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R.s * Gestern früh ereignete sich, wie aus Königsberg gemeldet wird, auf dem Bahnhof Neuendorf ein Eisenbahnunglück. ZwölfPersoncn sind verletzt worden. lS. Neues a. a. D.) * Das holländische Ministerium Heemskerk ist end gültig zustande gekommen. sS. Ausl.) * Die amerikanische Flotte hat die Südspitzc des Fest landes umschifft. * Die französische Kammer beriet gestern die Interpellation IaurLs über den Appell des Sultans an Deutschland. sS. Ausl.) Die Juirglibevalen. Wer den Wunsch hat, neue politische Zeitideen zu studieren, wird bei den Deutsch-Konservativen, dem Zentrum und der offiziellen Sozial- demokratie nicht aus seine Rechnung kommen. Diese drei Gruppen sind in n letzen «ehn Jahren verhältnismäßig starr gewesen. In den maß- gebenden Kreisen der Deutsch-Konservativen und der Sozialdemokraten ist man einem Bedürfnis nach Reform und Aufnchmc neuer Ideen nicht nachoekommcn. Im Zentrum und in ihm nicht ganz fern stehenden religiös-katholischen Kreisen ist freilich zeitweise so viel Leben und Be wegung gewesen, wie kaum in einer liberalen Partei, aber ob dies irgend eine politische Wirkung auf das Zentrum ausüben wird, ist sehr zweifelhaft. Auch die Zuröckdrängung des Zentrums von dem Platze als Ne- gierungsvartei hat nicht zu einer inneren Einlehr oder Wiedergeburt geführt. Dagegen treten vor dem rückschaucnden Blicke um so schärfer drei Gruppen hervor, die in den hinter uns liegenden Jahren neue Ideen von einer gewissen Dauer und Kraft hervorgebracht haben: es sind die Jungliberalen, die noch immer ein parteipolitisches Leben von einiger Selbständigkeit Rührenden Naticnalsozialen und die von der modernen Rassenthcorie und von sozialen Ideen beeinflußten Anti semiten verschiedenen Parteinamens. Von den Antisemiten soll hier nicht die Rede sein. Als Grundideen der Jungliberalen, denen eine gewisse Verwandtschaft mit den National- sozialen esst zugeschrieben worden ist, können, soviel wir sehen, angeführt werden: der Wunsch, enge Füblung mit den Wählermassen zu halten, der Grundsatz, die wirtschaftlichen Interessen der breiten erwerbenden Stände eifrig zu vertreten, der Gedanke, das Volk als Subjekt, nicht nur als Objekt der Gesetzgebung zu seinem Recht kommen zu lassen, der feste Wille, unter Verwerfung der Leisetreterei den liberalen, sozialen, aber auch den natio. nalen Gedanken energisch zu betonen, den Partikularismus, auch den konfessionellen, zu bekämpfen, und Aehnliches. Da der Junglibera- lismus als eine Art Volksbewegung aufgetreten ist, war eS für Fern- stehende nicht ganz leicht, ein unverfälschtes Bild von seinem Streben zu gewinnen. Es ist nicht jedermanns Sache, die Berichte über die jung liberalen Vertretertage und das Organ des Reichsverbandes der Jung- liberalen, das jetzt unter dem Namen „Junglibcrale Blätter" in Köln erscheint, mit heißem Bemühen zu studieren. Aber wer sich diese Mühe nicht machen wollte, hätte mit dem Urteil zurückhalten sollen. So war es kaum zu rechtfertigen, wenn die konservative Presse mit Vorliebe den JungliberoliSmiis als Abfall vom nationalen Gedanken nnd Hinneigung zum wüsten Radikalismus zu charakterisieren suchte. In diesem Punkt scheint jetzt übrigens eine Besserung eintreten zu sollen. Daß die Jugend im allgemeinen dem „modernen" Standpunkte zu- neigt, ist begreiflich und kein besonderes Verdienst. Sie kann die reifsten Ergebnisse der Forschung auf allen Gebieten und auch der politischen und sozialen Urteilsbildung ohne die Mühen deS Suchens in sich auf nehmen. Während die Seelen mancher Aelteren mit der Fülle deS Durchforschten überladen und die Nerven vielfach abgespannt sind, kann die Jugend in voller Frische gleich das letzte Ergebnis fröhlich ergreifen. DaS Auftreten der Jungliberalen ist nach Ort und Landschaft natur gemäß vielfach verschieden. Auch hier zeigen sich die Unterschiede des Temperaments und der Ansichten wie bei den Alten. Während früher, namentlich in der preußischen Schussrage, ein ziemlich scharfer Gegensatz zwischen den Jungliberalen und einigen Führern der nationalliberalen Partei hervorgeireten war, sind augenblicklich schroffe Meinungsunter schiede nicht bemerklich. Ueberhaupt zeigt die nationalliberale Partei heute im allgemeinen in sachlichen Fragen daS Bild weitgehender Einig- keit. Jedenfalls dürsten die Meinungsverschiedenheiten, die früher in wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen sich innerhalb der national liberalen Reichstagsfraktion zeigten, größer gewesen sein. In Organi- sotionSsragen freilich ist die Einigkeit zwischen der nationalliberalen Par- tei und den Jungliberalen noch nicht völlig hergestellt. Es fragt sich nun, ob da« Dasein der Jungliberalen in den Streitig, keiten, die innerhalb deS linken Liberalismus noch nicht erloschen waren und nun wegen de« preußischen Wahlrecht« sich zur Hellen Flamme angesacht haben, irgendwie von versöhnender Bedeutung sein wird. Die Einigung des Liberalismus hatte seit langem unter den Jur.gliberalen warme Fürsprecher. Eigentlich könnten die dissentierendeu Herren, Theodor Barth und Hello v. Verlach, mit der Stellungnahme de« ReichSverbande« der nationalliberalen Jugend zum Wahlrecht wenn nicht zufrieden sein, so doch deS — im linksliberalen Sinne — „guten Willen«", die geheime Dahl und ein möglichst gleiches Wahlrecht zu ge winnen, sich freuen. Aber den Dissentierenden liegt ja offenbar daran, möglichst die Gegensätzlichkeit zu Bülow, zur freisinnigen VollSpartei. überhaupt zur ganzen linksliberalcn FraktionSaemeinscheft zu betonen. La «st denn für die Wertschätzung von Elementen, die eine Brücke nicht nur zur Dienstag 1t. Februar 1908. linkSliberalen Fraktionsgemeinschaft, sondern sogar bis zu den National- liberalen hin schlagen könnten, kaum Stimmung vorhanden. Dir bissen- tierenden Elemente legen üuf die Einigkeit keinen besonderen Wert. Selbst wenn in der preußischen Wahlrechtsfrage eine Verständigung herbeigeführt würde — es würden andere Fragen aufs Tapet gebracht werden, wo sich wieder eine radikale Grupp« abzweigt. Selbst wenn es nicht Barth und Herr v. Gerlach wären, irgendeine radikale Gruppe, die gegen den Block und gegen die Regierung ankämpft, würde wieder er- stehen. Es wird wahrscheinlich immer Politiker geben, die den Libe ralismus und die „demokratische" Gesinnung nur in der Opposition als „echt" anerkennen. Nach ihrer ganzen Vergangenheit werden wahr scheinlich die Jungliberalen sich nicht zu dieser Gruppe schlagen. Da- gegen werden sie Wohl noch einige Zeit als ein Element wirken, das zwischen freisinniger Fraktionsgemeinschaft und Nationalliberalen das Zusammenarbeiten erleichtert. Die Einigung des gesamten Libero- lismus, ohne jede Absplitterung, dürfte gerade in den letzten Tagen als unerfüllbarer Traum erkannt worden sein. Der Riß ist eingetretcn, als man der Einigung näher gekommen zu sein glaubte. Man darf glauben, daß sich jetzt ein doppeltes Maß von Bitterkeit und Erbitterung in den Seelen ansammelt. Altvainsntaner Zelotirinrrs. Von unserem Münchener Korrespondenten. * Der Prozeß der wackeren Freunde Schell«, der Würzburger Professoren Merkle und Riess, der in der ersten Morgenstunde de« Sonntag zu Ende ging, mag dem UltramontaniSmuS in dem Augen blicke, in welchem das Ketzergericht gegen den Münchner Dogmatiker Schnitzer in so schönem Gange ist, doppelt peinlich gekommen sein. Die Verurteilung des leitenden NevatteurS zu einer Geldstrafe von 250 wegen Beleidigung gäbe dazu natürlich keinen An'aß, wenn nicht die eidlich.'» Zeugenaussagen Einhüllungen niederschmetternder Art für die Hintermänner deS edlen Z ntrnmoblatles gebracht hätten. Wer die ultramontane KampseSweise auch nur halbweg« kennt, wer insbesondere weiß, wie die geistlichen Fanatiker, recht häufig au« sehr weltlichen Interessen und Motiven, gegen AmtSbrüecr, denen man wegen ihrer freieren kirchlichen Gesinnung am Zeng flicken kann, mit Denunziation, Verleumdung und sonstigen Mitteln „christlicher Liebe —* am liebsten heimlich arbeiten, wirb sich über die Ergebnisse dieser Zeugen aussagen nicht sonderlich Wundern. Dor 20 Jahren hat man m>t dieser Methode dem unvergeßlichen Erzvitchos Sc'reiber vou Bamb^r^ da» Herz gebrochen. Nicht ander« ist e« Hermann Schell ergangen. WaS alle seine Freunde wußten, ist nunmehr gerichtSkunvig geworden. Der Hausarzt Schells, Dr. Bieling, wie alle Zeugen ein sehr gläubiger Katholik, erklärt, fest davon überzeugt zu sein, daß Schell von seinen Gegnern förmlich zu Tode gehetzt wurde. Auch die Geschichte der Errichtung eines Grabdenkmal« für Schell, daS bekanntlich den unmittelbaren Anlaß zum Commerbriese und zu dem ganzen Feldzuge gegen die Modernisten gab, ipirlt natürlich in der Berbandlung eine wesentliche Rolle. Mehrere M tglieder des Komitees bekundeten, daß diesem der Gedanke an eine Demonstration absolut fern lag. Mit erfiischender Deutlichkeit äußerte sich ZuchtbauS- psarrer Dr. Hennemann, der Testamentsvollstrecker Schells. Der Gedanke für ein Denkmal sei von ihm auSgegangen und er bade auch nicht ein einfache» Grabdenkmal, sondern ern der Bedeutung Schells würrige» Monument gewollt. Bei der Durchführung dieses Planes kümmere er sich um keinen König und um keinen Papst, nicht einmal um den Dompsarrer Braun. Dieser, der geschworene Feind Schells, mußte zugebe», daß er aus dessen Werken die Siellen ausgezogen hat, aus denen die von der Index kongregation beanstandeten zwölf Thesen entstanden sinv. „Vielleicht", habe er diese Thesen auch „mittelbar" der „Germania" mitgeteilt. Diese Veröffentlichung kann aber, wie ebenfalls festgostellt wurde, nur auf Schleichwegen möglich geworden sein: denn sowohl der Bischof von Würzburg wie Schell, die beiden einzigen Beteiligte», halten sich zu unbedingtem Slillichweigen verpflichtet. Auch ein Mstgliev de« Bamberger Domkapitels kam unter die Räder. Der Domkapitular Dr. Se»ger mußte sich al« Verfasser deS unter Anklage stehenden schwer beleidigenden Artikels bekennen. In seiner apostolischen Milde konnte er freilich darin gar nichts Beleidigen« de- erblicken. DaS Gericht war allerdings wesentlich anderer Ansicht. Selbstverständlich seblte auch hier der Abg. Dr. Heim nickt. Er selbst weilt ja zurzeit zur Erholung IM Süden, aber sei» Geist schwebte über den Wasser». Bekanntlich tagte der letzte deutsche Katholikentag in Würzburg. Bei dieser Gelegenheit tam e«, wie im P>o,effe erhoben wurde, im Augustinerverein ldrr katholischen Priffe) zwischen der norvveutlchen und der süddeutschen Zentrumspresse wegen deS Verhaltens in der Sckell-Commer-Affäre zu Differenzen. Da trat al« ckouz or mftokln» Dr. Heim aus, um zu erklären, au« einem Privaibriese Merkle«, den er in Hände» habe, gehe hervor, daß Schell und Merkle« Todfeinde gewesen seien, der letztere verfolge aber mit der Ebruag Schell» ganz andere Zwecke. Ihm, Dr. Heim, fiele dabei der Spruch eine« frivolen Königs ein: „In meinem Reiche kenne ich nur drei Kategorien verworfener Menschen: Schauspieler, Dirnen und Professoren." Dreien Bries sollte Professor Merkle an einen Oberst Heydenreich geschrieben haben. Der aber sagt« auS, daß daran kein wahre« Wort sei, daß er Dr. Heim nicht einmal von Ansehen kenne und daß er — nun kam ein« scbr bittere Pille jür Dr. Heim — e« al« eine Belei digung für eine» bayrischen Offizier erachte, zu insinuieren, er liefere Dr. Heim vertrauliche« Material. Mst seinem Material, io hatte Dr. Heim weiter reunommiert, könne er Professor Merkle ein für allemal vernichten. Ma» scheute sich nämlich nicht, diesem unerlaubte Beziehungen zu einer Hörerin uachzusageo. Auch daS hat sich al- eine erbärmliche üble Nachrede erwiesen. Da« widerliche Bild bedarf keiner besonderen Beleuchtung. Jeder Tbeokoge, der sich nicht dem UltramontaniSmuS beugt, kennt sein Schicksal. Um »o mehr sind aber Mut und UeberzeuguagStreue zu bewundern, wie sie eben wieder Prosiffor Schnitzer bewies. Der Schluß seiner herr lichen Absch edSansprache darf wohl hier folgen: „Wir leben, das dürfen wir un« nickt verheblen, in einer ernsten Zeit: ein ungeheurer religiöser Umschwung bereitet sich vor. Em religiöser Frübl ug braust durch die Lande, in dem. wie e« immer gebt, wilde Stürme mit lindem Sonnenschein und Rosenknospen abveckiela. Wenn ich selbst von die'em Sturme beiükrl werbe, io berührt mich daS wenig; ich hege keine Bitterkeit und leinen Groll gegen jemand. 2ch 102. Jahrgang. hülle mich in den Mantel innerer Ueberzeugung und schreite ruhig meines WezeS weiter. Jeder Professor muß zugleich Konfessor jein; der Kenner ein Bekenner, der zu dem, was er vortragt, auch in der Tat und mit seiner ganzen Perlon steht. Nur so kann er beweisen, daß eS ihm auch wirklich heiliger Ernst ist mit dem, waS er sagt. Wie andere die Sache aufjassen, ob sie mit mir einverstanden sind oder nicht, kümmert mich w-nig. Jeder bat seine eigene Ansicht. Ich habe getan, WaS ich tun zu müssen glaubte." Unterdessen wurde, wie gemeldet, den Theologen auch der Besuch der Vorlesung über Pädagogik verboten. Von einer Kundgebung der Universität hört man leider immer noch nichts! * Professor Schnitzer hat inzwischen noch weiter gezeigt, daß er auf seinem Sianrpunkt beharren will. Dem „B. T." wird aus München gemeldet: Professor Scknitzer wurde in daS erzbitchösliche General vikariat behufs Einvernahme vorgeladen, da gegen ibn das kanonische Verfahren eingeleitet wurde. Schnitzer bat bei seiner Vernehmung nichis zurückgenommen und bleibt auf seinem bisherigen Standpunkt stehen. Avise im englischen Flotten verein? (Von unserem Londoner L.-Korrespondenten.) Wer den Byzantinismus des öffentlichen LebenS in England kennt, kann keinen Augenblick daran zweifeln, daß der Schlag, den Lord Esher der britischen Imperial Maritime League eben versetzt hat, dort ähnlich wirken muß, wie im Falle Keim die Aeußerung der Mißbilligung von feiten des Prinzen Heinrich. Lord Esher war der Vorsitzende der nach ihm benannten Kommission, die nach Schluß des Burenkricgcs den Zustand der Armee untersuchte. Die Arbeiten dieser Kommission liefen in die Forster-Haldanesche Nrmcereform aus und führten zur Errichtung des Reichsver teidigungskomitees, das im Jahre 1903 Sir John FisherS Reformplan für die Flotte annahm, womit deren Konzentration in den heimischen Gewässern verbunden war. Lord Esher gilt in Hofkreisen als ein organisatorisches Genie ersten Ranges. Er erfreut sich der be sonderen Gunst des Königs. Zu den vielerlei Aufgaben, mit denen der König ihn zu betrauen pflegt, gehörte erst kürzlich noch die von ihm vor züglich besorgte Herausgabe der Briefe der Königin Viktoria. Lord Esher ist ein äußerst reservierter Herr. Man kann unmöglich annehmen, daß er vor seinen Aeuherungen über den Flottenverein daS „allerhöchste Belieben" unkonsu'tiert gelassen hätte. Man hat im Gegenteil an-u- nehmen, daß Esher al« Sprachrohr Edwards VII. fungiert. Als Vertreter der Majestät offenbar hatte Lord Esher auch die An- frage der Imperial Maritime League erhalten, ob er in deren Vorstand eintreten wolle. Die Maritime League ist durch Abtrennung aus der Navy League entstanden. Sie stellt deren früheren extremen Flüge! dar. Der Freund des Königs erwidert darauf in einem offenen Brief, was um so auffallender ist, als Lord Esher selbst betont, daß die Anfrage vertraulich war. Es handelt sich also um ein Pronunciamento. Esher lehnt den Eintritt ab. Er erklärt, die Agitation sei auf den Sturz Sir John FisherS gerichtet, des wichtigsten Kollegen des Premierministers. Damit könne er sich nicht assoziieren. Die Agitation sei unberechtigt. Es gäbe vier Staatsmänner, welche First Sea Lords waren, und deren Patriotismus an Großbritanniens Ueberlegenheit zur See nicht rütteln lasse. Keiner halte die Behauptung der Agitatoren, daß die Stärke der Flotte in Verfall gerate, für gerechtfertigt. Esher erklärt dann seine Ueberzeugung, daß die britische Flotte in der richtigen Weise entwickelt werde. Er behauptet dies, indem er folgende, wie ein Blitzlicht die Stimmungen am Hofe Edwards VH. beleuchtende Aeußerungen tut: „Ich habe immer und werde auch in Zukunft immer zu der Partei gehören, velche glaubt, daß daS britische Imperium auf der britischen Flotte schwimmt. Mr. Morley hatte recht, wenn er schon 1893 in Manchester sagte: „Jedermann, Liberale sowohl wie TorieS, weiß, e? ist unerläßlich, daß wir nicht nur eine mächtige, sondern eine allmächtige Flotte haben müssen. Nnd Mr. Stead hat die wahre und gesunde Lösung des Problems in seiner Formel: „Zwei britische Schiffe für jedes deutsche" getroffen." Nur gegen die über treibenden Angriffe der Extremisten auf Sir John Fisher wendet sich also Lord Esher, und gegen die Behauptung, daß Ersparnisrücksichten die gegen wärtige Flottenpolitik beherrschen, nicht aber gegen ein immenses Flotten programm. Dabei erfährt man, daß schon 1899 die Fisberschen Pläne bestanden haben, und daß damals schon das britische See offizierkorps von der Notwendigkeit ihrer Durchführung überzeugt war. DaS „Zweischiffprogramm" ist also nicht durch die deutsche Flotten- Vorlage und nicht erst durch das Scheitern deS Haager Abrüstungs vorschlages hervorgerufen worden, wie Mr. Stead und seine chauvi- nistischen Freunde behaupten. Ja, Fisher setzte 1903 als Kommandant von Portsmouth Lord Esher seine Pläne im einzelnen auseinander, brachte sie für diesen sund den Königs zu Papier, und wurde daraus an dieSpitze der Admiralität berufen. Wenn man alles die« weiß, so berührt der Satz, mit dem Lord Esher seinen ersten Bries beschließt, direkt aggressiv: „Es gibt in Deutschland, vom Kaiser abwärts, nicht einen Mann, der nicht Sir John Fishers Fall willkommen heißen würde. Und aus diesem Grunde allein schon, von allen anderen abgesehen, muß ich Ihre Einladung, in den Vorstand der Maritime League einzutreten, ablehnen." In diesem Zusammenhang ist noch an Fishers Guildhallrede am Tage vor dem Londoner Kaiserbesuch zu erinnern, in der der Admiral den Gedanken verlachte, daß die deutsche Flotte sich mit der englischen messen könnte. Man vergleiche die Kundgebungen des englischen Hofes gegen die Uebertreibungen der Maritime League mit dem höfischen Vorgeben gegen den Flottenverein! Die Lehre braucht nicht gezogen werden. Sie drängt sich von selbst auf. Die Extremisten werden in England zwar zur Ruhe verwiesen. Aber eS wird ihnen gesagt: „Ihr braucht euch nicht zu Heunruhigen. In Wahrheit sind wir noch viel aggressiver, als ihr, und wir waren schon an der Arbeit, als ihr noch sanft schlummertet. Dir haben euer Programm schon zu verwirklichen begonnen, noch eke ihr e« aufstelltet. Die Wünsche eures avanciertesten Publizisten zSteadj erkennen wir als die „wahre und richtig« Lösung" an. Die konservative Presse, immer sehr gelenkig, hat sofort das Signal ausgenommen, und heute wird der liberalen Regierung in Jlottensochen ein einstimmiges Vertrauensvotum erteilt. Denn inzwischen ist ja auch bekanntgeworden, daß nach dem Ausbau d«S Torpedo- und Kreuzerwesens im laufenden Jahre für 1909/10 vier bis fünf große Schlachtschifse aus Stapel gelegt werden sollen, womit dann da» Zweischiffprogramm praktisch wird.