern wird. Daß wir auf einem nicht hinreichend zivilisier- ten Wasser fahren, zeigt sich an der Sorgfalt, mit der alle Augenblicke gelotet wird. Ter See ist nicht gründlich genug vermessen und bat seine Tücken und Klippen. Bei Nebel und des Nachts wird denn auch die Fahrt unterbrochen. Kommt der Abend und sind wir nicht im Hafen,